Die Frau auf der Bank

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Zuhause, wenn wir uns zum Essen an den großen Tisch setzen, hat jeder von uns seinen Stammplatz. Das ist nicht gewollt und hat sich mit der Zeit ergeben. Von meinem Stuhl aus schaue ich genau auf den kleinen Platz vor unserem Haus. An beiden Seiten der Wiese des Platzes steht jeweils eine Bank und ich kann die linke der beiden beobachten. Viel ist dort nicht los, aber hin und wieder sitzt jemand auf der Bank und ruht sich etwas aus. Vor kurzem saßen wir an einem Sonntag beim Frühstück und unterhielten uns. Aus dem Augenwinkel, ohne dem Aufmerksamkeit zu schenken, nahm ich wahr, dass sich eine Frau auf die Bank setzte. Wir beendeten das Frühstück nach einiger Zeit. Ich räumte den Frühstückstisch auf und schaute danach wieder aus dem Fenster. Sie saß immer noch dort – die Frau auf der Bank.

Ich bin mir nicht ganz sicher, warum mir gerade diese Frau auffiel. Ich schätzte sie über 50 Jahre. Sie war vollständig mit einem hellblauen Gewand gekleidet – einem hellblauen Mantel und hellblauen Kopftuch, das über die Schultern ging. Das Gesicht, die Hände und Schuhe waren frei. Sie saß alleine dort und bewegte sich kaum. Es war ein schönes und ruhiges Bild, was an diesem Sonntag und in den darauf folgenden Tagen bis heute nicht mehr aus meinem Kopf ging. Auch eine Stunde später saß sie dort, zwei weitere Stunden später und bis in den frühen Nachmittag hinein. Mal saß sie auf der rechten Seite der Bank, mal links. Mal saß sie mit überkreuzen Händen dort, mal hatte sie die Ellenbogen auf den Knien und stützte den Kopf oder legte die Hände seitlich auf die Bank. Mehr Bewegungen gab es nicht. Es war ein schönes und ruhiges Bild und doch war es traurig, aber es zog mich immer wieder an und ich schaute öfter, ob sie noch dort sitzt.

Mehr als das, was ich gesehen habe, weiß ich nicht über sie. Ich weiß nicht wie sie heißt oder woher sie gekommen ist. Auch nicht wohin sie ging. Ich vermute, dass sie aus einem fremden Land kam, sonst hätte sie nicht eine solche Tracht getragen. Ich weiß nicht, was sie dazu bewogen hat einen ganzen Sonntag auf einer Bank im Sonnenschein zu verbringen. Und gerade das lässt mich immer wieder an sie denken. Was hat sie gedacht, woran hat sie sich erinnert, was hat sie beschäftigt. 

Was hat sie erlebt? Ich nehme an, dass sie in der Erstaufnahme-Einrichtung an unserer Ecke wohnt. Die Menschen, die dort leben, kommen aus den unterschiedlichsten Ländern. Alle haben einen weiten Weg hinter sich. Alle haben Geschichten hinter sich, die sie berechtigen, von einer Notunterkunft in eine Erstaufnahme-Einrichtung zu wechseln. Das bedeutet, sie sind geduldet in unserem Land. Um geduldet zu sein, muss man Gründe haben oder Geschichten erlebt haben, die alles andere als angenehm, eventuell sogar existenzgefährdend oder lebensbedrohlich sind. Sie sind geduldet – das bedeutet auch, dass sie nicht wissen, wie die Zukunft aussehen wird. Es sind Menschen, die nur von einem Tag auf den anderen leben und planen können. Die sich mit den Gegebenheiten in der Einrichtung arrangieren müssen, ganz gleich ob im Nebenzimmer vielleicht sogar Menschen aus einem verfeindeten Land leben. Sie müssen warten bis unsere Behörden reagieren und ihnen vielleicht zugestehen, dass sie länger bei uns leben dürfen. Sie sind auf andere Menschen angewiesen, die ihnen vorschreiben, ob und wie ein Neuaufbau ihres Lebens möglich wird. Sie dürfen nicht über ihr eigenes Fortkommen entscheiden. Sie müssen aushalten … jeden Tag aufs neue. Die Vorstellung, meine persönlichen Geschicke von anderen entscheiden lassen zu müssen, macht mich wütend!

Welchen Weg hat sie genommen? Ist sie alleine oder mit ihrer Familie zu uns gekommen. In welchem Land hat diese Reise begonnen und was hat sie erlebt, das sie zu dieser Reise gezwungen war? Waren es nur Landwege oder musste sie auch über das Wasser? Das Meer, in dem auch in diesem Sommer so viele Menschen ertrinken. Das gleiche Meer, das uns im Sommer so viel Freude machte. Hat sie erlebt, wie Menschen ertranken? Musste sie an versperrten Grenzen und in trostlosen Lagern warten? War sie auf menschenverachtende Schlepper angewiesen, die ihr und ihrer Familie das letzte Geld abnahmen? Was hat sie gefühlt, als sie doch unsere Grenze erreichen und einreisen durfte? Wie wurde sie bei uns aufgenommen? Ich bin mir sicher, dass ihre Reise keine angenehme war – eine Reise, an deren Ende keiner weiß, wie das Leben weitergehen wird. Allein die Vorstellung alles hier und heute liegen zu lassen und zu wissen, dass ich es nie wieder so sehen werde, macht mir Angst!

Wo ist ihre Familie? Warum sitzt sie einen ganzen Tag alleine auf einer Bank. Ist es in der Unterkunft so eng und laut, dass sie einfach ein paar Stunden Ruhe braucht oder ist sie überhaupt allein? Konnte sie mit der ganzen Familie hierher kommen oder musste sie geliebte Menschen zurücklassen? Hat sie im Krieg in ihrem Land schon den Mann, den Sohn oder Töchter verloren? Was denkt sie bei der Vorstellung nie wieder auf dem heimischen Markt ihre Nachbarn und Bekannte zu treffen. Wie geht es ihr, wenn sie hier beim Einkauf im Supermarkt argwöhnisch betrachtet wird? Hat sie jemanden hier mit dem sie zusammen lachen kann? In den südlichen Ländern hat Familie eine ganz andere Bedeutung und Zusammenhalt als bei uns. Trotzdem graut mir vor dem Gedanken auf irgendeinen von meinen liebsten Menschen verzichten zu müssen!

So könnte ich lange weiter hinterfragen und versuchen zu ergründen, was in dieser Frau vorging. Dachte sie eher an die Vergangenheit oder an die Zukunft? Ich werde es nie erfahren. Trotzdem war sie für mich mehr, als nur eine Frau auf einer Bank. Sie war Anlass, mir wieder und wieder über die Menschen Gedanken zu machen, die zu uns kommen. Menschen, die ganz gleich aus wirtschaftlicher Not oder lebensbedrohlichen Umständen hierher zu uns fliehen. Sie war Anlass, mir selber deutlich zu machen, welchen Luxus ich erleben darf und auf welchem Niveau ich zuweilen klage. Sie macht mir gerade in diesen Tagen klar, wie absurd es ist über ein Burka oder Burkini-Verbot zu streiten und statt dessen lieber die Frau in den Mittelpunkt gerückt werden müsste, die solche Trachten trägt. Das Bild dieser Frau, liebe Freunde mit rechten Gedankengut und ihr besorgten Bürger, hat mich insofern bedroht, als das es mich zwang darüber nachzudenken, mit welch abfälligem Niveau und wie oberflächlich wir mit Fremden umgehen.

Ich habe mich später sehr über mich geärgert. Irgendwann hätte ich hinüber gehen sollen und ihr wenigstens etwas zu trinken anbieten können. Habe ich leider nicht – weil sie so fremd aussah? Am späten Nachmittag ging ich mit meinem Mann und dem Hund aus dem Haus. Im Weggehen schaute ich über die Straße. Sie hob den Kopf und lächelte mich an. Ich war dankbar – sie hatte zumindest ihr Lächeln nicht auf dem langen Weg verloren und mir einen winzigen persönlichen Moment geschenkt. Als wir wiederkamen war die Bank leer. Das Bild dieser Frau ist bis heute geblieben.  

Der Mensch neben uns …

Foto: © blvdone Fotolia.com

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Im Supermarkt vor der Kasse steht eine Frau, legt ihren Einkauf aber nicht auf’s Band und wartet. Hinter ihr kommt ein junger Mann mit zwei Gegenständen in der Hand. Obwohl er sehr abweisend und mürrisch schaut, fragt die Frau ihn, ob er vorgehen möchte. Die Kassiererin ist noch lange mit dem Einkauf, der schon auf dem Band liegt, beschäftigt. Nach einer Weile kommt die Tochter der Frau dazu und gemeinsam beginnen sie auch ihren Einkauf auf’s Band zu legen. Die Frau fragt den jungen Mann schüchtern, ob sie einen Stopper bekommen könnte. Erst da verwandelt sich sein Gesicht in ein strahlendes Lächeln und er meint, dass er sich schon wunderte, warum die Frau so einen großen Abstand zu ihm hielt. Sie unterhielten sich ein paar Sätze in sehr sympathischer Art und Weise bis jeder seiner Wege ging.

Auf dem Weg zum Auto erzählt die Frau ihrer Tochter, wie sehr sie sich in dem jungen Mann getäuscht hatte. Sie hielt ihn für den Prototypen eines Jugendlichen, der sich in arroganter Weise nicht für seine Umgebung interessiert. Dabei stellte er sich als offen, höflich und nett heraus. Sie musste noch lange darüber nachdenken, wie sie sich durch das Äußere des Mannes hatte täuschen lassen. Solche Situationen passieren oft und jedem von uns. Wir sitzen beispielsweise in einem Bus, jeder mit seinen Gedanken beschäftigt und beobachten die anderen Leute um uns herum. Manche Menschen bemerken wir kaum, andere interessieren uns, wieder anderer finden wir vielleicht unsympathisch und bei manchen versuchen wir möglichst unbemerkt zu bleiben. Bei vielen stellen wir uns vor, aus welchen Verhältnissen sie kommen, ob sie alleine leben, Arbeit haben, in ihren Familien glücklich sind. Die tatsächlichen Umstände der Lebensart der anderen gehen jedoch in der Anonymität der Großstadt unter und sind spätestens an unserer nächsten Haltestelle für immer vergessen.

Die Stadt, in der wir leben, stellt die Menschen vor eine Anonymität, die sie selber durchbrechen müssen. In Berlin sind es 3,5 Millionen Menschen und täglich werden es mehr. Man kann die Masse an Menschen wahrnehmen und sich ohnmächtig vor dieser Zahl beugen. Oder man macht sich bewusst, dass dies auch 3,5 Millionen einzelne Geschichten, Schicksale und Lebenswege sind. 3,5 Millionen mal könnte man ein Buch über einen Menschen schreiben und jedes Buch hätte einen eigenen individuellen Inhalt. Man stelle sich diese große Bibliothek vor. 300.000 Tausend dieser Menschen leben in Steglitz-Zehlendorf und auch in diesem Bezirk werden es täglich mehr. Es ist immer noch eine enorm große Zahl, aber es wird greifbarer, wenn man weiter in die Ortsteile hineingeht, die sich hier aus Lichterfelde, Steglitz, Zehlendorf, Lankwitz, Nikolassee, Dahlem und Wannsee zusammensetzen. Und auch die Ortsteile lassen sich weiter gliedern wie beispielsweise Lichterfelde, Ost, West oder Süd. So kommen wir immer weiter dem Ort näher, an dem wir selber leben, dessen Umfeld wir kennen und wo wir beginnen, den Menschen zu begegnen, die ein bekanntes Gesicht oder einen Namen tragen. Hier sind wir keine Zahl von 3,5 Millionen mehr, hier sind wir Nachbarn, Bekannte oder Freunde.

Und hier bekommt die Individualität der Menschen eine tragende Rolle, durch die jeder einzelne von uns zum Gemeinwesen beiträgt. Es sind Merkmale wie Nationalität, Religion, Alter, Geschlecht, Beruf, Interessen, Bildung und viele andere Dinge mehr, die uns einzigartig machen. Dabei spielen Hierarchien keine Rolle, ob der eine Arzt, der andere Müllmann, die eine Chefsekretärin und die andere Putzfrau ist. Alle gemeinsam machen eine funktionierende Gemeinschaft aus, jeder einzelne wird in dieser Gemeinschaft gebraucht und erfüllt seine Aufgabe. Je stärker, toleranter, offener und emphatischer diese Gemeinschaft ist, desto besser ist sie bei Problemen oder Widrigkeiten aufgestellt, die das gemeinschaftliche Leben nun einmal in sich birgt. Die Großfamilie der letzten Jahrhunderte gibt es nicht mehr. An ihre Stelle ist das soziale Leben in Gemeinden und Städten getreten, das in vielseitiger Form in Schulen, Vereinen, sozialen Trägern, kulturelle Begegnungsstätten, sportlichen Vereinigungen, Interessengemeinschaften und anderem ausgelebt wird. Der einzelne Mensch kann ohne Gemeinschaft nicht leben und jeder einzelne macht die Gemeinschaft aus.

Es ist hin und wieder recht hilfreich, sich selber klar zu machen, in welch einem Geflecht von Menschen wir leben und in welchen Abhängigkeiten, im positiven Sinne, wir zu ihm stehen. Jeder einzelne möchte akzeptiert, toleriert, in seiner einzigartigen Art und Weise angenommen sein. So sollte es nur recht sein, dass wir das, was wir für uns selber einfordern, auch bereit sind, anderen zuzugestehen. Anderen den Raum zu geben, sich zu entfalten, den wir auch selber für ein zufriedenes Leben benötigen. Anderen mit Interesse und Neugierde begegnen, die wir uns selber wünschen. Dem Bekannten, dem Freund und Fremden die Wertschätzung schenken, die wir selber erfahren möchten. Und ganz besonders auch schwächere Menschen unterstützen, wo ein Mangel offensichtlich wird. „Eine Kette ist nur so stark, wie ihr schwächstes Glied!“, heißt ein geflügeltes Wort. Ein Gedanke, den man vielleicht nicht nur zur Weihnachtszeit überdenken sollte. Stärkt man die Schwachen der eigenen Gemeinschaft, stärkt man auch die Gemeinschaft und letztlich sich selber.

Den Menschen neben uns wahrnehmen, mutig und für Gespräche bereit sein, über unsere eigenen Grenzen steigen, sind Möglichkeiten, die Anonymität aufheben und kleiner machen. Das hilfreichste und einfachste Mittel ist dabei ein offenes Lächeln, das – noch ein geflügeltes Wort – in jeder Sprache verstanden wird. Wenn wir vielleicht das nächste Mal an der Kasse zurückblicken und aufmerksam sind, uns nicht vom Äußeren täuschen lassen … geben wir den Menschen um uns herum genau das, was wir uns von ihnen wünschen. Dann wird selbst eine große Stadt sehr klein!

Leitartikel der Stadtteilzeitung Steglitz-Zehlendorf
Dezember 2015 – Januar 2016

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Der Weg vom Blog zum Leser …

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Ziemlich zögerlich und ganz langsam hat es angefangen, dass sich dieser Blog einen Weg in die weite Welt gesucht hat. Zu Beginn stand für mich mehr im Vordergrund bei anderen zu lesen, zu staunen, zu bewundern und neugierig zu beobachten. Bei einigen Blogs bin ich immer wieder zu Besuch gekommen, gefiel mir doch sehr die Art und Weise, wie sie es schafften ihre Leser zu fesseln – und mich!

Ein Blog war von Anfang an auf meiner Bestsellerliste, weil ich bis heute die Geschichten, Denkanregungen und den Schreibstil liebe und verfolge. Noch dazu (ganz wichtig!) schafft es dieser Blog immer wieder, mich mit den Gedankenspielen zwischen Großstadt (in der ich lebe) und den selbstgewählten Exil auf dem Land (wo sie lebt) zum Lachen zu bringen. Ausgerechnet dieser Blog, bzw. seine Schreiberin, hat mich nun in die Liste der Blogs eingereiht, die ihre Fragen für den „Liebsten Award“ beantworten dürfen. Also beantworte ich (nicht ohne Stolz … ehrlich bleiben! 😉 ) die Fragen von Friederike und ihrem LANDLEBENBLOG … mit einer herzlichen Leseempfehlung!

Ist das geschafft, bekommt ihr noch ein paar Leseempfehlungen zu anderen Blogs, die dann wiederum meine Fragen (vielleicht) beantworten. Es ist ein Spiel unter den Bloggern, macht Spaß und bringt so manche interessante Einsichten ans Licht. Denn – so ist das mit den Blogs … sie leben vom Austausch, der Kommunikation und Empfehlungen … und nicht selten trifft man gute alte Bekannte auf den anderen Seiten wieder!

Friederikes Fragen:

Warum hast Du angefangen zu bloggen?
Ganz am Anfang fand ich das Wort „Blog“ komisch, aber hörte es immer öfter und habe gegoogelt, was es bedeutet. Dort stand, dass es eine Art virtuelles Tagebuch sei. Das fand ich ziemlich komisch, denn – wer schreibt ein öffentliches Tagebuch … bis ich irgendwann mitbekam, dass mein Chef bloggt. Der Mann ist alles mögliche, keinesfalls aber komisch, und so war die Neugierde geweckt. Ich fing an (siehe oben) zögerlich zu lesen, zu staunen, zu … hatten wir ja schon. Es fing an mir zu gefallen und es entstand eine Idee. Seit 2003 entsteht eine Bezirkszeitung an meinem Computer und mit der Zeit schrieb ich den ein oder anderen Texte dafür. Über die Jahre verschwanden die Texte aber in den alten Ausgaben. Schade eigentlich und so fragte ich eben den Chef, ob er eine Idee hätte, wie ich diese Texte sammeln könnte und einen Überblick behalte. „Mach einen Blog!“ war die Antwort. Und da wir für unsere Arbeit in dieser Zeit eine neue Internetseite mit WordPress erarbeiteten, hatte ich das System schon lieb gewonnen. Also bastelte ich meinen Blog, stellte zwei Beiträge ein, lies es aber ein dreiviertel Jahr unberührt – der richtige Mut fehlte. Zu Weihnachten schrieb ich schließlich eine schöne Geschichte, die auf der Homepage der Arbeit veröffentlicht wurde. Da ich dort großen Zuspruch fand, traute ich mich endlich und ab dann purzelten die Beiträge nur noch so in meinen Blog … und ich bekam mit der Zeit einen Begriff, was Internet tatsächlich bedeutet!

Wissen Freunde und Familie von der Bloggerei?
Oh ja … und sie gehören zu den wichtigsten Kritikern! Ich teile immer fleißig in die Netzwerke oder Messenger. Viele Beiträge handeln von ihnen.

Und lesen die das etwa auch?
Ich denke ja – die Rückmeldungen zeigen es. Jeden Beitrag, in dem ich jemanden persönlich erwähne, lasse ich vorher von demjenigen lesen. Es ist mir wichtig, dass sie Bescheid wissen und sich ebenso damit identifizieren können. Töchter, Mann, Geschwister, meine Mutter, viele Freunde … da sind alle mit im Boot. Wenn ich mit einem Beitrag unsicher bin (was immer noch oft vorkommt) hole ich mir Rat (davon weiß u.a. der Chef ein Lied zu singen) – vier Augen sehen immer mehr als zwei! ;-).

Hast Du eine Bloggerbotschaft an die Welt?
Ja … viele … lest einfach. Das wichtigste wäre mir, jeden Menschen so zu akzeptieren, wie er ist und in der Toleranz und dem Kompromiss die größte Errungenschaft der Menschheit zu sehen!

Liest Du auch noch Zeitungen?
Ich lese sie nicht nur – ich mache auch eine – seit 12 Jahren – die Stadtteilzeitung Steglitz-Zehlendorf. Ich liebe sie und werde immer ganz grantig, wenn jemand Blättchen dazu sagt. Immerhin 12 Seiten und eine Auflage von 10.000 Stück. Die lese ich besonders intensiv – auch zur Korrektur. Ich lese auch viele andere Zeitungen … nicht mehr in den Mengen wie früher, aber an manchen Sonderheften komme ich nicht vorbei. Modezeitungen gar nicht und für Society-Lektüre müssen die seltenen Arztbesuche ausreichen.

Bist Du online und offline gleich?
Aaaaahhhhhh … nein … wenn ich ehrlich bin. Ich liebe online, kann offline aber bestens aushalten und mich problemlos beschäftigen. „Langeweile“ und „Anna Schmidt“ passt nicht auf einen Planeten – kenne ich nicht. Ich bin aber die Ohne-Fernseher-Handy-Computer-Kindheitsgeneration … schätze also beide Seiten sehr!

Hast Du schon mal Internetbekanntschaften im realen Leben getroffen?
Mehrere und es war jedes Mal ein absoluter Gewinn! 🙂

Was machst Du in computerfreien Zeiten?
Hungrige Kinder füttern, reale Bücher lesen, Garten genießen, Hund sozialisieren, den Gatten beschäftigen und Pläne schmieden, was ich noch so alles vor habe … und das ist viel!

Hast Du überhaupt längere computerfreie Zeiten?
Wenn ich ehrlich bin – nein. Im Sommer habe ich es im Urlaub sehr genossen, aber das Smartphone war doch immer irgendwo in der Nähe und ich bin grundsätzlich ein sehr interessierter Mensch. Das Seniorenheim bekommt mich irgendwann einmal nur mit der Zusage von uneingeschränktem WLan.

Wie gehts Dir, wenn Du momentan die Welt betrachtest?
Schwierige Frage – das wäre einen eigenen Beitrag würdig. Ich bin sehr realistisch und lebe nicht auf einem rosa Wölkchen. Dennoch weigere ich mich, zu glauben, die Welt und der Mensch sei schlecht. Miesmacher, Schlecht-Redner, Zukunfts-Paniker ertrage ich nicht in meiner Nähe. Wenn wir nur das Negative sehen würden, hätten wir keine Zukunft mehr. Und so bin ich auch überzeugt, dass ein Kind, dass selbstbewusst und positiv erzogen wird, die beste Investition in die Zukunft ist. Wenn ich zuhöre, wie meine Töchter sich mit Dritten über Toleranz und Weltoffenheit unterhalten, weiß ich, dass ich etwas richtig gemacht habe. Selbst, wenn mich mancher für meinen Optimismus belächeln mag, denke ich, dass ich für meinen Teil der Welt mehr erreiche, als andere die mit ihrem Wehgeschrei nerven.

Magst Du Schnitzel mit Pommes?
Ganz klar – nein! 50 % unserer kleinen Familie mag es sehr und ich esse es, wenn ich mich nur an den Tisch setzen muss. Offiziell habe ich beschlossen, dass ich beim Panieren die größte Pflaume bin und es nicht kann. Ich liebe Tintenfisch, esse Schnecken oder rohen Fisch, aber auch ein einfaches Spiegelei kann bei mir Begeisterung auslösen … es gibt wenige Dinge, die ich nicht esse … das Schnitzel ist ein Volltreffer in Bezug auf nicht mögen! 😉

 

Meine Leseempfehlungen wären folgende Blogs – neben vielen anderen, die ich sehr schätze:

Wortgepüttscher

Schnipseltippse

Modepraline

Mein Lesestübchen

keinbisschenleise

Kinder Unlimited

Ich habe nicht nachgeschaut, ob sie an diesem Award schon einmal teilgenommen haben – es lohnt sich in jedem Fall ein Klick auf ihre Seiten, wo ihr schöne, interessante Beiträge findet.

 

Meine Fragen an sie wären die Folgenden …

Alter ist ein relativer Begriff – gibt’s Momente, in denen du dich alt fühlst?

Ist Alter ein Problem für dich?

Würdest du noch einmal gerne von vorne Anfangen?

Welches Alter war das spannendste?

Gibt es Einstellungen oder Dinge, die sich bei dir im Laufe des Lebens geändert haben?

Wird man im Alter ein sozialerer Mensch?

Was möchtest du einmal machen, wenn du das Glück hast so richtig alt zu werden? 🙂

Was wäre deine Großmutter/Großvater-Botschaft an die Jugend?

 

Ich habe in Facebook einen wunderbaren Spruch
bei Irene Söding gelesen:

„Wenn ich alt bin,
will ich nicht jung aussehen,
sondern glücklich!“

So soll es sein! 🙂 Ich bin gespannt!

Wir müssten mal wieder …

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Wer kennt es nicht: Man ist unterwegs und trifft alte Freunde oder Bekannte aus längst vergangenen Tagen wieder. Die Freude ist groß, man grüßt sich, fragt wie es geht, tauscht spannende Dinge aus, die sich zwischenzeitlich ergeben haben und stellt fest, dass die Sympathie doch noch die gleiche ist wie früher. Und eh man sich versieht, sagt einer von beiden: „Wir müssten mal wieder …!“ Gegenseitig verspricht man sich zu melden und geht wieder getrennter Weg … Zuhause erzählen wir vielleicht von der Begegnung, gehen ins Tagesgeschehen über und vergessen in der Regel ziemlich schnell dieses „Wir müssten mal wieder …!“

Ich sage es selber und halte mir zugute, dass ich es ehrlich so meine – solange bis ich wieder in meinem eigenen Trott bin. Schuld daran ist natürlich die Zeit, die ich nie habe. Das glaube ich jedenfalls, wenn ich denkfaul bin oder eine Ausrede parat haben möchte. Tatsächlich bin ich diejenige, die ihre Zeit verwaltet und ja, ich habe inzwischen gelernt, dass es nicht die Zeit ist, die ich nicht habe. Es sind die Prioritäten, die allein ich selber festlege. Doch gerade diese Prioritäten sind es, die sich von Zeit zu Zeit verschieben und sich aus meiner jeweiligen Lebenssituation ergeben. Dieses „Wir müssten mal wieder …!“ ist eigentlich der Wunsch an etwas Vergangenem anzuknüpfen, das es in der damaligen Form nicht mehr gibt.

Der Kern ist, dass sich die Menschen, mit denen wir uns umgeben, immer wieder in der Zusammensetzung verändern. Es gibt einige wenige, die für immer bleiben. Die Familie bleibt, wenn man ein gutes Verhältnis hat, und ein paar Freunde, von denen uns, wenn wir Glück haben, ein paar das ganze Leben begleiten. Alle anderen Freunde wie Bekannte, ArbeitskollgInnen, Freunde aus Interessensgruppen, Menschen, die man aus bestimmten Aktualitäten kennt, kommen und gehen, meist ohne bewusstem Beginn oder Abschied. Man kann diese Menschen nicht festhalten. Muss akzeptieren, dass die Dinge sich ändern und Freundschaften ihre Zeit haben, so schmerzlich es manchmal ist.

Es ist ein langer Prozess, dies zu erkennen und, vor allen Dingen, auch zu akzeptieren. Definiert man sich in jungen Jahren oft über viele Freunde und dem Wunsch einer Gruppe anzugehören, setzt sich mit steigendem Alter immer mehr durch, dass eher die Qualität als die Zahl der Freunde von Bedeutung ist. Die Erkenntnis, dass jeder wirkliche Freund einen besonderen Stellenwert hat und zu anderen nicht vergleichbar ist, kommt ebenso hinzu. So ist der Freund mit dem ich prima philosophieren kann, nicht minder demjenigen, der der ideale Partner ist um zum Beispiel Museen und Ausstellungen zu besuchen. Genauso wie das Heer von Bekannten, die je nach Kontext eine andere Funktion erfüllen.

Ein gutes Beispiel dafür sind unsere Schulfreunde, mit denen wir jahrelang die gleichen Stundenpläne, Lehrer, Schulstreiche und Notenkonferenzen teilen. Kaum vorstellbar für den Schüler, diesen Verband zu verlassen – bis zum letzten Zeugnis. Damit trennt sich dann die Gemeinsamkeit und allein die Berufswahl schickt alle in verschiedene Richtungen. Wie schön sind da Klassentreffen, bei denen sicherlich oft das ein oder andere „Wir müssten mal wieder …!“ gesprochen wird. Mit Studienfreunden verhält es sich genauso, wie mit Freunden aus Sport oder Hobby. Freundschaften trennen sich, wenn Paare beschließen alleine zu bleiben oder Kinder zu bekommen. Hat man Kinder, lernt man viele Bekannte unter den Eltern von Kita und Schule kennen. Elternabende und Schulfeste verbinden für ein paar Jahre und trotz Sympathie verliert man sich später aus den Augen. Trifft man sich dann beim Einkauf, hört man, wie sich die Kinder entwickelt haben und kann sich dieses „Wir müssten mal wieder …!“ vielleicht gerade noch verkneifen. Man hat die Realität verstanden oder fürchtet zu wenig Gesprächsstoff für ein ganzes Treffen. Die wenigsten bleiben übrig und nur dann, wenn das eigene Lebensmodell sich mit dem des Freundes oder Bekannten überschneidet, wenn eine Grundhaltung die gleiche ist oder ein anderes Interesse eine Fortführung der Freundschaft stützt.

Das schöne daran ist, dass man im Laufe seines Lebens unglaublich viele tolle Menschen und Erinnerungen an sie sammeln kann. Akzeptiert man, dass alles seine Zeit hat, bleibt in manchen Fällen vielleicht etwas Wehmut und Bedauern. Bei manchen Fällen, seinen wir ehrlich, bemerkten wir den Verlust kaum oder sind vielleicht sogar froh darüber. Andererseits kommen ja auch immer wieder neue Bekanntschaften hinzu, die sich vielleicht in Freundschaften wandeln. Es gibt viele Menschen, die ich kennengelernt habe, mit denen ich sehr gerne befreundet wäre. Viele, die ich leider hinter mir lassen musste. Viele, die ich bewundere, die aber aus den verschiedensten Gründen nicht zu meiner Lebensweise, Familie oder Umfeld passen. Doch welch glücklicher Umstand, dass es keine Grenze gibt, wie viele Bekannte ein Mensch verkraften kann. Das ist etwas, was ich an den sozialen Netzwerken sehr genieße: Zwar trifft man sich nicht mehr im realen Leben, kann aber doch ab und zu lesen, wie es dem anderen ergeht. Wer weiß, was daraus wird. Ich persönlich mag Menschen – viele, vielfältig, multikulturell und grenzenlos.

Nun, vielleicht ist dieses „Wir müssten mal wieder …!“ aber auch ein zaghaftes Abtasten, ob sich ein neuer Anknüpfungspunkt finden lässt. Oder es ist ein Test, ob der andere einen noch mag. Ein verlegener Satz eventuell, weil man sonst nicht weiß, wie man sich endgültig vom anderen trennen soll. Lassen wir sie gehen, diese vielen tollen Menschen und bedenken, dass „Vergangenheit ist, wenn es nicht mehr weh tut!“ – Mark Twain. Soll es aber nicht Vergangenheit sein, müssen wir den Augenblick nutzen. Dann gibt’s als Antwort auf das „Wir müssten mal wieder …!“ einzig ein bestimmendes „Wann?“

Angekommen

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Im Rheinland hatte ich eine Freundin mit der ich mich über unseren damaligen Wohnort unterhielt. Ich lebte mit meiner Familie für unsere Verhältnisse schon lange in dem kleinen Ort am Rhein. Diese Freundin erzählte mir damals, dass sie in diesem Ort aufgewachsen ist, ihre Eltern dort geboren und aufgewachsen sind und auch die Großeltern das gleiche erlebt hatten. Alle hatten im gleichen Haus gewohnt, entsprechend der Generation in der unteren oder oberen Etage. Sie erzählte auch, dass sie sich nichts anderes vorstellen könnte als dort zu wohnen, nicht mal im Nachbarort. Dieses Gespräch hat mich damals unwahrscheinlich beeindruckt, so dass ich es nie vergessen habe. Immer am gleichen Ort zu leben war für mich damals mit einem Gefühl zwischen Hochachtung und Mitleid belegt. In jedem Fall war es für mich suspekt, was das für eine Sorte Mensch sein konnte, die sich mit einem Ort in der Welt zufrieden gab.

Ich hatte es anders erlebt. Zu meiner Kindheit und Jugend gehörten Umzüge. Der Vater war bei der Bundeswehr und die Familie gewöhnt dort zu leben, wo er eingesetzt wurde. Zuhause war dort, wo die Eltern lebten. Alles andere war austauschbar und zu ersetzen. Uns war sehr bewusst, dass wir viel gesehen und erlebt hatten und wirklich viele Menschen kannten. Oft Bundeswehrangehörige, denen es genauso ging wie uns. Der Satz „Nette Menschen gibt es überall, es kommt nur darauf an, wie man selber auf sie zugeht!“ prägte uns von Kindheit an. Was wir nicht hatten, waren Jugendfreunde, aber das wurde uns erst später bewusst. Nach dem Gespräch mit der Freundin kamen noch viele weitere Umzüge dazu. Wegen der Ausbildung, wegen verschiedener Arbeitsstellen, wegen der Liebe und der letzte Umzug mit der Liebe, sprich dem Ehemann, gemeinsam. Die Republik hatte ich von unten nach oben durch, auch das Ausland war dabei. Der letzte Umzug ging in die große Stadt. Wir waren in Berlin gelandet.

Nun ein Zeitsprung von 20 Jahren: Wir leben immer noch am gleichen Ort und im gleichen Haus. Für mich etwas ganz Besonderes. Wenn mich früher jemand fragte, woher ich komme, sagte ich mit einem Grinsen, ich sei Kosmopolit. Heute weiß ich nicht mehr genau, was ich bei der Frage antworten soll. Ich empfinde mich nicht als Berlinerin, aber ich fühle mich Zuhause. Das liegt nicht an Berlin, das hängt mit meinem kleinen Bezirk zusammen. Manche sagen mein „Kiez“, und auch wenn ich das Wort nicht mag, so drückt es doch aus, was mich verbindet. Es ist ein sehr vertrautes, inniges Gefühl für das unmittelbare Umfeld. Ich kenne mich hier aus, kann wie im Schlaf meine Wege gehen. Ich weiß, wohin ich mich wenden muss um bestimmte Dinge zu erreichen. Es gelingt fast nicht mehr einen Einkauf oder Hundespaziergang zu Ende zu bringen, ohne gegrüßt zu haben oder eine kleine Unterhaltung mitzunehmen.

Berlin kann so dörflich sein. Ich habe oft zu den Kindern gesagt, dass sie sich gut überlegen sollten, mit wem sie sich verzanken. Wir haben mehrfach erlebt, dass wir zu Wegbegleitern den Kontakt verloren und sie in vollkommen anderen Zusammenhängen wiedergetroffen haben. Wenn ich mit den Kindern durch die Straßen gehen, ist eine häufige Frage „Woher kennst du den denn?“. Die Kinder sind echte Berlinerinnen. Hier geboren, aufgewachsen, verwurzelt und heimisch. Sie kennen nichts anderes und bei Diskussionen um Auslandsjahr oder Ausbildung an fremden Orten, staune ich über die hartnäckige Weigerung einer Tochter, woanders hinzugehen. Wir erleben immer öfter bei Menschen, dass sie jemanden kennen, den wir kennen und Querverbindungen entstehen. Bei einem Hundespaziergang kam ich mit einer Frau ins Gespräch, die ich seit zwei Jahren vom sehen kannte und grüßte. Bei dem Gespräch kam heraus, dass sie eine Freundin hat, die wiederum Freundin einer meiner Freundinnen ist, mit deren Kinder unsere Kinder befreundet sind. Verstanden? Nicht wichtig. Jedenfalls kannte ich den Namen der Frau viele Jahre bevor ich die Frau selber kennenlernte.

Was ich an unserem kleinen Bezirk besonders schätze und liebe ist, dass ich gar nicht mehr umziehen muss um nette und neue Menschen zu finden. Die Auswahl ist riesig, abwechslungsreich, spannend und multikulturell. Es kommt eben wirklich auf uns selber an, wie wir uns dem Umfeld öffnen und neue Menschen in unser Leben lassen. Hier sind wir ein Teil des Umfeldes geworden und genießen sehr, dass wir „alte Hasen“ geworden sind. Zu „alten Hasen“ gehören auch alte Freundschaften, etwas dass es in meiner Jugend nicht gab. Freunde und Bekannte geben uns Sicherheit, Abwechslung und schenken uns viele schöne Gemeinsamkeiten und Momente im Jetzt. Wir haben Wegbegleiter mit denen wir Erinnerungen aus 20 Jahren teilen können und gemeinsam älter werden. Wir können bei manchen Entwicklungen mitreden, weil wir sie durch die Jahre begleitet haben. Wir haben gesehen, wie die Kinder von Nachbarn von den Windeln bis zum Abitur groß wurden. Wissen, wer in den benachbarten Häusern wohnt und genießen eine freundschaftliche, unaufdringliche Nachbarschaft. Es ist Geborgenheit, die uns hier begegnet, ohne das Gefühl zu bekommen gebunden oder kontrolliert zu sein.

Heute sind mir Menschen, die immer an einem Ort leben nicht mehr suspekt. Mein Gefühl ihnen gegenüber ist Verständnis und fast ein bisschen Neid. Dennoch bin ich froh, dass ich beide Seiten kenne und das prickelte Gefühl erlebt habe, eine neue Stadt zu entdecken und kennenzulernen. Aber ich vermisse das Gefühl nicht mehr, etwas entdecken zu müssen. Ich lebe hier in einer Stadt, die mir jeden Tag die Möglichkeit bietet neues zu entdecken und mich dennoch in den vertrauten Bezirk zurückzuziehen kann. In der jeder nach Vorliebe seinen Platz und Akzeptanz finden kann. In einer Stadt, in der ich die Straßennamen kenne. Die spannend ist, Möglichkeiten bietet mitzumachen und sich einzumischen. Es ist eine Stadt, die beides hat – Großstadtflair einerseits, Parks und ruhige grüne Plätze andererseits. Sie ist laut und leise, Weltstadt und doch dörflich, offen und problembeladen, modern und alt zugleich.

Wir streben nicht an, mit der dritten Generation gemeinsam in einem Haus zu leben. Wohin es die Kinder einmal zieht, wird die Zeit zeigen. Wir haben unsere Entscheidung getroffen. Wir werden hier bleiben. Nicht mehr umziehen. Werden noch mehr in diesen Bezirk eintauchen und Teil davon werden. Ich habe immer noch das Gefühl in jeder anderen Stadt leben zu können, aber ich will nicht mehr, denn dieser Platz ist eben nicht austauschbar und zu ersetzen. Er ist einzigartig, vertraut und gehört zu unserer kleinen, meist heilen Welt. Wir sind genau in diesem Monat im 20. Jahr angekommen.