Die Zahnputzbecher bleiben leer

Wochenend-Einkauf: Ich schiebe meinen Einkaufswagen durch den Supermarkt und staune nach einer Weile, dass der Einkaufszettel kürzer, der Wagen aber so gar nicht voll wird. Viele Sachen, die sonst zum „Must-have“ des Einkaufs gehörten bleiben in den Regalen. Keine Himbeeren im Winter, kein Vollkorn-Knäckebrot, kein Steviazucker, kein Joghurt 0,1%. In den Süßigkeiten-Regalen schaue ich nur nach Sachen, die der Vater mag. An den Kosmetik-Regalen gehe ich ohne Interesse vorbei. Kein spezielles Haarwaschmittel oder Duschshampoo wird gebraucht. Nach dem Bezahlen kommt mir der Quittungsstreifen ungewöhnlich kurz vor und das Umladen des Einkaufs in das Auto kommt keiner Schwerstarbeit gleich. Andere Situationen gibt es auch: Die tägliche Frage, was es zum Abendessen gibt, ist in kürzester Zeit und ohne Diskussion gelöst. Ziehe ich beim Heimkommen die Schuhe aus, finde ich immer einen Platz dafür im kleinen Schuhregal ohne mich durch sieben davor stehende Paare durchzuwühlen. Mache ich nach der Arbeit Zuhause meinen Entspannungskaffee, sieht die Küche tatsächlich so aus, wie ich sie morgens verlassen habe. Morgens im Bad hängt mein Handtuch immer dort, wo ich es zuletzt hingehängt habe. Ich muss keine Haargummis in das entsprechende Schälchen weglegen (ich selbst habe maximal 2 cm lange Haare). Wenn ich Zähne putze, fällt mein Blick oft auf die zwei leeren Zahnputzbecher. Ich überlege, ob ich sie wegräume, denn sie bleiben auch künftig leer. Beide Töchter haben sich in diesem Jahr auf eigene Wege begeben. Auch ihre Betten bleiben leer.

Wenn man Kinder bekommt, muss einem klar sein, dass man die nächsten 20 Jahre in der zweiten Reihe steht. Das bedeutet nicht, sich selber aufzugeben, aber alles Bestreben in dieser Zeit sollte darauf ausgerichtet sein, eigenständigen und selbstbewussten Nachwuchs großzuziehen. Je mehr Zeit man darin investiert, umso erfolgsversprechender und sicherer hat man später auch seine Ruhe. Gerade in den ersten durchwachten Nächten mit dem Säugling kommt einem diese Zeitspanne unüberwindbar vor. Selbst viel später in der Pubertät des Nachwuchs, denkt man immer noch, dass man es nie schaffen wird. Doch irgendwann ist es dann doch vorbei. Plötzlich vorbei. Viel schneller vorbei, als man eigentlich für möglich gehalten hätte. Der Nachwuchs zieht aus und die Zeit beginnt, in der sich Mutter und Vater ihres Elternjobs beraubt fühlen und sich wieder auf sich selbst besinnen müssen. Nun ist das natürlich nicht mit der gemeinsamen Zeit zu vergleichen, die man mehr oder weniger hatte bevor die Kinder da waren. Zum einen ist man eben gut 20 Jahre älter, die rosa Wölkchen der Anfangszeit haben so ziemlich alle Farbnuancen durchgemacht und das eine oder andere Zipperlein ist ständiger Wegbegleiter geworden. Herr Schmidt und ich sind frisch in diese neue Lebensphase eingetreten. Wir müssen uns neu sortieren, miteinander positionieren, neue Routine oder Herausforderungen finden.

Unsere erstgeborene Tochter hat uns Eltern sanft entwöhnt, beziehungsweise sich selber sehr elegant heraus gelöst. Man könnte es auch als eine Art „Ausschleichen“ bezeichnen. Letzten November zog ihr Freund in seine erste eigene Wohnung ein. Der unglaubliche Vorteil dieser Wohnung für unsere Tochter bestand darin, dass sie genau auf der anderen Straßenseite ihrer Ausbildungsstätte liegt. Hat sie Frühschicht, ist es natürlich ein gewaltiger Unterschied für die jungen Frau, ob sie in der Wohnung des Freundes um halb sechs aufstehen muss oder in dem elterlichen Heim um halb vier morgens. Wir erlebten nicht mehr viele Frühschichten der Tochter. Auch nicht mehr viele Spätschichten. Kam sie nach Hause, war eine große Tasche im Gepäck mit Schmutzwäsche, aber auch diese Tasche blieb irgendwann weg, nachdem über WhatsApp geklärt war, bei wie viel Grad man Bunt- oder Kochwäsche wäscht. Im Sommer räumten der Ehemann und ich einiges im Haus um und überlegten, wie wir die Räume optimal nutzen könnten. Mit einigen Vorbehalten trauten wir uns die Tochter bei ihrem nächsten Besuch zu fragen, ob in ihr Zimmer nicht der Vater einziehen könnte. Statt einem entsetzen „Wollt ihr mich rausschmeißen!“, kam nur ein „Warum habt ihr das nicht schon längst gemacht.“ Damit war das bisher Unausgesprochene offiziell: Es lebt nur noch ein Kind hier im Haus.

Loslassen war das erste Mal ein Thema für mich. Nein, eigentlich nicht loslassen. Das müssen Mütter mit jedem Entwicklungsschritt der Kinder mitmachen. Trennung bezeichnet es eigentlich besser. Der gemeinsame Weg mit der Tochter ist beendet. Jetzt zeigt sich, ob wir ihr das richtige Rüstzeug in der Erziehung mitgegeben haben. Aber: Sie ist selbstbewusst, weiß was sie will, zieht konsequent ihr Studium durch und wirkt auf mich bei jedem Besuch ausgeglichen und zufrieden. Hier kann ich gut loslassen, zumal der junge Mann an ihrer Seite mir das Gefühl gibt, dass er ihr gut tut. Seinen Besucherstatus haben wir irgendwann aufgehoben. Jetzt gehört er zu uns. Sie planen beide ihre Zukunft und wir haben den Eindruck, dass sie sich gut ergänzen und glücklich zusammen sind.

Die jüngere Tochter hat die Schule im Sommer beendet, womit der Weg frei war, sich ihren großen Traum zu erfüllen. Seit drei Jahren spielte sie mit dem Gedanken ein Jahr ins Ausland zu gehen. Nach vielen Überlegungen hat sie sich für Australien entschieden. Wir haben eine begleitende Organisation ausgewählt und Fakten geschaffen. Lange stand der 24. Oktober als Abflugdatum fest, sodass der Sommer von Vorbereitungen geprägt war. Das erste Mal komisch wurde es mir erst, als wir den großen Rucksack zur Probe gepackt haben. Damit wurde sichtbar, dass sie nicht mehr lange hier sein würde. Trotzdem rückte der Reisetag näher, bis wir sie schließlich zum Bahnhof brachten. Entgegen allen vorherigen Beteuerungen rollten natürlich ein paar Tränen, aber es war ein ruhiger und liebevoller Abschied. Zu Hause alleine fühlte sich die Ruhe unwirklich an. Die ersten zwei Tage hatte ich immer das Gefühl, dass sie gleich wieder kommt. Mit der Nachricht, dass sie in Sydney gelandet ist, hörte das sofort auf. In der ersten Woche erlebten wir ein ständiges Auf und Ab der Gefühle, das uns zugegebener Maßen alle sehr beanspruchte. Wir hatten alle nicht damit gerechnet, dass der Jetlag sie so treffen würde. Schlafmangel und unregelmäßiges Essen taten ihren Teil dazu, dass es ihr nicht gut ging. WhatsApp, Skype, Facebook, Telefon kann man bei solchen Reisen als Fluch oder Segen betrachten. Für uns war es ein Segen, weil wir die nötige moralische Unterstützung geben konnten. Auch Familienmitglieder und Freunde halfen mit Ratschlägen, eigenen Erfahrungen und lieben Worten, sodass es langsam bergauf ging und die ersten schönen Nachrichten aus Sydney kamen. Als sie in ihrem Blog EscapeWorld, den sie eigens für diese Reise eingerichtet hatte, ganz ehrlich über ihre Anfangsschwierigkeiten berichtete, bekam sie so viel Zuspruch, dass die Gefühlswende gelang.

Es war eine schwere erste Woche. Aber: Sie macht jetzt Erfahrungen, die sie Zuhause nicht machen kann. Sie lernt Dinge, die sie sich hier lange erarbeiten müsste. Sie erlebt Sachen, die ihr hier verborgen bleiben würden und sie sieht Orte, die wir nicht sehen werden. Ich bin ein bisschen neidisch und freue mich, dass sie das erleben kann, auch wenn es hin und wieder nicht so leicht ist. Ein bisschen staune ich über mich selber: Bisher hatte ich noch keine Gelegenheit mein Kind zu vermissen. Ich denke, weil wir oft Kontakt hatten. Vornehmlich aber, weil ich weiß, was dieses Kind für Stärken hat und ich tief im Bauch weiß, dass sie es bewältigen wird. Mein Jammer kommt sicherlich, wenn es ihr prächtig geht. Ich bin sehr gespannt mit wie vielen bereichernden Kontakten, lehrreichen Erkenntnissen und neuen Ideen sie wieder nach Hause kommt.

Wir sind also sozusagen kinderlos auf Probe. Die jüngere Tochter kommt wieder. Wer weiß, wie lange sie dann bleiben wird. Jetzt probieren wir erst einmal, wie es sich so alleine lebt, nach gut 20 Jahren Kindererziehung. Es hat Vorteile. Viele Vorteile. Trotzdem möchte ich keine Sekunde der letzten Jahre missen. Es gibt Momente, in denen man seine Kinder verfluchen könnte, um Sekunden später festzustellen, dass man sie einfach nur liebt. Es gibt schwere Phasen, die eine Familie auf harte Proben stellt, um später zu erkennen, dass man noch mehr zusammen gewachsen ist. Und es gibt eben diese Zeit des Loslassens, die zeigen wird, ob man als Eltern einen guten Job gemacht hat. Und hat man es gut gemacht, kommen die Kinder eh immer wieder zurück. Eine Freundin hat mir letzte Woche geschrieben: „Ihr habt ihnen Wurzeln gegeben – jetzt sind die Flügel dran!“ Goethe würde sich immer noch freuen, dass er bis heute zitiert wird.

Mein Mann und ich haben Pläne, Ideen und Ziele. Wir genießen unsere eigenen Freiräume und wieder gewonnene Unabhängigkeit. Und so ganz lassen uns die Kinder ja doch nicht los. Wenn am Feiertag die Frage der großen Tochter über WhatsApp kommt: „Mama, was gibt‘s heute bei euch zu essen?“, liegt die Vermutung doch sehr nahe, dass da ein Kühlschrank leer ist. Natürlich plant die Mutter dann so, dass zwei zusätzliche Bäuche satt werden. Alles verändert sich, muss sich weiter entwickeln und birgt seinen eigenen Reiz.

Nach meinen Wochenend-Einkäufen habe ich immer das Gefühl etwas vergessen zu haben. Manchmal, wenn ich morgens im Bad stehe und Zähne putze, genieße ich die noch ungewohnte Ruhe, die ich um mich herum fühle. Aber manchmal, wenn ich dort stehe, denke ich: „Jetzt könnte doch endlich mal einer ungeduldig klopfen und fragen, wann ich endlich fertig bin.“ Aber, die Zahnputzbecher bleiben auch künftig leer, zumindest einer. Irgendwann zieht sicherlich so eine kleine Kinderzahnbürste der Enkel ein.

Träume in Realität verwandeln

Klausutag_Januar-2016_SzS

Aus einem Wunsch wird ein Traum, aus dem Traum ein Ziel und aus dem Ziel wird Realität. Damit ist fast alles gesagt. Die jährliche Klausurtagung des Stadtteilzentrums Steglitz e.V. (SzS) steht an. 25 ProjektleiterInnen treffen sich in der Geschäftsstelle um Perspektiven des Vereins für die künftige Arbeit zu definieren. Alle freuen sich auf diesen Tag, da es nicht oft vorkommt in dieser Gruppierung gemeinsame Zeit verbringen zu können. Es sind auch gemischte Gefühle dabei, bedeutet Klausurtagung unter anderem sich kritisch mit dem Vergangenen auseinanderzusetzen. Aber: Der Geschäftsführer hat ein gemeinsames Frühstück als ersten offiziellen Tagungsordnungspunkt festgelegt, was die Stimmung erheblich fördert. Das bunte Buffet hat für jeden reichlich zu bieten und die Gelegenheit Neuigkeiten auszutauschen wird reichlich genutzt. Doch irgendwann ist auch der beste Esser gesättigt, der Erzähldrang erfüllt – es geht an die Arbeit.

Thomas Mampel ist Gründer und Geschäftsführer des gar nicht mehr so kleinen Vereins. Er kennt seine ProjektleiterInnen seit vielen Jahren. In diesem Jahr sind drei neue Gesichter dabei. Er begrüßt alle und erklärt, was es mit dem Motto des Tages auf sich hat. Räumt ein, dass er etwas nervös ist, weil er nicht weiß, ob sich seine ProjektleiterInnen auf seine Idee einlassen, ob er alles gut durchdacht hat und wie das Ergebnis des Tages sein wird. Er erläutert den Tagesablauf und wird konkreter mit dem zweiten Tagesordnungspunkt. „Wie wird das Stadtteilzentrum Steglitz e.V. im Jahr 2026 aussehen!“ Wo sieht sich jeder einzelne, wie hat sich seine berufliche Laufbahn, sein Projekt oder seine Einrichtung verändert – in 10 Jahren! Wir sind aufgefordert uns in die Zukunft zu versetzen. Uns unsere Wünsche bewusst zu machen, unsere Träume wahrzunehmen und Wunschvorstellungen zu konkretisieren. Wir haben eine Stunde Zeit unsere Gedanken dazu in irgendeiner Weise darzustellen – alles ist offen. Alle ProjektleiterInnen suchen sich alleine oder zu zweit einen ruhigen Platz um die Aufgabe zu erfüllen. Es wird geschrieben, geplant, gemalt, gelacht, auch mal durchgestrichen und geändert. Vage Vorstellungen werden mutiger, der Spaß gewinnt Oberhand, der Sinn ist verstanden. Jeder wird sich seiner eigenen Ressourcen bewusst, seiner fachlichen Qualitäten, macht sich bewusst, was ihn am Ist-Zustand stört oder ärgert. Jeder weiß, wo er hin will und mischt das alles mit wagemutigen Wunschvorstellungen. Die Stunde ist zu schnell vorbei – Träumen macht Spaß!

Klausutag_Januar-2016_SzS_2Präsentation heißt der dritte Tagesordnungspunkt: 25 ProjektleiterInnen sitzen im Kreis und wissen, dass sie bald an der Reihe sein werden. Die Spannung und Erwartungen sind zu spüren. Thomas Mampel erklärt, dass nun jedem 5 Minuten zur Verfügung stehen um vorzustellen, wo wir im Jahr 2026 sein werden. Ein Feuerwerk beginnt – die Mutigen stehen als Erste vor ihrem vertrauten Publikum. An diesem Punkt sei gewarnt – jetzt wird’s lang. Die Visionen der KollegInnen sind jedoch so spannend, dass hier keine ausgelassen wird. Wem das zu lang wird kann gerne zu dem Punkt • an den Anfang des 11. Absatz springen – aber – ihr verpasst was!

Im Jahr 2026: Der Erste ist mit den Jahren ein virtueller Geschichten-Erzähler geworden, eine Tätigkeit in der er seine Vorliebe, Prozesse zu beobachten und zu begleiten, voll ausleben kann. Unabhängig von jeglichen Grenzen erzählt er die Erfolgs-Geschichte eines ehemals kleinen Vereins, bei der alle an einem Strang zogen und wie man eine solche Geschichte verwirklichen kann. Die Zweite ist weit entfernt vom Ruhestand, der nur eine Randerscheinung ihres Lebenslaufs war. Sie ist aktiv in der Seniorenvertretung des Bezirks (Insider vermuten, sie wird sie leiten) und moderiert eine Gruppe von 30 Ehrenamtlichen, die in verschiedenen Einrichtungen aktiv sind. Finanziert wird ihre Idee von einem Programm 60+ und auch 80+. Die Gesellschaft hat also verstanden die Erfahrungen der älteren Generation zu nutzen. Im Jahr 2026 feiert sie als Ehrenvorsitzende das Jubiläum des Kunst-Kultur-Zentrums und freut sich ungemein, dass sie zum rechten Zeitpunkt ihre Nachfolge im Beruf aufgebaut und gefördert hat. Die nächste Projektleiterin hat es geschafft aus ihrer kleinen Einrichtung im sozialen Brennpunkt eine grüne Oase „lebendiges Gardening!“ zu machen. Dem ist ein multikulturelles Beratungszentrum angeschlossen, so dass der soziale Brennpunkt schon lange keiner mehr ist.

Der nächste Projektleiter ist soweit, völlig entspannt in den Ruhestand zu gehen, da er sich selber überflüssig gemacht hat. Er blickt zufrieden auf die vergangenen Jahre zurück, in denen er den ehemals kleinen Verein in eine berlinweit operierende „Stadtteil Berlin gGmbH“ umgewandelt hat. Mit den richtigen Mitarbeitern und der richtigen Strategie kann er fortan die weiteren Erfolge aus der Ferne beobachten. Auf der anderen Seite des Erdballs haben sich die Ziele einer weiteren Projektleiterin verwirklicht. In Brasilien leitet das SzS ein Kinderheim für Straßenkinder und selbstverständlich gibt es ein umfangreiches Austauschprogramm mit Deutschland. Und auch ihre Kollegin hat ein neues Projekt gegründet. „Ein Ort für Alle!“ ist ein Projekt, das Menschen hilft, sich ihrer Kräfte bewusst zu werden und diese dafür einsetzen zu können, mit Kreativität und Energie ihr selbständiges Leben zu gestalten. Der Nächste ist weltberühmt geworden, hat er doch mit seinem „Jugendfilm-Produktionshaus“ einen Oskar gewonnen (wir verraten jetzt nicht, was sein Hobby ist). Er plant weitere Filme mit seinen Jugendgruppen und sein Name wird unter der Hand schon in die Reihe großer Regisseure eingereiht.

Das unglückliche Schulsystem von 2016 wurde von unserem Kollegen aus der Schulsozialarbeit vollkommen revolutioniert. 2026 gibt es keine Rahmenlehrpläne mehr, Pädagogen sind in der Lage individuell auf Kinder einzugehen, da ihnen ein sozial-pädagogisches Beratungszentrum immer offen steht. Versteht sich von selbst, wer das leitet! Die musikalische Kindertagesstätte kann kaum mehr die Wünsche der Voranmeldungen erfüllen, seitdem die Kollegin ihre Vision der singenden Kita verwirklicht hat. Ihr Team hat sich mit den Jahren durch Umorientierung und Weiterbildungen so gestärkt, dass es nahezu eine Idealbesetzung ist und sie neue Visionen verfolgen kann. Den demographischen Wandel hat eine andere Kita-Leiterin rechtzeitig erkannt und die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft gestellt. Aus der ehemaligen Kita ist ein Mehrgenerationen-Haus geworden, in dem sich die Generationen ergänzen können. Personalknappheit gibt es schon lange nicht mehr, da ein MitarbeiterInnen-Pool geschaffen wurde, der keinerlei Engpässe mehr entstehen lässt. Dieser Pool steht selbstverständlich allen Einrichtungen des Vereins zur Verfügung. Und auch der dritte Kita-Leiter hat rechtzeitig die Weichen für ein Projekt gestellt, dass die gesundheitsfördernden Maßnahmen für alle Mitarbeiter im Fokus hat. Wir werden ja alle nicht jünger, aber dank dieses Projektes werden MitarbeiterInnen im Jahr 2026 weniger häufig krank und können länger arbeiten. Den Chef freut’s!

Aus dem ehemaligen Jugendfreizeithaus ist ein Familien- und Therapiezentrum Lichterfelde geworden. Kinder und ihre Familien finden hier präventiv Hilfe in allen Lebensbereichen. Man kann effektiv und nachhaltig arbeiten, da die Finanzierung durch die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales auf Jahre gesichert ist. Geleitet wird das Zentrum durch den ehemaligen Projektleiter eines Schülerclubs, der sich in den Jahren immer weiter entwickeln und steigern konnte – Ende nicht in Sicht. Der nächste Kollege hat sich im Netzwerk „Aus Steglitz für Berlin“ verwirklicht. Es ist eine Ausgründung aus dem ehemaligen Stadtteilzentrum. In diesem Netzwerk gibt es keine Hierarchie mehr, die Mitarbeiter freuen sich über das Bedingungslose Grundeinkommen und sie wählen ihre Leitung demokratisch. Aufgrund der freien Arbeitsbedingungen ist dieses Netzwerk in ganz Berlin sehr erfolgreich. Der SzS-Campus wird vom nächsten Kollegen vorgestellt. Er hat im Jahr 2026 die Schulen in den Grenzen von 2016 abgelöst. Man hatte verstanden, dass lebenslanges Lernen für die Förderung der Menschen von elementarster Bedeutung und ein Grundrecht ist. Schulen gibt es nur noch in freier Trägerschaft, womit Berlin eine bundesweite Vorreiterrolle übernommen hat.

Ja, man erkennt, dass das SzS sich im Jahr 2026 sehr verändert hat, was natürlich auch große Auswirkungen auf die Verwaltung des Vereins hatte. Doch die Zeichen wurden rechtzeitig erkannt und mit den Jahren eine papierlose Verwaltung geschaffen. Das digitalisierte System ist so gut, dass alle ProjektleiterInnen ortsunabhängig optimal arbeiten können. Diese Kollegin bereitet sich auf die Altersteilzeit vor, aber ihr System ist so gut, dass sie bundesweit Workshops und Vorträge anbietet, um auch andere freie Träger von dem Nutzen der Digitalisierung zu überzeugen. 2020 war ein furchtbares Jahr in der sozialen Arbeit – die öffentliche Jugendhilfe war kollabiert und ein neues System wurde geschaffen. Von diesen Erfahrungen geprägt wurde damals aus einer Koordinatorin eine „feel-good-Managerin“. Ihr Netzwerk ist in der Lage junge Familien so vortrefflich in Erziehungsfragen zu unterstützen, dass tatsächlich die Geburtenrate 2026 auf einem neuen Rekordstand ist.

Der Pachtvertrag wurde nicht verlängert. Wegen der optimalen Pflege und Nutzung ging das Gutshaus Lichterfelde in den Besitz des SzS über. Der Verein nutzte die Chance und so blickt die Projektleiterin des Hauses 2026 zufrieden von der Terrasse ihrer Einrichtung für fitte Senioren auf den generationsübergreifenden Fitness-Parcours. Seinen eigenen Quereinstieg als Projektleiter einer Notunterkunft hat ein anderer Kollege genutzt, um seine persönlichen Erfahrungen für den sozialen Bereich zu nutzen. Er hat es geschafft ein Projekt zu gründen, dass als zentrale Aufgabe hat, die Personalressourcen geflüchteter Menschen optimal einzusetzen. Ein Projekt, dessen Erfolg sich herum gesprochen hat und nicht nur die geflüchteten Menschen und das SzS profitieren. Das neue „Live-Zentrum SzS“ wird 2026 durch die Leiterin von einem mobilen Büro aus geleitet. Die mittlerweile sieben Kindertagesstätten bilden das Herzstück des Zentrums, das aber neben den Kindern, Tieren, Häusern mit Land, Garten und Seegrundstücken durchaus generationsübergreifend arbeitet. Wir arbeiten 2026 nur noch vier Tage in der Woche – ja, wir sind effektiver geworden und haben die work-live-Balance verwirklicht.

Natürlich wäre es schade, wenn wir uns bei derart hoher fachlicher Qualifikation auf das Schulwesen beschränken. Auch wir werden älter und müssen für junge Fachkräfte sorgen. So wurde die social-work-Akademie von der nächsten Projektleiterin gegründet. Der Erfolgsfaktor der Akademie ist recht einfach: Wir fungieren als Vorbilder im Umgang mit MitarbeiterInnen und Kunden. Die Akademie ist ein Aus- und Fortbildungszentrum für Sozialarbeit und Sozialmanagement. 2026 sucht man schon neue Räume. Unterstützt wird die Akademie durch den kleinen Verlag der sich im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit gegründet hat. Derart viele fachliche Qualifikationen und Kompetenzen müssen natürlich publiziert werden. Es wurde ein ganzer Arbeitsbereich aus einer ehemals Halbtagsstelle, deren Leiterin allerdings viel unterwegs ist. Macht nichts, denn auch sie trägt in Vorträgen die Botschaft des SzS in andere Städte. Wie lange sie das machen wird, wissen wir nicht, da das Rentenalter abgeschafft wurde und jeder so lange arbeiten darf, wie er sich weiter verwirklichen kann!

Punkt • An diesem Punkt ist es 13.00 Uhr und wir kehren, gefüllt von Visionen, ins Jahr 2016 zurück. Thomas Mampel blickt beeindruckt in die Runde und ist erstaunt, welches Potential er losgelassen hat. Eine Pause ist angesagt und sofort gehen die neugierigen Gespräche los. Bei dem ein oder anderen müssen wir mehr wissen, Zustimmung und Lob äußern. Dazu sei erwähnt, dass sich wahre Talente der Vortragskunst offenbar haben. Wenig später ging es weiter mit einem sogenannten Fish-Bowl, eine Methode in einer großen Gruppe eine Diskussion zu führen. In zwei Kreisen sitzen alle beisammen. Im Inneren der Diskussionsleiter, der bei den Vorträgen eifrig mitgeschrieben hat, und drei Gesprächspartner. Ein Stuhl ist frei. Auf den freien Stuhl setzt sich immer derjenige, der zu dem Gesagten eine Frage hat. Die Gesprächspartner wechseln. So kommt jeder an die Reihe und vorher vorgestellte Visionen, Wünsche, Träume, Ziele werden genauer unter die Lupe genommen. Auch dieser Tagesordnungspunkt ist von großer Kurzweiligkeit geprägt. Die Ergebnisse werden zusammengefasst und am Ende steht die kleine Hausaufgabe, dass jeder seine Visionen schriftlich fixiert.

Gemeinsam schauen wir zum Abschluss den Film „Augenhöhe“. Ein Film mit dem Thema, wie gemeinsam die Arbeitswelt verändert werden kann. Dieser Film soll Inspiration für alle sein, die in ihrem Umfeld Impulse für eine andere Arbeitswelt setzen möchten. Passt also zu unserem Tagesthema. In einer Abschlussrunde fassen wir die Ergebnisse des Tages zusammen und haben Gelegenheit unsere persönlichen Eindrücke zu äußern. Es fällt durchweg positiv aus und wer die Runde dieser Projektleiter kennt, weiß, dass viele Visionen durchaus ernst zu nehmende Ziele sind. Thomas Mampel blickt auf einen erfüllten Tag zurück und freut sich, dass sich alle auf seine Form, diesen Tag zu gestalten, so bereitwillig eingelassen haben.

Fazit: Manch einer könnte uns für größenwahnsinnig halten. Nein, wir wollen nicht tonangebend in der sozialen Arbeit sein. Wir wollen sie zukunftsträchtig, unter Berücksichtigung aller zeitlichen Entwicklungen und Energien verbundener Menschen in der sozialen Arbeit, mitgestalten. Wenn wir beobachten welche Entwicklungen und Veränderungen allein das Stadtteilzentrum Steglitz e.V. in den letzten Jahren durchlebt hat, ist es nicht schwer sich auch künftige, rasante Entwicklungen vorzustellen. Und wie kann man einen Menschen am besten motivieren, seine optimalen Kräfte für eine gute Sache einzusetzen? Man lässt in seine Träume und Ziele verwirklichen … wir haben 2016 angefangen das Jahr 2026 vorzubereiten … und lassen garantiert von uns hören.

Leitartikel der Homepage des Stadtteilzentrum Steglitz e.V. vom 1. Februar 2016

Der Traum von der Musik-Kita mit dem Hund

Feza Guschke März 2015

Feza Guschke

Als sie eines Tages ihrer Arbeitsbereichsleiterin erzählt, dass sie von einer Kita mit einem Hund träumt, bekommt sie als Antwort gesagt: „Warum nicht!“ Genau damit hatte sie nicht gerechnet, da die Antwort mehr aussagte, als dass allein die Vorstellung möglich ist. Die Antwort bedeutete ebenso, dass man empfänglich für ihre Visionen und Vorstellungen ist. Hier werden Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet und neu Perspektiven bereitgestellt. Das hatte sie fasziniert – ein Arbeitsplatz, der nicht in einem starren Muster verharrt, sondern wo es gewünscht ist an neuen Entwicklungen aktiv teilzuhaben und mitzuarbeiten. Zum 1. März hat Feza Guschke die Leitung der Kita Lichterfelder Strolche übernommen. Sie übernimmt damit die Verantwortung für eine der drei Kita’s des Stadtteilzentrum Steglitz e.V., aber eine neue Kollegin ist sie dennoch nicht.

Feza Guschke war Erzieherin im Team der Lankwitzer Maltinis, eine relativ neue Einrichtung des Stadtteilzentrums, die im August 2013 eröffnete. Hier konnte sie von Anfang an den Kita-Alltag, die Atmosphäre und die Teambildung mit gestalten. Recht schnell war deutlich, welches kreative Potential sie dafür mitbrachte. Feza erzählt lächelnd, dass sie einmal von einem Dozenten als ein Fass voll Kreativität bezeichnet wurde. Es ist ihr bewusst und sie sagt, dass sie Möglichkeiten braucht um all das loszulassen und zu teilen, was in ihr steckt. Mit wem könnte sie dies nun wieder besser teilen als mit Kindern. Kinder kennen für sie keine Grenzen. Sie sind bereit, sich und ihre Umwelt auszuprobieren und unvoreingenommen allem zu begegnen, was sie spannend und interessant finden. Unvoreingenommenheit zu erhalten und so wenig Grenzen als möglich zu setzen sind Dinge, die sie den Kita-Kindern erhalten möchte. Voraussetzung dafür ist, dass Kinder Regeln lernen, Pflichten einhalten und durch Verlässlichkeit wiederum Freiheiten erhalten. Klingt schwierig? Ist es nicht, denn wenn man die Ruhe und Überzeugung spürt, die Feza ausstrahlt, wenn sie das sagt, spürt man auch, dass sie die Persönlichkeit hat, dies umzusetzen.

Feza Guschke lernt gerne, für sich selber, von Kindern, von den Menschen, die ihr begegnen. In diesem Jahr wird sie ihre Zusatz-Ausbildung zur Facherzieherin für Musik und Rhythmik beenden. Musik gehörte von Kindheit an zu ihrem Leben dazu, ist etwas, was sie ihren eigenen Kindern mitgibt und auch den Kita-Kindern vermitteln möchte. Die Möglichkeiten zusätzliche Fachausbildungen zu machen, schätzt sie sehr an ihrem Beruf. Je nach Neigung und Fertigkeiten kann man Kompetenzen erlangen, sich in alle Richtungen weiterbilden und entwickeln. Sie selber musste immer lernen, sich neuen Situationen anzupassen und sich in neuen Begebenheiten zurecht zu finden. In Berlin geboren, erlebte sie ihre ersten drei Lebensjahre bei der Großmutter in der Türkei. In Berlin wieder bis zu ihrem 12 Lebensjahr, um dann bis zum 28. Lebensjahr in der Türkei zu leben. Dort absolvierte sie die erste Ausbildung und das Studium zur Deutschlehrerin. Als Lehrerin machte sie ihrer ersten Erfahrungen mit der Art und Weise, wie Kinder lernen und lernte die verschiedenen Wege kennen, Kindern etwas beizubringen. Durch Heirat und Geburt der eigenen Kindern wurde Feza endgültig in Berlin sesshaft. Das frühere Lehramt wollte sie nicht mehr ausüben. Kinder zu bewerten gehörte nicht zu der Vorstellung von Förderung die sie wollte. Sie entschloss sich nach der Elternzeit zur Erzieherausbildung. Diese Ausbildung bezeichnet Feza als Reise zu sich selber. Sie sei für Dinge sensibilisiert worden, die sie persönlich bereichert hätten. Es sei einer Reflexion der eigenen Person nahe gekommen, von der sie in vielen Bereichen bis heute profitiert und nicht zuletzt die Themenvielfalt und -vertiefung hätte sie an dieser Ausbildung geschätzt.

Nun hat die nächste Veränderung begonnen und sie wird ein Team von ErzieherInnen in der Kita leiten. Das Wort Leitung mag sie noch nicht besonders und muss sich daran gewöhnen. Als Begleitung sieht sie sich lieber, denn auch die Weiterentwicklung der Kolleginnen liegt ihr sehr am Herzen. Die Entscheidung ist ihr nicht leicht gefallen, war sie doch fest in ihre Arbeit der Kita Maltinis integriert. Dort hinterlässt sie wertvolle Kontakte zu Kindern, Eltern, Kolleginnen, die sie vermissen wird. Letztendlich war die Neugierde und Herausforderung stärker. Die Möglichkeit selber Perspektiven und Ziele zu entwickeln, eine Kita zu gestalten, Kolleginnen in ihren Ideen zu fördern und von ihren eigenen Ideen zu begeistern. Ausschlaggebend für den Zuspruch die Projektleitung zu übernehmen, war letztendlich das Vertrauen, das Arbeitsbereichsleitung und Geschäftsführung in sie setzten und besonders die Zusicherung jeglichen Rückhalt zu haben, den sie braucht.

Feza Guschke liebt Kommunikation in jeglicher Form, gleichgültig ob über Musik, Gestik oder Worte. Sie vermittelt das Gefühl, zuzuhören, was ihr Gegenüber sagt. Mit den Kita-Eltern möchte sie auf Augenhöhe arbeiten, möchte, ihr Vertrauen gewinnen und hofft auf wertschätzende Zusammenarbeit. Es ist ihr wichtig, Situationen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, offene Gespräche zu suchen und so für alle optimale Lösungen zu schaffen, die einen achtsames Miteinander ermöglichen. Das sind ihre ersten Ziele in der „neuen“ Kita, die sie von nun an leiten wird. Oder doch eher begleiten? Alles ist offen, denn diese Frau lernt schnell – und wer weiß, vielleicht berichten wir an dieser Stelle einmal von der Musik-Kita mit dem Hund

Wir wünschen Feza einen wunderschönen Beginn und den Erfolg, den sie sich wünscht. An ihrem neuen Arbeitsplatz beim alten Arbeitgeber, der sich besonders freut, eine Kita-Leitung mit einer bewährten Kollegin aus den eigenen Reihen besetzen zu können. 

Leitartikel der Homepage des
Stadtteilzentrum Steglitz e.V. vom 2. März 2015