Mein Bildschirmschoner heißt „Ich habe gute Laune!“

Meine Kaffeetasse steht unter dem Vollautomat und ich warte, dass die Bohnen fertig gemahlen mit heißem Wasser das wichtige Morgengetränk bereiten. Während ich warte, kommt mein Chef dazu, wir wechseln ein paar Sätze und kommen auf die am nächsten Tag geplanten Klausurtagung. Einmal im Jahr treffen sich alle ProjektleiterInnen des Stadtteilzentrums Steglitz e.V. um zukunftsweisende Themen zu erarbeiten. In diesem Jahr steht der Tag unter dem Thema „Leiten und Führen!“ Ich beschwere mich ein bisschen, dass meine Motivation bei dem Thema nicht sehr groß ist. In meiner Funktion gehöre ich keinem Team an, leite und führe nicht, sondern bin eher ein Einzelkämpfer. Klar muss ich immer wieder alle MitarbeiterInnen für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit begeistern, aber direkte Personaltätigkeiten habe ich nicht. Der Chef, Thomas Mampel – falls ich es noch nie erwähnt habe – gibt mir zu bedenken, dass ich quasi doch mich selbst leiten und führen muss. Wie es denn mit meiner Selbstmotivation aussieht, was ja auch zu „leiten und führen“ gehört. Sofort und noch während er mir das Thema schmackhaft macht, fängt mein Kopf an zu arbeiten (sogar noch ohne Kaffee). Selbstmotivation ist von Natur aus ein sehr beliebtes Thema, mit dem ich mich oft, bewusst und gerne beschäftige. Der Klausurtag ist in Form eines Barcamps geplant. Jeder kann sein Thema einbringen und versuchen dafür Interessierte zum Austausch zu finden. Mein Thema steht also fest.

Am Klausurtag biete ich dieses Thema an und trotz vieler interessanter, parallel laufender Themen, sitzen wir in einer kleinen Runde und beschäftigen uns mit den Dingen, die uns selber Motor und Antrieb sind. Dabei stellte sich sehr schnell heraus, wie unterschiedlich Selbstmotivation je nach Charakter aufgefasst und genutzt wird. Braucht der eine kleine Rituale, ist es beim anderen die Rückmeldung und beim dritten die Vorstellung eines erreichten Ziels. Das Erledigt-Häkchen war genauso dabei, wie ein Erfolgstagebuch oder Motivation durch Musik. Dem einen Kollegen hilft die Möglichkeit Aufgaben auf das einfachste herunterzubrechen, dem anderen die Freiheit und das Vertrauen seinen Arbeits- und Aufgabenbereich selber zu gestalten. Wir haben wirklich eine Menge Aspekte gefunden, die unsere Selbstmotivation stärken, aber einen gemeinsamen Nenner dafür nicht.

Ich wage zu bezweifeln, dass es einen ausschlaggebenden Aspekt der Selbstmotivation gibt. Je nachdem in welchem Kontext ich mich bewege, müssen jeweils andere Aspekte greifen, die mich in meinem Handeln führen, bestärken und antreiben. Ist es das eine Mal eine positive Vorstellung, kann es ein anderes Mal eine reale Belohnung sein und ein drittes Mal ein erleichtertes Aufatmen. Selbstmotivation spiegelt meine persönliche Haltung und Lebenseinstellung wider und ist eine Fähigkeit, die ich erlernen und pflegen kann. Trainiere ich sie, kann sie treue und sehr effektive Dienste leisten, die mein Handeln in allen Facetten positiv voranbringen. Schon Kinder sollten sehr früh die Möglichkeit und Fähigkeit erlernen, das „Selbst“ zu leben, zu probieren, zu entscheiden und so eigene Erfolge zu erleben. Erlebte Erfolge graben sich tief ins Bewusstsein ein, die künftige Aufgaben beeinflussen. Das „stolz sein“ etwas geschafft zu haben, beflügelt und motiviert im Folgenden.

Im Internet finde ich Seiten voll mit Listen, die alle möglichen Formen der Selbstmotivation anbieten. Motivation durch: erkannten Sinn und Zweck einer Aufgabe, … messbare und realistische Ziele, … machbare Teilaufgaben, … durch Klarheit, … durch Vereinfachung, … Zielvorstellungen, … durch Niederlagen als Lernschritte, … dadurch negative Denkbarrieren abzuschalten, … durch Gefühl, … durch Belohnung, … durch feste Zeitpunkte, … durch bewusste Auszeiten, … durch Druck, … durch kleine Rituale, … durch To-do-Listen, … durch ein Erfolgstagebuch, … durch Verbündete, … durch Rückmeldung, … durch Vorbilder, … durch Weiterentwicklung, … durch Lachen und positives Denken, … durch Energiequellen, … durch Musik, … durch Mut, … durch Kreativität, … selber andere Motivieren. Ganz egal, was gerade als Motivation greift, ist die Selbstmotivation grundsätzlich von dem Willen beeinflusst, etwas erreichen zu wollen.

Mein persönlich stärkster Motivator ist vornehmlich der Optimismus. Sicherlich von manchen hin und wieder belächelt, hilft es mir immer das Gute einer Sache zu betrachten und positive Umstände zu schaffen. Natürlich kann ich auch schlecht gelaunt sein, wütend werden, irgendjemanden so richtig blöde finden, entsetzt sein oder übelst schimpfen. Ich kann meinen inneren Schweinehund in die Hölle wünschen und mich selber dafür verfluchen. In der Regel halte ich es in dem Zustand jedoch nicht lange aus. Über die „Kraft des positiven Denkens“ haben meine Großeltern schon viel geredet und irgendwann ist der Funke auf mich übergegangen. Ich bin von der positiven Selbstsuggestion überzeugt. Mein Denken steuert mein Handeln, was ein bewusster Prozess und eine klare Entscheidung ist. Optimismus und positives Denken hat nichts damit zu tun, sich die Welt schön zu färben, hilft jedoch enorm sich in ihr erfolgreich zu bewegen.

Den Optimismus muss ich natürlich auch trainieren, dies ganz besonders, wenn sich widrige Umstände auftun. Aber ich habe meine kleinen Hilfen: Als Bildschirmschoner steht bei mir der Satz „Ich habe gute Laune!“. Meine Passwörter sind immer ein positiver Satz. Ich gehe an fast keinem Spiegel vorbei, in dem ich mir kein Lächeln schenke (auch wenn ich muffelig bin). Ich liebe Smileys, als Aufkleber oder wenn ich schreibe. Schöne Dinge machen mir gute Laune, was sich z.B. in zahllosen Blumenbildern wiederfindet. Und noch ein paar andere Sachen. Mit Optimismus, positivem Denken, Humor, Offenheit und einer guten Portion Selbstironie ist man, denke ich, recht gut aufgestellt und gut in der Lage sich selbst zu motivieren. Das mit dem Schweinehund trainiere ich noch, immer wieder, mal mehr oder weniger erfolgreich … 😉

Und wenn’s mal nicht klappt mit der Selbstmotivation? Nun, ich habe gelernt, dass man manchen Dingen ihren Lauf lassen muss. Fehlt eine gute Idee, lieber einer anderen Aufgabe zuwenden und später weiter machen. Wenn der Antrieb fehlt, einfach mal akzeptieren, dass ich nicht immer 100 % geben kann (99 % tun es auch 🙂 ). Der Schweinehund hat mal wieder gewonnen? Neue Strategien planen … Das wichtigste mit der Selbstmotivation ist, dass wir ehrlich mit uns selbst sind, sozusagen Experten in eigener Sache – dann klappt es! Bestimmt!

Hühnchen, Möhrchen, Tiger und Co.

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34,4 Millionen Haustiere gab es laut statistika.com im Jahr 2015 in deutschen Haushalten, untergliedert in Katzen, Kleintiere, Hunde, Ziervögel, Gartenteiche, Aquarien und Terrarien. Eine Studie der Uni Göttingen von Prof. Dr. Renate Ohr aus dem Jahr 2014 zum „Wirtschaftsfaktor Heimtierhaltung“ gibt an, dass „Deutschlands Heimtierhaltung insgesamt einen jährlichen Umsatz von über 9,1 Mrd. Euro mit ca. 185.000 – 200.000 Arbeitsplätzen bewirkt“. Enorme Zahlen, die viel Raum für Interpretationen lassen und doch nichts über den wirklichen Wert und die Wirkung eines Haustieres aussagen. Jedes dieser 34,4 Millionen Haustiere ist für seinen Besitzer einzigartig – emotionale Ladestation, Entspannungsfaktor, Quelle persönlicher Liebe und Zuneigung, oft Schutz vor Vereinsamung. Rational ist jedem klar, dass diese Tiere eine kurze Lebenszeit haben, doch wenn sie sich verabschieden ist die Trauer groß. So wie bei uns – wir mussten uns nach 15 Jahren von unserem Tiger trennen. Ich bin eigentlich kein Katzenmensch, Hunde liegen mir eher. An diese Katze denke ich jedoch gerne zurück. Sie hat uns so viele Jahre begleitet und meine Kinder sind mit ihr aufgewachsen. Sie war besonders – dreifarbig, also eine Glückskatze, und hat nach ihren Regeln bei uns gelebt.

Ich selber bin mit Haustieren aufgewachsen. Das erste war eine Schildkröte, Mohammed, die meine Eltern damals noch legal aus Marokko mitgebracht hatten. Da wir oft zelteten, hatte mein Vater ihr ein Loch in den Panzer gebohrt und so konnte sie immer mitkommen, weil eine Nylonschnur das Weglaufen verhinderte. Das zweite Tier war ein Hund, der Boxer XuXu, den wir von Portugal mit nach Deutschland brachten. Ich habe das Bild noch vor Augen, als der Hund das erste mal mit Schnee in Kontakt kam. Der Schnee lag über Nacht einen Meter hoch im unserem Hof und der Hund tobte so sehr darin, dass man nur hin und wieder die spitzen Ohren sah. Der zweite Hund kam mit 9 Monaten in unser Haus, Afra von der Neusiedlung, ein irischer Setter mit dem wir aufwuchsen. Sie sollte als Jagdhund dienen, jagte aber lieber selber als dem Jäger sein Handwerk zu überlassen und wurde Familienhund. Sie wurde 16 Jahre alt und hatte zwei Würfe mit ihrer großen Liebe aus der Nachbarschaft, einem langhaarigen Schäferhund.

Afra musste viele andere Haustiere dulden. Bei uns zuhause mit fünf Kindern waren oft Tiere, die gerettet werden mussten. Die waren natürlich nur kurz da, sofern mein Vater entschied, dass man sie retten konnte – sonst waren sie noch kürzer da. Ich hatte einmal zwei Hamster, an denen ich aber die Lust verlor als mich beide gleichzeitig in beide Daumen bissen. Meinen Daumen brauchte ich noch selber. Bei den Geschwistern blieb der Nymphensittich Hühnchen, die Zebrafinken und Fische in Erinnerung. Der jüngste Bruder kann die Graugans „Gertrud“ im Lebenslauf erwähnen und verzeiht uns bis heute nicht die Witze, die wir mit Kochtöpfen in Bezug zu ihr machten. Und obwohl mein Vater keine Katzen mochte, kam irgendwann doch eine ins Haus. An das schwarz-weiße Flöhchen erinnere ich mich noch, weil sie nichts schöner fand als die nackten Füße eben des Vaters zu jagen.

Später kamen sogar Hühner dazu. Als meine ältere Schwester in Belgien heiratete, schenke unser Onkel ihr einen Schnellkochtopf – lebendes Huhn inklusive. Ein Huhn allein geht aber nicht und da mein Vater wundersamer Weise es nicht übers Herz brachte dieses eine Huhn zu schlachten, zudem ein Hühnerhaus vorhanden war, kauften wir auf dem Sonntagsmarkt in Mons halt sechs Küken dazu. Pech war, dass alle sechs Küken wunderschöne Hähne wurden. Da war wirklich was los im Hof und so konnte nur ein Hahn übrig bleiben. Andere Hühner kam hinzu und meine Mutter konnte immer über einen guten Vorrat an frischen Eiern verfügen.

Wir bekamen also reichlich Erfahrung mit Tieren, einschließlich Jagdtieren. Der Vater war Hobbyjäger und der Ansicht, dass wir Kinder wissen mussten, wie man einem Kaninchen das Fell über die Ohren zieht. Es könnte ja sein, dass wir einmal dadurch überleben mussten. In meinem Fall eine einmalige Erfahrung. Überhaupt mochte ich die erjagten Tiere nicht, da zum einen immer tot und wer zum anderen einmal ein Fasanbeinchen versucht hat zu essen, das mit Bleikugeln gespickt war, den Geschmack daran verliert. Für drei Tage hatten wir zwei Karpfen. Die schwammen in der Badewanne und wurden viel von uns gestreichelt. Nur war irgendwann die Wanne leer und die Karpfen auf dem Tisch – wir Kinder verweigerten. Als wir älter waren stank es irgendwann fürchterlich aus dem Keller. Nach sehr langer Ursachensuche wurde klar, dass Mohammed aus Marokko den Winter nicht überlebt hatte. Sie überwinterte immer im Kohlenkeller und mein Vater hatte dort einen Schrank abgebeizt. Die Dämpfe haben ihr bis dahin langes Leben beendet. Schade, denn sie war schon stattlich groß und hübsch.

Zuhause ausgezogen, versuchte auch ich es kurz mit Zebrafinken. Danach lebte ich viele Jahre ohne Haustier und heiratete einen Mann, der sogar ganz ohne Tiere aufgewachsen war. Das änderte sich erst wieder mit den eigenen Kindern. Die Kleinste hatte Angst vor Tieren überhaupt und war das einzige Kind in der Welt, dem man mit einem Zoobesuch keine Freude machen konnte. Die Tochter aus erster Ehe meines Mannes beschloss künftig ebenso bei uns zu leben und sie war Katzen bei der Mutter gewohnt. So erkämpfte ich gegen den hartnäckigen Widerstand meines Mannes, die Zustimmung für eine Katze – aus psychologischen Gründen natürlich. Aus der ersten einen Katze wurden zwei, denn die Schwester des zugesagten Katers hatte auch noch kein Zuhause. Zwei Katzen sind ja einfacher zu halten als eine. Tiger (dreifarbig) und Puma (schwarz) wohnten von nun an bei uns. Mit den beiden sind meine Kinder aufgewachsen und mit ihnen haben wir wirklich viel erlebt. Die Tierphobie der Kleinsten war schnell überwunden und ich habe immer gestaunt, was ein Tier alles mitmacht, wenn es von kleinen Mädchen als Puppenersatz bespielt wird. Jedenfalls kam es oft vor, dass zur Futterzeit eine Katze ganz lässig mit T-Shirt gekleidet zu mir in die Küche kam.

Meinen Kampf, dass kein Tier in ein Bett gehört habe ich offiziell gewonnen. Inoffiziell möchte ich nicht wissen, wie oft sie in unseren Federn lagen, wenn ich nicht da war. Erwischt habe ich einmal unter weißer Tagesdecke eine schwarze Schwanzspitze und sie dann flitzen sehen. Auch der Gatte gewöhnte sich an die beiden und die tierliebe Nachbarin übernahm immer den Dienst, wenn wir verreisten. Nur die Sache mit den Geschenken der Katzen konnten wir zwischen uns nie befriedigend klären, wollte sich doch bei mir keine Dankbarkeit für tote Mäuse oder Vögel einstellen. Zu den Katzen kam ein Hund. Den hatten wir der Schwiegermutter als Welpe geschenkt und sie liebte ihn sehr. Eddi, der Golden Retriever, schlich sich in unsere Herzen. So sehr meine Schwiegermutter ihn aber auch liebte, vergaß sie, dass man so einen Hund erziehen muss. Eines Tages war er groß, pubertär, der Chef im Haus und nicht mehr zu halten. Weggeben ging nicht – der Kinder wegen und so blieb nur, ihn zu uns zu holen. Die Katzen waren nicht begeistert, der Gatte auch nicht, wobei letzterer ihn ja schon sehr mochte. Die Katzen verpassten ihm rechts-links Kombinationen und machten ziemlich schnell deutlich in welchem Radius sich Eddi um sie herum bewegen durfte.

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Eddi und ich haben im ersten halben Jahr sehr darum gerungen, wer von uns beiden Chef im Haus ist. Nach einem Biss, an dem ich selber Schuld war, waren wir beide Blutsbrüder und ich seit dem sein Chef. Trotzdem haben wir noch weitere zwei Jahre viel Zeit mit dem Hundetrainer verbracht. Nicht, weil der Hund nichts kapierte, sondern weil es Spaß machte. Der Puma musste nach einem Unfall vor ein paar Jahren gehen, was sehr hart für die Kinder war. Tiger und Eddi wurden nun gemeinsam älter, und in den letzten ein/zwei Jahren näherten sie sich sogar an. Bei Gewitter war es durchaus möglich, dass sie beide zusammen lagen und pünktlich um 18.00 Uhr war Zeit für friedliche Koexistenz in der Küche. Tiger fraß, Eddi fraß auch und wartete immer bis die Katze satt war und wegging … um dann nach eventuellen Katzenfutter-Resten zu schauen.

Jetzt musste auch der Tiger gehen. Ein Tumor hat seit Ende besiegelt und da kein Tier unnötig leiden sollte, durfte sie friedlich in unseren Armen bei der Tierärztin einschlafen. Was ich vorher nicht für möglich gehalten hätte: Der Tiger sollte im Garten begraben werden, wo auch der Bruder liegt. Wir nahmen die tote Katze mit nach Hause und ich legte sie auf die Terrasse in einer Decke eingeschlagen. Während mein Mann das Loch grub, kam der Hund und leckte die Katze immer wieder ab um sie aufzuwecken. In dieser Nacht war er nicht dazu zu bewegen ins Haus zu kommen, sondern legte sich neben das Grab und passte bei der Katze auf. Er hatte eine Freundin verloren, was man ihm mehrere Tage anmerkte. Meine Kinder trauerten ebenso, die Große auf ihre Weise, die Jüngere sehr heftig. Auch wir Eltern empfinden eine gewisse Wehmut, können mit den Unabänderlichkeiten der Dinge aber besser umgehen. Natürlich entstand sofort die Diskussion nach einer neuen Katze. Die Kinder sind aber beide in einem Alter, das viel Veränderungen in den nächsten Jahren verspricht. Mein Mann und ich möchten keine Katze mehr … der Hund wird sicherlich nicht der letzte sein.

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Ich bin allen Tieren dankbar, die meinen Weg begleitet haben. Besonders diesen beiden Katzen für das was sie uns, besonders meinen Kindern, gegeben haben. Aber – es sind Tiere, die nicht vermenschlicht werden sollten. Trotzdem sind es fühlende Wesen, die in der Lange sind, Stimmungen des Menschen aufzunehmen, bei Krankheiten helfen, trösten und Lachen erzeugen können. Sie können Kindern Verantwortung beibringen, Selbstbewusstsein schenken, Einsamkeit zunichte machen, können Freund sein, Liebe erwidern und vieles andere mehr. Sie geben uns Menschen echte Gefühle und Zuneigung. Natürlich bezweifele ich, ob der Fisch im Aquarium oder die Echse im Terrarium mir das geben kann, wozu mein Hund in der Lage ist, aber vielleicht verstehe ich nur nicht, wie Fisch und Echse Zuneigung und Treue vermitteln. Ich denke aber, dass jedes dieser 34,4 Millionen Haustiere seine Berechtigung hat und einen Platz in einem Herzen.

Heimat – Heimweh – Hoffnung!

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Als ich mich auf den Weg machte und zur Halle gefahren bin, war ich sehr nachdenklich. Einerseits freute ich mich sehr, dass ich es umsetzen kann. Andererseits war ich nun skeptisch und zweifelte, ob es tatsächlich eine gute Idee war. Eine neue Ausgabe der Stadtteilzeitung war in Vorbereitung und das Leitthema sollte „Heimat“ sein. Deshalb hatte ich überlegt, dass insbesondere die Menschen zu Wort kommen müssten, die ihre Heimat gerade verloren haben. Nun im Auto, so kurz bevor ich die Gelegenheit zum Gespräch bekommen sollte, fiel mir keine gute Anfangsfrage ein. Eine Anfangsfrage, die nicht befürchten ließe, dass die Gefragten gleich in Tränen ausbrechen würden oder ich gar keinen finde, der bereit ist über dieses für Geflüchtete heikle Thema zu sprechen. Die Halle, eine Notunterkunft unter Trägerschaft des Stadtteilzentrums Steglitz e.V., kannte ich sehr gut, weil ich meine Kinder hier oft beim Training beobachtet hatte. Jetzt war ich gespannt, was mich erwartete und musste es auf mich zukommen lassen – nicht ohne Vorbehalte, ob das Ergebnis mich nicht zu sehr erschüttern würde.

Sehr korrekt wurde ich am Eingang von der Security gefragt, was oder zu wem ich wolle und wurde zum richtigen Raum geschickt. Mein Kollege Max Krieger, der Projektleiter der Halle, war noch in einem Gespräch, hatte aber bald Zeit für mich. Ich hatte ihm im Vorfeld gesagt, was ich vor hatte und seine entspannte Art beruhigte mich jetzt doch etwas. Wir machten einen Rundgang durch die Halle, die durch Planen in drei Teilbereiche unterteilt ist. Er zeigte mir die verschiedenen Bereiche, die Essensausgabe, den vorderen Bereich in dem unbegleitete Männer wohnen, den mittleren Bereich für Männer und Frauen und den hinteren Bereich in dem Familien gemeinsam untergebracht sind. In jedem Bereich saßen Männer und Frau zusammen, Gespräche, verschiedene Sprachen und auch viel Lachen war zu hören. Überall standen die „Bettenburgen“ – Doppelbetten, einzeln oder zusammen, mit Decken und Tüchern abgehangen, um so wenigstens ein Minimum an Intimität zu erreichen. Dazwischen überall Menschen an Tischen und Stühlen, die insgesamt das Gefühl vermittelten, dass hier eine gute Stimmung herrscht. Max zeigte mir den eigentlichen Geräteraum, der nun so gut umfunktioniert ist, dass er in eine Kita passen würde. Überall steht sortiertes und aufgeräumtes Spielzeug, gemalte Kinderbilder hängen an den Wänden. Der Raum vermittelt erfolgreich, dass hier sehr auf die kleinen Gäste der Halle geachtet wird.

Als der Rundgang beendet war, grübelte Max, da die Leute, die er sich für ein Gespräch vorgestellt hatte, derzeit nicht in der Halle waren. Ihm fiel jedoch ein, dass wir an einem Tisch vorbeigekommen waren, an dem eine ehrenamtliche Helferin mit einer Familie saß. Dort gingen wir hin und nach einer kurzen Erklärung konnte ich mich dazu setzen. Spielerisch sollte hier etwas Ablenkung verschafft und natürlich auch das deutsche Gespräch geübt werden. Die Helferin hatte einmal einen persischen Freund und konnte dadurch etwas die Sprache sprechen. Zuerst wurde mein Vorhaben erklärt, was sofort auf freundliche Zustimmung stieß. Dann lies ich mir die Familie vorstellen. Bei mir saßen die Mutter Ayeche, die insgesamt acht Kinder hat. Neben ihr die jüngste Tochter Hajar mit 18 Jahren. Ihnen gegenüber saß der 19-jährige Bruder Arvin. Neben Hajar saß ihre Schwägerin Arizuu und der Bruder Firooz. Die Unterhaltung für sich selbst, lässt mich im Nachhinein schmunzeln, hatten wir doch keinen „richtigen“ Dolmetscher bei uns, aber man findet einen Weg. Mit Gesten, Teilen aus Deutsch, Englisch und Farsi, mit Bildwörterbüchern, Heften voll mit Worten in Deutsch und Farsi „erarbeiteten“ wir uns jede Frage und Antwort dazu.

Die Familie kommt aus Afghanistan, aber ein Leben sei dort unter den Taliban nicht mehr möglich gewesen. So sind sie illegal in den Iran geflüchtet. Derzeit leben circa 1 Million offiziell anerkannte und 1,5 bis 2 Millionen illegale afghanische Flüchtlinge im Iran. Auch im Iran konnte die Familie illegal nur unter sehr schweren Bedingungen leben. Es gab keine Arbeit, keine Möglichkeit des Schulbesuchs oder irgendwelche Hoffnungen auf künftig stabile Lebensbedingungen. Hinzu kam, dass der Sohn Firooz die Iranerin Arizuu heiratete. Eine Ehe, die weder im Land Iran noch von Arizuu’s eigener Familie anerkannt wurde. Firooz und seine Familie gehört den Schiiten an, Arizuu zu den Sunniten. Arizuu war vor der Ehe Studentin für Ingenieurwesen Natur und natürliche Ressourcen, was sie aufgeben musste und somit ebenfalls keine Aussicht auf Arbeit hatte. Die Verhältnisse zwangen die Familie auch den Iran zu verlassen und sich auf den langen Weg zu machen. Über die Türkei mit dem Boot nach Griechenland, über den Balkan und Österreich nach Deutschland. Arvin zeigt mir Fotos auf seinem Handy, die die Familie in Verschlägen auf dem Boden schlafend zeigt. Unter freiem Himmel oder Wäldern haben sie geschlafen, 25 Stunden Märsche über Berge mit der alten Mutter hinter sich gebracht, unglaubliche Angst im Boot ausgestanden, weil keiner von ihnen schwimmen kann. Die Menschen, denen sie auf ihrem Weg begegneten, waren in der Mehrzahl freundlich, aber auch sie mussten einen Überfall mit geladenen Waffen und dem Raub ihrer Habseligkeiten ertragen und ebenso die Schikanen von türkischen Polizeimännern erdulden. Es ist kaum vorstellbar, wenn man sich die Karte Europas vor Augen führt, welchen gefahrvollen Weg sie auf sich genommen haben und welcher Zwang dahinter stehen muss, alles aufzugeben, was man bisher hatte oder kannte.

Schließlich traute ich mich doch das Wort Heimat ins Gespräch zu bringen. Sie verstanden mich zuerst nicht, ein Wörterbuch übersetzt das Wort. „Ob sie in die Heimat zurück möchten“, hatte ich gefragt und bekam eher verständnislose Blicke. Arizuu erklärte mir, dass sie und Firooz nur eine Familie werden könnten, wenn sie hier leben dürften, andernfalls könne sie keine Kinder bekommen. Hajar erklärt mir, dass sie unbedingt studieren und Juristin werden möchte. Dazu muss man wissen, dass diese junge Frau, die nie in eine Schule gehen durfte, bestens lesen und schreiben kann. Das hat ihr der Bruder Arvin beigebracht, wenn er nach der Schule nach Hause kam. Arvin möchte schnell die deutsche Sprache lernen, Schulen besuchen und Arzt oder Computerfachmann werden. Firooz möchte unbedingt eine gute Arbeit. Ich verstehe in der Vehemenz mit der sie von ihren Hoffnungen und Plänen erzählen, dass sie ausschließlich eine Zukunft in diesem Land sehen. Das was hinter ihnen liegt, hat kein Heimatgefühl zu bieten, wurden sie dort überall abgelehnt. Ich fragte, ob sie Heimweh haben. Wieder verstanden sie mich nicht. Arvin sah im Wörterbuch nach und sagte laut das Wort in seiner Sprache. Es ist Ayeche, die Mutter, die sofort reagierte. Mit einem heftigen Kopfschütteln machte sie deutlich, dass Heimweh keinen Platz in ihr hat und alle Hoffnung in diesem Land liegen.

Als ich auf meinen Fotoapparat deutete, verschwanden sofort alle drei Frauen in ihrer Bettenburg. Es war klar, dass sie ihre Tücher richten möchten um gut auszusehen, auch die Brüder glätteten die Haare und schon standen alle fünf vor mir. So ein richtiges Lächeln war nicht zu schaffen und das Bild vermittelt nicht ganz die Freundlichkeit, die ich erleben durfte. Ein kleiner Junge im Rollstuhl kam vorbei und wollte auch ein Bild von sich. Ich mache das Foto, zeige es ihm und er probiert sofort, ob mein Fotoapparat „touch“ hat (also das Display interaktiv ist) – er grinste – ist es natürlich nicht. Ich bedankte und verabschiedete mich bei der ganzen Familie mit einem Handschlag. Ayeche drückte meine Hand besonders lange, legt die zweite Hand darüber. Es war, als ob sie mir sagen wollte, dass alles gut wird. Sie schaute mir lange in die Augen mit einem beruhigenden Blick. Ich war berührt.

Als ich mich auf dem Weg nach Hause machte, war ich wieder nachdenklich. Ich habe mich nicht getraut zu fragen, wo der Vater und die anderen Geschwister sind. Ich habe nur an der Oberfläche gekratzt. Wie erschütternd wäre ihre Geschichte, wenn sie alles, mit Dolmetscher, erzählen könnten. Bei all meinen Vorstellungen vor diesem Gespräch, hätte ich mir dieses Ergebnis nicht vorstellen können. Und doch ist es so logisch. Diese Menschen haben alles verloren, waren überall unerwünscht und haben nur noch die Zukunft. Es gibt keine Heimat, keinen Frieden, keine Erinnerungen in die sie zurück können. Es gibt für sie nur das Hier und Jetzt. Der Gedanke, kein Heimweh zu spüren, tut mir persönlich fast körperlich weh. Heimat bekommt in ihrem Sinne eine völlig andere Bedeutung. Es ist nicht der Platz, den ich gewählt habe, den ich kenne, den ich liebe – es ist der Platz, der mich leben lässt, annimmt, so wie ich bin, mich meinen Beitrag zum gemeinschaftlichen Leben leisten lässt. Ich hätte ihnen so gerne Hoffnung gegeben, hätte so gerne gesagt, es wird alles gut, und dass sie hier willkommen sind. Es ging nicht – ich wollte nicht lügen, weil ich nicht weiß, wie sich ihr Aufnahmeverfahren entwickeln wird – und fühle mich nicht gut dabei. Ich möchte meine Heimat so gerne mit diesen Menschen teilen, das fehlende Heimweh mit Zukunft ersetzen!

Leitartikel der Homepage des Stadtteilzentrum Steglitz e.V. vom 15. Februar 2016

Ein Spielzimmer – Platz für kleine Menschen

#steglitzhilft

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Die Nacht vom 9. auf den 10. November 2015 werden engagierte Kolleginnen und Kollegen zusammen mit vielen ehrenamtlichen Helfern nicht so schnell vergessen: Von Heute auf Morgen wurde das Stadtteilzentrum Steglitz e.V., das sich gegenüber dem LaGeSo für diese Aufgabe bereiterklärt hatte, zum Betreiber der Notunterkunft in der Kiriat-Bialik-Halle. Es kam dennoch nicht unverhofft, so dass die gute Vorbereitung auf diese Situation sowie die Erfahrung in der Flüchtlingsarbeit schnell Rechnung trug und die Arbeit, im Sinne der ankommenden Menschen, schnell und sinnvoll aufgenommen werden konnte. Großartig dabei ist immer wieder zu erwähnen, dass die große Bereitschaft ehrenamtlicher Helfer eine ausgesprochene Unterstützung ist, die Steglitz-Zehlendorf als Bezirk auszeichnet.  

Veronika Mampel leitet die Flüchtlingsarbeit innerhalb des Stadtteilzentrums Steglitz e.V. Dazu gehören vielfältige Einsatzbereiche, wie beispielsweise die Unterstützung der Willkommenskultur um das Containerdorf am Ostpreußendamm. Dies ist nicht zu trennen mit den vielfältigen Angeboten für Geflüchtete speziell in den Einrichtungen des Trägers. Angebote, die Geflüchteten außerhalb ihrer Unterkünfte, Abwechslung und Entspannung bringen sollen, ganz besonders aber die Integration dieser Menschen im Bezirk fördern. Erste Erfahrungen mit einer Notunterkunft konnte sie im letzten Winter in der Sporthalle Lippstätter Straße machen, was nun der neuen Notunterkunft zugute kommt. Routiniert und im Bereich der sozialen Arbeit äußerst erfahren, weiß sie um die Erfordernisse und Bedürfnisse der Menschen, die mit solch einer Situation zurechtkommen müssen.

Die kleinen Menschen sind Veronika Mampel immer besonders am Herzen gelegen. So war es absehbar, dass diese Notunterkunft schnell einen eigenen Bereich für Kinder hat. In einem alten Fitnessraum ist nun ein Spielzimmer eingerichtet. Die vielen Sportgeräte mussten an die Wand geschoben werden, da Sie zu schwer sind um sie anderweitig zu lagern. „Wir haben für das Spielzimmer viele Spenden bekommen und es werden täglich mehr.“ freut sich Veronika Mampel. Gemeinsam mit den Kindern wird sortiert und gesichtet, die Spiele entsprechend Alter und Größe in die Regale gelegt. Zwei Frauen fühlen sich für dieses Spielzimmer verantwortlich und sind fleißig dabei, sich täglich mit den Kindern zu beschäftigen. Sie zeigen den Kindern, wie ein Spiel geht, und dass man sich bei „Mensch ärgere Dich nicht“ nicht wirklich ärgern braucht, sondern viel lachen kann. Das Zimmer ist natürlich viel zu klein für alle Kinder. Die kleineren Kinder sind leicht zu begeistern, aber die Großen erwarten mehr. Für sie ist es ein Glück, dass der Sportplatz benutzt werden darf und sie dort Fußball spielen können.

Schon bald werden mit den Kindern und Jugendlichen Ausflüge unternommen, bei denen sie ihr neues Umfeld kennenlernen können. Es ist besonders wichtig, dass sie sich sicher bewegen und wissen, wo sie Freizeitmöglichkeiten und vieles andere finden. So wird die nahe Gemeinde besucht und beispielsweise der JugendKulturBunker, der immer ein besonderes Programm für Jugendliche anbietet. So ergibt sich eins nach dem anderen und für die großen, aber auch für die kleinen Bewohner der Notunterkunft wird gut gesorgt. Auch wenn es turbulent begann: „Wir sind auf einen guten Weg!“ sagt Veronika Mampel.

Wenn Sie diese Arbeit unterstützen möchten finden sie alle Informationen auf der Internetseite www.steglitzhilft.de. Fragen beantworten wir gerne per E-Mail helfen@sz-s.de . Und ganz besonders würde uns freuen, wenn Sie zu Weihnachten spenden möchten und dabei an unsere Flüchtlingsarbeit denken. Herzlichen Dank!

#steglitzhilft
Eine Initiative des Stadtteilzentrum Steglitz e.V.

Spendenkonto:
IBAN: DE69 1005 0000 0190 1717 74
BIC: BELADEBEXXX

Verwendungszweck: Flüchtlingsarbeit

Leitartikel der Homepage des Stadtteilzentrum Steglitz e.V.
30. November 2015

In guten wie in schlechten Tagen

Foto: c2a9drsg98 - fotolia-com

Foto: c2a9drsg98 – fotolia-com

Mit den Kindern das JETZT erleben, ist ihre größte Antriebsfeder im Job. Mit ihnen Sprechen, Lachen und die täglichen Dinge erleben, fasziniert sie immer wieder auf’s neue. Elke Heinrich ist Erzieherin, Kita-Erzieherin, und das schon ziemlich viele Jahre. In „ihrer“ Kita ist sie sozusagen eine Honoration, obwohl sie noch recht jung ist, aber sie war von Anfang an dabei. Als der freie Träger, das Stadtteilzentrum Steglitz e.V., die Kita 1999 übernahm, entstand ihr erste Kontakt und seither hat sie die Entwicklung des sozialen Vereins begleitet. Jetzt zum 20. Geburtstag des Vereins möchte sie ihre eigene Geschichte mit dem Verein erzählen. Möchte damit Danke sagen und erzählen, dass es nicht nur dem Namen nach ein sozialer Verein ist. Deshalb stimmt an dieser Geschichte alles und nur ihr Name nicht. Den haben wir geändert, weil es nicht darauf ankommt, wer sie ist, sondern auf das, was sie zu erzählen hat:

Zwei Vorstellungsgespräche musste sie führen, überzeugte und war damit dabei – im ersten Team der ersten Kindertagesstätte des jungen Vereins. Damals noch eine kleine Kita, genauso im Aufbau wie der ganze Verein. Das erste Team konnte wachsen, sich ausprobieren und mit der Unterstützung und dem Vertrauen der Eltern die Arbeit aufnehmen. Routine konnte sich entwickeln, das Team zusammenwachsen und Handlungsfelder wurden ausprobiert, geändert, angepasst. Es dauerte nicht lange, dass sich die Kita etablierte und sich ein vertrautes Verhältnis zwischen Kindern, Eltern und Erzieherinnen entwickelte. Elke entwickelte Berufserfahrung, dies insbesondere dahingehend, dass kein Tag dem anderen glich. Die Kinder, die ihr in ihrer Gruppe anvertraut waren, brachten jeden Tag auf’s Neue Neugierde und Lust auf’s Leben mit. Jeder Tag wurde für sie eine neue Herausforderung. Sie konnte sich in der guten Atmosphäre des Teams wohlfühlen und hatte Spaß im Beruf. Im Privaten führte sie ein völlig normales Leben. Der Lebensgefährte, Freunde, Verwandte begleiteten sie auch hier und so sehr sie das Private schätzte, freute sie sich doch jeden Morgen erneut auf „ihre“ Kinder, die Kolleginnen und Ereignisse rund um die Arbeit.

Die Idylle ihrer Geschichte änderte sich von heute auf morgen. Die Beziehung zum Lebensgefährten wurde brüchig, doch bevor er endgültig aus ihrem Leben verschwand, hatte er noch so manche Überraschung für sie parat. Eines morgens kam sie wieder zur Arbeit, wo sie die Buchhalterin empfing. In einem Gespräch erfuhr Elke, dass eine Lohnpfändung vorlag und damit ihr Kartenhaus eines intakten Lebens zusammenbrach. Die Puzzleteile setzen sich in Folge langsam zusammen und das ganze Ausmaß ließ Elke schier verzweifeln. Der Lebensgefährte hatte über das Internet einen Kredit auf Elkes Namen abgeschlossen. Völlig unbedacht hatte sie dem Briefträger eine Sendung unterschrieben, unwissend, dass dies die Unterschrift für den Kredit war. Auch ihr Konto war leer geräumt, die Miete für die gemeinsame Wohnung nicht bezahlt, der Lebensgefährte verschwunden. Sämtlicher Halt und Boden unter den Füßen war für Elke verloren. Das Leben in Trümmern und die Aussichtslosigkeit groß.

Sie war nicht allein. In der Folgezeit erlebte sie, was Hilfe bedeutet und welchen Halt man in solch einer Situation erleben kann. Die Buchhalterin ging mit ihr gemeinsam zum Rechtsanwalt, der ihr half die Sachlage nüchtern zu betrachten und erforderliche Schritte einzuleiten. Familie und Freunde gaben ihr Unterschlupf, Unterstützung und Trost. Vereinsleitung und KollegInnen gaben ihr Halt, ließen sie erzählen, weinen und fluchen. Aus einem sozialen Fond bekam sie zur Unterstützung etwas Geld. Alle hatten ein offenes Ohr, alle haben geholfen und waren offen für ihre Anliegen in dieser Zeit. Letztlich blieb nichts anderes übrig, als ihre finanzielle Notlage mit viel Geduld und Zeit zu klären. Sie hatte karge Jahre vor sich und musste Wünsche sehr weit hinten anstellen. Sie ließ den Kopf nicht hängen, so schwer es auch war und nahm gebotene Chancen wahr. Noch heute ist sie dankbar, dass dies für den Arbeitgeber kein Drama, sondern schlicht Selbstverständlichkeit zur Unterstützung war.

Heute sagt sie, dass sie nicht gewusst hätte, was sie in der schweren Zeit ohne ihre Arbeit hätte machen sollen. Elke bekam nie das Gefühl, Scham empfinden zu müssen, sondern fand Verständnis und Hilfe. Darüber hinaus konnte sie sich mit der Arbeit, die sie schon immer liebte, ablenken. Sie erlebte täglich Stunden, in denen sie nicht an die Probleme denken musste, sondern durfte mit Kindern lachen, die ihr zuversichtlich klar machten, das es immer weiter gehen wird.

Trotz der schweren Zeit schafften Freude und KollegInnen es oft, Elke zum Ausgehen zu ermuntern. Eines Abends lernte sie einen Mann kennen, den sie öfter traf und schließlich wurden sie ein Paar. Sie wurden so vertraut, dass der Moment kam, an dem sie dem neuen Mann erzählen musste, was für ein Päckchen sie trug. Statt Ablehnung erlebte sie auch durch ihn uneingeschränkte Unterstützung und Hilfe. Heute ist sie mit diesem Mann verheiratet und hat mit ihm gemeinsam die Zeit der finanziellen Not überstanden. Sie vergisst nie, was sie in dieser Zeit alles erlebt und erfahren hat.

Elke erlebt nach wie vor jeden Arbeitstag mit „ihren“ Kindern. Sie hat immer Spaß, sie zu beobachten – wie sie die Welt entdecken, wie sie Dinge aufnehmen, Schwierigkeiten überwindet, Freude empfinden, Kleinigkeiten wertschätzen, Emotionen ausleben. Sie möchte diesen Kindern das geben, was sie besonders in schweren Jahren selbst bekommen hat: Selbstbewusstsein, bestärkende Begleitung, Optimismus, Verständnis für die individuelle Situation. Heute geht sie gerne wieder nach Hause. Sie weiß, dass dort jemand wartet, mit dem sie alle Hürden nehmen kann. Morgens kommt sie gerne wieder zur Arbeit, freut sich auf die Kinder und die Arbeit. Die Arbeit bei einem Träger, der nicht nur sozial heißt, sondern es auch tatsächlich ist. Mit dem sie in guten wie in schlechten Tagen gemeinsam gehen kann und am Ende doch immer ein wertvoller Mensch sein wird.

Sommer ist überbewertet!

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Nur Motzrüben um mich herum! Neben mir sitzt eine Dame, die permanent an ihrem Rucksack herumfingert. Beim ersten Mal – Rucksack auf den Schoß heben, Schnalle auf machen, Wasserflasche (2 Liter) raus holen, trinken, Wasserflasche wieder rein tun, Schnalle zu machen, Rucksack runter stellen – laut stöhnen! Das zweite Mal: Rucksack wieder hochheben, Schnalle auf machen, Fächer rausholen, Luft zu wedeln, Fächer wieder in den Rucksack legen, Schnalle zu machen, Rucksack runter stellen – laut stöhnen … und dann geht es wieder von vorne los. Ruhig neben ihr sitzen ist unmöglich. Etwas weiter steht eine junge Frau, die theatralisch die Augen verdreht und die Nase rümpft, als sich ein recht großer Mann neben sie stellt. Keine Ahnung warum. Noch etwas weiter ist eine Mutter überfordert, deren Kind permanent ein Eis verlangt und die Trinkflasche, etwa nette 200 ml, ablehnt. Der Rest an Leuten guckt genervt, ausgetrocknet und hohlwangig durch die Gegend. Wir sitzen bei geschätzten 35 Grad in einem Bus. Es ist Sommer in Berlin.

Diesen Sommer haben wir uns alle sehnlichst gewünscht. Aus unterschiedlichen Gründen. Bei näherer Betrachtung und aus verschiedenen Erfahrungen beispielsweise mit oben geschilderten Szenen, stellt sich aber doch die Frage: Warum eigentlich? Die Nachteile gegenüber gemäßigter Jahreszeiten überwiegen bei weitem und trotzdem – jedes Jahr wieder das Gleiche: Ab einer gefühlten Temperatur über 10 Grad fiebert der Durchschnittsmensch dem Sommer entgegen. Geht man ins Detail wird diese Sommerverliebtheit recht unerklärlich. In diesen Breitengraden sind wir eher die Grau-in-Grau-Gewohnheitsmenschen, die – allerdings – nie wirklich mit der entsprechenden Jahreszeit zufrieden sind. Gehen wir ins Detail:

Sonne – ist überbewertet. Glaubt man allen Studien und der Wissenschaft braucht der Mensch Sonne. Vitamin D3 durch die UV-B-Strahlung ist für den Knochenaufbau wichtig. Der Hormonhaushalt, die Ankurbelung des Immunsystems und vieles mehr wird durch den großen Ball am Himmel angekurbelt. Das Wohlbefinden und die Stimmung soll ebenfalls davon abhängig sein. Andernfalls – bei Lichtmangel – wird die Produktion des Schlafhormons Melatonin angekurbelt. Dessen ungeachtet wird immer wieder und besonders immer öfter vor den gefährlichen Strahlen der großen UV-Schleuder gewarnt. Durch sie wird der Hautkrebs gefördert und die Haut wird schneller alt. Für Kinder ist sie besonders gefährlich und die Industrie kann gar nicht schnell genug immer höhere Lichtschutzfaktoren in Sonnencremes erfinden. Wollt ihr einmal Kinder – spart schon mal für Ganzkörperanzüge und Sonnencremes. Für das gute Vitamin D3 gibt es die einfache Lösung – die Pharmazie stellt es uns für einen geringen Kostenaufwand natürlich gerne zur Verfügung. Und das Ding mit der Haut lässt sich ebenso einfach lösen: Wir müssten nur unser Schönheitsideal wieder dezent in frühere Zeit versetzen, in der derjenige als vornehm galt, der eben nicht auf dem Feld (braune Haut) arbeiten musste, sondern sich den Müßiggang in Räumen (beispielsweise Büro) leisten konnte. Weiße Haut ist hipp und betont unseren selbstbewussten und verantwortungsvollen Umgang mit der Gesundheit.

Frischluft – ist überbewertet. Jeder Sommer fördert den Drang des Menschen ins Freie zu gehen. Im Zeitalter der Klimaanlagen unerklärlich und wohl kaum vernünftig. Warum das traute Heim verlassen und sich den Gefahren der Wildbahn stellen nur um Frischluft zu tanken. Fenster aufmachen reicht völlig. Dazu kommt der enorme Aufwand, den sowohl Privatpersonen als auch die Kommunen haben, um Gärten, Parks und Freizeitanlagen sauber und gepflegt zu halten. Steckt man die Stunden, die in Pflanzenpflege und -bewässerung gesteckt werden, einmal in produktive Wirtschaftsprozesse, würde unser Bruttosozialprodukt schon ganz anders aussehen. Wasser, ein knapper Rohstoff auf der Erde, könnte in enormen Mengen gespart werden, ganz zu schweigen von der Ersparnis, die die Überlastung der Wasserwerke kostet. Bedenkenswert sind zudem die enormen Streitigkeiten, die auf unsere Gerichte zukommen, die an Gartenzäunen durch sommerliche Kleingärtnerei entstehen. Lässt der eine den Apfelbaum zu sehr in Nachbars Garten hineinwachsen, der andere erntet aber ab, landet das sehr oft vor dem Gericht. Äpfel im Supermarkt kaufen, Zuhause gemütlich verspeisen und Ruhe bewahren ist Nerven schonender. Also lieber in der Wohnung bleiben. Das schont auch das Leben der hunderttausenden Schnecken, die freudig des Gärtners Pflänzchen vertilgen und unseren Pflaumenkuchen können wir alleine essen, statt ihn mit einem Geschwader Wespen zu teilen. Und wer schläft bei solchen Temperaturen bei geschlossenem Fenster? Keiner – Straßenlärm und Nachbars Gartenparty inbegriffen. Solche Sachen gibt’s in der kühleren Jahreszeit nicht.

Sommerkleidung – ist überbewertet. Jetzt wird’s heikel, denn – seien wir ehrlich – kaum einer verfügt über die Traumfigur, die wir immerzu im Fernsehen und in der Werbung bewundern dürfen. Das indoktrinierte Bild des Idealmenschen gibt es nicht. Und trotzdem – seien wir immer noch ehrlich – stellt sich jeder im Laufe des Vorsommers die Frage, ob auch er eine gute Figur abgibt. Ohne Sommer würde der Diätenwahn auf ein Minimum reduziert werden. Der Mensch würde sich wohler fühlen, denn wir müssten sie ja nicht mehr verstecken: die kleinen Fettpölsterchen, Unebenheiten, Leberflecken, Cellulite oder das Tattoo, welches als jugendliche Torheit entstanden ist. Aber: Es ist nun mal Sommer und unser Auge darf sich über sockentragende Sandalenträger oder schlauchkleidtragende selbstbewusste Damen freuen. Zum Scheitern verurteilt ist die Frage nach der richtigen Kleidung bei 35 Grad, wenn wir ins Büro dürfen, zum Arzt müssen oder sonst irgendwelche wichtigen Termine haben. Kaum zu schaffen, anständig angezogen, ohne durchzuschwitzen, pünktlich zum Termin zu erscheinen. Die bohrende Unsicherheit, ob das Deo (ohne Aluminium bitte) hält und die Gesichtshaut nicht wie eine Speckschwarte glänzt, ist wahrlich fürchterlich. Was die Hitze zudem für Brillen- oder Hörgeräte-Träger bedeutet macht sich auch kaum einer klar. Die Dinger kleben wie verrückt und reizen geradezu lieber blind und taub die hitzestöhnende Umwelt zu erleben.

Urlaub – ist überbewertet. Allein im Vorfeld ist zu überlegen wie viele schlaflose Nächte die Menschen die Sommerurlaubsfrage kostet: Den Arbeitnehmer nach dem „Wann!“ und er sich gegen die KollegInnen durchsetzen muss. Hat er das geschafft, nach dem „Wohin!“ und das schmerzhafte „Wie viel!“ Den Arbeitgeber, weil er gar nicht weiß, wie er die Lücke füllen soll, Motivationseinbußen bei Zurückgebliebenen auffangen und Produktions-Verluste hinnehmen muss. Ehen stehen vor einer enormen Belastungsprobe bei dem „Wohin!“ und an die nölenden Kinder, die nicht zum vierten Mal an den gleichen Ort wollen oder so gar keine Lust auf Kultur- oder Wanderurlaub haben, machen die Sache auch nicht gerade leichter. Und ist es dann endlich so weit, nehmen wir unter dem Deckmantel der „Erholung“ stundenlange Staus, unbefriedigende Hotels, Magenverrenkungen wegen ungewohntem Essen und die völlige Entgleisung unseren gewohnten Lebensrhythmus in kauft. Schweißtreibend auch die Frage, wohin mit den Kindern, denn ist der normale Sommerurlaub drei Wochen lang, hat die Bagage gleich sechs Wochen frei und viel Zeit die Eltern mit „Langweilig!“ und anderem zu nerven. Bleiben wir doch lieber in unseren gewohnten Gleisen. Ein schönes Wochenende dient völlig der Erholung und Entspannung – reicht doch!

Eine Kleinigkeit ist im Sommer jedoch besser – die Leute lachen mehr und es ist vielfältiger … nicht nur in Berlin – überall. Man sieht mehr Menschen, nimmt sie wahr und hört sie. Aber – ist Lachen und Vielfalt nicht auch überbewertet? Die Frage stelle ich mir dann, wenn ich im Winter nach einer langen Busfahrt vollkommen durchgefroren nach Hause komme und an meinen schönen Platz in der Sonne auf der Terrasse denke – dort, wo ich gerade sitze. 🙂

Es ist jedes Jahr das gleiche …

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Es fängt immer ganz unscheinbar an. Um die Weihnachtzeit ist es noch ruhig, weil alle glückselig die Harmonie der Feiertage genießen. Im Januar haben alle den Kopf voll mit Jetzt-wird-alles-anders-und-besser-Plänen und wenn man dann realisiert hat, dass der Alltag ja doch der gleiche wie vorher ist, geht’s langsam und schleichend los … nur noch Motzerei über zu kaltes, zu graues, zu dunkles Wetter. Als ob keiner mehr eine gescheite Jacke, Handschuhe und Schal hat und keiner mehr gemütliches Kerzenlicht zu schätzen weiß. Alle haben vergessen, wie wir letztes Jahr über die Hitze gestöhnt haben und die Sonnenanbeter kommen früher auf den Plan als es überhaupt einen Sinn hat!

Egal wo man ist, schleichen sich in die Gespräche die Sehnsüchte nach schönem Wetter ein. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht über die Wettervorhersage gesprochen wird oder die Wetter-App auf dem Smartphone flehentlich untersucht wird, ob nicht doch ein paar Grad wärmeres Wetter angesagt wird. Die Netzwerke sind voll mit „Winter – wir haben genug von dir!“ Sprüchen und der ein oder andere kramt in alten Fotoalben und postet vergangene Frühjahrsbilder aus dem Vorjahr. Ein Gänseblümchen beispielsweise, das die Gemeinde verzückt liked, als ob alle vergessen haben, wie es aussieht. Und wehe, wenn irgendjemand im Februar (viel zu früh) eine Knospe entdeckt – dann kommen gleich die „Wir haben es bald geschafft“-Jünger und predigen den Jungbrunnen ähnlichen Frühling.

Mal ehrlich. Wenn ich im Winter schlafen will und das heldenhaft natürlich mit offenem Fenster – ist Ruhe. Ein paar Monate später … schlafen, offenes Fenster, vier Uhr morgens – ein netter Piepmatz meint es ist Zeit für sein Morgenlied. Er trällert fröhlich und – hartnäckig – bis sein Kumpel vom nächsten Ast endlich antwortet. Fünf Uhr morgens … die Vogelgemeinde ist wach – und ich auch. Ich nehme mir allmorgendlich vor, endlich eine Packung Oropax zu kaufen, was ich natürlich immer wieder vergesse, oder erwäge ernsthaft unsere Katze auf dem Ast zu domestizieren.

Schuhwerk. Im Winter brauche ich dicke, warme Schuhe – ein oder zwei Paar. Gedeckte Farben, braun oder schwarz, völlig ausreichend. Möglichst wasserabweisend und schon bin ich bestens ausgerüstet. Die Erde ist gefroren und wenn es kalt genug ist gibt’s auch keine Matsche. Tierische Hinterlassenschaften sind leicht erkennbar und so hart, dass es keine Probleme gibt – alles schick. Ein paar Monate später … fängt das Problem schon am Kleiderschrank an und das nicht nur bei den Damen. Die Welt wird bunt und natürlich muss das Kleid/der Anzug zur neuen Sandale oder dem schicken Sneaker passen. Viele Damen beginnen den „Ich habe die glattesten, nackten und längsten Beine“ Wettlauf schon im März, wenn der gemütliche Normalbürger noch überlegt, ob sich die Anschaffung der Naturbaumwoll-Strumpfhose in diesem Jahr noch rentiert. Und mal Hand-aufs-Herz … wer braucht die jährliche Diskussion mit den Kindern, dass im März Flipp-Flopps und bauchfrei noch lange nicht angesagt sind.

Regelmäßig und spätestens im April werden wir sehr nett daran erinnert, dass die nächste Diät in Betracht zu ziehen ist. Natürlich nicht, weil wir zu dick sind, sondern weil die neuste Sommer-Bikinimode viel zu figurbetont geschneidert ist. Wer dem Diätendruck entgehen will hat eigentlich nur die Möglichkeit, sich aus allen Netzwerken abzumelden, Zeitungsläden zu meiden und Gruppierungen von mehr als zwei Personen zu umgehen. Wer das nicht kann, wird unweigerlich mit der neusten Methode konfrontiert, wie man 10 Kilo in drei Tagen verliert. Oder greift freiwillig zur Nulldiät, wenn er eben dieses neuste Bikinimodel in der Ankleidegarderobe im Spiegel von vorne, hinten, rechts und links betrachtet hat – Träger inbegriffen. DAS ist im Winter leichter … eine Hose, ein Pullover (zwei Nummern größer) und ein größenverstellbarer Gürtel … der Kühlschrank darf gefüllt sein. Zudem wird unser Blick in der kalten Jahreszeit von Graue-Socke-tragenden-Sandalenträgern oder 100%-Polyamid-Kittel-Trägerinnen verschont.

Und wer braucht einen Sonnenbrand? Reicht im Winter eine einfache Feuchtigkeitscreme, muss im Sommer teure, mittlerweile mindestens Faktor 50, Sonnencreme gekauft werden. Und nicht nur dies … nachdem wir alle Berichte über sonnenbedingte Hautkrankheiten verdaut haben, kommen die Berichterstattungen über Zecken und Mücken an die Reihe. Die neusten Produkte gegen Juckreiz werden vorgestellt und spätestens im Herbst haben wir wieder festgestellt, dass die gute alte halbe Zwiebel doch das beste Hilfsmittel ist.

… das sollte nun wohl reichen um die Lust auf Frühling/Sommer zu vermiesen, oder? Tut’s aber nicht.

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Zu viel Gartenarbeit, klebriges Eis, zu viele Fahrradfahrer oder überfüllte Wasserflächen – könnte ich auch noch auf’s Korn nehmen. Aber – Ich selber gehöre zu den Ersten, die schon im Januar im Garten Ausschau halten, ob sich ein gelber Winterling (ein Blümchen) aus der Erde drückt. Ich würde eher das Datum meines Geburtstages vergessen als den Frühlingsanfang verpassen. Selbst die Zeitumstellung, die ich eigentlich nicht mag, sehne ich herbei, ist sie doch unweigerlich der Einstieg in die hellere Jahreszeit. Ich freue mich ungemein über die Vogellieder, auf die Geräusche in den Gärten an den langen warmen Sommerabenden, auf die morgendliche Kaffeetasse auf der Terrasse und nerve meine Facebook-Freunde mit Blumenbildern in allen Variationen. Im Sommer habe ich um 18.00 Uhr das Gefühl „Was stelle ich jetzt noch an“, wenn ich zur gleichen Uhrzeit im Winter schon überlege, wo die Bettlektüre liegt. Die Vorfreude auf Sommerfeste, die jetzt schon geplant werden und Spaziergänge ohne dicke Jacke und Schirm, ist da.

Es wird endlich Frühling und Sommer – ich freue mich auf lachende Gesichter. Die Menschen wirken freier, fröhlicher und es hat den Anschein, als dass alle mehr Zeit haben. Parks und Plätze sind belebt und es wird bunt um uns herum. Trockenes Geäst wird mit einem leichten Hauch von grüner Farbe überzogen. Wir brauchen die Sonne um aufzutanken. Die Mückenstiche nehme ich gerne in Kauf und eine Diät mache ich sowieso nicht. Wetter-Apps habe ich, glaube ich, vier auf dem Handy und glaube immer der, die mir das gefälligste gute Wetter vorher sagt.

Es ist jedes Jahr das gleiche mit mir … ich freue mich auf den Frühling.

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Es soll gelacht werden

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Soziale Arbeit zu leisten bedeutet vornehmlich, Menschen bestmöglich in ihrer persönlichen Entfaltung und Entwicklung zu unterstützen. Das dies nicht immer einfach ist, versteht sich auch daraus, dass sich Menschen, die soziale Hilfe wünschen, häufig in einer Konfliktsituation befinden. Das allein wäre jedoch zu oberflächlich, denn soziale Arbeit bedeutet ebenso, Menschen zusammen zu führen und ein gesellschaftliches Miteinander zu fördern. Die Aufgaben in diesem Bereich sind vielfältig, nur eines haben sie in allen Facetten gemeinsam – Menschen unterschiedlichster Art, Alter und Herkunft, treffen aufeinander. Dieses Aufeinandertreffen bestimmt die Arbeit aller Mitarbeitenden des Stadtteilzentrum Steglitz e.V., ein sozialen Träger, der von der Kita bis zum Seniorenzentrum in über 20 Einrichtungen im Bezirk Steglitz-Zehlendorf tätig ist. Die vielen Kinder, Jugendlichen, Besucher, Kursteilnehmer, Ratsuchenden, Mitarbeitenden, die tagtäglich mit diesem Träger in Verbindung stehen, eint besonders eines – es darf nicht nur, es soll sogar gelacht werden.

Dem Lachen wird Vieles nachgesagt und wissenschaftliche Untersuchungen untermauern es: Lachende Mensch kooperieren besser miteinander. Sie haben ein gemeinsames Ventil, das ihnen hilft, besser mit Stress umzugehen und sie widerstandsfähiger bei Belastungen macht. Lachen löst Anspannungen und fördert so kreative Prozesse. Wer zusammen lachen kann, arbeitet auch besser miteinander. Viel einfacher erklärt sich die wohltuende Wirkung des Lachens daraus, dass Lachen Menschlichkeit und Nähe offenbart. Humorvolle Menschen wirken viel sympathischer als Sauertöpfe, sind zugänglicher und leichter anzusprechen. Dumm wäre also derjenige, der die positive Wirkung nicht erkennt und nutzt.

Für den Arbeitsprozess bedeutet das Lachen besonders eins – man darf sich wohlfühlen. Das fängt gleich morgens bei der Begrüßung an. Fühlt sich jemand willkommen, geht er schon mit einem guten Gefühl in den Tag, das alle weiteren Dinge, die da kommen mögen beeinflusst. Das kennt und erkennt jeder. Und auch ein wertschätzender, fröhlicher Abschied kann eine tragende Wirkung in einen erholsamen Abend sein. Zwischen Morgen und Abend verbringen wir meist mehr Zeit mit KollegInnen als mit dem Partner und Familie, weshalb deutlich ist, warum eine gute Atmosphäre, hin und wieder ein freundliches Wort oder ein fröhliches Lachen so wichtig ist. Auf diese Weise kann Lachen, dort wo sich Menschen angenommen fühlen, durchaus bewusst gefördert und eingesetzt werden. Lächeln, Lachen, Humor, Freundlichkeit … tut gut und hält gesund!

Danach gefragt, was Lachen für ihre tägliche Arbeit bedeutet, antworten KollegInnen aus dem Stadtteilzentrum, dass Lachen zu den wichtigsten Bestandteilen der Arbeit gehört. Es macht den Kopf frei, verbindet und gibt Kraft. Eine Kollegin führt an, dass wer lacht, schon ein Problem gelöst hat. Ein anderer sagt, dass es Freude macht und Sorgen vergessen lässt. Es sei wie Medizin, nur ohne Nebenwirkungen. Eine Kollegin aus einer Kindereinrichtung, erzählt, dass die Kinder gerade so gerne kommen, weil viel gelacht wird und Quatsch gemacht werden darf. Die Kinder hatten selbst eine Stellenanzeige für einen neuen Erzieher geschrieben und dem Lachen dabei einen sehr hohen Stellenwert eingeräumt. Ein anderer sagt: „Das Kinderlachen ist für mich etwas Positives, da es Fröhlichkeit, Unbeschwertheit und Leichtigkeit der Kinder ausstrahlt. Ein ehrliches und herzliches Lachen der Kinder zeigt mir, dass sie eine fröhliche Zeit mit mir haben und das ist die schönste Motivation für meine Arbeit.“ Lachen bedeutet, Kontakt, Verbindung und Beziehung mit den Kindern aufzunehmen. Über Humor und Freude erreicht man Kinder und auch Erwachsene anders als sonst in der alltäglichen Kommunikation. Und nicht zuletzt stärkt es das Selbstempfinden, man wächst näher zusammen, festigt Bindungen im Team.

Wo wird gelacht? Überall – ist die einzig mögliche Zusammenfassung aller Antworten der KollegInnen. In Besprechungen, Teamsitzungen, persönlichen Gesprächen, in Spielsituationen, zwischen Kindern, Eltern, KollegInnen, Besuchern, Gästen, Kursteilnehmern … die Liste ist unendlich. Dabei spielt Sprache, Nationalität oder ethnische Merkmale nicht die geringste Rolle. Die Antworten sind so vielfältig, dass der Eindruck entsteht, dass das Lachen durchaus allgegenwärtig ist. Gut so!

Vorausgesetzt, dass nie über jemanden oder aus Schadenfreude gelacht wird. Lachen darf nicht „auf Kosten“ eines Einzelnen gehen und sollte immer ein feines Gespür für den Humor des anderen beinhalten. Lachen ist nicht konfliktfrei. Es funktioniert nur, wenn keiner unterlegen ist. Die Schwelle, über sich selber zu lachen, ist unterschiedlich hoch und komische Situationen können schnell falsch verstanden werden. Ebenso wie es Konflikte lösen kann, kann es auch erst der Auslöser eines Konfliktes werden. Lachen kann ein Ausdruck für Unsicherheit, Anspannung, Nervosität und Ängste sein. Feingefühl ist gefragt, das sich besonders zeigt, wenn es um Lachen mit und über Randgruppen geht. Blondinenwitze, Ostfriesenwitze, Fritzchenwitze … es gibt sogar ein Buch über SozialarbeiterInnenwitze. Der Witz ist der Versuch, den Zuhörer über eine Pointe zum Lachen zu bringen, doch oft hat er ein „Opfer“. Es ist Vorsicht geboten. Selbst Menschen mit Behinderungen witzeln über sich selber, in der Medizin und dem Hospiz wird gewitzelt – oft um der Situation die Schärfe zu nehmen oder als Selbstschutz. Tragikomische Witze sind eher ein hilfloser Ausdruck. Wenn ein demenzkranker Mensch erklärt, er sei doch nicht meschugge? Darf man Lachen?

Die letzte Frage an die KollegInnen war die nach dem schönsten Lachen, dass sie persönlich erlebt hatten. Die Antworten hatten alle eine Verbindung mit Kindern. Kinderlachen ist unbelastet, frei und echt. Es steckt an, erleichtert, macht die Umgebung freundlich. Auch ein kleines Lächeln, dass Zustimmung, Wohlwollen oder Akzeptanz ausdrückt, gehört zu den Favoriten. Kleine Momente, die haften bleiben. Situationen, in denen ein Wort ein Kopfkino auslöste. Das Lachen ist mit der Arbeit nicht zu trennen, denn hinter der Arbeit stehen die KollegInnen, die letztendlich Mensch sind. Der Mensch braucht das Lachen, die kleinen feinen Aufheller, im täglichen Geschehen. Lachen ist soziale Interaktion in höchster Form. Eine Kollegin hat das schönste Lachen, dass sie persönlich erlebt hatte, besonders schön beschrieben – ganz im Sinne des sozialen Trägers: „Es war das letzte, gerade erlebte!“

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Stadtteilzeitung Steglitz-ZehlendorfNr. 186 • April 2015

Zentimeter für Zentimeter …

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Versetzten Sie sich in eine Szene in einem Café. An den Tischen sitzen die Gäste bei Kaffee und Kuchen, unterhalten sich und vertreiben angenehm die Zeit. Einzig auffällig ist ein Hund, der brav neben seiner Besitzerin liegt. Hunde dürften eigentlich nicht hier sein. Sonst gibt es keine Besonderheit. Bis Maria und ihre Begleitung beschließen das Café zu verlassen. In dem Moment schauen alle. Sehen einen normal großen Erwachsenen und eine Frau, die von der Größe her ein Kind sein könnte, aber doch eindeutig erwachsen ist. Verwirrung entsteht in den Köpfen der Betrachter – eine Verwirrung, die Maria jeden Tag erlebt.

Maria gehört zu den geschätzten 100 000 Menschen in Deutschland, die kleinwüchsig sind. Für Kleinwüchsigkeit gibt es verschiedene Ursachen, die genetische, hormonelle und auch psychosoziale Gründe haben kann. In Marias Fall heißt es Achondroplasie. Früher galt die Bezeichnung: Chondrodystrophie (chondros = Knorpel, dystroph = fehlernährt). Personen mit einer Achondroplasie leben mit Einschränkung des Längenwachstums vor allem der Arme und Beine. (Quelle: www.kleinwuchs.de).

Ein bedauerndes Gefühl wäre jetzt fehl am Platz, denn wenn man eines in einer Unterhaltung mit ihr erfährt, dann die Tatsache, wie unauffällig ihr Leben ist. Maria ist verheiratet, geht arbeiten, hat Hobbys und einen Führerschein, trifft sich mit Freunden, ist Vorstandsmitglied im Verein Hunde für Handicaps e.V., engagiert sich in einer Bürgerrunde am Runden Tisch … alles Dinge, die auf jeden anderen Erwachsenen ebenso zutreffen könnten. Nur die paar fehlenden Zentimeter, die machen ihr Leben doch zu einer besonderen Herausforderung. Damit hat sie jedoch gelernt zu leben und zu meistern, was ihr auf ihrem Weg begegnet. Ihre Mutter hat im Säuglingsalter noch vor den Ärzten gemerkt, dass etwas anders war bei diesem Kind und mit der Zeit sollte es sich bestätigen. Dennoch hat die gelernte Krankenschwester Maria nicht in Watte gepackt. Trotz der Diagnose der Ärzte und der Einschätzung, dass sie nie laufen können würde, stand sie im Alter von zwei Jahren und lief in ihr Leben hinein.

Eine besondere Hilfe war ihr dabei der enge Familienverbund und die Selbstverständlichkeit mit der ihre Familie mit ihr umging. Die Mutter erwartete, dass sie alles ausprobiert, was auch die Geschwister machten. Selbst Ski fahren habe sie gelernt, was aber durch eine Operation der Ober- und Unterschenkel nicht mehr möglich war. Mit neun Jahren beschloss die Familie eine Knochenverlängerung der Ober- und Unterschenkelschenkel-Knochen bei Maria durchzuführen. Eine sehr zeitaufwändige Methode, bei der die lebenslange Fähigkeit des Knochens zu wachsen zunutze gemacht wird. Diese Kallusdistraktion, wie das Fachwort heißt, hat Maria vier Jahre lang durchlebt. Eine Zeit in der sie oft im Krankenhaus war, vornehmlich liegen musste und natürlich auch keine Schule besuchen konnte. Das Lernen in den Hauptfächern musste am Krankenbett stattfinden. Das hat ihr 17 Zentimeter in der Höhe gebracht. Später gab es Überlegungen, auch mit den Armen eine Knochenverlängerung durchzuführen. Da sie aber in der Beweglichkeit alles machen kann, hat sie sich doch dagegen entschieden. Sie kam auf eine Schule mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt „körperliche und motorische Entwicklung“, die sie erfolgreich abschließen konnte. Danach, sagt sie, wollte sie nur noch unter „normalen“ Menschen sein und führte ihre Ausbildung auf dem regulären Arbeitsmarkt durch. Auf die Pubertät angesprochen, schleicht sich ein Grinsen in ihr Gesicht ein – Pubertät ist offensichtlich nicht in Zentimetern zu messen. Sie wollte sich in der Zeit nicht mehr mit der Problematik der Behinderungen auseinandersetzen, hat rebelliert, wie jeder andere Jugendlicher auch, um schließlich doch ins Berufs- und Erwachsenenleben zu finden.

Maria sagt selber, dass sie kein Problem mit der „anderen“ oder der sogenannten „genormten“ Welt hat. Natürlich merkt sie, dass Menschen, die sie nicht kennen, Vorbehalte haben oder scheu sind. In dem Fall versucht sie Brücken zu bauen, ins Gespräch zu kommen und ein Anfangsmoment zu schaffen, der es dem Gegenüber leichter macht. Dennoch ist sie lieber im Hintergrund, aber ergänzt, dass es ja völlig normal sei – manche Menschen mögen die erste Reihe, manche halt nicht. Kontaktsituationen ergeben sich immer, wenn sie Hilfe braucht und davon gibt es viele in einer Welt, die auf Normgrößen ausgerichtet ist. Beim Einkaufen ist der Einkaufswagen zu hoch um ihn zu schieben, der Korb um die Ware abzulegen und an der Kasse wieder herauszunehmen jedoch zu tief. Auf Regale mit Waren, die ganz oben abgelegt sind, braucht man eigentlich nicht hinweisen. Stufen sind genormt und – zu hoch, Wege für die kurzen Beine meist zu lang. Oft sind Fahrstühle kaputt und an den Fahrkartenautomat braucht Maria erst gar nicht zu denken. Auch Konzertbesuchen sind eine Schwierigkeit, denn was nutzt eine Vorstellung, wenn sie in den Sitzen versinkt. Und obwohl sie diese Beispiele aufzählt ist ihr keine Verbitterung anzumerken, denn, sagt sie, wem soll man es denn recht machen.

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In ihrer Welt hat sie sich eingerichtet und versucht so normal als möglich zu leben. Mit der Zeit kennt man sehr gut die Läden in denen einem sofort geholfen wird. Man weiß, welche Situationen man vermeiden sollte, kann eigenes Vermögen sehr gut einschätzen und weiß vor allen Dingen an welchen Plätzen man ein strahlendes Lächeln bekommt. Vom Idealbild der Inklusion ist das dennoch weit entfernt. Barrierefreiheit ist und bleibt ein Wort und Zustand der weiterhin in die Köpfe gelangen und in allen Lebensbereichen umgesetzt werden muss. So ist die Arztwahl beispielsweise für Menschen mit Behinderung nicht frei. Arztpraxen können zum Teil wegen der Stufen nicht erreicht werden oder es fehlen besondere Ausbildungen. Die Wahl der Einkaufsläden richtet sich nach der Erreichbarkeit sowie der Begehbarkeit, da muss auf so manches Angebot verzichtet werden. Viele Lebensbereiche schließen sich von vornherein aus, weil sie für Menschen mit Einschränkungen nicht zu bewältigen sind. Sie mag das Wort Inklusion nicht besonders. Es sollte selbstverständlich sein, dass Menschen mit und ohne Einschränkungen füreinander denken und jeder den anderen stützt. Aber auch hier sagt sie wieder, dass dies eigentlich nichts mit Inklusion zu tun hat, sondern grundsätzlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Eine kleine Frage, ob man etwas herunter reichen kann. Eine kleine Trittleiter, die immer im Laden zur Verfügung steht oder ein Tritt der im Café das Sitzen erleichtert. Das sind Dinge, die man leicht ändern kann und die Anerkennung vermitteln. Der selbstverständliche Umgang miteinander hilft allen und lässt das Miteinander im wahrsten Sinne des Wortes wachsen.

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Wir sind wieder im Café zurück, denn da war ja noch eine kleine Frage offen. Der Hund an Marias Seite ist ihre treue Begleiterin Ira. Sie ist eine ausgebildete Behinderten-Begleithündin, Wegbegleiterin, Sozialpartner, Haushaltshilfe, „Kontaktbörse“ und vieles mehr. Seit sieben Jahren hilft Ira alle möglichen Haushaltssituationen zu erleichtern. Sie holt Wäsche aus der Waschmaschine, die in der Trommel zu weit hinten liegt, hebt Schlüssel auf, hilft beim Schuhe ausziehen, sie zeigt an, dass das Telefon klingelt und holt es nach Aufforderung. Hilft bei Dingen, die Maria schwer fallen und die sie aufgrund ihrer Kleinwüchsigkeit und einer Schwerhörigkeit nicht gut kann. Besonders freut sich Maria, dass sie durch den Hund immer Kontakt bekommt. Auch wenn sie hin und wieder erklären muss, warum sie Ira an Orte mitnimmt, wo Hunde eigentlich unerwünscht sind. Einen Menschen im Rollstuhl oder mit dem Langstock würde man erst gar nicht fragen, warum er einen Begleithund braucht. Die Selbstverständlichkeit mit der Maria uns im Café über ihr Leben erzählt ist beeindruckend. Und damit wir gleich mit dem richtigen Eindruck und lachend auseinander gehen, erzählt sie auch noch einen Witz: „Was ist ein Liliputaner mit 10 Kindern? – Ein Fruchtzwerg!“ Hätten Sie sich getraut, Maria diesen Witz zu erzählen? Lachen Sie einfach – denn Lachen ist auch nicht genormt, ob mit oder ohne Einschränkung!

Stadtteilzeitung Steglitz-ZehlendorfNr. 185 • März 2015

„Nur“ ein gelbes Bobbycar

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Es hat eigentlich ganz einfach angefangen: Eine Kollegin fragte in einer Besprechungsrunde, ob irgendwer noch ein ungenutztes Bobbycar im Keller hätte. Sie hätte in ihrer Einrichtung viele Mütter mit kleinen Kindern, denen solch ein Spielzeug nicht zur Verfügung stehen würde und sie es sich auch gar nicht leisten könnten. In dieser Runde konnte jedoch keiner dem Wunsch entsprechen. Ein paar Tage später fragte die Kollegin über ein vereinsinternes Netzwerk aber noch einmal nach. Der Wunsch danach war offensichtlich groß. Also gab’s eine kleine Anfrage in einem großen Netzwerk (das mit F) und innerhalb weniger Stunden meldeten sich zwei Freundinnen und drei Gefährte wurden zur Abholung versprochen.

Ein paar Tage später drehte ich nach der Arbeit eine Runde mit dem Auto und holte das erste Bobbycar ab. Quitschgelb und im einwandfreien Zustand. Die Spenderin sagte nur: „Was gibt es schöneres als ein Kinderlachen und wenn sich darüber noch ein Kind freut, wäre ihr das Dank genug.“ Dann brachte ich das kleine Auto in die Einrichtung. Als ich dort ankam, waren eine ganze Gruppe Mütter dort und auch genau das kleine Mädchen, für das dieses Auto gedacht war. Die Kollegin freute sich unheimlich als sie das Auto sah, zeigte es den Müttern und die Schwester des Mädchens setzte sie auf das Bobbycar. Anfängliche Skepsis zeichnete sich im Gesicht des Kindes ab, wandelte sich ganz schnell in die Erkenntnis, dass es sicher und gemütlich sitzen konnte und in Windeseile hatte das Kind verstanden, wie das Auto zu bewegen war. Das Lachen und die Freude des Kindes und der Erwachsenen war meinen Weg wert. Zufrieden und mit einem Lächeln ging ich wieder zum Auto und fuhr nach Hause.

Es hat mich aber noch eine Weile beschäftigt. Es war so einfach hier eine Freude zu machen und bei mir ein gutes Gefühl zu hinterlassen. Warum machen wir so etwas eigentlich nicht öfters? Wie viele Spielzeuge liegen ungenutzt in Kellern oder sind in irgendwelchen Ablagen in Kartons verstaut? Und warum? Aus Bequemlichkeit, damit sie erst einmal aus dem Weg sind? Aus Nostalgie-Gründen, weil die eigenen Kinder damit ja gespielt hatten. Oder weil vielleicht, eventuell, gegebenenfalls … noch die potentiellen Enkelkinder damit spielen könnten. Oder weil man einfach nicht weiß, wo man es abgeben könnte und es zum Wegschmeißen ja doch zu schade ist.

Wir haben zuhause so gut wie alle Spielzeuge abgegeben. Zum einen, weil die Kinder groß sind und wir einfach keinen Platz haben das alles aufzuheben. Zum anderen, weil ich eh aus einer Familie komme, die Dinge immer dort zur Verfügung stellt, wo sie besser gebraucht werden können. Entsprechend dem Alter der Kinder wurde immer getauscht, verteilt und verschenkt. Das lernt man einfach in großen Familien so. Aber eine große Familie hat nicht jeder und auch nicht das Geld, ständig neues Spielzeug zu kaufen.

Wenn man im Moment durch die Supermärkte läuft, weiß man schon automatisch, was in ein paar Wochen wieder los ist. Die Weihnachtssüßigkeiten stehen seit September in den Regalen, gleich neben den Halloween-Sachen – es lebe der Konsum. Der Handel macht uns freundlicherweise darauf aufmerksam, was wir kaufen sollen und wo unsere Bedürfnisse sind. Das finde ich persönlich übel – Altweibersommer will in meinem Kopf einfach nicht zu Lebkuchen und Spekulatius passen. Aber ich will nicht undankbar sein und freue mich über die rechtzeitige Erinnerung Weihnachtsgeschenke zu besorgen. Klappt nur nie und die Geschenke in letzter Minute stehen bei mir jährlich hoch im Kurs. Gut, darum geht’s mir hier nicht. Der Gedanke Weihnachtsgeschenke besorgen zu müssen, verursacht vielen Eltern schlaflose Nächte. Denn auch wenn sie es gerne täten, können sie es nicht, weil das Geld dafür fehlt. Und so mancher Wunsch, den sie gerne erfüllen würden, muss sich in einem Nichts oder einer halbherzigen Alternative auflösen. Das kennt wohl jeder, der Kinder hat – Millionäre sind eher die wenigsten von uns. Glücklich sei derjenige, der es einigermaßen gut hinbekommt und die Kinder glücklich machen kann, ohne das Dispo in eine schwere Krise zu stürzen.

Und mit den Weihnachtssüßigkeiten kommen auch bald die Spendenaktionen, die für gute Zwecke sammeln und werben, was das Zeug hält. Im Fernsehen, im Radio, mit der Post … Möglichkeiten und Angebote gibt es unzählige. Man kann überall spenden und sich selber ein gutes Gefühl vermitteln. Ich habe schon oft gehört, dass mir Leute sagten, sie spenden jedes Jahr an die gleiche Organisation. Dann hätten sie etwas getan, könnten bei den anderen absagen „Ich habe ja schon …“ und das gute Gewissen ist für ein Jahr ruhig. Es ist richtig und wichtig, dass gespendet und geholfen wird, ganz ohne Zweifel. Was ich schade dabei finde ist, dass man eben im Fernsehen, im Radio und in der Post nur die großen Organisationen findet, die sich den Werbeaufwand leisten können. Die kleinen Projekte, Vereine und Einrichtungen können das nicht, weder personell noch finanziell.

Wenn ich mich – unabhängig davon, dass ich für einen sozialen Träger arbeite – in meinem unmittelbaren Wohnumfeld umsehe, fallen mir sofort mehrere Möglichkeiten ein, wo man helfen kann. Nur ist das nicht ganz so bequem, wie ein Überweisungsformular auszufüllen. Man muss einmal hingehen und fragen, was gebraucht wird – schauen, ob man’s verwirklichen kann und noch einmal hingehen um es zu bringen. Ich bin mir sehr sicher, dass so gut wie jeder in seiner Nähe eine Möglichkeit findet, bei kleinen Einrichtungen zu helfen und zu spenden. Es müssen nicht die großen sein. Die kleinen Sachen, gleich um die Ecke, brauchen es meistens viel mehr als große Organisationen, nur muss ich dann auf eine glamouröse Fernsehgala verzichten. Gewinnen tue ich dabei allerdings den Dank der Menschen, die versuchen mit ihrer Arbeit mein Umfeld ein bisschen besser zu machen. Vielleicht den Dank einer Mutter, die sonst kein Geschenk fürs Kind hätte. Sicherlich den Dank der Menschen, deren Arbeit mit ihrer Spende unterstützt wird.

Der Blick in den eigenen Keller lohnt sich sicherlich einmal. Vielleicht finden man ja Sachen, die woanders besser aufgehoben wären und anderen Freude machen. Nicht verkehrt ist es in jedem Fall, sich jetzt schon Gedanken zu machen, ob man in der Weihnachtszeit helfen kann und wie man es machen möchte. Ob es wirklich die großen Spendenaktionen sein müssen oder ob sich nicht ganz in der Nähe etwas anbietet, was die ganze Aufmerksamkeit wert wäre.

Ich werde in den nächsten Tagen noch die beiden anderen Autos abholen und an den versprochenen Platz bringen. Und dann mache ich mir meine Gedanken, wo ich selber einen sinnvollen und guten Beitrag in der Weihnachtszeit leisten kann. Oder noch besser – wo ich auch zwischendurch mal, zum Beispiel bei der Vermittlung eines Bobbycars, helfen kann.

Ich bedanke mich herzlich bei Feza Guschke und Dorothée Wiese für die Bobbycars und den Trecker
– damit habt ihr den Kindern im „kieztreff“ eine große Freude gemacht!