Vom Geflüchteten zum Helfer für Geflüchtete

Der junge Mann stürmt in mein Büro und füllt innerhalb von Sekunden den ganzen Raum mit seiner Energie. Wir kommen schnell ins Gespräch, in dem wir uns darüber austauschen, was eine positive Ausstrahlung alles bewirken kann. Wir klären ein paar arbeitstechnische Dinge und schon ist er wieder weg. Ich bleibe etwas erstaunt alleine im Büro sitzen, denn ich weiß in Ansätzen, was er in den letzten Jahren hinter sich gebracht hat. Trotzdem hinterlässt mein neuer junge Kollege ein gutes und optimistisches Gefühl bei mir und ich glaube, dass er für seinen Job genau der Richtige ist. Haydarah’s Arbeitsbereich ist die unterstützende Tätigkeit in der Nachbarschaftsarbeit, speziell im Hinblick auf geflüchtete Menschen. Er war selber einer von ihnen und hilft nun bei dem, was ihm selber gelungen ist – der Integration.

Wir treffen uns ein weiteres Mal. Ich möchte es genauer wissen. „Wie ich nach Deutschland gekommen bin? Ganz normal. Wie alle anderen Flüchtlinge mit dem Flugzeug, Bus, Boot, zu Fuß, Zug, etc. … Aber die richtige Herausforderung begann hier in Deutschland, die neue Kultur, Gesellschaft, Sprache, Lebensart … aber mit der Zeit und einiger Mühe wurde alles einfacher.“ sagt er. – Moment. Ich bleibe hartnäckig. So normal kann das nicht gewesen sein bevor das mit der Gesellschaft und Kultur begann. Und dann erzählt er doch von seinem langen Weg hierher. Haydarah ist Syrer und lebte mit seiner Familie in Damaskus. Mit 18 Jahren hätte er zum Militärdienst gemusst und so wurde seine Flucht die einzige Alternative zum Krieg. Die Flucht kostete sehr viel Geld, was zur Folge hatte, dass er sie ohne Begleitung alleine bewältigen musste. Über den Libanon, die Türkei, Griechenland, Makedonien, Serbien, Ungarn und Österreich kam er nach Deutschland, wo er über München nach Berlin kam. Heute sagt er, dass er so eine Flucht nicht noch einmal machen würde. Die meiste Zeit war er auf sich gestellt, erst ab Serbien fand er zwei weitere Männer mit denen er weiterreisen konnte. Die schlimmste Erinnerung hat er an das Boot, dass sie von der Türkei nach Griechenland brachte. Sie mussten stundenlang bewacht darin sitzend aushalten ohne zu wissen, wie es weiter geht.

Ende August 2015 kam er am Ziel an und zum Glück sagten ihm ein paar Leute, wo er die erste Nacht schlafen konnte. Gleich mit dem zweiten Tag begannen seine Erfahrungen mit dem LaGeSo*, das damals wegen der langen Menschenschlangen in aller Munde war. Auch an diesem Tag standen so viele Geflüchtete an, dass er keinen Termin bekommen konnte. Umsonst gewartet und kein Schlafplatz in Sicht. Wieder hatte er Glück und bekam von den Beamten die Adresse vom KiJuNa – Kinder-, Jugend- und Nachbarschaftszentrum im Süden Berlins. Dort kam er mit 14 anderen jungen Männern an, wo sie von Veronika Mampel empfangen wurden. Zwei Nächte konnten sie dort bleiben, dann mussten sie erneut zum LaGeSo. Von den 15 Männern konnten drei in Berlin bleiben und die bekamen Hoteltickets für 50 Tage. So sehr sie auch suchten – kein Hotel nahm sie auf. Sie riefen wieder Veronika Mampel an, die ihnen erlaubte vorerst in einer Einrichtung des Stadtteilzentrum Steglitz e.V. unterzukommen. Auch sie suchte im Folgenden Unterkünfte für die drei jungen Männern, blieb jedoch ebenso erfolglos.

In dieser Zeit standen sie viele Stunden vor dem LaGeSo an. Wenn sie keinen Termin hatten, gingen sie ins KiJuNa um sich die Zeit zu vertreiben. Haydarah erzählt, dass er sich schnell gelangweilt hätte. Im KiJuNa hätte er aber Benni kennengelernt, der dort arbeitete. Mit ihm verstand er sich gut, mit ihm konnte er viel Lachen und fand einen geduldigen Gesprächspartner bei seinen ersten Versuchen sich in Deutsch auszudrücken. Es war ihm von Anfang an klar: Wollte er in diesem Land Fuß fassen, musste er die Sprache so schnell als möglich lernen. Der Kontakt mit Benni brachte ihn zudem auf die Idee Veronika Mampel zu fragen, ob er und seine Mitbewohner nicht ehrenamtlich in KiJuNa helfen könnten. Veronika Mampel leitet die nachbarschaftsübergreifende Arbeit, koordiniert Ehrenamt und Flüchtlingsarbeit des freien sozialen Trägers und hatte so die Möglichkeit eine ehrenamtliche Beschäftigung für die jungen Männer zu finden. Darüber hinaus bekamen die Drei neben der Beschäftigung Kontakt zu Einheimischen und die Möglichkeit ihre Deutschkenntnisse zu erweitern. Parallel besuchten sie Deutschkurse, die im KiJuNa angeboten wurden.

Nach drei/vier Monaten hatte Haydarah es geschafft: Er bekam die Aufenthaltsgenehmigung und damit die Arbeitserlaubnis in Deutschland. Und schließlich gelang V. Mampel, was tatsächlich sehr schwer ist – sie fand eine Wohnung in die Haydarah alleine einziehen konnte. Dieser ganze Prozess war begleitet von Papieren, die ausgefüllt werden mussten. „Vielen Papieren“, sagt Haydarah, und das ist der einzige Punkt in unserem Gespräch, an dem er etwas klagt. Deutschland, deine Formulare. Die Arbeitserlaubnis ermöglichte einen Job als Küchenhilfe und ein Praktikum in einer Unternehmensberatung. Ausbildung war ebenfalls ein gefasster Plan, der sich aber nicht umsetzen ließ. Nach bestandenem B2 Sprachlehrgang hatte er gerade den C1 Lehrgang begonnen, als wieder Veronika Mampel auf ihn zukam und ihm eine Arbeitsstelle im Stadtteilzentrum anbot.

Ich frage ihn, wo er sich selbst in 10 Jahren sieht. Er lacht mich an und sagt, dass es immer anders kommt als man es plant. Das sei eine seiner großen Erfahrungen der letzten Jahre. In Syrien hatte er nach dem Abitur Wirtschaft und Informatik studiert, aber macht heute etwas ganz anderes. Er lässt es auf sich zukommen, würde aber gerne hier in Deutschland bleiben. Als ich ihn frage, woher er seine positive Ausstrahlung hat, antwortet er, dass er das tatsächlich hier erst gelernt hätte. Wenn man drei Monate täglich 12 Stunden warten muss, lernt man Geduld zu haben und gerade in dieser Zeit hätte er sehr viel darüber gelesen, wie man Emotionen und Gefühle in Griff bekommt. Früher sei er viel aggressiver aufgetreten um Stärke zu zeigen. Es hat sich für ihn aber gezeigt, dass er nichts erreicht, wenn er unangenehm oder fordernd auf andere zugeht. Mit einem Lächeln geht es leichter.

Ich habe meinen jungen Kollegen weitere Male im Rahmen der Arbeit getroffen. Dabei hat er immer gelacht und ist auch für jeden Spaß zu haben. Ich gebe mir dabei keine Mühe für ihn verständlich zu sprechen. Er lacht, wenn er etwas falsch ausspricht, lässt aber keine Ruhe, bis er es dann richtig kann. Nicht leicht für jemanden in dessen Muttersprache es kein Ä, Ö oder Ü gibt. Auch manche Buchstaben sind für ihn schwierig, weil sich der Name Benny genauso wie der Laden Penny anhört. Haydarah ist ein sehr gutes Beispiel für jemanden, der flüchten musste und eine gefährliche Reise hinter sich hat, dessen Familie nach wie vor in einem vor Krieg besetzten Land lebt. Der trotzdem hier angekommen ist, sich integriert hat und nun für andere eine große Unterstützung werden kann. Der Zufall hat ihn das Stadtteilzentrum Steglitz e.V. finden lassen, bei dem er nun einen Beitrag zur Integrationsarbeit des Vereins leisten kann. Besser geht Integration kaum.

*LaGeSo – Landesamt für Gesundheit und Soziales

Integration ist ein fortwährender Prozess

Zum 31. Januar 2017 soll die Kiriat-Bialik-Sporthalle freigezogen werden. Die letzten der ehemals 200 BewohnerInnen können in sehr wohnliche neue Unterkünfte umziehen.

Zum 31. Januar 2017 soll die Kiriat-Bialik-Sporthalle freigezogen werden. Die letzten der ehemals 200 BewohnerInnen können in sehr wohnliche neue Unterkünfte umziehen.

Es ist ruhiger geworden in den Nachrichten, was die Einreise von Geflüchteten betrifft. In diesem Winter mussten keine neuen Turnhallen beschlagnahmt werden, es kamen keine Nachrichten von Menschen, die in der Kälte vor Ämtern warten mussten und es kamen keine Spendenaufrufe, um Geflüchtete zu versorgen. Problem gelöst? Bei weitem nicht. Die Menschen, die in den Wintern 2014 und 2015 zu uns gekommen sind, sind immer noch da und noch immer haben nicht alle die Hallen verlassen. Auch kommen noch viele Menschen, wenn auch nicht in so hohen Zahlen. Trotzdem ist viel geschafft, doch lange nicht genug. Der Teil von ihnen, deren Aufnahmeverfahren weitgehend abgeschlossen sind, kann sich glücklich schätzen, aber auch sie haben erst eine Teilstrecke geschafft. Die nächste Etappe heißt Integration. Das bedeutet ankommen in einem Land in dem alles anders ist als sie es gewohnt sind. Das bedeutet von vorne anfangen und ein Leben aufbauen. Ganz alleine müssen sie das – sofern sie wollen – allerdings nicht tun: Seit Oktober 2016 gibt es das Integrationsbüro Steglitz.

Der Deutschkurs im KiJuNa – Kinder-, Jugend- und Nachbarschaftszentrum

Der Deutschkurs im KiJuNa – Kinder-, Jugend- und Nachbarschaftszentrum

Im März 2016 wurde dem Berliner Senat der Masterplan für Integration und Sicherheit auf Vorlage der Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen, Dilek Kolat, vorgestellt. Dieser Masterplan sieht insbesondere acht Schritte für einen erfolgreichen Pfad zur Integration vor: Ankunft, Registrierung und Leistungsgewährung der Geflüchteten, Gesundheitsversorgung, Unterbringung und Wohnraum, Sprach- und Bildungsangebote, Integration in den Arbeitsmarkt, Sicherheit, Integrative und offene Stadtgesellschaft, Aktive Teilhabe der Geflüchteten am gesellschaftlichen und kulturellen Leben. Zur Verwirklichung dieser Schritte wurden aus dem Masterplan Gelder bereitgestellt, die die Einrichtung der Büros für Integration in den Bezirken möglich machten. Das Stadtteilzentrum Steglitz e.V. kam so in die Lage das Integrationsbüro Steglitz im Oktober 2016 zu eröffnen. Zwei neue Kolleginnen, Sabine Schwingeler und Martina Sawaneh, wurden dafür eingestellt und können sich seither unter der Leitung von Veronika Mampel, der Integration neuer Nachbarn widmen.

In der Evangelischen Gemeinde bot sich die Möglichkeit für eingesessene und neue Nachbarn gemeinsam über Flucht und Zukunft sprechen

In der Evangelischen Gemeinde bot sich die Möglichkeit für eingesessene und neue Nachbarn gemeinsam über Flucht und Zukunft sprechen

Veronika Mampel konnte diese Arbeit in gewohnter Routine übernehmen. Hier zahlt sich die Anbindung an den sozialen Träger aus, der seit vielen Jahren im Bezirk sesshaft ist und über ein großes Netzwerk von Kooperationspartnern und Beratungsstellen verfügt. Die Arbeitsbereiche der nachbarschafts- und generationsübergreifenden Arbeit, die Koordination der ehrenamtlichen Arbeit sowie alle Angelegenheiten im Bereich der Flüchtlingsarbeit betreut sie von Anbeginn und sie weiß, was zu tun ist. So bestimmt sie auch für die Arbeit des Integrationsbüros drei vornehmliche Bereiche – Wohnen, Bildung und Arbeit – die für eine gelungene Integration von Menschen mit Migrationshintersgrund wichtig sind. Unter diese drei Bereiche fallen fast alle Dinge, die für Familien oder Einzelpersonen elementar sind, wenn sie bei uns ein neues Leben beginnen wollen oder auch, wenn sie schon länger hier leben, aber an bestimmten Hürden nicht weiter kommen. Darüberhinaus werden auch Kultur- und Freizeitangebote vermittelt sowie Veranstaltungen organisiert. Braucht ein Kind beispielsweise Ausgleich im Freizeitsport, wird ein geeigneter Verein gesucht oder gemeinsame Nachmittage mit gemeinsamen Kochen, Essen, Tanz und Musik laden zu Entspannung und Austausch ein. Integration gelingt jedoch nur, wenn alle Beteiligten eingebunden sind. So steht das Büro auch allen Einheimischen offen, die Angebote in ehrenamtlicher Hinsicht machen möchten oder einfach nur Fragen zum Thema haben. So integriert sich diese Arbeit in die Arbeit des Trägers und seiner Einrichtungen, die Menschen aller Altersgruppen einschließen.

Zum gemeinschaftlichen Kochen müssen sich die Frauen künftig extra verabreden. Das Gemeinschaftsleben in der Halle geht dem Ende entgegen.

Zum gemeinschaftlichen Kochen müssen sich die Frauen künftig extra verabreden. Das Gemeinschaftsleben in der Halle geht dem Ende entgegen.

„Wir müssen den Menschen, die zu uns kommen, das Gefühl geben, dass sie bei uns Respekt und Zeit für ihre Person und Anliegen finden,“ sagt Veronika Mampel. „trotzdem verstehen wir uns lediglich als Begleitung und Stärkung. Die Selbstachtung der Hilfesuchenden muss in jedem Fall gewahrt bleiben und es dauert auch seine Zeit bis das Vertrauen aufgebaut ist.“ Sie fügt hinzu, dass umgekehrt auch die Hilfesuchenden sich einbringen und gewisse Regeln befolgen müssen. Dazu gehört es, Termine einzuhalten, gemeinsam getroffene Absprachen zu halten und, wo erforderlich, benötigte Papiere tatsächlich zu beschaffen. Das Integrationsbüro engagiert sich, wo Kenntnisse in deutschen Systemen erforderlich sind, enthebt die Hilfesuchenden jedoch nicht ihres Eigenanteils zum Ziel des Begehrens. Dazu gehört auch Perspektiven aufzuzeigen sowie Zusammenhänge deutlich zu machen. Sprachvermögen, eigene Bildung und die der Kinder, Arbeit und Wohnung … alle Bereiche spielen unmittelbar ineinander und müssen zusammenhängend bearbeitet werden. Geduld wird in allen Bereichen, besonders im Antragswesen, sowohl von den zu integrierenden Menschen wie auch von den Mitarbeitenden des Integrationsbüros, gefordert.

Routine ist ein Begriff, der nicht mit der Arbeit des Integrationsbüros zu vereinen ist. Diese Feststellung haben Sabine Schwingeler und Martina Sawaneh nach vier Monaten Arbeit im Büro gemacht. Natürlich gebe es ein Grundmuster, was die Menschen brauchen und suchen, dennoch ist jeder Fall anders, fordert andere Vorgehensweisen und stützt sich auf andere Grundbedingungen. Auch sie bekräftigen, dass Vertrauen eine sehr wichtige Voraussetzung für gelungene Arbeit ist, da die ersten Erfahrungen mit Ämtern und Büros bei diesen Menschen nicht unbedingt positiv besetzt sind. Erschwerend kommt hinzu, dass Menschen aus anderen Ländern und Kulturen ein völlig anderes Verständnis für Bürokratie mitbringen. Selbst der alteingesessene Bürger bei uns klagt über die teils schwerfällige deutsche Bürokratie, wie geht es da erst einem Menschen, der Bürokratie wie unsere überhaupt nicht kennt. Wird bei uns von Geburt an alles belegt und mit Zeugnissen besiegelt, zählt in anderen Ländern eher die Erzählung und Tat. Will ein Mann beispielsweise Bäcker werden, fängt er bei einem Bäcker, der ihn braucht, an zu arbeiten und wird Bäcker. Bei uns ist niemand Bäcker, der nicht einen Gesellenbrief vorweisen und somit eine Ausbildung nachweisen kann. Wie bringe ich nun einen Bäcker aus einem fremden Land hier in Lohn und Brot? Jedenfalls kaum als Bäcker. Trotz der Hürden konnte schon eine Arbeitsstelle, eine Ausbildung, drei Maßnahmen mit Übernahmegarantie und zwei Wohnungen vermittelt werden. Viele andere Vermittlungen sind in Arbeit. Die persönliche Freude der Menschen über diese Erfolge sind immer wieder Antrieb und Motor.

Auch das Spielzimmer, der eigentliche Geräteraum der Sporthalle, wird in Kürze seiner ursprünglichen Funktion zurückgegeben.

Auch das Spielzimmer, der eigentliche Geräteraum der Sporthalle, wird in Kürze seiner ursprünglichen Funktion zurückgegeben.

Der unterschiedliche kulturelle Hintergrund spielt für die Arbeit des Integrationsbüros zudem eine wichtige Rolle. Sabine Schwingeler und Martina Sawaneh müssen ihrer Klientel deutlich machen, dass es ohne Bürokratie nicht geht und gleichzeitig die Funktions- und Wirkungsweise verständlich machen. Unerlässlich ist dabei der persönliche Kontakt. Natürlich gibt es einen schönen Flyer, der gut erklärt, was jeder im Integrationsbüro zu erwarten hat. Kontakt entsteht jedoch meist durch Empfehlungen. Viele Hilfesuchenden kamen über die Jobbörse für Geflüchtete, die im letzten November im Rathaus Zehlendorf im Rahmen des Interkulturellen Dialogs stattfand. Dort konnten sich die Mitarbeiterinnen bekannt machen und dem Büro ein Gesicht geben. Die Menschen, denen geholfen werden konnte, empfehlen das Büro nun weiter und so stellen sich immer mehr Menschen vor. Hin und wieder kommen auch Menschen aus anderen Bezirken, denen sie nicht weiter helfen können und sie an andere Stellen in ihren Bezirken verweisen müssen. Eine berlinweite Übersicht über Integrationsbüros gibt es derzeit noch nicht.

Beide Frauen geben zu bedenken, dass an Integration bei uns sehr hohe Erwartungen geknüpft sind. Man kann Menschen, die schon einen langen Weg hinter sich gebracht haben, nicht von Heute auf Morgen eine Kulturkappe überstülpen und erwarten, dass alles auf Anhieb klappt. Integration ist der Prozess den Alltag in einem fremden Land zu bewältigen. Dieser Prozess fängt bei der Sprache an und mündet in die aktive Teilhabe an unserem gesellschaftlichen Leben. Integration ist keine Einbahnstraße, die nur von den Geflüchteten und Menschen mit Migrationshintergrund bewältigt werden kann. Diese Menschen müssen auf eine Gesellschaft treffen, die sich öffnet und sie willkommen heißt … hier gibt es keine Etappenziele … Integration ist ein fortwährender Prozess.

Veronika Mampel fügt insbesondere einen wichtigen Wunsch an: Als besondere Schwierigkeit hat sich die Wohnungssuche für die Menschen ergeben, die hier unbedingt Fuss fassen möchten. Dabei werden Wohnungen für alleinstehende Erwachsene und für teils große Familien gesucht. Manchmal hilft auch ein Zimmer, dass untervermietet werden kann. Das Integrationsbüro ist jedem dankbar, der hier einen entscheidenden Tipp geben kann oder selber geeigneten Wohnraum anbieten kann. Denn dann kann Integration tatsächlich mit neuen und alten Nachbarn stattfinden und so uns alle bereichern!

 

Veronika Mampel
Leitung des Integrationsbüros
E-Mail: integrationsbuero@sz-s.de

Nachbarschafts- + generationsübergreifende
Arbeit, Koordination Flüchtlingsarbeit + Ehrenamt
E-Mail v.mampel@sz-s.de, Telefon 0173 2 34 46 44
Termine nach Vereinbarung

Kontakt & Terminvereinbarung:

Sabine Schwingeler, Telefon 0172 7 93 36 10
Martina Sawaneh, Telefon 0172 7 93 36 70

Öffnungszeiten
Montag, Mittwoch, Freitag, 10.00 – 16.00 Uhr
Dienstag + Donnerstag, 10.00 – 18.00 Uhr

Integrationsbüro Steglitz
Lankwitzer Straße 13 – 17, Haus G, Tor 3,
12209 Berlin

Integration ist Kunst

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Sie hat einen Blick für sie. Jetzt könnte man sagen, dass das zu ihrem Job gehört, aber es ist weit mehr als das. Wenn Veronika Mampel durch die Straßen läuft, wenn sie etwas auf einem Amt zu tun hat oder in der Stadtbibliothek Bücher zurück bringt, sieht sie die Menschen. Menschen, die in den Straßen Koffer tragen und sich anhand von Wegzetteln orientieren. Sie sieht Menschen, die in Begleitung auf Ämtern versuchen, ihre Angelegenheiten zu regeln, was sie ohne Dolmetscher nicht könnten. Sie sieht Menschen, denen von freiwilligen Helfern unser kulturelles Angebot, zum Beispiel in der Bibliothek, näher gebracht wird und denen man die Stadt und unser öffentliches Leben zeigt. Es sind Menschen, die bewegende Geschichten hinter sich haben und hier versuchen, ein geregeltes Leben aufzubauen. Sie steht selber jeden Tag mit diesen Menschen im Kontakt, weshalb sie auch die anderen Geflüchteten mit geübten Blick erkennt … und ihre Hoffnungen spürt.

LT_21.7-fluechtlingsarbeit_1„Die Wanderung der Geflüchteten ist noch lange nicht zu Ende, wenn sie es geschafft haben, bei uns anzukommen.“ weiß Veronika Mampel aus Erfahrung. Als Mitbegründerin des sozialen Trägers Stadtteilzentrum Steglitz e.V. und aus der langjährigen Arbeit als Arbeitsbereichsleiterin für nachbarschafts- und generationsübergreifende Arbeit hat sie immer mit unterschiedlichsten Menschen zu tun. Über die Weihnachtsfeiertage 2014/2015 kamen geflüchtete Menschen dazu. Von heute auf Morgen wurde eine Halle im Kiez zur Notunterkunft umfunktioniert, eine spontane Spendenaktion ausgerufen und dort geholfen, wo es eben ging. Diese erste Erfahrung war anstrengend und bereichernd zugleich, und – was noch niemand wusste – die Geburtsstunde ihres neuen Arbeitsbereiches, der Koordination der Flüchtlingsarbeit innerhalb des Trägers. Die integrative Arbeit für eine Erstaufnahme-Einrichtung kam in der Folge hinzu, eine weitere Notunterkunft in einer Halle als Betreiber, zwei Einrichtungen für unbegleitete Kinder- und Jugendliche. Nebenher die Koordination vieler ehrenamtlicher Helfer, an denen es glücklicherweise in diesem Bezirk nicht mangelt. Darüber hinaus wurden in den bestehenden Einrichtungen viele Angebote geschaffen, die es den Geflüchteten ermöglichen, für ein paar Stunden aus ihrem sonst eintönigen Alltag herauszukommen, Kontakte mit Einheimischen zu knüpfen und die deutsche Sprache kennenzulernen. Letztlich musste auch der nachbarschaftliche Aspekt von ihr bedacht werden. Nur Unbekanntes schürt Ängste. Nachbarn, die den Menschen hinter dem Geflüchteten kennenlernen möchten, brauchen sich nicht zu fürchten. Das hört sich alles nach viel Arbeit an, ist es auch, aber natürlich hat sie viel Unterstützung von den Mitarbeitenden und geht in der Planung routiniert vor. Was jedoch nie zur Routine werden kann, ist die Geschichte, die jeden Geflüchteten begleitet und bei jedem anders aussieht.

Die Geflüchteten begegnen ihr jeden Tag. Jedes ihrer Schicksale hinterlässt Spuren und es gehört eine gewisse Professionalität dazu, um damit umgehen zu können. Die Anforderungen an diese Aufgabe und an die Geflüchteten sind vielfältig. Kindern muss der Besuch in einer Willkommensklasse ermöglicht werden, viele Kinder und Erwachsene benötigen ärztliche Betreuung, Erwachsene müssen motiviert werden, Angebote wie Deutschkurse anzunehmen. Anträge müssen bearbeitet werden, Termine gehalten und erneut vereinbart werden. Zwischen Terminen und Anträgen müssen lange, nervenaufreibende Wartezeiten überbrückt werden. Intimität gibt es dabei für die Geflüchteten nicht, da sie mit vielen anderen in einer Halle leben, die keine Möglichkeit bietet, für sich alleine zu sein. Angekommen sind sie nur in Deutschland – aber noch lange nicht in Sicherheit und in geregelten Verhältnissen. Veronika Mampel weiß, wie sich das anfühlt und was in diesen Menschen vorgeht. Kurz vor dem Mauerbau sind auch ihre Eltern in den Westen übergesiedelt und mussten mit allen Kindern ganz von vorne anfangen. Sich integrieren in eine Gesellschaft, die nur mit sich selbst beschäftigt war.

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Mit manchen Schicksalen kommt sie intensiver in Kontakt. Zwei junge Syrer, die im Seniorenzentrum Scheelestraße eine erste Bleibe fanden, hat sie fast von Anfang an begleitet. Haydarah ist einer der beiden. Mit viel Geduld hat er es geschafft das Bleiberecht in diesem Land zu bekommen. Mit Hartnäckigkeit und viel Glück gelang es schließlich, ihm durch den Dschungel der Anträge und Papiere zu helfen und heute freut er sich jeden Tag auf seine feste Arbeit und auf die eigene Wohnung, in die er am Abend zurückkehren kann. Seine Geschichte ist eine Kombination aus Glück und eigenem Willen. Auch der zweite junge Mann ist auf einem sehr guten Weg, aber sein Bleiberecht noch nicht restlich geklärt. Erst dann wird es möglich, Arbeit und Wohnung in Angriff zu nehmen, auf die er durchaus schon Aussichten hat. Bei diesen beiden hört es sich gut an, nicht erwähnt dabei sind die Wohnungen, die sie nicht bekommen haben. Veronika Mampel kennt das leere Gefühl nur zu gut, wenn man eine Wohnung für einen Geflüchteten in Aussicht hat, alle Papiere zusammenstellt, abgibt und … wartet. Die Wohnungen sind dann vergeben, weil die Behörden zu langsam reagieren. Man stößt oft an die Grenzen der Machtlosigkeit, muss sie aushalten und doch ungebrochen weiter machen. Geschichten wie die von Haydarah bauen auf und schaut man in sein strahlendes Gesicht, weiß man einfach, dass es richtig ist.

Sie hört oft die Geschichten, die diese Menschen mitbringen und von den Nöten, die sie hier erleben. Geschichten über Flucht, verlorene Familienmitglieder, verlorene Träume. Geschichten, die wir kaum begreifen können, weil wir nie in die Nähe der Angst kommen, die diese Menschen erlebt haben. Die Gefahr nicht spüren können, die sie aushalten mussten, den Verlust nicht kennen, den sie verkraften müssen. Gerade jetzt ist Ramadan, der Fastenmonat der Muslime. Sie müssen sich in einer vorwiegend christlichen Gesellschaft den Glauben und die Tradition bewahren. Sie sind geschwächt durch das Fasten. Normalerweise ein Ereignis eng verbunden mit dem familiären Kreis. Und doch müssen sie ihren Glauben den Erfordernissen, Terminen und den Spielregeln, die hier gelten, anpassen – ihre Hoffnungen, Verluste, Ängste und Vergangenheit zurückstellen.

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Integration ist eine Kunst und ein Zauberwort, das man allzu oft hört, wenn es um Geflüchtete geht. Sie müssen diese Gratwanderung zwischen altem und neuem Leben bewältigen. Wie schwierig das ist, erlebt Veronika Mampel jeden Tag aufs Neue. Erlebt, was von ihnen gefordert und erwartet wird. Erlebt die Gleichgültigkeit, die viele von uns ihnen entgegen bringen. Erlebt aber auch Dankbarkeit, Menschen, die unbedingt neu anfangen wollen und Unterstützung, die sie immer wieder in ihrem Handeln bestärkt. Es ist weit mehr als der richtige Blick für diese Menschen. Es ist ihr Blick auf eine Gesellschaft, die nur an der Akzeptanz dieser Aufgabe und Integration dieser Menschen wachsen kann.

Ein Spielzimmer – Platz für kleine Menschen

#steglitzhilft

#steglitzhilft

Die Nacht vom 9. auf den 10. November 2015 werden engagierte Kolleginnen und Kollegen zusammen mit vielen ehrenamtlichen Helfern nicht so schnell vergessen: Von Heute auf Morgen wurde das Stadtteilzentrum Steglitz e.V., das sich gegenüber dem LaGeSo für diese Aufgabe bereiterklärt hatte, zum Betreiber der Notunterkunft in der Kiriat-Bialik-Halle. Es kam dennoch nicht unverhofft, so dass die gute Vorbereitung auf diese Situation sowie die Erfahrung in der Flüchtlingsarbeit schnell Rechnung trug und die Arbeit, im Sinne der ankommenden Menschen, schnell und sinnvoll aufgenommen werden konnte. Großartig dabei ist immer wieder zu erwähnen, dass die große Bereitschaft ehrenamtlicher Helfer eine ausgesprochene Unterstützung ist, die Steglitz-Zehlendorf als Bezirk auszeichnet.  

Veronika Mampel leitet die Flüchtlingsarbeit innerhalb des Stadtteilzentrums Steglitz e.V. Dazu gehören vielfältige Einsatzbereiche, wie beispielsweise die Unterstützung der Willkommenskultur um das Containerdorf am Ostpreußendamm. Dies ist nicht zu trennen mit den vielfältigen Angeboten für Geflüchtete speziell in den Einrichtungen des Trägers. Angebote, die Geflüchteten außerhalb ihrer Unterkünfte, Abwechslung und Entspannung bringen sollen, ganz besonders aber die Integration dieser Menschen im Bezirk fördern. Erste Erfahrungen mit einer Notunterkunft konnte sie im letzten Winter in der Sporthalle Lippstätter Straße machen, was nun der neuen Notunterkunft zugute kommt. Routiniert und im Bereich der sozialen Arbeit äußerst erfahren, weiß sie um die Erfordernisse und Bedürfnisse der Menschen, die mit solch einer Situation zurechtkommen müssen.

Die kleinen Menschen sind Veronika Mampel immer besonders am Herzen gelegen. So war es absehbar, dass diese Notunterkunft schnell einen eigenen Bereich für Kinder hat. In einem alten Fitnessraum ist nun ein Spielzimmer eingerichtet. Die vielen Sportgeräte mussten an die Wand geschoben werden, da Sie zu schwer sind um sie anderweitig zu lagern. „Wir haben für das Spielzimmer viele Spenden bekommen und es werden täglich mehr.“ freut sich Veronika Mampel. Gemeinsam mit den Kindern wird sortiert und gesichtet, die Spiele entsprechend Alter und Größe in die Regale gelegt. Zwei Frauen fühlen sich für dieses Spielzimmer verantwortlich und sind fleißig dabei, sich täglich mit den Kindern zu beschäftigen. Sie zeigen den Kindern, wie ein Spiel geht, und dass man sich bei „Mensch ärgere Dich nicht“ nicht wirklich ärgern braucht, sondern viel lachen kann. Das Zimmer ist natürlich viel zu klein für alle Kinder. Die kleineren Kinder sind leicht zu begeistern, aber die Großen erwarten mehr. Für sie ist es ein Glück, dass der Sportplatz benutzt werden darf und sie dort Fußball spielen können.

Schon bald werden mit den Kindern und Jugendlichen Ausflüge unternommen, bei denen sie ihr neues Umfeld kennenlernen können. Es ist besonders wichtig, dass sie sich sicher bewegen und wissen, wo sie Freizeitmöglichkeiten und vieles andere finden. So wird die nahe Gemeinde besucht und beispielsweise der JugendKulturBunker, der immer ein besonderes Programm für Jugendliche anbietet. So ergibt sich eins nach dem anderen und für die großen, aber auch für die kleinen Bewohner der Notunterkunft wird gut gesorgt. Auch wenn es turbulent begann: „Wir sind auf einen guten Weg!“ sagt Veronika Mampel.

Wenn Sie diese Arbeit unterstützen möchten finden sie alle Informationen auf der Internetseite www.steglitzhilft.de. Fragen beantworten wir gerne per E-Mail helfen@sz-s.de . Und ganz besonders würde uns freuen, wenn Sie zu Weihnachten spenden möchten und dabei an unsere Flüchtlingsarbeit denken. Herzlichen Dank!

#steglitzhilft
Eine Initiative des Stadtteilzentrum Steglitz e.V.

Spendenkonto:
IBAN: DE69 1005 0000 0190 1717 74
BIC: BELADEBEXXX

Verwendungszweck: Flüchtlingsarbeit

Leitartikel der Homepage des Stadtteilzentrum Steglitz e.V.
30. November 2015

Es kam ganz anders …

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Wir waren bestens vorbereitet: In den Wochen vorher wurde überlegt, geplant, alle Eventualitäten durchgesprochen. Informationsmaterial wurde ausgedruckt, zusammengestellt, Pressemappen vorbereitet. Einladungen an Politik, Presse und AnwohnerInnen formuliert, verschickt und verteilt. Alle freiwilligen HelferInnen für den Tag waren eingeteilt, gebrieft und standen pünktlich bereit und auch das Wetter war mit strahlendem Sonnenschein mit von der Partie. Um 10.30 Uhr standen die MitarbeiterInnen von der MILaa gGmbH und dem Stadtteilzentrum Steglitz e.V. auf dem Gelände, dass in den Monaten vorher bebaut und eingerichtet wurde. An dem Tag wurde offiziell der symbolische Schlüssel übergeben, damit die ersten neuen BewohnerInnen bald einziehen können. Das sechste neu gebaute Containerdorf für Flüchtlinge in Berlin war fertig. Auf den Einladungen stand „Tag der offenen Tür!“

Zwei Termine standen im Zeitplan. Am Vormittag der Termin für Politik und Presse und am Nachmittag für alle umliegenden AnwohnerInnen. Sie sollten sich alles anschauen und ein Bild von der Anlage machen können, besonders aber Fragen stellen, Bedenken äußern und Unsicherheiten sollten ausgeräumt werden. Schon im Dezember 2014 hatte das Stadtteilzentrum zu zwei Anwohner-Veranstaltungen eingeladen und dabei festgestellt, dass Information und Transparenz ein guter Weg sind, eine neue Wohnanlage für Flüchtlinge in der Nachbarschaft zu integrieren. So standen wir wieder bereit an unseren Informationsständen. Die Liste der offiziellen VertreterInnen konnte sich sehen lassen: Giesela Netzeband – Geschäftsführerin der MILaa gGmbH, Wolfgang Keller – der neue Einrichtungsleiter, Veronika Mampel – Koordination Flüchtlingsarbeit des Stadtteilzentrum Steglitz e.V., Thomas Mampel – Geschäftsführer des Stadtteilzentrum Steglitz e.V., Jan Dreher – kaufmännischer Vorstand der Ev. Diakonieverein Berlin-Zehlendorf e.V., Detlef Cwojdzinski – Leiter der Task Force, Lageso, Regina Kneiding – Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, Margitta Gonther – Projektleiterin, Herstellerfirma ALGECO, Petra Berndt – Dipl.-Ing. Architektin, Task Force, Lageso und Norbert Kopp – Bezirksbürgermeister Steglitz-Zehlendorf standen für die Eröffnung und Fragen der Presse bereit. Es waren herzliche Worte, bei denen allen Sprechern die Erleichterung anzumerken war, dass es hier an diesem Standort nun losgehen konnte. Unter welchem Gedanken, das Haus stehen soll, sprach Gisela Netzeband für alle Anwesenden aus „Hier ist ein Haus mit Seele entstanden!“

Künftig werden hier bis zu 300 Flüchtlinge leben, die einen besonders schutzbedürftigen und traumatisierten Status haben. In welcher Zusammensetzung, ob Familien, alleinstehende Eltern oder Einzelpersonen, wird sich erst mit der Zeit zeigen. Die MILaa gGmbH ist die Betreiberin der Anlage, eine 100 prozentige Tochtergesellschaft der Ev. Diakonie Berlin-Zehlendorf e.V.. Der soziale Partner ist das Stadtteilzentrum Steglitz e.V., das vorrangig die Koordination der ehrenamtlichen Arbeit, die Willkommenskultur, Vernetzung im Stadtteil und der Integration in bestehende Strukturen zur Aufgabe hat. Für beide Träger eine Herausforderung, der sie optimistisch entgegen sehen, haben beide fundierte, langjährige Erfahrungen in allen angesprochenen Bereichen. In diesem Sinne werden sie eng kooperieren, die „Seele“ des Hauses pflegen und die Menschen, die Hilfe benötigen, bestmöglich begleiten.

Der offizielle Teil war abgeschlossen, einzelne Gespräche ergaben sich und die HelferInnen hatten sich gedanklich auf eine Pause eingestellt. Es kam ganz anders … einzelne BesucherInnen kamen statt um 15.00 Uhr, wie erwartet, schon am späten Vormittag. Bei Einzelnen blieb es nicht, denn es wurden immer mehr. Ursprünglich war geplant, diesen Tag den AnwohnerInnen vorzubehalten. Jetzt wurde klar, dass durch die Medien die Einladung für offiziell erklärt worden war. So wurde kurz umdisponiert, die Türen standen offen und die Besucher kamen zahlreich. Wie zahlreich, haben wir zum Glück vorher nicht gewusst. Wir hatten, beeinflusst durch den Nachrichtenfluss der letzten Wochen, gut überlegt, ob es eine offizielle Veranstaltung werden sollte. Die Bedenken, die falschen Gäste zu haben waren groß, weshalb wir die geladene Form vorzogen. Nun war uns die Entscheidung aus der Hand genommen.

Die Stunden bis zum Abschluss der Veranstaltungen werden wir alle nicht mehr vergessen. Etwa eintausend BesucherInnen kamen – interessiert, neugierig und Anteil nehmend. Familien mit Kindern, ältere Paare, junge Leute. Alle vornehmlich mit einer Frage: „Wie können wir helfen!“ – es war einfach überwältigend. Mit wenigen kritischen Ausnahmen, stand insbesondere der Wunsch im Vordergrund zu wissen, wie hier geholfen wird, die Hilfe organisiert wird und wie man sich einbringen kann. Die Liste der an Ehrenamt interessierten füllte sich in Windeseile. Oft kam das Angebot mit Spielzeug zu helfen, einige Ärzte boten sich an, benachbarte Vereine bekundeten Interesse, ein Benefizkonzert wurde angedacht … um nur wenige Beispiele zu nennen. Und schließlich, trotz dessen wir gut vorbereitet waren, ging uns später das Infomaterial zur Neige. Diese positive Resonanz hat uns ungemein gefreut und sie zeigt ganz deutlich, was für eine gute Wahl dieser Standort war. Die Anwohner sind offen, interessiert und bereit ihre neuen Nachbarn zu empfangen.

Die ersten Flüchtlinge sind in diesen Tagen eingezogen. Nun muss geschaut werden, was es für Menschen sind, aus welchen Ländern sie kommen und was sie dringlich benötigen. Sind es mehr Familien mit Kindern, mehr Frauen oder Männer – die Bedürfnisse jeder Gruppe sind anders. Es macht wenig Sinn einfach Spenden vorbei zu bringen, so gut es auch gemeint sein mag. Die Lagerkapazität ist auf der Anlage nicht gegeben. Die Hilfe wird von Veronika Mampel, Koordinatorin der Flüchtlingshilfe, organisiert. Sie hat langjährige Erfahrungen und einen versierten Überblick über Möglichkeiten und Netzwerke sowie die ehrenamtliche Arbeit. Über die Seite http://www.steglitzhilft.de bekommen Sie die aktuellen Informationen über Aktivitäten, Hilfemöglichkeiten und Spendenwünsche. Ein erstes HelferInnentreffen findet am 11.9.2015 im KiJuNa – Kinder-, Jugend- und Nachbarschaftszentrum, Scheelestraße 145, 12209 Berlin statt. Bis dahin bitten wir um etwas Geduld – die Flüchtlingshilfe soll sinnvoll und gezielt beginnen.

steglitzhilft_din-langDer Tag der offenen Tür hat deutlich gezeigt, dass Flüchtlinge in Steglitz-Zehlendorf willkommen sind. Ein wunderbares Gefühl für den Beginn einer Arbeit, die für viele Menschen der Beginn in eine neue Zukunft sein wird.

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Fotos: ALGECO

Leitartikel der Homepage des Stadtteilzentrum Steglitz e.V.
vom 3. September 2015

Herzlich Willkommen – aus der Flüchtlingsarbeit

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Rund um die Turnhalle Lippstädter Straße

Der Einzug von 250 Flüchtlingen in die Turmhalle der Lippstädter Straße hatte über die Weihnachtsfeiertage 2014/2015 für viel Aufregung gesorgt. Die Halle war beschlagnahmt worden und als Notunterkunft eingerichtet. In der von jetzt auf gleich ausgerufenen Spendenaktion zeigte sich die Hilfsbereitschaft der Steglitz-Zehlendorfer in überwältigender Weise. Es konnte eine Spendenausgabe eingerichtet und die Menschen mit den ersten Dingen des täglichen Gebrauchs versorgt werden. Drei Monate später ist es ruhiger um diese Turnhalle geworden. Dies aber nur vordergründig, denn die Flüchtlinge wohnen immer noch dort und die Flüchtlingsarbeit um diesen Menschen zu helfen, geht unvermindert weiter.

Die dortige Flüchtlingsarbeit hat sich jedoch verändert und wurde den Bedürfnissen der Menschen in der Halle angepasst. Dazu haben sich insbesondere zwei Einrichtungen des Stadtteilzentrum Steglitz e.V. den Flüchtlingen geöffnet. Im „kieztreff“ in der Celsiusstraße 60 wird seit einigen Wochen jeden Freitag Nachmittag gemeinsam gekocht. In der Einrichtung, die von jeher sehr multinational geprägt ist, geht es an diesen Nachmittagen sehr lebhaft zu und gemeinsam mit Gästen, ehrenamtlichen HelferInnen und MitarbeiterInnen, werden Gerichte ausprobiert, Kaffee getrunken und so abwechslungsreiche Nachmittage verbracht. Wie willkommen diese Abwechslung im Hallenalltag ist, zeigen die immer wiederkehrenden Gäste. Das KiJuNa – Kinder-, Jugend- und Nachbarschaftszentrum in der Scheelestraße hat seine Türen ebenso geöffnet. Dieses Angebot wurde sehr schnell Bestandteil des Tagesablaufes der HallenbewohnerInnen. Täglich besuchen bis zu 35 Flüchtlinge das Haus, nutzen die angebotenen Freizeitmöglichkeiten und Spiele, um sich angenehm und angenommen die Zeit zu vertreiben.

Neben dem Freizeitaspekt wird in vielen anderen Bereichen geholfen. Veronika Mampel, Koordinatorin der Flüchtlingsarbeit im Stadtteilzentrum Steglitz e.V., hat sich beispielsweise dafür eingesetzt, dass die Kinder in der Halle zur Schule gehen können. Dies ist zum Teil gelungen und neben dem Schulbesuch nutzen die Kinder auch die vielen AG-Angebote im KiJuNa. Erste Impfungen haben stattgefunden, montags kommt eine Friseurin in die Halle, ein Deutschkurs für die Hallenbewohner findet regen Zulauf. Darüber hinaus müssen immer wieder viele Fragen beantwortet und Flüchtlinge, die neu eintreffen, mit Kleidung versorgt werden. Auch die Spendenausgabe hat sich verändert. Die Spendenannahme findet unverändert montags und freitags von 10.00 – 15.00 Uhr im KiJuNa statt. Insbesondere wird Herrenbekleidung gesucht, wovon immer zuwenig da ist. Aber auch Koffer, Taschen, Hygieneartikel für Männer und Frauen werden gebraucht. Und nicht zuletzt der Zucker, der für die süßen Getränke vonnöten ist.

Die Spendenausgabe fand anfänglich in zwei Räumen in der Halle statt. Diese Räume wurden als Spielzimmer für die Kinder umgestaltet und erfreuen sich großer Beliebtheit bei den kleinen Bewohnern. Die Spendenausgabe zog ins KiJuNa um, da aber auch hier die Räumlichkeiten begrenzt sind, wurde nach einer besseren Lösung gesucht. Die ist gefunden: In der Einkaufspassage, Celsiusstraße 66, wurde am 26. März eine kleine Trödelstube eröffnet. Dort finden bedürftige Menschen Damen- und Herrenbekleidung und auch eine schöne Bücherecke wurde gemütlich eingerichtet. Die Trödelstube steht allen Besuchern offen. Auch hier werden ehrenamtliche Helfer gesucht.

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Ein nicht unerheblicher Aspekt dieser facettenreichen Arbeit ist die Unterstützung der ehrenamtlichen Helfer, die Veronika Mampel gewinnen konnte. Ob im Bereich der Spendenausgabe, des Deutschunterrichts, im Spielzimmer oder bei sportlichen Aktivitäten im KiJuNa – die Ehrenamtlichen leisten wertvolle Hilfe, für die der Verein sehr dankbar ist. Dabei wird niemand einfach eingeteilt. Bei den regelmäßigen Helfertreffen im KiJuNa wird gemeinsam besprochen, welche Vorstellung die Freiwilligen mitbringen, wo ihre Stärken liegen und was sie gerne anbieten und tun möchten. Das wird abgeglichen mit dem Bedarf und in Wochenpläne eingetacktet, so dass jeder genau weiß, wo seine Hilfe benötigt wird. Zu diesen Treffen kann jeder kommen, der sich für die ehrenamtliche Arbeit interessiert. Das nächste Treffen findet am 10. April 2015 um 18.00 Uhr im KiJuNa, Scheelestraße 145, 12209 Berlin statt.

Die Turnhalle soll bis Ende April Notunterkunft bleiben, was aber noch offen ist. Auch wenn sie wieder als Turnhalle genutzt wird, wird die Flüchtlingsarbeit nicht enden. Die Erfahrungen, die hier gemacht werden, kann der Verein in die künftige Arbeit des sogenannten Containerdorfes am Ostpreußendamm mit einbringen. Die neue Wohnanlage ist für 350 Flüchtlinge ausgelegt und soll voraussichtlich, von der Neue Treberhilfe in Berlin gGmbH als Betreiber und dem Stadtteilzentrum Steglitz e.V. als sozialer Partner, Ende Mai/Anfang Juni eröffnet werden.

Früh übt sich – Ehrenamt mit 16 Jahren

Magdalena und Lina sind wie viele Jugendliche: neugierig auf die Welt, aufgeschlossen und verbreiten dieses „Mir gehört die Welt“-Gefühl um sich herum. Doch trotz dessen, dass sie zur Zeit sehr in die Schule eingespannt sind, nehmen sie sich für etwas Zeit, das eher wenige Jugendliche interessiert. Beide sind 16 Jahre alt, gehen in das 2. Semester (11. Klasse) des Lilienthal-Gymnasiums und engagieren sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich in der Flüchtlingsarbeit.

Über Magdalenas Mutter haben sie von der neuen Notunterkunft in der Turnhalle erfahren und auch, dass es dort die Möglichkeit gibt, sich ehrenamtlich in der Flüchtlingsarbeit zu engagieren. Sie kamen mit der Mutter zu einem der ersten Helfertreffen im KiJuNa – Kinder-, Jugend- und Nachbarschaftszentrum. Bei diesem Treffen wurde besprochen, wer sich für welche Bereiche interessiert, welche Stärken er mitbringt und wo eingesetzt werden könnte. Damit begann ihre Arbeit bei der Spendenausgabe in der Halle, in der sie von nun an einmal in der Woche bereit standen. Insbesondere galt es hier, die Spendenausgabe zu regeln, darauf zu achten, dass nicht zu viele Menschen gleichzeitig im Ausgabe-Raum standen, zu helfen, wenn etwas bestimmtes gesucht wurde. Ein großer Teil der Arbeit bestand im Sortieren und Aufräumen der gespendeten Kleidung. Später, als die Spendenausgabe verlagert wurde, änderte sich ihre Aufgabe. Die Räume wurden in Spielzimmer für die Kinder umgewandelt und von nun an begleiteten beide Mädchen Flüchtlingskinder in ihren Spielen und beim Malen.

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Sportliche Aktivitäten fallen ebenso in ihren Bereich. So haben sie beispielsweise mit Händen, Füßen und mit ein bisschen Englisch, den Flüchtlingen die Spielregeln für ein Frisbee-Spiel erklärt. Das hat viel Spaß gemacht und hat viel zu lachen gegeben. Mit den kleineren Kindern haben sie Seifenblasen aufsteigen lassen und auch dabei viel gemeinsamen Spaß erlebt. Kleine Beispiele ihrer Arbeit, die für alle ein großer Gewinn sind. Berührungsängste haben sie von Anfang an nicht gehabt. Zu Beginn haben sie viel beobachtet, aber schnell für sich festgestellt, dass ihnen alle Flüchtlinge in der Halle sehr freundlich und nett entgegengekommen sind. Lina erinnert sich, dass sie das erste Mal, als sie von der Halle nach Hause ging, gedacht hatte, dass es gar nicht schwierig gewesen sei.

Wenn sie in der Schule von ihrem Engagement erzählen, bekommen sie fast nur positive Rückmeldungen. Die meisten Mitschüler finden es gut, was sie machen, hinterfragen aber, woher sie die Zeit nehmen würden. Dabei sind es ja nur zwei Stunden in der Woche, die man gut aufbringen kann, sagen sie. Sie äußern Verständnis für Gleichaltrige, denn als Teenager hat man andere Sachen als zu helfen im Kopf. Für Magdalena und Lina ist es aber ziemlich normal anderen zu helfen. Sie haben beide nicht das Empfinden, etwas besonderes zu tun, räumen beide ein, dass sie sich keine großen Gedanken darüber machen, sie tun es einfach. Im Fach Politikwissenschaft haben sie das Thema im Unterricht behandelt und durch ein Referat über die Flüchtlingspolitik Deutschlands wertvolle Einblicke gewonnen. So haben sie auch in der Schule zu Spenden aufgerufen und große Unterstützung bei den Lehrern gefunden. Das hat nicht den Erfolg gebracht, den sie sich erhofft hatten, aber sie haben es versucht und hatten dabei ein gutes Gefühl.

Beide finden es wirklich wichtig, dass man anderen hilft und keine Angst davor hat. Die Flüchtlinge kommen aus anderen Ländern in denen Krieg herrscht und die hier ein neues Leben aufbauen wollen. Wer wirklich helfen wolle, könne sehr schnell eine Möglichkeit finden. Sich ehrenamtlich zu engagieren, hat sich Magdalena von der Mutter abgeschaut, die zum Beispiel ehrenamtlich eine Hausaufgabenbetreuung einer Grundschule betreut hat. Auch für Lina ist das nichts Neues, die u.a. schon einmal in einer Suppenküche geholfen hat. Helfen gehört zum Zukunftsplan beider Mädchen. Madalena möchte ein freiwilliges soziales Jahr nach dem Abitur machen. Lina plant ein Jahr mit „Work and Travel“ durch Amerika zu reisen. Und sollte die Halle als Unterkunft aufgelöst werden, dann findet sich ein anderer Bereich, in dem sie sich engagieren können – da sind beide sehr zuversichtlich.

Leitartikel der Homepage des
Stadtteilzentrum Steglitz e.V. vom 30. März 2015

Sie haben einfach nichts …

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Wer kleinen Kindern ein Kuscheltier oder Spielzeug in die Hand gibt, kann beobachten, dass sie sich mit ziemlicher Sicherheit schnell ablenken lassen und die Situation um sich herum vergessen. So auch der kleine Junge, vier Monate alt, den das Geschehen um ihn herum nicht mehr interessierte. Er saß fröhlich, beschäftigt und zufrieden in seinem neuen Kinderwagen. Von den Sorgen seiner Eltern weiß er nichts. Die waren vor weniger als einer Stunde in der Turnhalle angekommen. Mit dem Sohn auf dem Arm, den Sachen, an ihren Körpern und was sie in den Händen tragen konnten. Mehr nicht. Mehr haben sie nicht. Sie kommen aus einem fremden Land und sind Flüchtlinge.

Vorgeschichte: Zwei Tage vor Weihnachten wird die Nachricht bekannt, dass eine Turnhalle in unserer Nähe beschlagnahmt ist und zwischen Weihnachten und Neujahr bis zu 200 Flüchtlinge untergebracht werden. Es muss Hilfe organisiert werden und dies trotz der Feiertage ziemlich schnell. Klar ist, dass die Menschen, die ankommen werden, nichts weiter besitzen, als das was sie anhaben oder tragen können. Es ist eine doppelstöckige Halle, also zwei übereinander. Im oberen Teil werden mit einer Trennwand Betten aufgestellt. Einzelbetten oder Stockbetten. Die untere Halle wird vorerst nur mit Bierbänken und -tischen im hinteren Teil bestückt. Über alle verfügbaren Netzwerke wird von Thomas Mampel, Geschäftsführer des Stadtteilzentrums Steglitz e.V., ein Spendenaufruf veröffentlicht und mit viel Unterstützung auch geteilt und verbreitet. Die Spendenannahme wird von Veronika Mampel organisiert. Die Spenden werden im KiJuNa – Kinder-, Jugend- und Nachbarschaftszentrum abgegeben und gesammelt. Die Spendenbereitschaft am ersten Weihnachtsfeiertag ist überwältigend.

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Als die Annahmestelle das zweite Mal öffnet, kommen Einzelpersonen und mehrere Autos vollgepackt mit allem, was die Familien entbehren können. Es wird schnell klar, dass alles nicht mehr gelagert werden kann und kurzentschlossen stehen mehrere Frauen zur Verfügung. Die Wagen werden wieder vollgepackt und fahren zur Halle. Einige Frauen fahren zweimal. In der Halle ist es noch relativ ruhig. Da die Heizung über Weihnachten ausgefallen war, mussten die ersten 40 Flüchtlinge anderweitig untergebracht werden, wurden nun aber wieder zurückerwartet. Drei Spendenräume wurden vorbereitet, unterteilt in Frauenkleidung, Kinderkleidung und Herrenkleidung. Parallel dazu kamen die ersten Flüchtlinge wieder in die Halle.

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Die Spenden wurden nun angeboten und die Menschen kamen anfangs zögerlich. Trotz der großen Sprachbarriere gelang es mit „Händen und Füßen“, teilweise in Englisch, zu kommunizieren. Die Männer und Frauen schauten nach Kleidungsstücken, die passen könnten, gefielen, nützlich und warm waren. Ein Vater trug die ganze Zeit sein Baby auf dem Arm. Wir deuteten auf einen Kinderwagen, den er dankend annahm. Wir setzten das Kind in den Wagen und der Vater realisierte schnell, dass sich jemand gefunden hatten, der ihm das Kind abnahm. Er konnte suchen gehen. Nach einer Weile fand er einen besseren Wagen. Der erste, ein Buggy, war für ein vier Monate altes Kind eher ungeeignet. Wir betteten den Kleinen um, den das aber nicht weiter interessierte. Wieder nach einer Weile kam der Vater mit einem kleinen Schneeanzug und strahlte als er ihn über den Wagen hängte. Die Eltern suchten nach Kleidung, dennoch immer den Sohn im Blickwinkel.

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Es kamen Menschen, denen anzusehen war, dass sie aus unterschiedlichsten ethnischen Gruppen stammten. Männer, die zusammen sitzen mussten um einen Schlafplatz zugewiesen zu bekommen, bei denen man spürte, dass sie untereinander genauso skeptisch waren, wie der ganzen neuen Situation gegenüber. Ein Ehepaar, das ankam, mit nur einer Tüte in der Hand und sich nur an der Wand entlang schob, sich dabei kaum traute jemanden in die Augen zu schauen. Ein Mädchen, das nur Badelatschen an den Füßen hatte. Ein Junge, der in den Sachen zwei schöne, passende Turnschuhpaare fand und sich bei allem Glück darüber nicht entscheiden konnte, welches er nehmen sollte. Ein Mann, der eine passende Winterjacke fand und sich über ein zustimmendes Lob und Lächeln freute. In diesen zwei Stunden waren alle menschlichen Gefühle vertreten, die man sich überhaupt vorstellen kann. Als alle Helfer zusammen räumten, waren auch Flüchtlinge dabei, die sofort mit anfassten, Kisten trugen und Taschen aufhielten und füllten. Am Ende kamen die jungen Eltern und nahmen ihr Kind mit einem herzlichen Handschlag wieder in ihre Obhut.

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Beim der nächsten Spendenausgabe hatte sich die Situation in der Halle geändert. Es waren nicht mehr 40 Flüchtlinge, es waren 250 Menschen. Kurzfristig hatte man beschlossen die untere Halle zu teilen und weitere 50 Schlafplätze einzurichten. Auch die Stimmung hatte sich geändert – die Anspannung war überall zu spüren. Das machte sich selbstverständlich auch bei der Spendenausgabe bemerkbar. Nun war die Anforderung eine ganz andere, nun musste gelenkt, gerecht verteilt, vermittelt und geholfen werden. Mal war ein Handtuch gefordert, mal ein Schuhpaar für eine Frau, Unterwäsche oder Haarwaschmittel. Oft mussten wir sagen, dass wir das ein oder andere nicht mehr haben. Mit allen Möglichkeiten vermitteln, dass wir versuchen uns zu kümmern. Nachdenken war in den zwei Stunden der Spendenausgabe nicht möglich und die Zeit nicht wahrnehmbar, so schnell war es wieder vorbei.

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Die Menschen, die in dieser Notunterkunft untergebracht sind, kommen aus Bosnien, Albanien, Tschetschenien, Irak, Syrien, Afghanistan und anderen Ländern. Diese Menschen haben nichts. Nicht einmal eine Perspektive. Sie wissen nur, dass sie die nächsten drei Monate in dieser Halle bleiben werden, so lange bis ihr Aufenthaltsstatus fest steht. Sie schlafen in einer Halle ohne die geringste Möglichkeit einen Hauch von Privatsphäre zu erleben. Ohne zu wissen, wo sie in drei Monaten sein werden, ob sie überhaupt bleiben dürfen oder wie es überhaupt weiter geht. Sie müssen sich sanitäre Anlagen teilen, die selbst für Schul- und Vereinssport dürftig sind. Sie wissen nicht, wann, wie und wo sie wieder ein Teil einer Gemeinschaft sein werden, in der sie sich wohlfühlen und sich ihre Kinder frei entwickeln können.

Sie haben einfach nichts – was man nicht oft genug betonen kann. Und vor allen Dingen: Sie wissen nichts von der Skepsis, die ihnen hier entgegen kommt. Nichts von Anwohner-Problemen; nichts von Schulen und Vereinen, die plötzlich keine Halle mehr haben; nichts von Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Instanzen; nichts von Pegida, AfD oder Konsorten. Diese Menschen wollen ganz einfach überleben und bestmöglich die nächsten Tage überstehen.

Das beste Mittel diese Menschen und diese Situation zu verstehen: Helfen Sie einmal bei der Spendenausgabe mit. Gelegenheit dazu wird es immer dienstags und donnerstags geben. Auf der Homepage und dem Blog des Stadtteilzentrum Steglitz e.V. finden Sie die nötigen Informationen, auch wie Sie sonst noch helfen können. Oder Sie schreiben eine E-Mail an helfen@sz-s.de. Eine weitere Möglichkeit sich vielfältig in der Flüchtlingshilfe zu engagieren ist das Willkommensbündnis Steglitz-Zehlendorf. Es bietet Möglichkeiten sich ehrenamtlich zum Beispiel bei Freizeitaktivitäten, Deutschunterricht, Unterstützung bei Behördengängen, der Übernahme von Patenschaften und anderem mit Tatkraft, Erfahrung und eigenen Kompetenzen einzubringen. In dieser Halle geht es um Menschlichkeit und unsere Pflicht zu helfen, unabhängig und unbedeutend von unserer persönlichen Einstellung, politischen Haltung oder Skepsis vor dem Unbekannten.

Wenn Sie nach Hause gehen, werden Sie sich unweigerlich die Frage stellen, wie es Ihnen in dieser Situation gehen würde. Sie werden unendlich dankbar nach Hause gehen. Dankbar für ein Lächeln, dass Sie geschenkt bekamen. Dankbar, dass Sie helfen konnten und dankbar für das Zuhause, in das Sie zurückkehren können. Der kleine vier Monate alte Junge wird vielleicht auch dankbar sein, wenn ihm seine Eltern einmal erzählen können, wie sie in diesem Land aufgenommen wurden.