Jeder wie er will – analog vs. digital

annaschmidt-berlin.com_analog-vs-digital_pixabayEin kleines Mädchen sitzt unter einem Tisch und schneidet gedankenverloren in einem alten Werbekatalog Figuren aus, die es immer wieder neu arrangiert und damit spielt. Ein anderes Kind sitzt gemütlich in der Sofaecke und versucht auf seinem Tablet vier gleichfarbige Spielsteine in eine Reihe zu bekommen, um den nächsten Level zu erreichen. Beide Kinder tun unterm Strich das gleiche – sie spielen. Die eine Frau schreibt eine Geburtstagskarte per Hand, eine andere schreibt zum Geburtstag eine E-Mail, der sie ein schönes Bild anhängt. Auch sie vollziehen die gleiche Handlung – das Schreiben. Der eine Mann hat einen dicken Schmöker vor sich liegen und ist glücklich, dass er bald mit Seite 426 die Mitte des Buches erreicht hat, der andere hat die Schrift auf seinem eBook-Reader groß gestellt, weil er eigentlich zu müde zum Lesen ist, der Inhalt ihn aber nicht loslässt. Im Mittelpunkt steht das Lesen. Drei gleichwertige Handlungen werden ausgeführt, die sich allein in der Art unterscheiden, ob sie analog, also direkt, oder digital, mittels Elektronik, bewerkstelligt werden. Soweit ist alles in Ordnung, bis man zu der Frage kommt, was besser ist.

Besser oder schlechter ist in diesem Zusammenhang eher die falsche Frage, weil es keine klare Antwort geben kann. Es ist eher eine Frage des Weges, eine Handlung zu erlernen und dafür elektronische Hilfsmittel einzusetzen. Hinzu kommt die Verhältnismäßigkeit zu den Möglichkeiten, die sich daraus ergeben. Kinder haben es beispielsweise leichter, die Uhrzeit mittels digitaler Zahlen zu lernen. Ganz verstehen tuen sie die 12-Stunden-Taktung unserer Uhrzeit jedoch erst sehr viel später. Kinder, die einen geduldigen Erwachsenen neben sich haben, der sich die Mühe macht, mit ihnen als erstes die analoge Uhr zu lernen, haben schneller die Möglichkeit das System der 12 Stunden, Vormittag, Nachmittag, Tag und Nacht zu begreifen. Ein beliebtes Beispiel ist immer wieder die Mathematik: Wenn ich das
Prinzip der Kaufmannsrechnung begriffen habe, kann ich auch verstehen, was mein Taschenrechner eigentlich macht. Natürlich ist der Taschenrechner vordergründig der weitaus bequemere Weg, zur Lösung zu kommen, nimmt dem Kopf den Denkprozess jedoch ab und ist somit letztlich kontraproduktiv.

Es ist wichtig, jegliche Handlung, die für uns eine Rolle spielt, auf konventionelle Weise zu erlernen, um verstehen zu können, was elektronische Hilfsmittel uns abnehmen und erleichtern können. Ist dieses Verstehen die Basis sie einzusetzen und bin ich in der Lage auch ohne sie auszukommen, kann ich die Vorzüge, die sich daraus ergeben in vollem Maße einsetzen und ausschöpfen. Gerade dies gilt ganz speziell für das kindliche Lernen. Erst muss das „Was und Wie“ gelernt werden, bevor das „Wie geht‘s leichter“ genutzt werden kann. Und genau an diesem Punkt machen viele Erwachsene heute einen entscheidenden Fehler: Was von der elektroniklosen Kindergeneration in vielen Jahren bis heute erlernt werden konnte, lernen Kinder heute in einem Tempo, dem Erwachsene kaum mehr standhalten können. Kinder müssen heutzutage wissen, wie ein Computer, ein Tablet, ein Smartphone funktioniert. Vor dem steht jedoch das Begreifen, was diese Geräte können und uns ermöglichen. So können sie, sinnvoll eingesetzt, eine große Ergänzung des konventionellen Lernens sein. Kinder spielen und lernen heute anders und eine Welt ohne elektronische Geräte wird es nie wieder geben.

Hier kommt die Verhältnismäßigkeit ins Spiel: Ein Kind, das im Dialog mit den Eltern den Umgang mit Smartphone und Co. erlernt, ist sicher. Es weiß, was es tut, kennt Internet-Fallen, kann offen mit Eltern kommunizieren, was es beschäftigt. Ein Kind, das alleine gelassen die Geräte erforscht, drückt schnell einen falschen Button oder kennt keine zeitlichen Grenzen bzw. den Aus-Schalter der Geräte. Aufmerksame Eltern erlauben und begleiten den Umgang mit den Geräten, sorgen aber gleichzeitig für genügend Ausgleich in der Natur, beim Sport oder bei Freunden. Ein gut geschultes Kind weiß, dass die Milch von der Kuh und nicht aus der Destillationsanlage kommt, es aber im Internet alles über das Thema „Milch“ für das nächste Schulreferat findet.

Erwachsene haben es da schon einfacher. Sie hatten keine andere Wahl, als alles Wissen von der Pike auf zu erlernen. Ein Taschenrechner war für die 60er Jahrgänge schon ein Luxus, doch durfte wenn überhaupt nur der Rechenschieber im Unterricht benutzt werden. Computer und Co. nahmen erst Mitte der 80er Jahre ihren Feldzug durch die Gesellschaft auf. Was heute selbstverständlich ist, war früher kaum denkbar und noch immer gibt es Anhänger der „Irgendwann-ist-das-Internet-kaputt!“-Fraktion. Ist es nicht und kaum ein Lebensbereich ist nicht von Apps, Internetseiten und elektronischen Hilfsmittel frei. Aber – wir haben die Wahl. Ist der Eierkocher bequemer als das punktgenaue Kochen des Frühstücksei‘s im Kochtopf, trockne ich die Haar mit dem Föhn oder warte ein paar Minuten bis sich die Sache von selbst erledigt hat. Verlasse ich mich auf die Pünktlichkeit meines Kindes zum Abendessen oder kontrolliere ich rund um die Uhr, wo es sich aufhält via Smartphone-App. Tätige ich eine Überweisung online oder werfe ich den Überweisungsträger in den Briefkasten der Bank. Viele administrative Bereich kommen ohne Elektronik überhaupt nicht mehr aus. Einen Flug buchen, einen Termin beim Amt bekommen, die Lichtanlage des PKWs reparieren … dumm, wenn die konventionelle Art der Erledigung unmöglich bzw. schwer gemacht wird.

Sicherlich, wir haben durch den Einzug der Elektronik in unser Leben viel Nostalgisches verloren. Wir haben aber auch sehr viel gewonnen – was man schlicht Fortschritt nennt. Die Weltgeschichte hat sich nie rückwärts entwickelt, weshalb wir keine Wahl haben, als uns diesen Dingen zu stellen. Allein das Maß dessen, was wir mitmachen, bestimmen wir, tragen es mit oder schließen uns bewusst in manchen Prozessen aus. Die Welt ist in unser Wohnzimmer gekommen und so sind es neue Erfordernisse, die wir – gleichgültig ob Kind oder Erwachsener lernen müssen. Wir müssen Nachrichten in einer nie da gewesenen Fülle aushalten, sortieren und selektieren. Den Umgang mit Information ganz neu erlernen, sehen aber auch Teile der Welt, die uns bisher verschlossen waren. Wichtig geworden ist der Umgang mit persönlichen Daten, der Wahl der Informationsquellen, der Art und Weise wie wir kommunizieren und vieles mehr. Ausnahmslos jeder hinterlässt digitale Spuren, allein als Steuernummer oder Bankkunde … jede einzelne Spur ist eine Art Visitenkarte. Wie die aussieht – analog oder digital – haben nur wir selber in der Hand – löschen lässt sie sich nur schwer!

Ein Beitrag aus dem Magazin „Im Mittelpunkt“
des Stadtteilzentrum Steglitz e.V.
Erhältlich im iTunes-Store oder hier als interaktives Pdf

Schreiben gegen Rechts – die Blogparade FÜR Toleranz + Vielfalt

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Die Zusammenfassung

Angefangen hat alles aus Ärger und Angst. Ärger über Nachrichten aus der aktuellen Tagespolitik, über Intoleranz, über politische Strömungen, die dem Gedanken unseres Grundgesetzes zuwider laufen und über das historische Vergessen in unserer Geschichte. Angst vor Entwicklungen, die wir nicht mehr aufhalten können, wenn wir nicht rechtzeitig einschreiten. Angst vor offensichtlich immer stärker werdenden rechten Tendenzen in unserem Land. Angst vor Extremismus völlig gleich aus welcher Richtung. Es waren andere Nachrichten, die ich lesen und andere Stimmen, die ich hören wollte. Besonders aber wollte ich nicht, dass wieder einmal zu viele still sind und so unabsichtlich Tendenzen fördern, die niemandem in diesem Land gut tun können. Ich wollte etwas tun und nicht still sein – so entstand die Idee der „Blogparade gegen Rechts“. Ende Februar schrieb ich meinen Aufruf, veröffentlichte ihn in meinem Blog und bangte anfänglich, ob das wohl etwas werden würde. Es wurde … wurde so viel, wie ich es kaum für möglich gehalten hätte. Es versetzt mich jetzt in die Lage, ein wunderbares Statement gegen Rechts, FÜR Toleranz, für eine offene, freie und multikulturelle Gesellschaft, in der Zusammenfassung von 81 Blogbeiträgen vorzustellen.

Was hier zusammen gekommen ist, sind nicht nur 81. Beiträge, es ist auch ein ganzer Monat mit der Auseinandersetzung mit dem Thema. Jeder Beitrag ist auf seine Weise einzigartig. Manche gehen in ähnliche Richtungen und doch bringt jeder eigene Aspekte ein, beleuchtet das Thema von einer anderen Seite oder stellt es auf ganz eigene Weise dar. Jeder Beitrag ist ein Gewinn für denjenigen, der sich kritisch mit den Tendenzen im Land auseinandersetzen will. Es sind sachliche Beiträge, Gedichte, Geschichten, persönliche Erlebnisse oder Beispiele aus Projekten und Hilfeangebote u. v. m. Jeder Beitrag ist ein Bekenntnis, warum wir ein bestimmtes Kapitel unserer Geschichte nicht wiederholen wollen. In seiner Sprache ist jeder anders – manche ganz klar, manche frech, manche deutlich, mache sarkastisch und manche eher versöhnlich. Jeder so, wie er es will, jeder Beitrag steht für sich.

Zu jedem Beitrag und auch dazwischen, schrieben Leser ihre Kommentare. Mal lieb und freundlich, mal kritisch … immer – und das rechne ich allen Lesern hoch an – in angemessenem Ton! Ich habe alles freigeschaltet, was geschrieben wurde. Aus Erfahrung behalte ich mir vor, neue Kommentatoren erstmalig freizuschalten. Kritik bekam ich ebenfalls, die es zu bedenken gab: Warum nur gegen Rechts zum Beispiel. Ganz einfach, weil die Rechten zur Zeit das Bild bestimmen. Grundsätzlich bin ich gegen alles, was extremistisch, undifferenziert und menschenverachtend ist. Warum „Gegen“ und nicht „Für“? Diesbezüglich verweise ich auf den letzten Satz des Aufrufs „Ich würde mich unheimlich freuen, wenn ihr dazu beitragt, dass ein Teil meiner Angst in Stärke und Gewissheit gewandelt wird, dass jeder etwas – nach seinen Mitteln und Möglichkeiten – FÜR unseren offene, freie Gesellschaft tut.“ Auch glaube ich, dass der Aufruf bei weitem nicht die gleiche Aufmerksamkeit bekommen hätte, hätte ich ihn „Für Toleranz und Vielfalt!“ genannt – so traurig das auch sein mag.

Es wurde recht schnell klar, dass eine einfache Auflistung oder Linkliste aller Beiträge der Sache nicht mehr gerecht werden würde. So überlegte ich lange über die Form der Darstellung. Ich denke, ich hätte ein einfaches Pdf mit allen Beiträgen gemacht, aber manchmal ergeben sich Dinge, die sich zeitlich in die Hände spielen. Durch meine Arbeit ergab sich die Notwendigkeit, dass ich mich mit einem neuen Format der Veröffentlichung von Texten auseinander setze, weil die Zeitung, die ich seit Jahren machte, eine neue Form brauchte. So hatte ich mit der Blogparade das ideale Übungsobjekt und kann ein eBook anbieten, das jeder bequem an Smartphone, Tablet oder am Computer lesen kann. Ich betrachte es nicht als Buch (dafür gibt es Fachleute) und die professionellen Autoren unter euch mögen mir gnädig sein. Es ist für mich die bequeme Möglichkeit, alle wunderbaren Beiträge einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Ich betrachte es auch nicht als „meins“ – es gehört allen teilnehmenden Bloggern gemeinsam. Und ich betrachte es auch nicht als fertig. Zwar habe ich versucht alle Formatierungen der ursprünglichen Beiträge weitestgehend zu übernehmen, alle gesetzten Links zu beachten und Bilder, sofern möglich, einzubinden, aber sicherlich ist mir das ein oder andere durchgerutscht. Die reinen Texte sind 1:1 aus den verlinken Quellen kopiert. Wer also etwas entdeckt, was geändert werden sollte, möge Bescheid geben, sofern er gar nicht damit leben kann. Einzig die immer wiederkehrende Verlinkung auf die Blogparade habe ich weggelassen. Gestalten kann man in einem eBook nur bedingt. Ich habe mich etwas daran versucht, indem ich den Anfang jedes Kapitels in Formatierung der Schrift und durch Bilder gleich aussehen lies.

„Nicht fertig“ bedeutet für mich auch, dass ich die Parade nicht als beendet betrachte. Ein paar Beiträge fehlen dabei. Ein Blog war vollständig gelöscht, ein Link funktionierte nicht mehr, ein paar tweets lassen sich nicht zurück verfolgen. Letztlich waren auch noch ein paar Beiträge angekündigt. Nun, wir kennen alle den Alltag, der unsere Pläne durcheinander bringt … ich weiß nicht, ob es verwegen ist, aber bis zu 100 Beiträgen würde ich das eBook erweitern. 19 Kapitel einfügen (das habe ich jetzt gelernt) ist technisch gut machbar. Ich lasse es also offen, ob der ein oder andere noch einen Beitrag hinzufügen möchte.

Die Bearbeitung der einzelnen Beiträge, war für mich noch einmal eine intensive inhaltlich Auseinandersetzung. Ich bin nicht in der Lage zu sagen, welcher mir am besten gefällt. Jeder Beitrag hat etwas für sich. Aus dem Kopf heraus kenne ich den kürzesten, den längsten, den witzigsten, den erschütternsten, den frechsten Beitrag … auf der Höhe der Beiträge, die bewundernswert sind, stehen alle 80 Beiträge gleich … der 81. ist mein eigener, den nehme ich aus. 😉 Absolut begeistert bin ich von den vielen unterschiedlichen Denkansätzen, die hier zusammen kommen. Ich werde sie noch einmal lesen, mir in Ruhe die zugehörigen Verlinkungen ansehen, überdenken, was ich erfahre, dazu lernen und verwerten. Dafür bin ich dankbar!

Dankbar bin ich allen die teilgenommen haben – haben sie mich doch in dem bestätigt, was ich erfahren wollte. Es gibt sie – die Stimmen da draußen, die durchaus etwas dagegen zu setzen und zu sagen haben. Ein Teil meiner Angst ist Stärke und Gewissheit geworden: Nicht alleine zu sein mit meiner Hoffnung, dass eine tolerante Gesellschaft möglich ist, wenn wir nicht müde werden uns dafür einzusetzen und darum kämpfen. Wenn wir mit Wort und Tat Vorbilder werden und daran glauben, dass jeder – wirklich jeder – bei uns seinen Platz hat. Wenn wir uns für Empathie unseren Mitmenschen gegenüber einsetzen und sie ausleben, ganz gleich woher sie kommen, was sie glauben oder welchen kulturellen Hintergrund sie haben. Wenn wir aushalten können, dass es Andersdenkende immer geben wird, für Gespräche mit ihnen offen bleiben und Meinungsvielfalt aktiv leben. Wenn wir Differenzierung von Sachverhalten nicht verlernen. Aber dennoch den Andersdenkenden, empathielosen Mitbürgern, nicht das Feld überlassen.

Ein Dankeschön gilt meinem Mann, meiner Mutter und meinem Chef. Sie stehen immer zu Gesprächen bereit, wenn mich Zweifel plagen oder ich mir in manchen Punkten nicht sicher bin und andere Meinungen brauche. Ein besonderes Dankeschön gilt Günther Kloppert, meinem „alten“ Schulfreund. Er ist kein Blogger – er fotografiert leidenschaftlich und hat viele Bilder für dieses eBook zur Verfügung gestellt. Das ist seine Form des Statements. Alle anderen Bilder stammen aus der freien Pixabay-Auswahl, auch dafür – danke!

Zwei oder dreimal habe ich in einem Kommentar und Beitrag die Frage gelesen, was es bringt, solch eine Blogparade zu veranstalten, was wir dadurch verändern und welche Auswirkungen es hat. Das ist für mich gleichbedeutend mit: „Wir haben ein Problem, aber es lässt sich sowieso nicht lösen, also versuchen wir es erst gar nicht!“ Ich denke, jeder kleinste Versuch, sich für Toleranz und Vielfalt einzusetzen, jedes kleine Lächeln auf der Straße einem Fremden gegenüber, jedes gute Wort an einen Hilfesuchenden, jedes geschriebene oder gesagte Wort für diese gute Sache bewegt und fördert. Jeder von uns ist ein Vorbild in Denken und Handeln – welches Vorbild wir sein möchten, haben wir selber in der Hand. Wir können, jeder einzelne von uns, die Gegenwart und Zukunft positiv und optimistisch gestalten – dieses eBook und sein Statement ist ein Beispiel dafür!

 

Und nun zur Datei:

Das Bild anklicken um das eBook oder
darunter den Link anklicken um alternativ das Pdf herunter zu laden.
(Nur zur Sicherheit sei erwähnt, dass es natürlich kostenfrei ist).

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Blogparade Schreiben gegen Rechts – das Pdf

Ich wünsche allen Lesern der Publikation spannende Lektüre, gute Ein- und Ansichten und freue mich über Rückmeldungen.

… und wenn es euch gefällt – dann bringt es unter die Leute! 🙂

Herzliche Grüße

Anna Schmidt

Wer braucht noch den Telefonhörer?

Foto: © brat82 - Fotolia.com

Foto: © brat82 – Fotolia.com

Wenn ich mich als Kind auf den Weg machte und absehbar war, dass ich eine Zeit lang auf mich selbst gestellt bin, kam immer die Frage: „Hast du zwei Groschen dabei!“ Zwei Groschen brauchte man um im Fall der Fälle eine Telefonzelle zu finden und zuhause anzurufen. Wollte man hingegen zuhause telefonieren ging das nur sitzender oder stehender Weise neben dem einzigen Apparat im Haus. Eine recht ungemütliche Angelegenheit, da das dazugehörende Kabel sehr kurz war. Insbesondere in Zeiten der Pubertät ein äußerst lästiges Unterfangen. Sobald jemand in der Nähe war konnte er mithören – ausweichen oder mit dem Apparat wandern war unmöglich. Bei zuviel telefonierenden Teenagern im Haus besaß das Telefon oft ein kleines Schloss mit dem man die Wählscheibe nicht mehr drehen, also auch keine Nummer wählen konnte. Musste man ein Ferngespräch führen, wurde streng auf die Uhrzeit geachtet, da es ab 20.00 Uhr abends günstiger wurde zu telefonieren. Bei besonderen Feiertagen, beispielsweise Silvester, war langes Stehvermögen angesagt und man hatte Glück, wenn der Telefonapparat über eine Wahlwiederholungstaste verfügte, denn eine freie Leitung zu bekommen, war an solchen Tagen nicht selbstverständlich. Telefone waren in der Zeit reine Gebrauchsgegenstände. Die vorgegebene Modellwahl, quitsch-orange, dunkelgrün oder einheitsgrau, war sehr eingeschränkt und als Dekoration ungeeignet. Schöne alte Zeit – weit entfernt vom Komfort, den wir heute genießen.

Der technische Fortschritt legte insbesondere in den 1980er und ’90er Jahren ein rasantes Tempo vor. Dies sowohl in der Entwicklung der Computertechnik als auch der Mobiltelefone. Sowohl die ersten Computer als auch die ersten Mobiltelefone waren ungeeignet sie in der Hosentasche mit sich herumzutragen, doch das ist längst vergessen. Wir sind im Zeitalter der Laptops, Tablets und Smartphone angelangt. Design spielt eine große Rolle, besonders aber der Anspruch möglichst viel Technik in immer kleineren Geräten zu vereinigen. Ziel ist, immer und überall erreichbar, flexibel, handlungsfähig und online zu sein. Schöne neue Zeit mit allem Komfort.

Nicht nur die Technik hat sich geändert, auch das Kommunikationsverhalten der Nutzer. Wenn man bedenkt, dass Alexander Graham Bell 1876 das Patent auf das Telefon bekam, hat es noch einhundert Jahre gedauert, bis das erste Mobiltelefon 1973 durch Motorola vorgestellt wurde. Kaum mehr 50 Jahre später sind wir soweit dem Festnetz den sicheren Tod anzusagen. Das Internet hat in wenigen Jahren alles bisher dagewesene verändert und manch einer verweigert sich dieser rasanten Entwicklung. Immerhin – sprechen tun wir noch miteinander.

Das Telefonieren hat seinen hohen Stellenwert eingebüßt, trotz dem mehr Menschen als jemals zuvor Zugang zu einem Mobiltelefon haben. Die Möglichkeit zu telefonieren ist nicht der Hauptgrund dafür. Der findet sich in den vielen Messenger und Apps über die diese Geräte verfügen. Bevor ich jemanden anrufe, nicht erreichen oder stören könnte, schreibe ich eine SMS – Short Message Service – und kann in der Regel sicher sein, dass der Andere mein Begehren kennt. Gibt’s dazu Fragen, kann der ja anrufen oder eben auch eine SMS schreiben, was wahrscheinlicher ist. Wurden 2011 in Deutschland pro Tag noch 148 Millionen SMS verschickt, hat sich das Wort SMS auch schon wieder überholt. 2015 waren es „nur“ noch knapp 40 Millionen. Heute heißt es „Schreib mir über WhatsApp“ – was sich in 667 Millionen Nachrichten pro Tag widerspiegelt. Selbst der Verdacht auf eklatante Sicherheitsmängel und die Übernahme durch Facebook konnte den Messenger nicht aufhalten. Nicht nur meine Textnachrichten, auch Bilder, Videos, Sprachnachrichten und Standortübermittlungen, geben mir die Möglichkeit mich der Welt mitzuteilen.

Die Möglichkeit sich mitzuteilen bietet sich zudem im Internet. Nicht nur die vielen Sozialen Netzwerke, bei denen vorrangig Facebook, Google+, twitter oder Instagram (und viele, viele andere) zu nennen sind, auch Dienste wie zum Beispiel Skype eröffnen Möglichkeiten der Kommunikation von hohem Stellenwert. Man kann über das Internet nicht nur telefonieren, sondern sein Gegenüber in Echtzeit sehen. Verbringen Großeltern den Winter in warmen Ländern, bekommen sie die Entwicklung der Enkel live mit. Leben Verwandte in fremden Erdteilen, kann man den persönlichen Kontakt halten. Arbeitsbesprechungen lassen sich zwischen Partnern verschiedener Städte und Ländern via Bildschirm organisieren. Die Möglichkeiten sind – wie das Internet – unendlich.

Dies alles nun schöne neue Zeit zu nennen wäre etwas zu oberflächlich gedacht. Letztendlich zählt das gesprochene und geschriebene Wort, das gereifte Sprachvermögen und der sichere Umgang damit. Der Mensch kann ohne andere Menschen nicht leben und der soziale – reale – Kontakt muss gegeben bleiben, sonst verkümmert er. Viele Erwachsene denken gerne wehmütig an die schöne alte Zeit zurück, als sie sich verabreden mussten, um ihre Freunde zu sehen. Beklagen die ständige Erreichbarkeit heutzutage und führen gerne Beispiele an, die von Verbrechen – durch das Internet entstanden – erzählen. Die schöne alte Zeit ist Vergangenheit – ganz einfach vorbei. Es ist eine Frage der Relation und der eigenen Verhältnismäßigkeit geworden. Können sich Erwachsene der Entwicklung noch verweigern, ist das für Kinder und Jugendliche nicht mehr möglich. Sie wachsen mit der Technik und deren Möglichkeiten auf. Eltern sind besser beraten Kindern so früh als möglich den sicheren Umgang damit begleitet beizubringen, als zu verbieten und sie dann aus Unwissenheit und Angst den Tücken auszusetzen. Der reale Kontakt und Umgang muss dennoch gegeben bleiben, der durch die Möglichkeiten der modernen Kommunikation aufgewertet werden kann.

Die Form der Kommunikation ist so individuell wie der Charakter jedes einzelnen. Nicht der ist der Held, der im sozialen Netzwerk 563 „Freunde“ vorweisen kann, sondern der, den im realen Leben „die“ zwei, drei Freunde lebenslang begleiten. Trotzdem können Freundschaften über das Internet entstanden, eine unglaubliche Bereicherung sein und Kommunikation und Austausch fördern. Sorgsamer Umgang damit ist zwingend notwendig und öffentliche Kommunikation darf nicht als persönliche Frustabladestation genutzt werden. Gleichgültig was ich von mir gebe, jedes Wort, jede Äußerung, jeder Kommentar – ob gesprochen oder geschrieben – ist ein Ausdruck meiner persönlichen Visitenkarte! Und an diesem Punkt könnten sich nostalgische Erwachsene und moderne Kinder wunderbar ergänzen. Erwachsene, die den sicheren, höflichen, kommunikativen Umgang beherrschen, lassen sich von Kindern den sicheren, technischen, medialen Umgang zeigen. Eine Ergänzung, die jedem gedient – in der schönen neuen realen Welt.

Die zwei Groschen von früher wurden durch mein Handy abgelöst. Ein Handy dabei zu haben, bedeutet längst nicht mehr, dass ich nur telefonieren möchte. Es ist mit meinem E-Mail-Programm verbunden, meine Wettervorhersage, meine Kamera, das Fenster zum Internet mit allen verbundenen Netzwerken und ich komme an alle digitalen Arbeitsdateien – völlig gleichgültig wo ich mich aufhalte. Die App-Welt eröffnet vielfältige Möglichkeiten, die tägliche Erfordernisse zu unterstützt. Gehe ich spontan nach der Arbeit einkaufen, sichert mir eine vorherige Abfrage in der Familie, nichts zu vergessen. Via Messenger weiß ich fast lückenlos, wo sich meine Kinder aufhalten. Bin ich unterwegs, kann ich sofort auf dringende Anfragen reagieren und handeln. Und mich mitteilen, was immer mir auch gerade passiert. Ich persönlich, ein frühes ’60 Kind, würde die Zeit nicht zurück drehen wollen. Ich nutze diese modernen Möglichkeiten in vollen Zügen und lasse mich davon faszinieren. Das Festnetz-Telefon klingelt bei uns nur noch selten. Den Spruch „Da fällt mir doch fast der Telefonhörer aus der Hand!“, sprich: ich bin erstaunt über etwas, wird man Kindern bald erklären müssen. Und trotzdem schätze ich drei Dinge in meiner Kommunikation besonders: Den Stummschalter des Handys, den Ausschalter des Computers, eine reale Verabredung und Zeit mit meinem Gegenüber über Gott und die Welt zu reden. Kommunikation ist ja doch sehr viel mehr als jegliche Technik uns geben kann. Kommunikation ist Gestik, Mimik, Sprache, Gefühl, Ausdruck und vieles mehr – sehr menschliche Dinge, die man zum Glück in keine App quetschen kann.

Stadtteilzeitung Steglitz-Zehlendorf – Februar 2016

Die Februar-Ausgabe 2016 der Stadtteilzeitung beschäftigt sich mit dem Leitthema „Internet und Kommunikation“. Ab dem 1. Februar ist die Ausgabe hier online zu finden und an allen bekannten Auslagestellen. Alle Ausgaben der Stadtteilzeitung Steglitz-Zehlendorf von 2003 bis heute liegen im Archiv der Stadtteilzeitung.

Up-date 22. Januar 2016: Gerrit Jan Appel hat aufgrund dieses Beitrags einen ebenso lesenswerten auf seinem Blog  WORTGEPÜTTSCHER geschrieben. „Das Pferd frisst keinen Gurkensalat“ – Sehr lesenswert! 

Herzlichen Dank! 🙂

Mein digitaler Begleiter

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Es war ein wunderschöner Nachmittag bei einer Freundin und ich lief gut gelaunt nach Hause. Nach guten Gesprächen und vielen Neuigkeiten, schaute ich schnell auf mein Handy … könnte ja sein, dass mich jemand zwischenzeitlich vermisst hat oder weltbewegende Mails oder Nachrichten gekommen sind. Als ich wieder aufschaute, winkte mir in 50 Metern Entfernung eine andere Freundin zu. Wir liefen zueinander, begrüßten uns herzlich und einer ihrer ersten Sätze lautete: „Ich war mir unsicher, ob du das bist. Aber bei der Körperhaltung, dachte ich, ist sie es bestimmt.“ sprach’s, lachte und wir tauschten wieder Neuigkeiten und Spannendes – was halt so los war. Als ich weiterlief, kam mir ihr erster Satz wieder ins Gedächtnis. Hm, soweit ist es jetzt also: Man erkennt mich von weitem an meiner Körperhaltung. Wie ich laufend auf mein Handy schaue in dem Bemühen nichts aus der digitalen Welt zu verpassen.

Dabei bin ich vollkommen undigital aufgewachsen. Mein Lieblingsspielzeug war Schere und Papier, Puppen, Bälle, Bücher … Wir haben uns miteinander oder mit Dingen beschäftigt, die wenn überhaupt, vielleicht klingeln konnten. Mehr nicht. Ich kann mich erinnern, dass meine kleine Schwester und ich „Vater, Mutter, Kind“ mit Buntstiften an der Fensterbank gespielt haben. Und wir hatten unendlich viele Papier-Anziehpuppen. Meine Mutter musste sie uns immer vormalen und dann konnten wir ihnen Kleider zeichnen, ausschneiden und mit den Papierlaschen anziehen. Wenn sie kaputt gespielt waren, haben wir die Mutter wieder gelöchert, uns eine neue Modepuppe zu malen. Klappte lange, bis sie auf den Trichter kam, dass wir in der Lage waren sie uns selber zu malen. Dabei waren ihre immer schöner. Wir haben zweckentfremdet, was wir in die Finger bekommen konnten. Kartons wurden Puppenstuben, Stoffreste zu Teppichen, Steine und Stöcke Möbelstücke. Mein persönliches Highlight war immer, wenn der neue Otto-Katalog kam und ich den alten haben durfte. Stundenlanges ausschneiden … ich habe ganze fiktive Familien und Hausstände ausgeschnitten und mit den Bildern gespielt. Gefehlt hat uns dabei nichts – wir kannten ja nichts anderes.

Den ersten Fernseher im Wohnzimmer habe ich sehr spät bewusst erlebt. „Dick und Doof“, „Bonanza“, „Bezaubernde Jeanny“, „Speedy Gozales“ … waren meine Kinderhelden. Und viel mehr Technik gab’s in meiner Kindheit eigentlich nicht. In jugendlichen Jahren kam ein Kassettenrekorder hinzu. Was war das für eine Herausforderung sich Lieder aus dem Radio übergangslos auf einer Kassette zu sichern. Begeistert war ich immer, wenn ein Wecker, Radio oder ähnliches kaputt war. Schraubenzieher aus dem Keller holen, Innenleben erforschen und die Einzelteile weiterverwerten.

Die nächste größere technische Herausforderung stellte sich mir in der ersten Ausbildung in Form einer Reproduktionskamera. Diese raumfüllenden Geräte waren früher Teil der Produktionskette zur Erstellung von Druckerzeugnissen. Heute dürften sie alle museumsreif sein. Etwa in dieser Zeit erlebte ich den ersten Computer. Mein Onkel, bei dem ich die zweite Ausbildung absolvierte, schaffte sich den ersten kleinen Macintosh etwa 1985 an und … er ließ mich das Teil erforschen. Ich liebte beide – den Onkel, der mich das Gerät erforschen und probieren ließ und dieses kleine technische Wunder. Von da an hatte ich immer die Möglichkeit, irgendwo Hand an einen Computer zu legen. 1993 war dann ein rundum revolutionäres Jahr. Nicht nur, dass ich mit der Liebe meines Lebens zusammen zog, die Liebe meines Lebens kaufte uns auch noch den ersten eigenen Heimcomputer. Wieder liebte ich beide … den Mann sowieso und den Computer … bis heute!

Das erste Handy kam mit dem ersten Kind ins Haus, also mit dem Kind im Bauch – für den Notfall. Nein, nicht dieses monströse Teil mit Antenne. Unser erstes Handy passte schon in eine etwas größere Hosentasche, die dann zugegeben etwas ausgebeult aussah. Der Gatte kam mit den Karton nach Hause, streckte mir diesen entgegen und sagte „Mach’ mal!“ Ich glaube im Nachhinein, das war der Moment in dem ich fortan die elektronischen und digitalen Dinge im Haushalt übernahm. In den ersten Handy-Jahren habe ich dieses Teil wohl nur mit mir herumgetragen, weil man das eben so machte – für den Notfall. Damit telefonieren war eh zu teuer, besonders für einen Menschen, der in der Pubertät noch ein Telefonschloss an der Drehscheibe erlebt hat, bzw. damit aufgewachsen ist, immer zwei Telefongroschen für die Telefonzelle in der Hosentasche zu haben – für den Notfall.

Mit den Kindern, eher aber wohl, weil es an der Zeit war, nahm die technisch, digitale Entwicklung seither eine nicht mehr fassbare Geschwindigkeit auf, die auch vor uns keinen Halt machte. Mein Beruf hat sich seit Mitte 80er Jahren komplett verändert und kommt ohne digitale Technik nicht mehr aus. Und auch im privaten werden immer mehr Dinge am Computer geregelt, was früher undenkbar gewesen wäre. Aus dem eigenen Interesse heraus, haben wir auch unsere Kinder sehr früh an dieser Entwicklung teilhaben lassen. Bewusst, kontrolliert und gesteuert. Heute passiert es durchaus, dass ich die Installation des Routers, des neuen Druckers oder anderes meine Tochter machen lasse. Und – wir haben trotz bald überstandener Pubertät, keine Telefonschlösser gebraucht. Geht ja auch schlecht bei Handys. Wir bezahlen die Handy-Verträge für die Smartphones, haben den Kindern früh den kontrollierten Zugang zu verschiedenen Netzwerken erlaubt und wissen, dass sie sich heute sicher in diesen Medien bewegen. Natürlich haben wir Lehrgeld bezahlt, sowohl in der Kommunikation als auch bei unbedachten Klicks z.B. auf Spiele. Aber dieses Lehrgeld ist tausendmal mehr wert, als wirkliche Schwierigkeiten aus Unwissenheit. Und auch wenn es sich im Zusammenhang komisch anhört – wir haben über diese Dinge sehr viel geredet.

Mittlerweile bin ich ständig umgeben von einem Computer, einem Tab oder meinem Handy. Ich habe Spaß daran diese Dinge zu nutzen und damit zu arbeiten, beruflich wie privat. Ich kommuniziere gerne, vielfältig und neugierig. Bin gespannt, wenn ich wieder einmal etwas ganz neues ausprobieren kann. Staune, wenn eine Entwicklung, die ich gerade verstanden habe, schon wieder überholt worden ist. Freue mich über kleine Apps, die für mich sinnvoll, eine Bereicherung darstellen. Und bewundere die Kinder und Jugendlichen, die viel schneller als ich diese Dinge begreifen und nutzen.

Ich finde meine techniklose Kindheit klasse, aber hüte mich davor, sie meinen Kindern oder ggf. Enkeln zu wünschen. Es ist unrealistisch und vergangene Zeiten holen wir nicht zurück. Sie lesen trotzdem, können sich mit Brettspielen beschäftigen und verfügen über einen sehr großen Wortschatz (ohne Abkürzungen). Die technikbeladene Zeit, die ich jetzt erlebe, finde ich genauso klasse und freue mich, dass ich sie mit Spaß erleben darf. Ich lese täglich in einem echten Buch, kann mich stundenlang techniklos bewegen und beschäftigen – wenn ich will. Ins Seniorenheim werde ich einmal nur unter der Bedingung einziehen, dass flächendeckend WLan vorhanden ist – falls es dann nicht schon was Neues gibt. Mit meinem digitalen Begleiter, der mir lückenlosen Kontakt zu Außenwelt ermöglicht.

Meine Tochter kommt zu mir an den Computer und fragt, was ich mache. Ich erzähle ihr, dass ich darüber schreibe, dass ich schon an der Handy-Körperhaltung von weitem zu erkennen bin, und dass mir das zu denken gibt. Die sagt nur: „Und dabei heißt es immer – die Jugend von heute!“ schaut auf ihr Handy und lächelt … ich nehme an eine SMS vom Freund … das gabt’s bei uns auch nicht.

Es ist jedes Jahr das gleiche …

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Es fängt immer ganz unscheinbar an. Um die Weihnachtzeit ist es noch ruhig, weil alle glückselig die Harmonie der Feiertage genießen. Im Januar haben alle den Kopf voll mit Jetzt-wird-alles-anders-und-besser-Plänen und wenn man dann realisiert hat, dass der Alltag ja doch der gleiche wie vorher ist, geht’s langsam und schleichend los … nur noch Motzerei über zu kaltes, zu graues, zu dunkles Wetter. Als ob keiner mehr eine gescheite Jacke, Handschuhe und Schal hat und keiner mehr gemütliches Kerzenlicht zu schätzen weiß. Alle haben vergessen, wie wir letztes Jahr über die Hitze gestöhnt haben und die Sonnenanbeter kommen früher auf den Plan als es überhaupt einen Sinn hat!

Egal wo man ist, schleichen sich in die Gespräche die Sehnsüchte nach schönem Wetter ein. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht über die Wettervorhersage gesprochen wird oder die Wetter-App auf dem Smartphone flehentlich untersucht wird, ob nicht doch ein paar Grad wärmeres Wetter angesagt wird. Die Netzwerke sind voll mit „Winter – wir haben genug von dir!“ Sprüchen und der ein oder andere kramt in alten Fotoalben und postet vergangene Frühjahrsbilder aus dem Vorjahr. Ein Gänseblümchen beispielsweise, das die Gemeinde verzückt liked, als ob alle vergessen haben, wie es aussieht. Und wehe, wenn irgendjemand im Februar (viel zu früh) eine Knospe entdeckt – dann kommen gleich die „Wir haben es bald geschafft“-Jünger und predigen den Jungbrunnen ähnlichen Frühling.

Mal ehrlich. Wenn ich im Winter schlafen will und das heldenhaft natürlich mit offenem Fenster – ist Ruhe. Ein paar Monate später … schlafen, offenes Fenster, vier Uhr morgens – ein netter Piepmatz meint es ist Zeit für sein Morgenlied. Er trällert fröhlich und – hartnäckig – bis sein Kumpel vom nächsten Ast endlich antwortet. Fünf Uhr morgens … die Vogelgemeinde ist wach – und ich auch. Ich nehme mir allmorgendlich vor, endlich eine Packung Oropax zu kaufen, was ich natürlich immer wieder vergesse, oder erwäge ernsthaft unsere Katze auf dem Ast zu domestizieren.

Schuhwerk. Im Winter brauche ich dicke, warme Schuhe – ein oder zwei Paar. Gedeckte Farben, braun oder schwarz, völlig ausreichend. Möglichst wasserabweisend und schon bin ich bestens ausgerüstet. Die Erde ist gefroren und wenn es kalt genug ist gibt’s auch keine Matsche. Tierische Hinterlassenschaften sind leicht erkennbar und so hart, dass es keine Probleme gibt – alles schick. Ein paar Monate später … fängt das Problem schon am Kleiderschrank an und das nicht nur bei den Damen. Die Welt wird bunt und natürlich muss das Kleid/der Anzug zur neuen Sandale oder dem schicken Sneaker passen. Viele Damen beginnen den „Ich habe die glattesten, nackten und längsten Beine“ Wettlauf schon im März, wenn der gemütliche Normalbürger noch überlegt, ob sich die Anschaffung der Naturbaumwoll-Strumpfhose in diesem Jahr noch rentiert. Und mal Hand-aufs-Herz … wer braucht die jährliche Diskussion mit den Kindern, dass im März Flipp-Flopps und bauchfrei noch lange nicht angesagt sind.

Regelmäßig und spätestens im April werden wir sehr nett daran erinnert, dass die nächste Diät in Betracht zu ziehen ist. Natürlich nicht, weil wir zu dick sind, sondern weil die neuste Sommer-Bikinimode viel zu figurbetont geschneidert ist. Wer dem Diätendruck entgehen will hat eigentlich nur die Möglichkeit, sich aus allen Netzwerken abzumelden, Zeitungsläden zu meiden und Gruppierungen von mehr als zwei Personen zu umgehen. Wer das nicht kann, wird unweigerlich mit der neusten Methode konfrontiert, wie man 10 Kilo in drei Tagen verliert. Oder greift freiwillig zur Nulldiät, wenn er eben dieses neuste Bikinimodel in der Ankleidegarderobe im Spiegel von vorne, hinten, rechts und links betrachtet hat – Träger inbegriffen. DAS ist im Winter leichter … eine Hose, ein Pullover (zwei Nummern größer) und ein größenverstellbarer Gürtel … der Kühlschrank darf gefüllt sein. Zudem wird unser Blick in der kalten Jahreszeit von Graue-Socke-tragenden-Sandalenträgern oder 100%-Polyamid-Kittel-Trägerinnen verschont.

Und wer braucht einen Sonnenbrand? Reicht im Winter eine einfache Feuchtigkeitscreme, muss im Sommer teure, mittlerweile mindestens Faktor 50, Sonnencreme gekauft werden. Und nicht nur dies … nachdem wir alle Berichte über sonnenbedingte Hautkrankheiten verdaut haben, kommen die Berichterstattungen über Zecken und Mücken an die Reihe. Die neusten Produkte gegen Juckreiz werden vorgestellt und spätestens im Herbst haben wir wieder festgestellt, dass die gute alte halbe Zwiebel doch das beste Hilfsmittel ist.

… das sollte nun wohl reichen um die Lust auf Frühling/Sommer zu vermiesen, oder? Tut’s aber nicht.

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Zu viel Gartenarbeit, klebriges Eis, zu viele Fahrradfahrer oder überfüllte Wasserflächen – könnte ich auch noch auf’s Korn nehmen. Aber – Ich selber gehöre zu den Ersten, die schon im Januar im Garten Ausschau halten, ob sich ein gelber Winterling (ein Blümchen) aus der Erde drückt. Ich würde eher das Datum meines Geburtstages vergessen als den Frühlingsanfang verpassen. Selbst die Zeitumstellung, die ich eigentlich nicht mag, sehne ich herbei, ist sie doch unweigerlich der Einstieg in die hellere Jahreszeit. Ich freue mich ungemein über die Vogellieder, auf die Geräusche in den Gärten an den langen warmen Sommerabenden, auf die morgendliche Kaffeetasse auf der Terrasse und nerve meine Facebook-Freunde mit Blumenbildern in allen Variationen. Im Sommer habe ich um 18.00 Uhr das Gefühl „Was stelle ich jetzt noch an“, wenn ich zur gleichen Uhrzeit im Winter schon überlege, wo die Bettlektüre liegt. Die Vorfreude auf Sommerfeste, die jetzt schon geplant werden und Spaziergänge ohne dicke Jacke und Schirm, ist da.

Es wird endlich Frühling und Sommer – ich freue mich auf lachende Gesichter. Die Menschen wirken freier, fröhlicher und es hat den Anschein, als dass alle mehr Zeit haben. Parks und Plätze sind belebt und es wird bunt um uns herum. Trockenes Geäst wird mit einem leichten Hauch von grüner Farbe überzogen. Wir brauchen die Sonne um aufzutanken. Die Mückenstiche nehme ich gerne in Kauf und eine Diät mache ich sowieso nicht. Wetter-Apps habe ich, glaube ich, vier auf dem Handy und glaube immer der, die mir das gefälligste gute Wetter vorher sagt.

Es ist jedes Jahr das gleiche mit mir … ich freue mich auf den Frühling.

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Die Farben des Lebens …

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Ein junges Mädchen versucht seine Freundinnen dazu zu bewegen, etwas gemeinsam zu unternehmen. Die sehen jedoch alle auf ihre Smartphones und sind vollkommen unempfänglich für gemeinsame Beschäftigungen. Letztendlich gelingt es dem Mädchen dann doch die Mädchen zu begeistern, sie haben Spaß und die Welt wird wieder vollkommen farbig. Der kleine Film ist im Kinder- und Jugendhaus Immenweg, des freien Trägers Stadtteilzentrum Steglitz e.V., entstanden. Für einen Wettbewerb gedacht, durfte er nur 99 Sekunden lang sein, in denen es bestens gelungen ist das Thema aufzugreifen und zu lösen. Hier ist die etwas längere Version gezeigt.

Der Film hat mich von Anfang an begeistert und angesprochen. Er ist sehr ästhetisch und zeigt in schönen Bildern die düstere wie schöne Stimmung. Ich war richtig froh und musste lächeln, als ich ihn das erste Mal sah. Zudem zeigt er für mich verschiedene Facetten auf, über die sich das Nachdenken in meinen Augen sehr lohnt.

Der Blick auf Kinder- und Jugendarbeit
Ich denke, dies ist für mich als Außenstehende, ein großartiges Beispiel für gelungene Kinder- und Jugendarbeit. Kinder werden über das Medium „Film“ für eine Sache begeistert und animiert dabei mitzumachen. Es wird ein sehr aktuelles Thema bearbeitet und kann besprochen werden. Durch das Element „Wettbewerb“ wird unter anderem der Ehrgeiz geweckt und schließlich das Gefühl „Stolz“ bei Kindern wie auch Betreuern hinterlassen. Etwas Gemeinsames ist geschaffen, das so schön ist, dass man es in aller Welt zeigen kann. Ich könnte mir vorstellen, dass es sehr leicht ist, diese Kinder noch einmal für eine ähnliche Aktion zu begeistern. Hier wurde mit Spaß Handlung und Inhalt vermittelt. Ich finde es klasse, KollegInnen zu haben, die so etwas können und mir einen kleinen Blick in ihre Arbeit erlauben.

Der Blick auf die Jugend
Es ist für Kinder heute sicherlich schwierig in der Welt der neuen Medien zurecht zu kommen. Vor allen Dingen das richtige Maß zu finden und die technischen Möglichkeiten richtig zu nutzen. Sie müssen in meinen Augen frühstmöglich lernen sinnvoll und mit nötiger Vorsicht die Medien zu handhaben. Dabei muss ihnen auch beigebracht werden, was sinnvoll und was maßvoll ist. Wegzudenken sind Dinge wie Computer, Internet, soziale Netzwerke und Smartphones nicht mehr aus ihrer Welt. Aber bei dem pauschalen Urteil, dass alle Jugendlichen heutzutage nur noch am Smartphone hängen, habe ich arge Bedenken. Jugendliche heutzutage sind genauso wenig schlimm wie Jugendliche vor 20 oder 50 Jahren. Nur wachsen Jugendliche heute anders auf als wir es taten. Sie kommunizieren anders, sie spielen anders und sie wachsen in eine veränderte Welt.

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Der Blick aus der Sicht der Erwachsenen
Und wenn wir ehrlich sind: Ich habe mich selbst schon einmal erwischt, dass ich im Fahrstuhl stand und sich nichts bewegte, weil ich geschwind meine Nachrichten auf dem Handy „checken“ wollte. Ich hatte schlicht den Knopf nicht gedrückt. Oder dass ich meine Tochter über WhatsApp zum Essen gerufen habe, aus Faulheit in den Dachboden hochzugehen.

Ich denke, es ist die Aufgabe der Erwachsenen die Kinder in ihrer Welt zu begleiten. Wir sind diejenigen, die ihnen Inhalte und Richtungen zeigen müssen. Wir können sie mit „ihrem“ Internet oder „ihren“ Smartphones alleine lassen. Oder, wir können sie bestmöglich damit begleiten und sie unterstützen.

Ich verstehe Eltern, die große Angst vor diesen Dingen haben, wenn sie selber wenig darüber wissen. Aber in dem Fall gibt es ausreichende Möglichkeiten, sich zu informieren und zu schulen. Auch muss ich als Erwachsener dafür sorgen, dass meine Kinder Interessen und Hobbys ausbilden und sie darin bestärken. Ich muss ihnen zeigen, dass es beides gibt – die reale Welt  und die Netzwelt. Wenn mein Kind nie sieht, dass ich ein Buch lese, wird es kaum von selber lesen. Und bei allen Kita-Englischkursen, Frühförderungen, Musikschulen und frühsten Talentschmieden, verstehe ich bis heute nicht, dass man nicht schon in der Grundschule Internet-Kenntnisse ausbildet, die Kinder spätestens beim ersten Referat – noch auf der Grundschule – brauchen. Ganz zu schweigen, wenn sie einmal in den Beruf gehen und wir Erwachsenen uns schon langsam auf die Rente vorbereiten.

Was ich an dem Film aber besonders gut finde ist, dass er Gespräche über diese Problematik anregt und Diskussionen entfachen kann. Denn nur im Dialog kommen sich Generationen näher und können zwischen Vorstellungen der einen und Wünschen der anderen vermitteln.

Meine Meinung!

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„Es gehört daher zu den grundlegenden Erziehungsaufgaben der Eltern, ihren Kindern den richtigen Umgang mit den Medien zu vermitteln. Diese Medienkompetenz müssen Kinder genauso erlernen wie Lesen und Schreiben. Daher sollten Eltern sich mit Medien auskennen und auch mit ihnen umgehen können. – See more at: http://www.polizei-beratung.de/themen-und-tipps/medienkompetenz.html#sthash.e5zbZ1eM.dpuf

Nützliche Links zur Information für Kinder-, Jugendliche und Eltern:
http://www.mimikama.at/
http://www.klicksafe.de/
http://www.schau-hin.info/
http://www.internet-abc.de/eltern/home.php

Einen herzlichen Dank an Jörg Backes, Projektleiter des Kinder- und Jugendhaus Immenweg, der mich bei diesem Beitrag unterstützt hat.