Pfleger Georg


Es gibt Erfahrungen im Leben, die man nicht gerne macht und doch dankbar sein darf, dass man sie machen kann. So ist es mir passiert. Ich merkte, dass ich immer schlechter laufen konnte, auch Probleme mit dem Rücken waren zur Gewohnheit geworden. Frau wird halt älter. Würde mich ein Auto anfahren wollen, realisierte ich irgendwann auf einer Kreuzung, könnte ich nicht mal mehr weglaufen. So ging ich in ärztliche Behandlung und die Diagnose war alles andere als schön. Ein quer stehender Wirbel drückte die Nervenbahn im Rücken ab, weshalb die Beine nicht mehr wollten. Spinalkanalstenose nennt sich das im Fachjargon und die einzig erfolgversprechende Abhilfe bedeutet eine Operation an der Wirbelsäule. 

Auf jede Operation verzichte ich gerne. Diese Erfahrung brauche ich nicht, aber es gab keine Alternative. Die Nervenbahn hätte irgendwann versagt und damit die Beine. Ich war doch dankbar, etwas zu haben, was man beheben kann, wenn auch der Weg dahin mehr als unbequem erschien. Der OP-Termin war schnell gefunden, und bis dahin musste meine Umgebung viel Verständnis aufbringen, weil ich nichts anderes mehr im Sinn hatte. Google hat nicht gestreikt, wenn ich allerlei zusammenhängende Stichwörter recherchierte. Es half nichts – da musste ich durch. Gut vorbereitet und tapfer ging ich am Vortag ins Krankenhaus, erledigte alle erforderlichen Vorgespräche und Untersuchungen, lernte meine Bettnachbarin kennen, die die gleiche OP an diesem Tag hinter sich gebracht hatte und verbrachte irgendwie die Stunden bis zum frühen Abend … verstohlen beobachtend, wie sich die Nachbarin fühlt.

Gegen 17 Uhr klopfte es kurz an der Tür und ein junger Mann kam herein. „Pfleger Georg,“ stellte er sich vor, mit einem fröhlichen „Grüß Gott!“. Er erklärte uns, dass er der Pfleger für die Spätschicht sei, zuständig für die nächsten Stunden und fragte, wie es uns geht. Meine einzige Frage war, ob er schon sagen könne, um wie viel Uhr ich am nächsten Tag mit der OP an der Reihe sei. Vom Arzt wusste ich, dass zwei bis drei solche Operationen am Tag in diesem Krankenhaus gemacht werden. Pfleger Georg wollte nachsehen und mir Bescheid geben. Wieder warten im ruhigen Zimmer. Die Nachbarin, Oma Bach, frisch operiert, war nicht sehr gesprächsselig und ich fand heraus, ohne Hörgeräte noch tauber als ich. Später kamen eine Schwester und Pfleger Georg zur abendlichen Runde vorbei. Blutdruck messen, Puls, Tabletten verteilen und noch ein paar Kleinigkeiten. Und die OP-Zeit? 16.39 Uhr, antwortete Pfleger Georg.

Große Freude … 16.39 Uhr … ich sollte einen ganzen Tag wie auf heißen Kohlen warten … na klasse. Trotzdem schlief ich die Nacht recht gut. Oma Bach lang ruhig und leise, wofür ich sehr dankbar war. Am nächsten Morgen kam wieder die gleich Routine – Blutdruck messen, Puls, Tabletten verteilen und noch ein paar Kleinigkeiten mehr. Kurze Zeit später kamen die netten Schwestern, die das Frühstück verteilten. Frühstück für Frau Schmidt? Nein, die muss nüchtern bleiben. Ich mochte nicht glauben, bis nachmittags Hunger schieben zu müssen. Wenigstens eine Tasse Kaffee wollte ich aushandeln, aber auch die bekam ich nicht. Doch nicht so nette Schwestern. Ich saß doch sehr stinkig auf meinem Bett und stellte mich auf einen langen Tag mit Warten ein. Kein 10 Minuten später klopfte es an der Tür. Die nächste Schwester kam herein. Ob ich Frau Schmidt sein? Ja! Gut, es geht los. Etwas verwirrt schrieb ich schnell meiner Familie „Es geht los!“ ins Handy. Sie sollten doch wissen, was mir gerade jetzt passierte, nicht erst um 16,39 Uhr. Nicht, dass mich jemand vermisst. Auf dem Weg in den Anesthesie-Raum des Operationstraktes wurde ich viermal gefragt, wie ich heiße, wann und wo ich geboren bin, was ich arbeite und was operiert wird. Denn Sinn dahinter sollte ich erst später verstehen. Der Nachname Schmidt ist doch recht gefährlich in einem Krankenhaus. Mehr gibt es von der OP nicht zu erzählen – ich war irgendwo, jedenfalls nicht bei Bewusstsein.

Ich kann mich noch bruchstückhaft an den Aufwachraum erinnern. Der nächste klare Moment kam irgendwann im Laufe des Tages, den ich viel mit Schlafen verbrachte. Das Liegen war nicht so ganz gemütlich, aber es war erträglich. Oma Bach fragte von der linken Seite, wie es mir ginge. Nun waren wir beide ans Bett gefesselt und konnten auf bettebene Erfahrungen austauschen – mit Hörgeräten im Ohr. Um 17 Uhr kam wieder das gleiche Klopfen wie am Vortag und Pfleger Georg kündigte fröhlich seine Schicht an. So ging es nach der OP in die Krankenhaus-Routine über. Nach immer gleichem Muster Morgen-Untersuchung, Frühstück, Arztbesuch, Mittagessen, Kaffeetrinken, Abenduntersuchung, Abendessen, Nachtruhe. Über die Tage ging es Oma Bach und mir immer besser. Wir mussten das Bett verlassen, lernten, wie man sich mit so einem malträtierten Wirbel bewegt und versuchten das beste daraus zu machen. Dabei stellten wir fest, dass wir uns sehr gut verstanden. Oma Bach war eine sehr optimistische, nette Frau, ruhig, angenehm, sehr kultiviert und gut belesen. Wir mochten uns.

Knapp 14 Tage später kam der Abschied. Oma Bach wurde in die Reha in ein anderes Krankenhaus verlegt. Ich selber durfte nicht nach Hause, weil die Blutwerte nicht in Ordnung waren. Irgendwie war mir die ganze Zeit klar, dass ich so eine nette Nachbarin nicht mehr bekommen würde. Nach ein paar Tränchen meines Schicksals und der blöden Blutwerte wegen, stellte ich mich auf ein weiteres Wochenende im Krankenhaus ein. Oma Bach verabschiedete sich. Keine Stunde später hatte ich eine neue Nachbarin.

Schon allein dem neuen Bett sah man an, dass da ein schwierigerer Patient das Zimmer bezogen hatte. Viele Ständer und Schläuche säumten das Bett. Viele Ärzte, Schwestern und Pfleger kümmerten sich. Schnell war klar, dass die neue Bettnachbarin von der Intensivstation kam. Aus den Gesprächen erfuhr ich, dass sie der armen Frau nicht, wie bei mir, einen Wirbel fixiert hatten. Ihr hatten sie gleich mehrere Wirbel mit Schrauben verziert. Sie tat mir unheimlich leid!

Aber – Oma Kippling war wach und das sollte das größte Leid aller Schwestern und Pfleger – und mir – in den nächsten Tagen werden. Kaum eine halbe Stunde im Zimmer, klingelte Oma Kippling und bat, umgebettet zu werden. Sie wollte gerne auf der Seite liegen. Pfleger Georg erklärte ihr geduldig, wie sie das nun gemeinsam bewerkstelligen würden und legte sie routiniert auf die Seite. Alles gut. Er ging wieder, um keine 5 Minuten später wieder im Zimmer zu stehen. Oma Kippling hatte geklingelt und bat, dass ihr die Füße zugedeckt werden. Pfleger Georg ging wieder um nach kürzester Zeit und Klingeln zurückzukehren. Nun wollte sie doch noch etwas trinken und wieder auf den Rücken gelegt werden. Auf der Seite war ihr das nichts. So ging es gefühlt jede viertel Stunde weiter. Pfleger Georg kam und ging. Als es an den abendlichen Rundgang ging, stand Pfleger Georg geduldig am Bett und erklärte Oma Kippling, dass sie in den nächsten 30 Minuten nicht klingeln dürfe. Er müsse den Rundgang machen. Auf der Intensivstation sei eine Pflegekraft für 3 Patienten da, hier auf der Station hätte eine Pflegekraft 15 Patienten. Oma Kippling verstand und versprach Geduld zu haben. Pfleger Georg ging.

Ein paar Minuten Ruhe, dann rumpelte es im Nachbarbett. Irgendetwas fiel vom Nachttisch runter. Oma Kippling gab mir die klare Anweisung zu klingeln. Sie dürfe ja nicht. Ich erklärte ihr, dass die Pflegschaft doch gerade die Abendrunde mache und wir auch bald an der Reihe seien. Ach ja, hatte sie vergessen, aber sie klingelte doch wieder, um dem noch geduldigen Pfleger zu erklären, dass ihr etwas runter gefallen sei. „Nun aber – nicht mehr klingeln,“ verabschiedete er sich.

So ging es gefühlt den ganzen Freitag, Samstag und Sonntag weiter, wobei Oma Kippling auch die Nächte gut füllen und die Belegschaft in Bewegung halten konnte. Als ich einmal etwas genervt im Flur sitzend Ruhe suchte, leuchtete die rote Lampe unseres Zimmers besonders oft. Nach ein paar Mal, setzte sich die gescheuchte Schwester auf den Stuhl neben mich und klagte ihr Leid. Kein Wort über die Oma, doch allgemein, dass es hier manchmal nicht zu schaffen ist. Es brauchte nicht viel Einfühlungsvermögen, das zu erkennen. Mehr als alles andere sehnte ich den Montag herbei. Ich war geneigt, mich selbst zu entlassen, was dann zum Glück nicht notwendig war. Die Blutwerte waren gut und die Tochter konnte mich nach Hause holen. Wie es mit Oma Kippling weiter ging, kann ich natürlich nicht sagen. Ja, auch nach drei Tagen tat sie mir noch leid, aber es war gut, dass sich die Wege trennten – nett ausgedrückt. Mein Kontingent an Geduld mit der Bettnachbarin war erschöpft.

Unabhängig der Freude nach Hause zu können, war es mir ein Bedürfnis Pfleger Georg am letzten Abend zu sagen, wie sehr ich seine Arbeit und die der KollegInnen bewundere. Wir kamen auf den Beruf Pfleger zu sprechen und er beklagte etwas, dass Leute im Privaten immer glauben, er würde nur Patienten waschen und Bettpfannen verteilen. Dabei tut er weit mehr.

Pfleger Georg und alle seine KollegInnen und Kollegen gehören zu dem Heer von Menschen, die in so einem Krankenhaus einen enormen Dienst leisten. Pfleger und Schwestern unterstützen die Patienten und pflegebedürftige Menschen. Dabei bewegen sie sich immer innerhalb der Gratwanderung, den Patienten zu unterstützen und ihm doch ein höchstmögliches Maß an Selbstbestimmung und eigenem Handeln zu lassen. Sie stellen die Hygiene und Ernährung während des Krankenaufenthalts sicher. Sie überwachen die Genesung, dokumentieren den Verlauf, organisieren Therapien und medikamentöse Unterstützung. Dabei haben sie immer den Patienten im Blick, der oder die ein höchstmögliches Maß an Freundlichkeit und Wertschätzung erwarten darf und bekommt.

Auch Oma Kippling … zweifelsohne eine sehr intensive und Zeit fordernde Patientin. Auch sie wurde immer wertschätzend und höflich behandelt und gepflegt. Ich habe die Pflegekräfte bewundert … alle!

Mein Wirbel heilt nun still vor sich hin. Ein Korsett (modern Orthese) hilft mir dabei. Ich bewundere jede Frau, die gerne ein Korsett trägt. Es sind viele Erfahrungen, die durch diese Geschichte zusammen kommen. Am prägendsten ist für mich allerdings die Erfahrung mit Pfleger Georg, der immer freundlich, nett und humorvoll war. Für den Beruf muss man viele Fähigkeiten mitbringen und ein hohes Maß an Engagement und Empathie aufbringen, ohne dabei selber zu zerbrechen. Sie müssen Menschen lieben, gleich ob es welche wie Oma Bach oder Oma Kippling sind, deren Namen im Übrigen geändert sind … ein bisschen was von beiden steckt wohl in jedem von uns drin. Oder? 😉

Ohne Headline …

Foto: Pixabay

Kürzlich fiel mir auf, dass ich jedes Mal, wenn ich länger über etwas nachdenke, dem Thema meiner Gedanken sehr schnell eine Headline gebe. Es ist so, als wenn ich in meinem Kopf einen Beitrag schreibe. Vermutlich färbt mein Beruf oder auch das Blogschreiben ab. In den letzten Wochen las oder hörte ich viele Zusammenfassungen des aktuellen Jahres und musste über mein persönliches Jahr 2016 nachdenken. Nur dafür – so sehr ich mich auch bemühe – finde ich keine Headline. Viele unterschiedliche  Begebenheiten haben dieses Jahr geprägt, viele unterschiedliche Menschen haben eine entscheidende Rolle gespielt und viele Dinge haben erst begonnen, müssen weiterverfolgt oder beendet werden. Das Jahr lässt sich in Subheadlines ausdrücken, die entscheidend waren und mir lange im Gedächtnis bleiben werden:

Die Blogparade – Schreiben gegen Rechts
Ich bin kein mutiger Mensch, fasste im Februar dennoch Mut und veröffentlichte den Aufruf „Schreiben gegen Rechts!“ und lud zur Blogparade ein. Ich hatte gehofft, vielleicht um die zehn Beiträge zusammen zu bekommen, was für mich als Erfolg verbucht worden wäre. Es wurden tatsächlich weit über 80 teilnehmende Beiträge und es wurde unglaublich viel kommentiert. Daraus ist ein eBook entstanden (mein erster Versuch mit diesem Format), es sind neue wertvolle Kontakte entstanden und ähnlich wie bei meinem Beitrag über die Bundeswehr 2014, bekam ich wieder einen Eindruck, was Internet tatsächlich bedeutet. Die Blogparade hat mich bis in den April sehr beschäftigt. Ganz besonders aber bekam ich das Gefühl, mit meiner Einstellung für Offenheit und Toleranz bei weitem nicht alleine zu sein, und dass jedes geschriebene und gesprochene Wort, für Empathie und Miteinander über Grenzen hinweg, ein wertvolles Wort ist … jedes einzelne die richtige Antwort auf rechte Parolen. Das Emblem der Blogparade bleibt in der linken Seitenleiste des Blogs und ich werde auch künftig jede Gelegenheit ergreifen mich für meine Überzeugung zu äußern. Denn nur wenn wir das tun, können wir andere zu nachdenken anregen und Schweigen beenden. Die Solidarität, die sich in allen Beiträgen zeigte hat mich tief beeindruckt und ich bin jedem einzelnen dafür sehr dankbar.

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne
Herrmann Hesse drück sehr gut aus, was es für mich bedeutete, mich nach 13 Jahren von meiner geliebten Stadtteilzeitung trennen zu müssen. Der Vehemenz und dem Wunsch meines Chefs nach einem neuen Format der Öffentlichkeitsarbeit machte es erforderlich, mich mit der Erstellung von eBooks und einem Magazin zu beschäftigen. Ich gebe zu, dass ich mich anfangs schwer tat, aber glücklicherweise lasse ich mich gerne von Herausforderungen begeistern. So erschien im April die letzte von 131 Stadtteilzeitungen, die an meinem Computer entstanden und am 1. Mai das erste Magazin „Im Mittelpunkt“ als gedrucktes Heft und als eBook. Zähneknirschend, aber gerne und mit einem Lächeln, muss ich zugeben, dass der Wechsel von Zeitung zu Magazin zeitgemäß und erforderlich war. Durch das Magazin können wir im Sinne der sozialen Arbeit viel spezifischer arbeiten. Das eBook-Format bietet Möglichkeiten, die wir noch lange nicht ausgeschöpft haben. … Und schließlich – der Moment in dem der iTunes-Store meldete, dass er das Magazin veröffentlichte … großartig! 😃

Erst die Fremde lehrt uns, …
ist der erste Teil des Spruchs von Theodor Fontane, der uns in diesem Jahr nach Prag und nach Kreta führte. Die schönen Tage in Prag hatte ich in einem Beitrag beschrieben. In Erinnerung blieb vor allen Dingen die schöne Architektur der Stadt, und die schöne Zeit mit meinem besten Freund und Ehemann. Diese Städtereise lässt uns weitere Ziele planen, da die Kinder so langsam ihre eigenen Wege gehen. Auf Kreta haben wir zwei wunderschöne Wochen verbracht, denn wir mussten zuhause ausziehen. Darüber konnte ich aus Zeitmangel nicht mehr schreiben. In Erinnerung sind entspannte, freundliche Menschen, ein wirklich schöner, sauberer Strand, eine bunte Vegetation und traumhafte Landschaftsbilder. Wir fahren sicherlich noch einmal dorthin.

… was wir an der Heimat haben …
sagt der zweite Teil des Spruchs. 2016 haben wir uns einen langen Wunsch erfüllt und unser Haus kernsaniert und angebaut. In den zwei Wochen Kreta-Urlaub wurden unsere Bäder neu gemacht. Im März hatte mein Mann die ersten Holzpaneele herausgerissen und Ende September kamen die Handwerker zum letzten Mal. Ich bin oft in meinem Leben umgezogen. Jeder Umzug ist einfacher als ein Haus umzubauen und währenddessen darin wohnen zu bleiben. Wir konnten das Wort „Staub“ nicht mehr hören, noch mochten wir ihn spüren. Es war oft schwierig und hat uns viel Geduld abverlangt. Die Firma, die den Umbau durchführte, war in jeder Hinsicht klasse. Sie haben nicht umgebaut, sondern mitgedacht, beraten und letztlich wirklich gut umgesetzt. Auch haben alle Nachbarn in irgendeiner Weise geholfen. Die einen hüteten den Hund, die anderen halfen Bauschutt zu entsorgen, passten auf oder übten sich in großer Geduld, wenn auch am Wochenende gebohrt wurde. Spätestens als wir einrichten konnten und nicht mehr von Zimmer zu Zimmer umziehen mussten, wurde uns klar, was wir über Jahre gesammelt hatten und nutzen die Gelegenheit ohne Ende auszumisten. Wir haben immer noch nicht alle Zimmer durch sortiert und fertig, aber wir genießen ein helles und schönes Haus. Mit diesem Umbau ist endgültig klar, dass wir „Zuhause“ angekommen sind, was für ein Bundeswehrkind und einen Berufssoldaten schon eine tiefe Bedeutung hat.

Ein Reich ist leicht zu regieren, eine Familie schwer
… sagt ein Sprichwort. Dieses Jahr hat gezeigt, dass man sich nie zu sicher sein sollte, wie die Familiengeschicke laufen. Der Herr Schmidt ist Pensionär und doch nicht mehr. Was als Urlaubsvertretung im Rahmen einer Wehrübung anfänglich gedacht war, entwickelte sich als durchgehenden Dienst. Die Wehrübung, die im April begann wurde verlängert und verlängert, und wird auch das nächste Jahr ausfüllen. Der pensionierte Berufssoldat erfüllt seinen Dienst im alten Büro. Zuhause trauen wir uns wieder eine Kaffeetasse einfach so stehen zulassen … die straffe Haushaltsorganisation des Familienoberhauptes hat eine Pause. 😉

Ich spreche hier meistens von zwei Töchtern, was so aber nicht ganz stimmt. Wenn ich von ihnen erzähle meine ich die gemeinsamen Töchter. Die älteste Tochter, die dritte, stammt aus der ersten Ehe meines Mannes. Ihr Lebensweg war lange nicht der unsere und getrennt, was sich in den letzten zwei Jahren aber ändert und eine schöne Entwicklung nimmt. Im Sommer hat sie nun geheiratet und wir freuen uns über immer größere Nähe. Dafür hat die zweite Tochter, die erste gemeinsame, beschlossen, ihre Mutter etwas leiden zu lassen und verbringt immer mehr Zeit bei ihrem Freund. Es ist nicht leicht, auch wenn man immer weiß, dass es so kommen wird, das Kind gehen zu lassen. Im gleichen Maß wie ich „leide“ freue ich mich aber mein Kind glücklich mit ihrem lieben Freund zu sehen. Glücklich über die häufige Abwesenheit der mittleren Tochter ist ganz besonders die Jüngste, die entspannt den Einzelkindstatus genießt.

Der Tod, die Nachrichten und viele Ereignisse …
Das dieses Jahr vielen neuen Idole Platz gemacht hat, musste letztendlich auch ich zugeben. Viele Kindheitshelden und Vorbilder sind gegangen. Ich stelle mir die Party im Himmel vor … es muss ein großartiges Fest sein. Auch unsere Familie musste den Tod eines Mitgliedes erleben. Mein Onkel Fridolin Hablitzel hat mit 94 Jahren beschlossen, dass er seinen Weg auf der Erde beendet. Dieser Tod war von Bedauern, aber nicht von Traurigkeit begleitet. Wir wissen, dass er Traurigkeit nicht gewollt hätte, er hatte schon lange gesagt, dass sein Soll erfüllt ist und wir werden uns immer an einen besonderen Mann und sein Lachen erinnern. Ich durfte meine ersten vier Berufsjahre in seiner Werbeagentur lernen – Lehrjahre, die mein Berufsleben prägten, wofür ich noch heute dankbar bin.

Mit Sorge betrachtete ich über das ganze Jahr die Nachrichten, die uns alle bewegten. Besonders der Krieg in Syrien, Attentate und immer stärkere rechte Tendenzen in allen Ländern. Die Wahl des neuen amerikanischen Präsidenten lähmte mich etwa 14 Tage lang und ich war in gewisser Weise unglücklich und dankbar zugleich, dass ich in den letzten Monaten kaum Zeit fand für meinen Blog zu schreiben oder in befreundeten Blogs zu lesen. Ich verstehe die Empathielosigkeit vieler Menschen und den Nationalismus der Länder nicht. Je größer mein Unverständnis wird, desto größer wird mein Wunsch rechten Tendenzen Widerstand zu leisten.

Neben dem, was wir wie oben beschrieben erlebten, passierten in diesem Jahr viele Ereignisse, die schöne Erinnerungen hinterlassen. Seit meiner Jugend bin ich das erste Mal wieder auf eine Demo gegangen, die Menschenkette gegen rechts, in sehr netter Begleitung. Wir durften den 3. Kunstmarkt der Generationen organisieren und ausrichten und ich freue mich sehr auf den 4. Markt. Im Juni lud meine Mutter zu einem Familienfest ein – wie dankbar bin ich ein Teil dieser großen, bunten und multinationalen Familie zu sein. In diesem Jahr durfte ich bis in den Dezember immer wieder Menschen kennenlernen, die mich sehr beeindruckt haben und ich hoffe, dass ich einige dieser Kontakte vertiefen und festigen kann. Bestehende lange Kontakte haben sich sehr positiv verändert und ich fand die Kraft, mich von einigen wenigen zu trennen – auch das gehört dazu.

Es war ein sehr intensives Jahr, in dem eins nicht dazu gehörte und das war Ruhe!

Da ich auch viel über das Älter werden nachdachte und schlicht feststellen kann, wie wohl ich mich mit meinen Lebensjahren fühle, möchte ich zum Schluss das vollständige Gedicht „Stufen“ von Herrmann Hesse anführen, von dem ich mich sehr angesprochen fühle. Ich wünsche allen, die das hier lesen ein wunderbares neues Jahr, besonders Gesundheit und jeden Tag ein Lächeln. Ich bin neugierig auf 2017, es darf ein bisschen ruhiger als 2016 sein … aber wenn ich ehrlich bin … ich kenne mich und meine Ideen … es wird nie langweilig werden! 😃 Vielleicht gibt’s 2017 dann eine Headline … seid herzlich gegrüßt!

Stufen

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf‘ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden…
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

Hermann Hesse

Schreiben gegen Rechts – die Blogparade FÜR Toleranz + Vielfalt

annaschmidt-berlin.com_schreiben-gegen-rechts-2

Die Zusammenfassung

Angefangen hat alles aus Ärger und Angst. Ärger über Nachrichten aus der aktuellen Tagespolitik, über Intoleranz, über politische Strömungen, die dem Gedanken unseres Grundgesetzes zuwider laufen und über das historische Vergessen in unserer Geschichte. Angst vor Entwicklungen, die wir nicht mehr aufhalten können, wenn wir nicht rechtzeitig einschreiten. Angst vor offensichtlich immer stärker werdenden rechten Tendenzen in unserem Land. Angst vor Extremismus völlig gleich aus welcher Richtung. Es waren andere Nachrichten, die ich lesen und andere Stimmen, die ich hören wollte. Besonders aber wollte ich nicht, dass wieder einmal zu viele still sind und so unabsichtlich Tendenzen fördern, die niemandem in diesem Land gut tun können. Ich wollte etwas tun und nicht still sein – so entstand die Idee der „Blogparade gegen Rechts“. Ende Februar schrieb ich meinen Aufruf, veröffentlichte ihn in meinem Blog und bangte anfänglich, ob das wohl etwas werden würde. Es wurde … wurde so viel, wie ich es kaum für möglich gehalten hätte. Es versetzt mich jetzt in die Lage, ein wunderbares Statement gegen Rechts, FÜR Toleranz, für eine offene, freie und multikulturelle Gesellschaft, in der Zusammenfassung von 81 Blogbeiträgen vorzustellen.

Was hier zusammen gekommen ist, sind nicht nur 81. Beiträge, es ist auch ein ganzer Monat mit der Auseinandersetzung mit dem Thema. Jeder Beitrag ist auf seine Weise einzigartig. Manche gehen in ähnliche Richtungen und doch bringt jeder eigene Aspekte ein, beleuchtet das Thema von einer anderen Seite oder stellt es auf ganz eigene Weise dar. Jeder Beitrag ist ein Gewinn für denjenigen, der sich kritisch mit den Tendenzen im Land auseinandersetzen will. Es sind sachliche Beiträge, Gedichte, Geschichten, persönliche Erlebnisse oder Beispiele aus Projekten und Hilfeangebote u. v. m. Jeder Beitrag ist ein Bekenntnis, warum wir ein bestimmtes Kapitel unserer Geschichte nicht wiederholen wollen. In seiner Sprache ist jeder anders – manche ganz klar, manche frech, manche deutlich, mache sarkastisch und manche eher versöhnlich. Jeder so, wie er es will, jeder Beitrag steht für sich.

Zu jedem Beitrag und auch dazwischen, schrieben Leser ihre Kommentare. Mal lieb und freundlich, mal kritisch … immer – und das rechne ich allen Lesern hoch an – in angemessenem Ton! Ich habe alles freigeschaltet, was geschrieben wurde. Aus Erfahrung behalte ich mir vor, neue Kommentatoren erstmalig freizuschalten. Kritik bekam ich ebenfalls, die es zu bedenken gab: Warum nur gegen Rechts zum Beispiel. Ganz einfach, weil die Rechten zur Zeit das Bild bestimmen. Grundsätzlich bin ich gegen alles, was extremistisch, undifferenziert und menschenverachtend ist. Warum „Gegen“ und nicht „Für“? Diesbezüglich verweise ich auf den letzten Satz des Aufrufs „Ich würde mich unheimlich freuen, wenn ihr dazu beitragt, dass ein Teil meiner Angst in Stärke und Gewissheit gewandelt wird, dass jeder etwas – nach seinen Mitteln und Möglichkeiten – FÜR unseren offene, freie Gesellschaft tut.“ Auch glaube ich, dass der Aufruf bei weitem nicht die gleiche Aufmerksamkeit bekommen hätte, hätte ich ihn „Für Toleranz und Vielfalt!“ genannt – so traurig das auch sein mag.

Es wurde recht schnell klar, dass eine einfache Auflistung oder Linkliste aller Beiträge der Sache nicht mehr gerecht werden würde. So überlegte ich lange über die Form der Darstellung. Ich denke, ich hätte ein einfaches Pdf mit allen Beiträgen gemacht, aber manchmal ergeben sich Dinge, die sich zeitlich in die Hände spielen. Durch meine Arbeit ergab sich die Notwendigkeit, dass ich mich mit einem neuen Format der Veröffentlichung von Texten auseinander setze, weil die Zeitung, die ich seit Jahren machte, eine neue Form brauchte. So hatte ich mit der Blogparade das ideale Übungsobjekt und kann ein eBook anbieten, das jeder bequem an Smartphone, Tablet oder am Computer lesen kann. Ich betrachte es nicht als Buch (dafür gibt es Fachleute) und die professionellen Autoren unter euch mögen mir gnädig sein. Es ist für mich die bequeme Möglichkeit, alle wunderbaren Beiträge einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Ich betrachte es auch nicht als „meins“ – es gehört allen teilnehmenden Bloggern gemeinsam. Und ich betrachte es auch nicht als fertig. Zwar habe ich versucht alle Formatierungen der ursprünglichen Beiträge weitestgehend zu übernehmen, alle gesetzten Links zu beachten und Bilder, sofern möglich, einzubinden, aber sicherlich ist mir das ein oder andere durchgerutscht. Die reinen Texte sind 1:1 aus den verlinken Quellen kopiert. Wer also etwas entdeckt, was geändert werden sollte, möge Bescheid geben, sofern er gar nicht damit leben kann. Einzig die immer wiederkehrende Verlinkung auf die Blogparade habe ich weggelassen. Gestalten kann man in einem eBook nur bedingt. Ich habe mich etwas daran versucht, indem ich den Anfang jedes Kapitels in Formatierung der Schrift und durch Bilder gleich aussehen lies.

„Nicht fertig“ bedeutet für mich auch, dass ich die Parade nicht als beendet betrachte. Ein paar Beiträge fehlen dabei. Ein Blog war vollständig gelöscht, ein Link funktionierte nicht mehr, ein paar tweets lassen sich nicht zurück verfolgen. Letztlich waren auch noch ein paar Beiträge angekündigt. Nun, wir kennen alle den Alltag, der unsere Pläne durcheinander bringt … ich weiß nicht, ob es verwegen ist, aber bis zu 100 Beiträgen würde ich das eBook erweitern. 19 Kapitel einfügen (das habe ich jetzt gelernt) ist technisch gut machbar. Ich lasse es also offen, ob der ein oder andere noch einen Beitrag hinzufügen möchte.

Die Bearbeitung der einzelnen Beiträge, war für mich noch einmal eine intensive inhaltlich Auseinandersetzung. Ich bin nicht in der Lage zu sagen, welcher mir am besten gefällt. Jeder Beitrag hat etwas für sich. Aus dem Kopf heraus kenne ich den kürzesten, den längsten, den witzigsten, den erschütternsten, den frechsten Beitrag … auf der Höhe der Beiträge, die bewundernswert sind, stehen alle 80 Beiträge gleich … der 81. ist mein eigener, den nehme ich aus. 😉 Absolut begeistert bin ich von den vielen unterschiedlichen Denkansätzen, die hier zusammen kommen. Ich werde sie noch einmal lesen, mir in Ruhe die zugehörigen Verlinkungen ansehen, überdenken, was ich erfahre, dazu lernen und verwerten. Dafür bin ich dankbar!

Dankbar bin ich allen die teilgenommen haben – haben sie mich doch in dem bestätigt, was ich erfahren wollte. Es gibt sie – die Stimmen da draußen, die durchaus etwas dagegen zu setzen und zu sagen haben. Ein Teil meiner Angst ist Stärke und Gewissheit geworden: Nicht alleine zu sein mit meiner Hoffnung, dass eine tolerante Gesellschaft möglich ist, wenn wir nicht müde werden uns dafür einzusetzen und darum kämpfen. Wenn wir mit Wort und Tat Vorbilder werden und daran glauben, dass jeder – wirklich jeder – bei uns seinen Platz hat. Wenn wir uns für Empathie unseren Mitmenschen gegenüber einsetzen und sie ausleben, ganz gleich woher sie kommen, was sie glauben oder welchen kulturellen Hintergrund sie haben. Wenn wir aushalten können, dass es Andersdenkende immer geben wird, für Gespräche mit ihnen offen bleiben und Meinungsvielfalt aktiv leben. Wenn wir Differenzierung von Sachverhalten nicht verlernen. Aber dennoch den Andersdenkenden, empathielosen Mitbürgern, nicht das Feld überlassen.

Ein Dankeschön gilt meinem Mann, meiner Mutter und meinem Chef. Sie stehen immer zu Gesprächen bereit, wenn mich Zweifel plagen oder ich mir in manchen Punkten nicht sicher bin und andere Meinungen brauche. Ein besonderes Dankeschön gilt Günther Kloppert, meinem „alten“ Schulfreund. Er ist kein Blogger – er fotografiert leidenschaftlich und hat viele Bilder für dieses eBook zur Verfügung gestellt. Das ist seine Form des Statements. Alle anderen Bilder stammen aus der freien Pixabay-Auswahl, auch dafür – danke!

Zwei oder dreimal habe ich in einem Kommentar und Beitrag die Frage gelesen, was es bringt, solch eine Blogparade zu veranstalten, was wir dadurch verändern und welche Auswirkungen es hat. Das ist für mich gleichbedeutend mit: „Wir haben ein Problem, aber es lässt sich sowieso nicht lösen, also versuchen wir es erst gar nicht!“ Ich denke, jeder kleinste Versuch, sich für Toleranz und Vielfalt einzusetzen, jedes kleine Lächeln auf der Straße einem Fremden gegenüber, jedes gute Wort an einen Hilfesuchenden, jedes geschriebene oder gesagte Wort für diese gute Sache bewegt und fördert. Jeder von uns ist ein Vorbild in Denken und Handeln – welches Vorbild wir sein möchten, haben wir selber in der Hand. Wir können, jeder einzelne von uns, die Gegenwart und Zukunft positiv und optimistisch gestalten – dieses eBook und sein Statement ist ein Beispiel dafür!

 

Und nun zur Datei:

Das Bild anklicken um das eBook oder
darunter den Link anklicken um alternativ das Pdf herunter zu laden.
(Nur zur Sicherheit sei erwähnt, dass es natürlich kostenfrei ist).

annaschmidt-berlin.com_titel_eBook-Blockparade

Blogparade Schreiben gegen Rechts – das Pdf

Ich wünsche allen Lesern der Publikation spannende Lektüre, gute Ein- und Ansichten und freue mich über Rückmeldungen.

… und wenn es euch gefällt – dann bringt es unter die Leute! 🙂

Herzliche Grüße

Anna Schmidt