Kürzlich fiel mir auf, dass ich jedes Mal, wenn ich länger über etwas nachdenke, dem Thema meiner Gedanken sehr schnell eine Headline gebe. Es ist so, als wenn ich in meinem Kopf einen Beitrag schreibe. Vermutlich färbt mein Beruf oder auch das Blogschreiben ab. In den letzten Wochen las oder hörte ich viele Zusammenfassungen des aktuellen Jahres und musste über mein persönliches Jahr 2016 nachdenken. Nur dafür – so sehr ich mich auch bemühe – finde ich keine Headline. Viele unterschiedliche Begebenheiten haben dieses Jahr geprägt, viele unterschiedliche Menschen haben eine entscheidende Rolle gespielt und viele Dinge haben erst begonnen, müssen weiterverfolgt oder beendet werden. Das Jahr lässt sich in Subheadlines ausdrücken, die entscheidend waren und mir lange im Gedächtnis bleiben werden:
Die Blogparade – Schreiben gegen Rechts
Ich bin kein mutiger Mensch, fasste im Februar dennoch Mut und veröffentlichte den Aufruf „Schreiben gegen Rechts!“ und lud zur Blogparade ein. Ich hatte gehofft, vielleicht um die zehn Beiträge zusammen zu bekommen, was für mich als Erfolg verbucht worden wäre. Es wurden tatsächlich weit über 80 teilnehmende Beiträge und es wurde unglaublich viel kommentiert. Daraus ist ein eBook entstanden (mein erster Versuch mit diesem Format), es sind neue wertvolle Kontakte entstanden und ähnlich wie bei meinem Beitrag über die Bundeswehr 2014, bekam ich wieder einen Eindruck, was Internet tatsächlich bedeutet. Die Blogparade hat mich bis in den April sehr beschäftigt. Ganz besonders aber bekam ich das Gefühl, mit meiner Einstellung für Offenheit und Toleranz bei weitem nicht alleine zu sein, und dass jedes geschriebene und gesprochene Wort, für Empathie und Miteinander über Grenzen hinweg, ein wertvolles Wort ist … jedes einzelne die richtige Antwort auf rechte Parolen. Das Emblem der Blogparade bleibt in der linken Seitenleiste des Blogs und ich werde auch künftig jede Gelegenheit ergreifen mich für meine Überzeugung zu äußern. Denn nur wenn wir das tun, können wir andere zu nachdenken anregen und Schweigen beenden. Die Solidarität, die sich in allen Beiträgen zeigte hat mich tief beeindruckt und ich bin jedem einzelnen dafür sehr dankbar.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne
Herrmann Hesse drück sehr gut aus, was es für mich bedeutete, mich nach 13 Jahren von meiner geliebten Stadtteilzeitung trennen zu müssen. Der Vehemenz und dem Wunsch meines Chefs nach einem neuen Format der Öffentlichkeitsarbeit machte es erforderlich, mich mit der Erstellung von eBooks und einem Magazin zu beschäftigen. Ich gebe zu, dass ich mich anfangs schwer tat, aber glücklicherweise lasse ich mich gerne von Herausforderungen begeistern. So erschien im April die letzte von 131 Stadtteilzeitungen, die an meinem Computer entstanden und am 1. Mai das erste Magazin „Im Mittelpunkt“ als gedrucktes Heft und als eBook. Zähneknirschend, aber gerne und mit einem Lächeln, muss ich zugeben, dass der Wechsel von Zeitung zu Magazin zeitgemäß und erforderlich war. Durch das Magazin können wir im Sinne der sozialen Arbeit viel spezifischer arbeiten. Das eBook-Format bietet Möglichkeiten, die wir noch lange nicht ausgeschöpft haben. … Und schließlich – der Moment in dem der iTunes-Store meldete, dass er das Magazin veröffentlichte … großartig! 😃
Erst die Fremde lehrt uns, …
ist der erste Teil des Spruchs von Theodor Fontane, der uns in diesem Jahr nach Prag und nach Kreta führte. Die schönen Tage in Prag hatte ich in einem Beitrag beschrieben. In Erinnerung blieb vor allen Dingen die schöne Architektur der Stadt, und die schöne Zeit mit meinem besten Freund und Ehemann. Diese Städtereise lässt uns weitere Ziele planen, da die Kinder so langsam ihre eigenen Wege gehen. Auf Kreta haben wir zwei wunderschöne Wochen verbracht, denn wir mussten zuhause ausziehen. Darüber konnte ich aus Zeitmangel nicht mehr schreiben. In Erinnerung sind entspannte, freundliche Menschen, ein wirklich schöner, sauberer Strand, eine bunte Vegetation und traumhafte Landschaftsbilder. Wir fahren sicherlich noch einmal dorthin.
… was wir an der Heimat haben …
sagt der zweite Teil des Spruchs. 2016 haben wir uns einen langen Wunsch erfüllt und unser Haus kernsaniert und angebaut. In den zwei Wochen Kreta-Urlaub wurden unsere Bäder neu gemacht. Im März hatte mein Mann die ersten Holzpaneele herausgerissen und Ende September kamen die Handwerker zum letzten Mal. Ich bin oft in meinem Leben umgezogen. Jeder Umzug ist einfacher als ein Haus umzubauen und währenddessen darin wohnen zu bleiben. Wir konnten das Wort „Staub“ nicht mehr hören, noch mochten wir ihn spüren. Es war oft schwierig und hat uns viel Geduld abverlangt. Die Firma, die den Umbau durchführte, war in jeder Hinsicht klasse. Sie haben nicht umgebaut, sondern mitgedacht, beraten und letztlich wirklich gut umgesetzt. Auch haben alle Nachbarn in irgendeiner Weise geholfen. Die einen hüteten den Hund, die anderen halfen Bauschutt zu entsorgen, passten auf oder übten sich in großer Geduld, wenn auch am Wochenende gebohrt wurde. Spätestens als wir einrichten konnten und nicht mehr von Zimmer zu Zimmer umziehen mussten, wurde uns klar, was wir über Jahre gesammelt hatten und nutzen die Gelegenheit ohne Ende auszumisten. Wir haben immer noch nicht alle Zimmer durch sortiert und fertig, aber wir genießen ein helles und schönes Haus. Mit diesem Umbau ist endgültig klar, dass wir „Zuhause“ angekommen sind, was für ein Bundeswehrkind und einen Berufssoldaten schon eine tiefe Bedeutung hat.
Ein Reich ist leicht zu regieren, eine Familie schwer
… sagt ein Sprichwort. Dieses Jahr hat gezeigt, dass man sich nie zu sicher sein sollte, wie die Familiengeschicke laufen. Der Herr Schmidt ist Pensionär und doch nicht mehr. Was als Urlaubsvertretung im Rahmen einer Wehrübung anfänglich gedacht war, entwickelte sich als durchgehenden Dienst. Die Wehrübung, die im April begann wurde verlängert und verlängert, und wird auch das nächste Jahr ausfüllen. Der pensionierte Berufssoldat erfüllt seinen Dienst im alten Büro. Zuhause trauen wir uns wieder eine Kaffeetasse einfach so stehen zulassen … die straffe Haushaltsorganisation des Familienoberhauptes hat eine Pause. 😉
Ich spreche hier meistens von zwei Töchtern, was so aber nicht ganz stimmt. Wenn ich von ihnen erzähle meine ich die gemeinsamen Töchter. Die älteste Tochter, die dritte, stammt aus der ersten Ehe meines Mannes. Ihr Lebensweg war lange nicht der unsere und getrennt, was sich in den letzten zwei Jahren aber ändert und eine schöne Entwicklung nimmt. Im Sommer hat sie nun geheiratet und wir freuen uns über immer größere Nähe. Dafür hat die zweite Tochter, die erste gemeinsame, beschlossen, ihre Mutter etwas leiden zu lassen und verbringt immer mehr Zeit bei ihrem Freund. Es ist nicht leicht, auch wenn man immer weiß, dass es so kommen wird, das Kind gehen zu lassen. Im gleichen Maß wie ich „leide“ freue ich mich aber mein Kind glücklich mit ihrem lieben Freund zu sehen. Glücklich über die häufige Abwesenheit der mittleren Tochter ist ganz besonders die Jüngste, die entspannt den Einzelkindstatus genießt.
Der Tod, die Nachrichten und viele Ereignisse …
Das dieses Jahr vielen neuen Idole Platz gemacht hat, musste letztendlich auch ich zugeben. Viele Kindheitshelden und Vorbilder sind gegangen. Ich stelle mir die Party im Himmel vor … es muss ein großartiges Fest sein. Auch unsere Familie musste den Tod eines Mitgliedes erleben. Mein Onkel Fridolin Hablitzel hat mit 94 Jahren beschlossen, dass er seinen Weg auf der Erde beendet. Dieser Tod war von Bedauern, aber nicht von Traurigkeit begleitet. Wir wissen, dass er Traurigkeit nicht gewollt hätte, er hatte schon lange gesagt, dass sein Soll erfüllt ist und wir werden uns immer an einen besonderen Mann und sein Lachen erinnern. Ich durfte meine ersten vier Berufsjahre in seiner Werbeagentur lernen – Lehrjahre, die mein Berufsleben prägten, wofür ich noch heute dankbar bin.
Mit Sorge betrachtete ich über das ganze Jahr die Nachrichten, die uns alle bewegten. Besonders der Krieg in Syrien, Attentate und immer stärkere rechte Tendenzen in allen Ländern. Die Wahl des neuen amerikanischen Präsidenten lähmte mich etwa 14 Tage lang und ich war in gewisser Weise unglücklich und dankbar zugleich, dass ich in den letzten Monaten kaum Zeit fand für meinen Blog zu schreiben oder in befreundeten Blogs zu lesen. Ich verstehe die Empathielosigkeit vieler Menschen und den Nationalismus der Länder nicht. Je größer mein Unverständnis wird, desto größer wird mein Wunsch rechten Tendenzen Widerstand zu leisten.
Neben dem, was wir wie oben beschrieben erlebten, passierten in diesem Jahr viele Ereignisse, die schöne Erinnerungen hinterlassen. Seit meiner Jugend bin ich das erste Mal wieder auf eine Demo gegangen, die Menschenkette gegen rechts, in sehr netter Begleitung. Wir durften den 3. Kunstmarkt der Generationen organisieren und ausrichten und ich freue mich sehr auf den 4. Markt. Im Juni lud meine Mutter zu einem Familienfest ein – wie dankbar bin ich ein Teil dieser großen, bunten und multinationalen Familie zu sein. In diesem Jahr durfte ich bis in den Dezember immer wieder Menschen kennenlernen, die mich sehr beeindruckt haben und ich hoffe, dass ich einige dieser Kontakte vertiefen und festigen kann. Bestehende lange Kontakte haben sich sehr positiv verändert und ich fand die Kraft, mich von einigen wenigen zu trennen – auch das gehört dazu.
Es war ein sehr intensives Jahr, in dem eins nicht dazu gehörte und das war Ruhe!
Da ich auch viel über das Älter werden nachdachte und schlicht feststellen kann, wie wohl ich mich mit meinen Lebensjahren fühle, möchte ich zum Schluss das vollständige Gedicht „Stufen“ von Herrmann Hesse anführen, von dem ich mich sehr angesprochen fühle. Ich wünsche allen, die das hier lesen ein wunderbares neues Jahr, besonders Gesundheit und jeden Tag ein Lächeln. Ich bin neugierig auf 2017, es darf ein bisschen ruhiger als 2016 sein … aber wenn ich ehrlich bin … ich kenne mich und meine Ideen … es wird nie langweilig werden! 😃 Vielleicht gibt’s 2017 dann eine Headline … seid herzlich gegrüßt!
Stufen
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf‘ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden…
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
Hermann Hesse