Es soll gelacht werden

annaschmidt-berlin.com_lachen-im-szs

Soziale Arbeit zu leisten bedeutet vornehmlich, Menschen bestmöglich in ihrer persönlichen Entfaltung und Entwicklung zu unterstützen. Das dies nicht immer einfach ist, versteht sich auch daraus, dass sich Menschen, die soziale Hilfe wünschen, häufig in einer Konfliktsituation befinden. Das allein wäre jedoch zu oberflächlich, denn soziale Arbeit bedeutet ebenso, Menschen zusammen zu führen und ein gesellschaftliches Miteinander zu fördern. Die Aufgaben in diesem Bereich sind vielfältig, nur eines haben sie in allen Facetten gemeinsam – Menschen unterschiedlichster Art, Alter und Herkunft, treffen aufeinander. Dieses Aufeinandertreffen bestimmt die Arbeit aller Mitarbeitenden des Stadtteilzentrum Steglitz e.V., ein sozialen Träger, der von der Kita bis zum Seniorenzentrum in über 20 Einrichtungen im Bezirk Steglitz-Zehlendorf tätig ist. Die vielen Kinder, Jugendlichen, Besucher, Kursteilnehmer, Ratsuchenden, Mitarbeitenden, die tagtäglich mit diesem Träger in Verbindung stehen, eint besonders eines – es darf nicht nur, es soll sogar gelacht werden.

Dem Lachen wird Vieles nachgesagt und wissenschaftliche Untersuchungen untermauern es: Lachende Mensch kooperieren besser miteinander. Sie haben ein gemeinsames Ventil, das ihnen hilft, besser mit Stress umzugehen und sie widerstandsfähiger bei Belastungen macht. Lachen löst Anspannungen und fördert so kreative Prozesse. Wer zusammen lachen kann, arbeitet auch besser miteinander. Viel einfacher erklärt sich die wohltuende Wirkung des Lachens daraus, dass Lachen Menschlichkeit und Nähe offenbart. Humorvolle Menschen wirken viel sympathischer als Sauertöpfe, sind zugänglicher und leichter anzusprechen. Dumm wäre also derjenige, der die positive Wirkung nicht erkennt und nutzt.

Für den Arbeitsprozess bedeutet das Lachen besonders eins – man darf sich wohlfühlen. Das fängt gleich morgens bei der Begrüßung an. Fühlt sich jemand willkommen, geht er schon mit einem guten Gefühl in den Tag, das alle weiteren Dinge, die da kommen mögen beeinflusst. Das kennt und erkennt jeder. Und auch ein wertschätzender, fröhlicher Abschied kann eine tragende Wirkung in einen erholsamen Abend sein. Zwischen Morgen und Abend verbringen wir meist mehr Zeit mit KollegInnen als mit dem Partner und Familie, weshalb deutlich ist, warum eine gute Atmosphäre, hin und wieder ein freundliches Wort oder ein fröhliches Lachen so wichtig ist. Auf diese Weise kann Lachen, dort wo sich Menschen angenommen fühlen, durchaus bewusst gefördert und eingesetzt werden. Lächeln, Lachen, Humor, Freundlichkeit … tut gut und hält gesund!

Danach gefragt, was Lachen für ihre tägliche Arbeit bedeutet, antworten KollegInnen aus dem Stadtteilzentrum, dass Lachen zu den wichtigsten Bestandteilen der Arbeit gehört. Es macht den Kopf frei, verbindet und gibt Kraft. Eine Kollegin führt an, dass wer lacht, schon ein Problem gelöst hat. Ein anderer sagt, dass es Freude macht und Sorgen vergessen lässt. Es sei wie Medizin, nur ohne Nebenwirkungen. Eine Kollegin aus einer Kindereinrichtung, erzählt, dass die Kinder gerade so gerne kommen, weil viel gelacht wird und Quatsch gemacht werden darf. Die Kinder hatten selbst eine Stellenanzeige für einen neuen Erzieher geschrieben und dem Lachen dabei einen sehr hohen Stellenwert eingeräumt. Ein anderer sagt: „Das Kinderlachen ist für mich etwas Positives, da es Fröhlichkeit, Unbeschwertheit und Leichtigkeit der Kinder ausstrahlt. Ein ehrliches und herzliches Lachen der Kinder zeigt mir, dass sie eine fröhliche Zeit mit mir haben und das ist die schönste Motivation für meine Arbeit.“ Lachen bedeutet, Kontakt, Verbindung und Beziehung mit den Kindern aufzunehmen. Über Humor und Freude erreicht man Kinder und auch Erwachsene anders als sonst in der alltäglichen Kommunikation. Und nicht zuletzt stärkt es das Selbstempfinden, man wächst näher zusammen, festigt Bindungen im Team.

Wo wird gelacht? Überall – ist die einzig mögliche Zusammenfassung aller Antworten der KollegInnen. In Besprechungen, Teamsitzungen, persönlichen Gesprächen, in Spielsituationen, zwischen Kindern, Eltern, KollegInnen, Besuchern, Gästen, Kursteilnehmern … die Liste ist unendlich. Dabei spielt Sprache, Nationalität oder ethnische Merkmale nicht die geringste Rolle. Die Antworten sind so vielfältig, dass der Eindruck entsteht, dass das Lachen durchaus allgegenwärtig ist. Gut so!

Vorausgesetzt, dass nie über jemanden oder aus Schadenfreude gelacht wird. Lachen darf nicht „auf Kosten“ eines Einzelnen gehen und sollte immer ein feines Gespür für den Humor des anderen beinhalten. Lachen ist nicht konfliktfrei. Es funktioniert nur, wenn keiner unterlegen ist. Die Schwelle, über sich selber zu lachen, ist unterschiedlich hoch und komische Situationen können schnell falsch verstanden werden. Ebenso wie es Konflikte lösen kann, kann es auch erst der Auslöser eines Konfliktes werden. Lachen kann ein Ausdruck für Unsicherheit, Anspannung, Nervosität und Ängste sein. Feingefühl ist gefragt, das sich besonders zeigt, wenn es um Lachen mit und über Randgruppen geht. Blondinenwitze, Ostfriesenwitze, Fritzchenwitze … es gibt sogar ein Buch über SozialarbeiterInnenwitze. Der Witz ist der Versuch, den Zuhörer über eine Pointe zum Lachen zu bringen, doch oft hat er ein „Opfer“. Es ist Vorsicht geboten. Selbst Menschen mit Behinderungen witzeln über sich selber, in der Medizin und dem Hospiz wird gewitzelt – oft um der Situation die Schärfe zu nehmen oder als Selbstschutz. Tragikomische Witze sind eher ein hilfloser Ausdruck. Wenn ein demenzkranker Mensch erklärt, er sei doch nicht meschugge? Darf man Lachen?

Die letzte Frage an die KollegInnen war die nach dem schönsten Lachen, dass sie persönlich erlebt hatten. Die Antworten hatten alle eine Verbindung mit Kindern. Kinderlachen ist unbelastet, frei und echt. Es steckt an, erleichtert, macht die Umgebung freundlich. Auch ein kleines Lächeln, dass Zustimmung, Wohlwollen oder Akzeptanz ausdrückt, gehört zu den Favoriten. Kleine Momente, die haften bleiben. Situationen, in denen ein Wort ein Kopfkino auslöste. Das Lachen ist mit der Arbeit nicht zu trennen, denn hinter der Arbeit stehen die KollegInnen, die letztendlich Mensch sind. Der Mensch braucht das Lachen, die kleinen feinen Aufheller, im täglichen Geschehen. Lachen ist soziale Interaktion in höchster Form. Eine Kollegin hat das schönste Lachen, dass sie persönlich erlebt hatte, besonders schön beschrieben – ganz im Sinne des sozialen Trägers: „Es war das letzte, gerade erlebte!“

zeit0415

Stadtteilzeitung Steglitz-ZehlendorfNr. 186 • April 2015