Die Zahnputzbecher bleiben leer

Wochenend-Einkauf: Ich schiebe meinen Einkaufswagen durch den Supermarkt und staune nach einer Weile, dass der Einkaufszettel kürzer, der Wagen aber so gar nicht voll wird. Viele Sachen, die sonst zum „Must-have“ des Einkaufs gehörten bleiben in den Regalen. Keine Himbeeren im Winter, kein Vollkorn-Knäckebrot, kein Steviazucker, kein Joghurt 0,1%. In den Süßigkeiten-Regalen schaue ich nur nach Sachen, die der Vater mag. An den Kosmetik-Regalen gehe ich ohne Interesse vorbei. Kein spezielles Haarwaschmittel oder Duschshampoo wird gebraucht. Nach dem Bezahlen kommt mir der Quittungsstreifen ungewöhnlich kurz vor und das Umladen des Einkaufs in das Auto kommt keiner Schwerstarbeit gleich. Andere Situationen gibt es auch: Die tägliche Frage, was es zum Abendessen gibt, ist in kürzester Zeit und ohne Diskussion gelöst. Ziehe ich beim Heimkommen die Schuhe aus, finde ich immer einen Platz dafür im kleinen Schuhregal ohne mich durch sieben davor stehende Paare durchzuwühlen. Mache ich nach der Arbeit Zuhause meinen Entspannungskaffee, sieht die Küche tatsächlich so aus, wie ich sie morgens verlassen habe. Morgens im Bad hängt mein Handtuch immer dort, wo ich es zuletzt hingehängt habe. Ich muss keine Haargummis in das entsprechende Schälchen weglegen (ich selbst habe maximal 2 cm lange Haare). Wenn ich Zähne putze, fällt mein Blick oft auf die zwei leeren Zahnputzbecher. Ich überlege, ob ich sie wegräume, denn sie bleiben auch künftig leer. Beide Töchter haben sich in diesem Jahr auf eigene Wege begeben. Auch ihre Betten bleiben leer.

Wenn man Kinder bekommt, muss einem klar sein, dass man die nächsten 20 Jahre in der zweiten Reihe steht. Das bedeutet nicht, sich selber aufzugeben, aber alles Bestreben in dieser Zeit sollte darauf ausgerichtet sein, eigenständigen und selbstbewussten Nachwuchs großzuziehen. Je mehr Zeit man darin investiert, umso erfolgsversprechender und sicherer hat man später auch seine Ruhe. Gerade in den ersten durchwachten Nächten mit dem Säugling kommt einem diese Zeitspanne unüberwindbar vor. Selbst viel später in der Pubertät des Nachwuchs, denkt man immer noch, dass man es nie schaffen wird. Doch irgendwann ist es dann doch vorbei. Plötzlich vorbei. Viel schneller vorbei, als man eigentlich für möglich gehalten hätte. Der Nachwuchs zieht aus und die Zeit beginnt, in der sich Mutter und Vater ihres Elternjobs beraubt fühlen und sich wieder auf sich selbst besinnen müssen. Nun ist das natürlich nicht mit der gemeinsamen Zeit zu vergleichen, die man mehr oder weniger hatte bevor die Kinder da waren. Zum einen ist man eben gut 20 Jahre älter, die rosa Wölkchen der Anfangszeit haben so ziemlich alle Farbnuancen durchgemacht und das eine oder andere Zipperlein ist ständiger Wegbegleiter geworden. Herr Schmidt und ich sind frisch in diese neue Lebensphase eingetreten. Wir müssen uns neu sortieren, miteinander positionieren, neue Routine oder Herausforderungen finden.

Unsere erstgeborene Tochter hat uns Eltern sanft entwöhnt, beziehungsweise sich selber sehr elegant heraus gelöst. Man könnte es auch als eine Art „Ausschleichen“ bezeichnen. Letzten November zog ihr Freund in seine erste eigene Wohnung ein. Der unglaubliche Vorteil dieser Wohnung für unsere Tochter bestand darin, dass sie genau auf der anderen Straßenseite ihrer Ausbildungsstätte liegt. Hat sie Frühschicht, ist es natürlich ein gewaltiger Unterschied für die jungen Frau, ob sie in der Wohnung des Freundes um halb sechs aufstehen muss oder in dem elterlichen Heim um halb vier morgens. Wir erlebten nicht mehr viele Frühschichten der Tochter. Auch nicht mehr viele Spätschichten. Kam sie nach Hause, war eine große Tasche im Gepäck mit Schmutzwäsche, aber auch diese Tasche blieb irgendwann weg, nachdem über WhatsApp geklärt war, bei wie viel Grad man Bunt- oder Kochwäsche wäscht. Im Sommer räumten der Ehemann und ich einiges im Haus um und überlegten, wie wir die Räume optimal nutzen könnten. Mit einigen Vorbehalten trauten wir uns die Tochter bei ihrem nächsten Besuch zu fragen, ob in ihr Zimmer nicht der Vater einziehen könnte. Statt einem entsetzen „Wollt ihr mich rausschmeißen!“, kam nur ein „Warum habt ihr das nicht schon längst gemacht.“ Damit war das bisher Unausgesprochene offiziell: Es lebt nur noch ein Kind hier im Haus.

Loslassen war das erste Mal ein Thema für mich. Nein, eigentlich nicht loslassen. Das müssen Mütter mit jedem Entwicklungsschritt der Kinder mitmachen. Trennung bezeichnet es eigentlich besser. Der gemeinsame Weg mit der Tochter ist beendet. Jetzt zeigt sich, ob wir ihr das richtige Rüstzeug in der Erziehung mitgegeben haben. Aber: Sie ist selbstbewusst, weiß was sie will, zieht konsequent ihr Studium durch und wirkt auf mich bei jedem Besuch ausgeglichen und zufrieden. Hier kann ich gut loslassen, zumal der junge Mann an ihrer Seite mir das Gefühl gibt, dass er ihr gut tut. Seinen Besucherstatus haben wir irgendwann aufgehoben. Jetzt gehört er zu uns. Sie planen beide ihre Zukunft und wir haben den Eindruck, dass sie sich gut ergänzen und glücklich zusammen sind.

Die jüngere Tochter hat die Schule im Sommer beendet, womit der Weg frei war, sich ihren großen Traum zu erfüllen. Seit drei Jahren spielte sie mit dem Gedanken ein Jahr ins Ausland zu gehen. Nach vielen Überlegungen hat sie sich für Australien entschieden. Wir haben eine begleitende Organisation ausgewählt und Fakten geschaffen. Lange stand der 24. Oktober als Abflugdatum fest, sodass der Sommer von Vorbereitungen geprägt war. Das erste Mal komisch wurde es mir erst, als wir den großen Rucksack zur Probe gepackt haben. Damit wurde sichtbar, dass sie nicht mehr lange hier sein würde. Trotzdem rückte der Reisetag näher, bis wir sie schließlich zum Bahnhof brachten. Entgegen allen vorherigen Beteuerungen rollten natürlich ein paar Tränen, aber es war ein ruhiger und liebevoller Abschied. Zu Hause alleine fühlte sich die Ruhe unwirklich an. Die ersten zwei Tage hatte ich immer das Gefühl, dass sie gleich wieder kommt. Mit der Nachricht, dass sie in Sydney gelandet ist, hörte das sofort auf. In der ersten Woche erlebten wir ein ständiges Auf und Ab der Gefühle, das uns zugegebener Maßen alle sehr beanspruchte. Wir hatten alle nicht damit gerechnet, dass der Jetlag sie so treffen würde. Schlafmangel und unregelmäßiges Essen taten ihren Teil dazu, dass es ihr nicht gut ging. WhatsApp, Skype, Facebook, Telefon kann man bei solchen Reisen als Fluch oder Segen betrachten. Für uns war es ein Segen, weil wir die nötige moralische Unterstützung geben konnten. Auch Familienmitglieder und Freunde halfen mit Ratschlägen, eigenen Erfahrungen und lieben Worten, sodass es langsam bergauf ging und die ersten schönen Nachrichten aus Sydney kamen. Als sie in ihrem Blog EscapeWorld, den sie eigens für diese Reise eingerichtet hatte, ganz ehrlich über ihre Anfangsschwierigkeiten berichtete, bekam sie so viel Zuspruch, dass die Gefühlswende gelang.

Es war eine schwere erste Woche. Aber: Sie macht jetzt Erfahrungen, die sie Zuhause nicht machen kann. Sie lernt Dinge, die sie sich hier lange erarbeiten müsste. Sie erlebt Sachen, die ihr hier verborgen bleiben würden und sie sieht Orte, die wir nicht sehen werden. Ich bin ein bisschen neidisch und freue mich, dass sie das erleben kann, auch wenn es hin und wieder nicht so leicht ist. Ein bisschen staune ich über mich selber: Bisher hatte ich noch keine Gelegenheit mein Kind zu vermissen. Ich denke, weil wir oft Kontakt hatten. Vornehmlich aber, weil ich weiß, was dieses Kind für Stärken hat und ich tief im Bauch weiß, dass sie es bewältigen wird. Mein Jammer kommt sicherlich, wenn es ihr prächtig geht. Ich bin sehr gespannt mit wie vielen bereichernden Kontakten, lehrreichen Erkenntnissen und neuen Ideen sie wieder nach Hause kommt.

Wir sind also sozusagen kinderlos auf Probe. Die jüngere Tochter kommt wieder. Wer weiß, wie lange sie dann bleiben wird. Jetzt probieren wir erst einmal, wie es sich so alleine lebt, nach gut 20 Jahren Kindererziehung. Es hat Vorteile. Viele Vorteile. Trotzdem möchte ich keine Sekunde der letzten Jahre missen. Es gibt Momente, in denen man seine Kinder verfluchen könnte, um Sekunden später festzustellen, dass man sie einfach nur liebt. Es gibt schwere Phasen, die eine Familie auf harte Proben stellt, um später zu erkennen, dass man noch mehr zusammen gewachsen ist. Und es gibt eben diese Zeit des Loslassens, die zeigen wird, ob man als Eltern einen guten Job gemacht hat. Und hat man es gut gemacht, kommen die Kinder eh immer wieder zurück. Eine Freundin hat mir letzte Woche geschrieben: „Ihr habt ihnen Wurzeln gegeben – jetzt sind die Flügel dran!“ Goethe würde sich immer noch freuen, dass er bis heute zitiert wird.

Mein Mann und ich haben Pläne, Ideen und Ziele. Wir genießen unsere eigenen Freiräume und wieder gewonnene Unabhängigkeit. Und so ganz lassen uns die Kinder ja doch nicht los. Wenn am Feiertag die Frage der großen Tochter über WhatsApp kommt: „Mama, was gibt‘s heute bei euch zu essen?“, liegt die Vermutung doch sehr nahe, dass da ein Kühlschrank leer ist. Natürlich plant die Mutter dann so, dass zwei zusätzliche Bäuche satt werden. Alles verändert sich, muss sich weiter entwickeln und birgt seinen eigenen Reiz.

Nach meinen Wochenend-Einkäufen habe ich immer das Gefühl etwas vergessen zu haben. Manchmal, wenn ich morgens im Bad stehe und Zähne putze, genieße ich die noch ungewohnte Ruhe, die ich um mich herum fühle. Aber manchmal, wenn ich dort stehe, denke ich: „Jetzt könnte doch endlich mal einer ungeduldig klopfen und fragen, wann ich endlich fertig bin.“ Aber, die Zahnputzbecher bleiben auch künftig leer, zumindest einer. Irgendwann zieht sicherlich so eine kleine Kinderzahnbürste der Enkel ein.

Der kurze Lösungsweg

Foto: Boshena Kaiser

Foto: Boshena Kaiser

Runde Tische und Präventionsbeirat – ein Gespräch mit Sebastian Wandersee

Eine solche Situation hat jeder schon einmal erlebt: Man bewegt sich in seinem Umfeld, es passiert oder man sieht ein Ärgernis, kommt mit Umstehenden ins Gespräch und debattiert. Argumente, Vorschläge, Schimpfereien werden ausgetauscht und irgendwann fällt der Satz: „Das müsste man mal dem Amt sagen!“ Dabei bleibt es dann oft auch, hat sich doch der Satz manifestiert „Die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam!“ Dabei ist es so einfach, schnell und auf kurzem Weg eben dem „Amt“ zu sagen, wo Ärgernisse im Bezirk auftauchen, wo gute Ideen umgesetzt werden könnten und die Interessen des gemeinen Bürgers im Kiez liegen.

Es ist nicht nur einfach, es ist sogar äußerst erwünscht: Genau für diese „kleinen“ Anliegen der Menschen, die keine offizielle Funktion im Bezirk erfüllen und die schlicht hier leben, wurden die Runden Tische oder Stadtteilkonferenzen eingerichtet. Das sind Treffen, die meist in sozialen Einrichtungen stattfinden, bei denen sich „Hinz und Kunz“, also Du und Ich, unverbindlich und eigenverantwortlich austauschen können. Wirklich jeder ist dazu eingeladen, den irgendein Interesse oder eine natürliche Neugier mit seinem Umfeld verbindet. Da das „Amt“ wissen möchte, was den Bürger bewegt, werden die Treffen von Vertreter verschiedener Institutionen begleitet. Dies allerdings nur in aufmerksamer oder beratender Funktion, das Wort hat der Bürger. Auf diese Weise können viele Dinge auf schnellem Weg gelöst, Ärgernisse behoben und gute Ideen aufgegriffen werden – vorausgesetzt – der Bürger macht mit!

Sebastian Wandersee ist die Schnittstelle zwischen den Runden Tischen und dem Präventionsbeirat: Hier treffen sich gewählte Vertreter der Runden Tische, alle Bezirksstadträte, der Bezirksbürgermeister und Vertreter von beispielsweise Ordnungsamt, Polizei, Gesundheitsamt, Jugendbüro u.v.a. Viermal im Jahr organisiert er die Zusammenkünfte, die sozusagen den kurzen Lösungsweg möglich machen.

Ich frage ihn: Sieben Runde Tische und ein Präventionsbeirat – was ist die besondere Stärke dieser Einrichtung und Teilhabemöglichkeit für Bürger in Steglitz-Zehlendorf? Kennen Sie diese Möglichkeit auch aus anderen Bezirken?

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Sebastian Wandersee – Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf

An den so genannten Runden Tischen treffen sich Menschen jedes Alters, die sich gemeinsam in ihrem Kiez engagieren wollen. Unter dem Motto „Gemeinsam sind wir stark“ werden hier nicht nur Probleme im Kiez besprochen und nach Lösungswegen gesucht, sondern es ist auch eine gute Gelegenheit, sich auszutauschen und die eigene Umgebung näher kennenzulernen. Jeder kann an den Treffen teilnehmen, jeder ist herzlich willkommen.

Im Präventionsbeirat werden beispielsweise die Probleme angesprochen, die den gesamten Bezirk betreffen. Die Akteure in den jeweiligen Kiezen treffen sich hier u.a. mit den in Steglitz-Zehlendorf verantwortlichen Politikern, Vertretern aus der Verwaltung und der Polizei, den Kirchen und Wohlfahrtsverbänden, um gemeinsam ins Gespräch zu kommen und auch hier Lösungsstrategien zu entwickeln.

Die Runden Tische sind in dieser Form und Anzahl in Berlin einzigartig. Ich weiß, dass in einigen Bezirken ebenfalls Runde Tische existieren – so zum Beispiel in Mitte der Runde Tisch Leopoldplatz.

Können Sie aus der Praxis Beispiele nennen von Problemen, die an einem Runden Tisch angesprochen und erfolgreich gelöst wurden? Müssen das ganz besonders wichtige Dinge sein oder kann es auch ein ganz kleines Problem sein?

Weitere Beispiele sind: Am Lilienthal-Denkmal in Lichterfelde wurde Graffiti entfernt. Ein Spielplatz wurde auf Initiative eines Runden Tisches realisiert. Zahlreiche Bäume und Hecken wurden vom Grünflächenamt wurden wieder in Form gebracht, diverse Beete auf dem Hermann-Ehlers-Platz bepflanzt. Die Schneckenbrücke in Zehlendorf wurde neu gestaltet.Viele Probleme konnten erfolgreich gelöst werden. Ein Beispiel: Zum Runden Tisch Lankwitz-Südende kam eine Anwohnerin, die über defekte Laternen am Schwarzen Weg in Lankwitz zwischen der Gallwitzallee und der Malteserstraße berichtete. Ich habe das Problem mit in die Verwaltung genommen und recherchiert, wer genau für die Laternen zuständig ist. Nach kurzer Zeit habe ich die Nachricht erhalten, dass sämtliche Laternen instandgesetzt wurden.

Aber mein Paradebeispiel dafür, was die Teilnehmer eines Runden Tisches erreichen können, ist der Zebrastreifen in der Nähe der Alt-Lankwitzer Grundschule in der Bruchwitz-/Ecke Schulstraße.

Sie sehen, die Probleme können vollkommen unterschiedlich sein. Um kleinere Anliegen zu klären, genügt manchmal schon ein Anruf bei der zuständigen Stelle. Die Realisierung des Zebrastreifens hat etwas länger gedauert.

Gibt es auch Erwartungshaltungen oder Probleme, die nicht so einfach gelöst werden können? Sicherlich gibt es auch den ein oder anderen Bürger, der politische Fragen des Bezirks lösen möchte. Wie kann man klar manchen, dass es in diesen Gremien insbesondere um Kiez nahe, nachbarschaftliche Ideen, Anregungen oder Ärgernisse geht?

Ja, diese Probleme und Erwartungshaltungen gibt es natürlich auch. Das Schöne an den Runden Tischen ist, dass auch regelmäßig Vertreter der politischen Parteien mit von der Partie sind und die Probleme dann in die Fraktionen der Bezirksverordnetenversammlung mitnehmen. Größere gesellschaftliche Probleme wie zum Beispiel die Flüchtlingskrise können nicht am Runden Tisch gelöst werden, was sich recht schnell im Gespräch ergibt. Hier findet dann meist ein Austausch zwischen den Teilnehmern statt.

Sie leiten seit ein paar Jahren das Büro des Präventionsbeirats und sind somit das Bindeglied zwischen Politik, Verwaltung und Bürgern. Ist Steglitz-Zehlendorf ihr Arbeitsbereich oder auch ihre Heimat. Was bindet sie ganz besonders an den Bezirk?

Steglitz-Zehlendorf ist nicht nur mein Arbeitsbereich, sondern auch meine Heimat. Ich wohne seit über 20 Jahren im Bezirk und fühle mich in meinem Lichterfelder Kiez auch sehr wohl. Ich genieße die Kombination aus Grün, Wasser, Ruhe und auch Trubel (wie zum Beispiel die Schloßstraße) in Steglitz-Zehlendorf.

Ist es ein Vorteil auch Bürger in Steglitz-Zehlendorf zu sein oder eher schwierig, da Sie ja bei vielen angesprochenen Themen an den Runden Tischen eine neutrale Haltung bewahren müssen.

Ich glaube, es ist ein klarer Vorteil. Ich muss mich gut im Bezirk auskennen. Besonders immer dann, wenn die Menschen von Problemen in ihrem Kiez erzählen und ich die Plätze oder Orte gleich zuordnen kann. Wo ist dieser „Schwarze Weg“ mit den defekten Laternen oder wo stehen die Sträucher, die auf den Radweg wachsen? Das macht es mir auch bei der Lösung der Anliegen leichter. Und unabhängig davon: Es ist ja auch ein schönes Gefühl, wenn man sich für den „eigenen“ Bezirk einsetzen kann.

Wenn Sie sich etwas persönlich für die Zukunft des Bezirkes wünschen dürften, was wäre das?

Ich wünsche mir für die Zukunft, dass noch mehr Menschen den Weg zu einem Runden Tisch finden und sich für ihren Kiez engagieren. Dies ist immer auch ein Ausdruck dafür, dass man sich für die eigene Umgebung und die Mitmenschen interessiert. Ganz persönlich wünsche ich mir des Öfteren bessere Straßen und Gehwege im Bezirk. Hier habe ich einen kleinen Tipp für die Leserinnen und Leser: Es gibt den so genannten Schlaglochmelder. Wenn Sie im Bezirk ein Schlagloch oder einen anderen Mangel in Fahrbahn, Radweg oder Gehweg entdeckt haben, können Sie dies dem Tiefbauamt mitteilen. Dies geht unproblematisch im Internet auf der Seite des Bezirksamtes (unter dem Stichwort Schlaglochmelder).

Einen herzlichen Dank an Sebastian Wandersee und an alle Steglitz-Zehlendorfer die Bitte:
Macht euch auf den Weg!

 

Auf dieser Webseite könnt ihr euch über die aktuellen Themen, Projekte und Termine an den verschiedenen Runden Tischen und Stadtteilkonferenzen in Steglitz-Zehlendorf informieren:
www.runde-tische-steglitz-zehlendorf.de

Der Weg vom Blog zum Leser …

liebster-award

Ziemlich zögerlich und ganz langsam hat es angefangen, dass sich dieser Blog einen Weg in die weite Welt gesucht hat. Zu Beginn stand für mich mehr im Vordergrund bei anderen zu lesen, zu staunen, zu bewundern und neugierig zu beobachten. Bei einigen Blogs bin ich immer wieder zu Besuch gekommen, gefiel mir doch sehr die Art und Weise, wie sie es schafften ihre Leser zu fesseln – und mich!

Ein Blog war von Anfang an auf meiner Bestsellerliste, weil ich bis heute die Geschichten, Denkanregungen und den Schreibstil liebe und verfolge. Noch dazu (ganz wichtig!) schafft es dieser Blog immer wieder, mich mit den Gedankenspielen zwischen Großstadt (in der ich lebe) und den selbstgewählten Exil auf dem Land (wo sie lebt) zum Lachen zu bringen. Ausgerechnet dieser Blog, bzw. seine Schreiberin, hat mich nun in die Liste der Blogs eingereiht, die ihre Fragen für den „Liebsten Award“ beantworten dürfen. Also beantworte ich (nicht ohne Stolz … ehrlich bleiben! 😉 ) die Fragen von Friederike und ihrem LANDLEBENBLOG … mit einer herzlichen Leseempfehlung!

Ist das geschafft, bekommt ihr noch ein paar Leseempfehlungen zu anderen Blogs, die dann wiederum meine Fragen (vielleicht) beantworten. Es ist ein Spiel unter den Bloggern, macht Spaß und bringt so manche interessante Einsichten ans Licht. Denn – so ist das mit den Blogs … sie leben vom Austausch, der Kommunikation und Empfehlungen … und nicht selten trifft man gute alte Bekannte auf den anderen Seiten wieder!

Friederikes Fragen:

Warum hast Du angefangen zu bloggen?
Ganz am Anfang fand ich das Wort „Blog“ komisch, aber hörte es immer öfter und habe gegoogelt, was es bedeutet. Dort stand, dass es eine Art virtuelles Tagebuch sei. Das fand ich ziemlich komisch, denn – wer schreibt ein öffentliches Tagebuch … bis ich irgendwann mitbekam, dass mein Chef bloggt. Der Mann ist alles mögliche, keinesfalls aber komisch, und so war die Neugierde geweckt. Ich fing an (siehe oben) zögerlich zu lesen, zu staunen, zu … hatten wir ja schon. Es fing an mir zu gefallen und es entstand eine Idee. Seit 2003 entsteht eine Bezirkszeitung an meinem Computer und mit der Zeit schrieb ich den ein oder anderen Texte dafür. Über die Jahre verschwanden die Texte aber in den alten Ausgaben. Schade eigentlich und so fragte ich eben den Chef, ob er eine Idee hätte, wie ich diese Texte sammeln könnte und einen Überblick behalte. „Mach einen Blog!“ war die Antwort. Und da wir für unsere Arbeit in dieser Zeit eine neue Internetseite mit WordPress erarbeiteten, hatte ich das System schon lieb gewonnen. Also bastelte ich meinen Blog, stellte zwei Beiträge ein, lies es aber ein dreiviertel Jahr unberührt – der richtige Mut fehlte. Zu Weihnachten schrieb ich schließlich eine schöne Geschichte, die auf der Homepage der Arbeit veröffentlicht wurde. Da ich dort großen Zuspruch fand, traute ich mich endlich und ab dann purzelten die Beiträge nur noch so in meinen Blog … und ich bekam mit der Zeit einen Begriff, was Internet tatsächlich bedeutet!

Wissen Freunde und Familie von der Bloggerei?
Oh ja … und sie gehören zu den wichtigsten Kritikern! Ich teile immer fleißig in die Netzwerke oder Messenger. Viele Beiträge handeln von ihnen.

Und lesen die das etwa auch?
Ich denke ja – die Rückmeldungen zeigen es. Jeden Beitrag, in dem ich jemanden persönlich erwähne, lasse ich vorher von demjenigen lesen. Es ist mir wichtig, dass sie Bescheid wissen und sich ebenso damit identifizieren können. Töchter, Mann, Geschwister, meine Mutter, viele Freunde … da sind alle mit im Boot. Wenn ich mit einem Beitrag unsicher bin (was immer noch oft vorkommt) hole ich mir Rat (davon weiß u.a. der Chef ein Lied zu singen) – vier Augen sehen immer mehr als zwei! ;-).

Hast Du eine Bloggerbotschaft an die Welt?
Ja … viele … lest einfach. Das wichtigste wäre mir, jeden Menschen so zu akzeptieren, wie er ist und in der Toleranz und dem Kompromiss die größte Errungenschaft der Menschheit zu sehen!

Liest Du auch noch Zeitungen?
Ich lese sie nicht nur – ich mache auch eine – seit 12 Jahren – die Stadtteilzeitung Steglitz-Zehlendorf. Ich liebe sie und werde immer ganz grantig, wenn jemand Blättchen dazu sagt. Immerhin 12 Seiten und eine Auflage von 10.000 Stück. Die lese ich besonders intensiv – auch zur Korrektur. Ich lese auch viele andere Zeitungen … nicht mehr in den Mengen wie früher, aber an manchen Sonderheften komme ich nicht vorbei. Modezeitungen gar nicht und für Society-Lektüre müssen die seltenen Arztbesuche ausreichen.

Bist Du online und offline gleich?
Aaaaahhhhhh … nein … wenn ich ehrlich bin. Ich liebe online, kann offline aber bestens aushalten und mich problemlos beschäftigen. „Langeweile“ und „Anna Schmidt“ passt nicht auf einen Planeten – kenne ich nicht. Ich bin aber die Ohne-Fernseher-Handy-Computer-Kindheitsgeneration … schätze also beide Seiten sehr!

Hast Du schon mal Internetbekanntschaften im realen Leben getroffen?
Mehrere und es war jedes Mal ein absoluter Gewinn! 🙂

Was machst Du in computerfreien Zeiten?
Hungrige Kinder füttern, reale Bücher lesen, Garten genießen, Hund sozialisieren, den Gatten beschäftigen und Pläne schmieden, was ich noch so alles vor habe … und das ist viel!

Hast Du überhaupt längere computerfreie Zeiten?
Wenn ich ehrlich bin – nein. Im Sommer habe ich es im Urlaub sehr genossen, aber das Smartphone war doch immer irgendwo in der Nähe und ich bin grundsätzlich ein sehr interessierter Mensch. Das Seniorenheim bekommt mich irgendwann einmal nur mit der Zusage von uneingeschränktem WLan.

Wie gehts Dir, wenn Du momentan die Welt betrachtest?
Schwierige Frage – das wäre einen eigenen Beitrag würdig. Ich bin sehr realistisch und lebe nicht auf einem rosa Wölkchen. Dennoch weigere ich mich, zu glauben, die Welt und der Mensch sei schlecht. Miesmacher, Schlecht-Redner, Zukunfts-Paniker ertrage ich nicht in meiner Nähe. Wenn wir nur das Negative sehen würden, hätten wir keine Zukunft mehr. Und so bin ich auch überzeugt, dass ein Kind, dass selbstbewusst und positiv erzogen wird, die beste Investition in die Zukunft ist. Wenn ich zuhöre, wie meine Töchter sich mit Dritten über Toleranz und Weltoffenheit unterhalten, weiß ich, dass ich etwas richtig gemacht habe. Selbst, wenn mich mancher für meinen Optimismus belächeln mag, denke ich, dass ich für meinen Teil der Welt mehr erreiche, als andere die mit ihrem Wehgeschrei nerven.

Magst Du Schnitzel mit Pommes?
Ganz klar – nein! 50 % unserer kleinen Familie mag es sehr und ich esse es, wenn ich mich nur an den Tisch setzen muss. Offiziell habe ich beschlossen, dass ich beim Panieren die größte Pflaume bin und es nicht kann. Ich liebe Tintenfisch, esse Schnecken oder rohen Fisch, aber auch ein einfaches Spiegelei kann bei mir Begeisterung auslösen … es gibt wenige Dinge, die ich nicht esse … das Schnitzel ist ein Volltreffer in Bezug auf nicht mögen! 😉

 

Meine Leseempfehlungen wären folgende Blogs – neben vielen anderen, die ich sehr schätze:

Wortgepüttscher

Schnipseltippse

Modepraline

Mein Lesestübchen

keinbisschenleise

Kinder Unlimited

Ich habe nicht nachgeschaut, ob sie an diesem Award schon einmal teilgenommen haben – es lohnt sich in jedem Fall ein Klick auf ihre Seiten, wo ihr schöne, interessante Beiträge findet.

 

Meine Fragen an sie wären die Folgenden …

Alter ist ein relativer Begriff – gibt’s Momente, in denen du dich alt fühlst?

Ist Alter ein Problem für dich?

Würdest du noch einmal gerne von vorne Anfangen?

Welches Alter war das spannendste?

Gibt es Einstellungen oder Dinge, die sich bei dir im Laufe des Lebens geändert haben?

Wird man im Alter ein sozialerer Mensch?

Was möchtest du einmal machen, wenn du das Glück hast so richtig alt zu werden? 🙂

Was wäre deine Großmutter/Großvater-Botschaft an die Jugend?

 

Ich habe in Facebook einen wunderbaren Spruch
bei Irene Söding gelesen:

„Wenn ich alt bin,
will ich nicht jung aussehen,
sondern glücklich!“

So soll es sein! 🙂 Ich bin gespannt!

Der Mann mit den neun Fingern

© Vera Kuttelvaserova - Fotolia.com

© Vera Kuttelvaserova – Fotolia.com

Sie hielt mir ihre Hand mit fünf kleinen Papierkugeln entgegen und sagte: „Sie können sich gar nicht vorstellen, was ihre Tochter angerichtet hat!“ Ich schaute etwas verstört auf die Hand der Erzieherin, die mich abgefangen hatte als ich mein Kind aus der Schule abholen wollte. Dann erklärte sie mir, dass sie extra wunderschönes Origami-Papier besorgt hätte, das ja so teuer sei, und mit den Kindern Origami-Geschenkschachteln falten wollte. Meine Tochter hatte das Papier nicht gefaltet, sondern geknüllt, und wollte es mit anderen Materialien auf einem großen Blatt zu einem Gesamtbild zusammenkleben. Mir dämmerte das schreckliche Drama, dass diese Frau erlebt haben musste. Gut, ich war die Mutter und kannte das Kind. Wusste, zu welchen kreativen Schandtaten es im Stande war.

Hier trafen zwei Welten aufeinander, die nie zu vereinen waren. Auf der einen Seite eine Frau, deren Kreativität darin bestand mit Kindern der ersten Klasse Origami-Schenkschachteln und Fröbelsterne zu falten. Es ist eine feine Sache, wenn die Kleinen ihren Eltern alle die gleiche Schachtel oder den gleichen Stern mit nach Hause bringen. Mal eine blaue, mal eine rote Schachtel, grün vielleicht auch … hier ging’s nur darum zu produzieren und den Stolz der Frau, was sie mit Kindern bewerkstelligt zu unterstreichen. Bei dem Wort Fröbelsterne bekommen viele Erwachsene Schweißausbrüche. Logische Denker bekommen es hin, alle anderen nagen Lebenslang an Selbstzweifeln. Es gibt Kinder, die solche Falttechniken sofort können, oder eben solche, die weder Interesse, noch Geduld oder Spaß an dieser Art Kreativität haben. Dazu gehört mein Kind. Eben die andere Seite. Meine Versuche, der Frau zu erklären, dass das Kind basteln wollte und wirklich sehr kreativ sei, stießen auf absolute Verständnislosigkeit.

Erst durch dieses Kind habe ich mit den Jahren einen völlig neuen Blick auf Kreativität bekommen und deren Bedeutung richtig verstanden. Dabei glaubte ich, als Tochter einer Malerin und selber Grafikerin alles darüber zu wissen. Ich hatte beispielsweise seit meiner Jugend jeden schönen Papierschnipsel aufgehoben und verfügte über eine sehr stattliche Sammlung. Ich war mir zu 100 % sicher, dass die bis an mein Lebensende halten würde. Tat sie nicht. Die Papier-Sammlung hielt exakt so lange, bis mein Kind eine Schere halten konnte und wusste, wie man Kleber benutzt. Erstmalig in meinem Leben musste ich Buntpapier kaufen, damit mein Kind weiter basteln konnte. War ich von Berufswegen gewohnt sehr sauber, akkurat und strukturiert zu arbeiten, lernte ich sehr schnell, dass es das Bastelmonster nicht die Bohne interessierte, was die Mutter ihr versuchte zu erklären. Handwerk? Techniken? Erfahrung? Alles Nonsens – ich lernte, den Mund zu halten und das Kind einfach machen zu lassen. Und schließlich lernte ich, dass die Ergebnisse meiner Tochter viel schöner, kreativer und einfallsreichen als meine waren. Denn ihr Kopf war frei. Sie war neugierig, wollte probieren, hatte keine festen Bilder im Kopf. Sie hatte keine Vorbehalte, eine blaue Sonne zu malen, wenn es zu ihrer Vorstellung passte. Und warum sollte der Mann zehn Finger haben, wenn er nur neun Finger benutzt. Selbst der Hund wurde einmal großformatig mit Lebensmittelfarbe bemalt. Ein Moment in dem die tolerante Mutter zwischen Tobsuchtsanfall und brüllendem Lachen in Sekundenbruchteilen entscheiden muss.

Den eigenen Kindern im privaten Bereich die Möglichkeit offen zu halten Kreativität auszuleben, hängt viel davon ab, ob man selber eine Affinität dazu hat oder sich der Tragweite dieser klar ist. Schwieriger wird es, wenn Kinder in Institutionen gehen, die entweder der eigenen Vorstellung von Kreativität nicht entsprechen können oder einfach keine Kapazität dafür haben. Meine ältere Tochter klagte in der Grundschulzeit über den zu schweren Schulranzen, also war gemeinsames Ausräumen angesagt. Jedes zweite Blatt in der Tasche, so kam es mir vor, bestand aus einem Mandala. Es kam heraus, dass all diese Mandalas von den Kindern im Mathematikunterricht ausgemalt werden mussten, wenn sie zu schnell mit den Aufgaben fertig waren. Dieses Phänomen begegnete uns auch in anderen Unterrichtseinheiten. Nicht ein einziger Mensch hat den Kindern damals die tatsächliche Bedeutung dieser Schaubilder erklärt. Sie dienten lediglich dazu Kinder zu beschäftigen unter dem Deckmantel falsch verstandener Kreativität. In meinen Augen sind Ausmalbilder, Mandalas oder Malen nach Zahlen, ggf. nützlich motorische Fähigkeiten zu üben, die aber jegliches kreative Potential im Keim ersticken. Auch die klasseneinheitlichen Aufgaben, beispielsweise ein Bild alá Hundertwasser zu malen, dienen nicht unbedingt dem eigenen Einfallsreichtum. Kinder versuchen hier bestmöglich Vorgaben zu erfüllen, nicht aber eigene Ideen zu verwirklichen. Und die Eltern suchen beim nächsten Elternabend verzweifelt unter vielen gleichen, ihren kindlich gemalten Hundertwasser. Wohl dem, dessen Kind sein Bild vorne signiert hat.

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Als Picasso einmal eine Ausstellung mit Kinderzeichnungen besucht hatte, sagte er: „Als ich so alt war, konnte ich malen wie Raphael. Aber ich brauchte ein Leben lang um so zu malen wie die Kinder.“ Kinder malen, was sie fühlen. Es interessiert sie nicht ein reales Abbild der Umwelt zu gestalten. Das kommt erst mit dem älter werden und den Urteilen der erwachsenen Welt. Malt es am Anfang nur Wellen und Kreise, bekommen die Kreise mit der Zeit einmal Beine oder Arme und werden schließlich vielleicht ein Mensch. Der Erwachsene, der fragt, warum der Mensch keine Ohren hat, nimmt unterschwellig sofort eine Wertung vor, die dem Kind nicht dient. Bei seinem Menschen, der keine Ohren hatte, waren sie auch nicht wichtig. Das Kind erzählt, was es selber denkt und wahrnimmt, was für seine Geschichte wichtig ist und Bedeutung hat. Es erzählt nicht das, was tatsächlich da ist um ein stimmiges Bild nach den Kriterien der Erwachsenen zu malen. Statt zu fragen, warum dies oder jenes im Bild fehlt, sollte man ein Kind lieber danach fragen, was es mit seinem Bild erzählen möchte. Vielleicht auch, wie seine Geschichte weiter geht. Keinesfalls aber werten und kritisieren. Ein Kind, das ständig kritisiert wird, muss zu dem Schluss kommen, dass es nicht malen kann und lässt es sein. Das andere Kind, das erzählen darf, für seine Ideen und Einfallsreichtum gelobt wird, mit dem Erwachsenen ins Gespräch ob seiner schönen Bilder kommt, malt weiter. Sein Gewinn liegt in der Entwicklung seiner Ideen, im freien Denken, der Weiterentwicklung seiner Geschichten und dem Kontakt mit dem Interessenten.

Um Kreativität und den Einfallsreichtum zu erhalten, bedarf es keiner besonderen Förderung als die Materialien zur Verfügung zu stellen. Es bedeutet kindliches Denken zuzulassen – machen lassen – Farben, Formen, Materialien, Ideen kombinieren, ausprobieren lassen und keine Grenzen zu setzen. Jeder kennt Geschichten vom Dior-Lippenstift an der Wand, von Schlammbildern im Garten, Fingerfarben bemalten Badewannen. Kinder haben Spaß am Tun. Bleibt ihre Kreativität erhalten, kommt irgendwann unweigerlich das Interesse am Handwerk, das der Kunst später durchaus zugrunde gelegt werden kann. Kreative Menschen sind Menschen, die auch in anderen Lebensbereichen, ideenreich neue Wege beschreiten können und wunderbare Lösungen für alt eingefahrene Vorgänge finden können. Sie können quer denken, neu kombinieren, originelle Wege finden.

Deshalb, liebe erwachsene Welt, wenn ihr ein Bild seht und sagt: „Was ist daran Kunst? Das kann ich auch!“ Macht doch – könnt ihr nämlich nicht. Lernt von den Kindern – die können … und wenn ihr Mann plötzlich 13 Finger hat, hat er sehr wahrscheinlich alle Hände voll zu tun.

Ola Eibl … sensible Töne zu großer Kunst

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Sie denkt gerne zurück, wenn sie vom Kunstmarkt der Generationen im letzten Jahr erzählt. Alles wäre so liebevoll organisiert worden und die ganze Atmosphäre zum Wohlfühlen gewesen. Der Umgang, die Leute – alles hätte sich friedvoll und leicht angefühlt. Der Tag auf dem Markt war ein Gewinn für sie und eine Dame, die eine von ihren ausgestellten Druckgrafiken kaufte, fragt sie, ob sie denn einmal im Gutshaus Lichterfelde ausstellen wolle. Das wäre für die Dame so schön nah und eine gute Gelegenheit auch die Malerei von Ola Eibl kennenzulernen. Diese Anregung hat sie in die Tat umgesetzt und kehrt wieder ins Gutshaus Lichterfelde zurück. Diesmal nicht am Marktstand, sondern in eigener Ausstellung vom 12. Mai bis 17. Juli. Die Umgebung sei so positiv – etwas was sie trägt und beflügelt … ein guter Platz für ihre Bilder, sagt die junge Künstlerin.

Die Malerei, die Kunst, gehört zu Ola Eibl wie für den Magier der Zauberstab. Schon als ganz kleines Kind hätte sie nur einen Stift und Zettel gebraucht um für lange Zeit in die Welt der Farben, Striche und Formen abzutauchen. Das konnte sie schon früh besonders im österreichischen Teil der Familie ausleben aus der ihr Vater stammt, in dem traditionelles Kunsthandwerk fester Bestandteil war. Früh lernte sie durch die Tante Gegenstände genau zu betrachten, zu studieren und ihr Wesen zu erfassen um es sorgfältig auf Papier zu bringen. Das Zeichnen und Malen gehört zu ihr und doch reichte es irgendwann in der autodidaktischen Form nicht mehr aus. Sie lernte zeitig, dass jeder Kunst ein Handwerk zugrunde liegt. Lernen wollte sie um dem, was sie sah und auf Leinwände bringen wollte, die erforderliche Wertschätzung und Wirkung zu geben.

Die Universität der Künste ist die erste Station des Studiums der freien Kunst und des Lehramtes, Großfach Kunst. Es führt sie unter anderem über ein Erasmus-Stipendium weiter nach Milano/Italien und Sao Paolo/Brasilien. 2008 besteht sie das erste Staatsexamen und wird 2009 Meisterschülerin. Auch da ist noch nicht genug gelernt … wobei das Lernen nun eher dem Wunsch nach weiterem Wissen und Verfeinerung der Techniken nachkommt. Ein Bildhauerprojekt, die Deutsche Kinemathek, ein Gaststudium in Lublin/Polen und ein Stipendium, eine finanzielle Atelier-Förderung, durch die Dorothea-Konwiarz-Stiftung sind weitere Stationen, die ihren Werdegang begleiten. Die permanente Neugierde das Handwerk zu erfassen, zu verfeinern, sind für Ola Eibl der Türöffner ihre Ideen, Bildvisionen und ihr Erleben mit Talent und Technik umzusetzen. Ola Eibl besucht Werkstätten von Kunst- und Kunsthandwerke-Kollegen (z.B. Keramiker, Vergolder, Kupferstecher), die ihr eigenes Wissen für ihre künstlerische Arbeit zu Verfügung stellen.

Es war eine bewusste Entscheidung das Leben ihrer Kunst zu widmen. Dabei ist ihr besonders wichtig, dass sie sich frei entwickeln und wirken kann, an keine Konventionen und Vorgaben gebunden ist. Dies zeigt sich insbesondere in der Internationalität, die ihren Wirkungskreis bereichert. Von Kindheit an ist die geborene Berlinerin mit Österreich durch den Vater und Polen durch die Mutter verbunden. Heute hat sich ihr Netzwerk von Freunden und kreativer Arbeit über Italien und Brasilien erweitert. In diesem Netzwerk der großen Familie und dem internationalen Freundeskreis findet die sensible Künstlerin ihren Halt.

Ola Eibl erzählt, dass sie nicht viel zum Leben braucht. Sie lebt reduziert, hat dennoch das Gefühl sehr reich zu sein. Durch die Reduktion bewahrt sie sich die Freiheit spontan über ihre Zeit zu entscheiden, welche nächsten Schritte die richtigen sind. Für ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Kreativität und Pflichten musste sie sich eine für sie passende Struktur erarbeiten, die es möglich macht, der Kreativität zu folgen, wenn das Gefühl, die Idee und Stimmung gerade passt. Wie jeder Werkschaffende auch, steht sie morgens auf und geht ins Atelier um zu arbeiten. Dennoch bewahrt sie sich die Freiheit, ein Bild, und wenn es bis spät in die Nacht dauert, ohne Unterbrechung zu beenden und den nächsten Tag später zu beginnen. Spontane Besuche oder Reisen ermöglicht sie sich durch diese Freiheit, die für ihr Wirken so wichtig ist. Vorhaben, Vorstellungen, Ideen ja – aber ohne große Pläne oder Bindungen, so dass sie der Neugierde auf neues Erleben, neue Erfahrungen und Eindrücke stets nachgeben kann.

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Die Sensibilität der Künstlerin spiegelt sich in ihren Bildern. Malerei, Zeichnungen und Druckgrafiken sind ihre vornehmlich Ausdruckstechniken, wobei sie jederzeit offen ist andere Bereiche und Materialien einzubeziehen und zu erfahren. Sie möchte mit ihren Bildern jeden erreichen und den Blick für Feinheit und Nuancen öffnen. Sie liebt Polaritäten. Versucht die Bereiche die zwischen Gegensätzen liegen zu erreichen und sichtbar zu machen. Dynamiken faszinieren sie unter Verwendung der Strukturen, die sie in der Natur findet. Gegenständlichkeit im Kontrast zur Abstraktion, feine zu groben Strukturen, Farbe zu Kontrasten in Schwarz und Weiß … Ola Eibl denkt und arbeitet gerne mit den Polaritäten, die sich im Leben finden. Und genauso kontrovers wie das Leben manchmal ist, sind auch die Bilder, von denen man jedes einzelne lange betrachtet in dem Bemühen kein Detail zu verpassen. Man folgt dem Schwung des Pinsels, des Zeichenstiftes nur um dem Ende nicht zu entgehen.

Gelegenheiten die Werke und die Künstlerin kennenzulernen gibt es vielfältig. Am 12. Mai eröffnet die Ausstellung „Flora, Fauna, Zivilisation“ – Malerei und Druckgrafik, im Gutshaus Lichterfelde. Von 17.00 – 20.00 Uhr sind Sie am 16. Mai 2015 herzlich zur Vernissage eingeladen. Bis zum 17. Juli können Sie die Ausstellung zu den Öffnungszeiten des Nachbarschaftscafés besuchen. Dazwischen bietet sich eine zweite Möglichkeit beim 17. Kulturfestival – 48 Stunden Neukölln. Vom 26. bis 28. Juni 2015 öffnet Ola Eibl ihr Atelier mit der Ausstellung „be colorful with me“. Und wer weiß … vielleicht dürfen wir sie beim 3. Kunstmarkt der Generationen 2016 wieder in den Reihen der KünstlerInnen begrüßen. An Plätze, an denen sie sich wohl fühlt, kommt sie immer wieder gerne zurück.

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Ausstellung – Ola Eibl
„Flora, Fauna, Zivilisation“ – Malerei und Druckgrafik
12. Mai – 17. Juli 2015, Öffnungszeiten: Montag – Freitag, 9.00 – 17.00 Uhr
Vernissage 16. Mai 2015, 17.00 – 20.00 Uhr
Gutshaus Lichterfelde, Hindenburgdamm 28, 12203 Berlin

17. Kulturfestival – 48 Stunden Neukölln
be colourful with me – Offenes Atelier mit aktueller Malerei und Grafik
26. bis 28. JUNI 2015, Öffnungszeiten: Fr., 19.00 – 23.45, Sa., 11.00 – 22.00, So., 11.00 -19.00 Uhr
Atelier Ola Eibl, Mahlower Str. 3, Seitenflügel 1. OG, 12049 Berlin-Neukölln.

Künstlerkontakt: Ola Eibl,
web@ola-eibl.de, Telefon 0172 390 26 88
http://www.ola-eibl.de/