Wird man Mutter und Vater hat man in der Regel eine ungefähre Vorstellung davon, wie man seine Kinder erziehen will. Eigene Erfahrungen, Prinzipien und Vorstellungen spielen eine Rolle, aber es ist, wie gesagt, nur eine Vorstellung. Das Leben belehrt uns meist anders und viel hängt vom Charakter des Kindes ab – nicht jedes Kind kann gleich erzogen werden. In einem Punkt hatten mein Mann und ich jedoch einen festen Vorsatz: Wir wollten, dass unsere Kinder mit Sport groß werden und mit Sport die Pubertät überstehen. Danach würde es ihre eigene Sache sein, ob sie weiter Sport treiben oder nicht. Natürlich war uns klar, dass sie auch mit Sport jeden Blödsinn der Pubertät durchleben würden. In einem Punkt wären sie dennoch gewappnet: Sie wüssten was Verantwortung und Verlässlichkeit gegenüber einer Mannschaft bedeutet. Es wurde der Hockeysport. Mit fünf ½ Jahren kam die ältere Tochter, Fritzi, nach Hause und erklärte uns, dass sie von nun an Hockey spielen würde. Was diese Entscheidung für unser Familienleben bedeuten würde, war uns damals nicht klar. Hockey wurde nicht nur die Sportart beider Kinder, sondern nahm einen sehr großen Raum im Familienleben ein. Vor ein paar Tagen wurde das kleine Mädchen von damals als Hockey Bundesliga-Schiedsrichterin hoch gestuft. Eine wunderbare Leistung, ein harter Weg und viele Beteiligte, die sich heute mit der Tochter freuen können.
Es hat mit einem Zufall angefangen. Bei einem Hockeyturnier wurde mit den Mädchen und Knaben der Spielklasse A ein Schiedsrichter-Regeltest durchgeführt. Diejenigen, die den Test bestanden, bekamen eine Schiedsrichterpfeife geschenkt. Fritzi bestand den Test und ihr damaliger Betreuer der Mannschaft, Christian Kober, fand heraus, dass ihr das Pfeifen durchaus liegt. Er setzte sie immer wieder bei Punktspielen ein. Bei einem dieser Spiele wurde sie von Heiner Lohmann angesprochen, ob sie nicht Lust hätte BVH (Berliner Hockey Verband) Schiedsrichterin zu werden. Sie hätte Talent dafür und um am in Kürze stattfindenden Lehrgang teilnehmen zu können, würde er mit Michael Niggeloh sprechen. Sie nahm teil, bestand den Lehrgang in der Theorie. Die praktische Ausbildung im Rahmen eines Turniers in der Sporthalle am Steinplatz ließ Fritzi das erste Mal auf Petra Goerke treffen, die dann ihre langjährige Mentorin wurde und sie in den Mädchenförderkreis aufnahm.
Fritzi bekam ihre ersten Trikots als BHV Schiedsrichterin. Das bedeutete für die Familie jede Woche am Wochenende neue Sporthallen in Berlin kennenzulernen. Dies nicht nur bei den Spielen, die beide Töchter als Sportlerinnen mitmachten, sondern nun auch bei den Hockeyspielen, in denen die Schiedsrichterin gefordert war. Zwei Mannschaften, zwei Hockeyspielerinnen, eine Schiedsrichterin, ein Auto – logistisch war es manchmal nicht einfach. Aber – die Töchter hatten Spaß am Spiel, Fritzi an der Schiedsrichterei und wir Eltern die Möglichkeit unseren Vorsatz durchzuhalten. Hockey wurde das zentrale Familienthema.
Fritzi wurde im weiteren Verlauf für das Turnier „Jugend trainiert für Olympia“ oder die Endrundenspiele um die Berliner Meisterschaft angefragt. Damit kam sie in das Blickfeld zwei weiterer Namen, Rene Pleißner (Mitglied SRA – Schiedsrichter und Regelausschuss) und Malik Schulze (Schiedsrichterobmann des Berliner Hockey-Verbandes). Ab dem Jahr 2011 gehörte sie zum festen Schiedsrichterkader bei den Endrunden in Berlin. 2012 wurde sie vom Berliner Schiedsrichterausschuss für die Teilnahme am Länderpokal (Berlin/Rhein-Pfalz Pokal) nominiert, womit sie in den Nachwuchsbereich des DHB (Deutscher Hockey Bund) aufgenommen wurde, der durch Gabi Schmitz, Vorsitzende des Jugend-Schiedsrichterausschusses des DHB, geleitet wird.
Es folgten zwei Jahre mit persönlichen Höhepunkten: 2013 die ersten Jugendländerspiele und der ersten Endrunde der Deutsche Meisterschaft, 2014 zwei Länderspiele in den Niederlanden, die Teilnahme am Fünf Nationenturnier in England sowie die Nominierungen zu verschiedenen Endrunden. 2015 bekam sie den dritten Satz der Schiedesrichter-Ausrüstung, den der Regionalliga. In diesem Bereich wurde sie von Dirk Möller, 2. Stellvertreter SRA, unterstützt. Auch Michelle Meister, Jerrit Trebesius, Andreas Wille oder Lothar Kubig und andere haben diesen Weg begleitet. Am 28. Oktober bekam sie die offizielle Nachricht, dass sie für die 2. Bundesliga Damen (Feld) und Bundesliga Damen (Halle) hoch gestuft wurde.
Mit 13 Jahren hat Fritzi ihr erstes Spiel gepfiffen, mit 21 Jahren beginnt sie in der Bundesliga. Dazwischen liegen Jahre, die manchmal nicht so leicht waren, wie es sich hier vielleicht liest. Schiedsrichter müssen viel aushalten, blitzschnelle Entscheidungen treffen, körperlich fit sein, durchsetzungsfähig Spiele lenken, ohne den Spielfluss kaputt zu pfeifen. Sie müssen immer auf dem aktuellsten Stand der Regeln sein und trotz manchmal harter Kommentare von Trainern und Zuschauern gelassen bleiben. Ich habe oft gestaunt, wie meine Tochter so manche Bemerkung ignoriert, Rückschläge wegsteckt, scharfe Kritik verarbeitet, Nichtnominierungen hinnimmt und auf die nächste Chance wartet. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass die Jugendlichen, die sich dem Schiedsrichterwesen widmen, begleitet sind. Sie lernen zeitlich angemessen, werden beobachtet, geschult, beraten und in eine Richtung gelenkt, die ein breites Kreuz mit der Pfeife in der Hand möglich machen. Fritzi war nie allein, sondern konnte auf Unterstützung zählen – wurde gefördert und gefordert.
Letztlich darf man den Vater der jungen Dame dabei nicht außer Acht lassen. Er hat sie durch ganz Berlin gefahren, ihr immer den Rücken gestärkt, ihre Spiele beobachtet und mit ihr durchgesprochen. Hockey war und ist wohl das häufigste Thema an unserem Esstisch und wir haben oft andere familiäre Dinge hinten angestellt. Die Pubertät beider Töchter ist lange vorbei – das Hockeyspiel ist geblieben. Als die Hochstufung zur Bundesliga-Schiedsrichterin offiziell wurde, fragte Fritzi, ob wir stolz seinen. Ich habe geantwortet: Wenn du Mutter oder Vater bist und dein Kind einen Meilenstein schafft, ist es immer etwas Besonderes und ein Geschenk. Danke dem Kind für das Geschenk und den Wegbegleitern für die Unterstützung.
Und warum ich das jetzt so ausführlich und öffentlich schreibe? Ersten ist Hockey ein wunderbarer Sport. Zweitens sollte Hockey eine weitaus höhere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit – auch im Fernsehen – bekommen. Drittens fehlt es immer an Schiedsrichtern: Eltern – wenn ihr selbstbewusste Kinder wollt – schenkt euren Kindern eine Pfeife … und fördert sie! 😉