Es war ein wunderschöner Nachmittag bei einer Freundin und ich lief gut gelaunt nach Hause. Nach guten Gesprächen und vielen Neuigkeiten, schaute ich schnell auf mein Handy … könnte ja sein, dass mich jemand zwischenzeitlich vermisst hat oder weltbewegende Mails oder Nachrichten gekommen sind. Als ich wieder aufschaute, winkte mir in 50 Metern Entfernung eine andere Freundin zu. Wir liefen zueinander, begrüßten uns herzlich und einer ihrer ersten Sätze lautete: „Ich war mir unsicher, ob du das bist. Aber bei der Körperhaltung, dachte ich, ist sie es bestimmt.“ sprach’s, lachte und wir tauschten wieder Neuigkeiten und Spannendes – was halt so los war. Als ich weiterlief, kam mir ihr erster Satz wieder ins Gedächtnis. Hm, soweit ist es jetzt also: Man erkennt mich von weitem an meiner Körperhaltung. Wie ich laufend auf mein Handy schaue in dem Bemühen nichts aus der digitalen Welt zu verpassen.
Dabei bin ich vollkommen undigital aufgewachsen. Mein Lieblingsspielzeug war Schere und Papier, Puppen, Bälle, Bücher … Wir haben uns miteinander oder mit Dingen beschäftigt, die wenn überhaupt, vielleicht klingeln konnten. Mehr nicht. Ich kann mich erinnern, dass meine kleine Schwester und ich „Vater, Mutter, Kind“ mit Buntstiften an der Fensterbank gespielt haben. Und wir hatten unendlich viele Papier-Anziehpuppen. Meine Mutter musste sie uns immer vormalen und dann konnten wir ihnen Kleider zeichnen, ausschneiden und mit den Papierlaschen anziehen. Wenn sie kaputt gespielt waren, haben wir die Mutter wieder gelöchert, uns eine neue Modepuppe zu malen. Klappte lange, bis sie auf den Trichter kam, dass wir in der Lage waren sie uns selber zu malen. Dabei waren ihre immer schöner. Wir haben zweckentfremdet, was wir in die Finger bekommen konnten. Kartons wurden Puppenstuben, Stoffreste zu Teppichen, Steine und Stöcke Möbelstücke. Mein persönliches Highlight war immer, wenn der neue Otto-Katalog kam und ich den alten haben durfte. Stundenlanges ausschneiden … ich habe ganze fiktive Familien und Hausstände ausgeschnitten und mit den Bildern gespielt. Gefehlt hat uns dabei nichts – wir kannten ja nichts anderes.
Den ersten Fernseher im Wohnzimmer habe ich sehr spät bewusst erlebt. „Dick und Doof“, „Bonanza“, „Bezaubernde Jeanny“, „Speedy Gozales“ … waren meine Kinderhelden. Und viel mehr Technik gab’s in meiner Kindheit eigentlich nicht. In jugendlichen Jahren kam ein Kassettenrekorder hinzu. Was war das für eine Herausforderung sich Lieder aus dem Radio übergangslos auf einer Kassette zu sichern. Begeistert war ich immer, wenn ein Wecker, Radio oder ähnliches kaputt war. Schraubenzieher aus dem Keller holen, Innenleben erforschen und die Einzelteile weiterverwerten.
Die nächste größere technische Herausforderung stellte sich mir in der ersten Ausbildung in Form einer Reproduktionskamera. Diese raumfüllenden Geräte waren früher Teil der Produktionskette zur Erstellung von Druckerzeugnissen. Heute dürften sie alle museumsreif sein. Etwa in dieser Zeit erlebte ich den ersten Computer. Mein Onkel, bei dem ich die zweite Ausbildung absolvierte, schaffte sich den ersten kleinen Macintosh etwa 1985 an und … er ließ mich das Teil erforschen. Ich liebte beide – den Onkel, der mich das Gerät erforschen und probieren ließ und dieses kleine technische Wunder. Von da an hatte ich immer die Möglichkeit, irgendwo Hand an einen Computer zu legen. 1993 war dann ein rundum revolutionäres Jahr. Nicht nur, dass ich mit der Liebe meines Lebens zusammen zog, die Liebe meines Lebens kaufte uns auch noch den ersten eigenen Heimcomputer. Wieder liebte ich beide … den Mann sowieso und den Computer … bis heute!
Das erste Handy kam mit dem ersten Kind ins Haus, also mit dem Kind im Bauch – für den Notfall. Nein, nicht dieses monströse Teil mit Antenne. Unser erstes Handy passte schon in eine etwas größere Hosentasche, die dann zugegeben etwas ausgebeult aussah. Der Gatte kam mit den Karton nach Hause, streckte mir diesen entgegen und sagte „Mach’ mal!“ Ich glaube im Nachhinein, das war der Moment in dem ich fortan die elektronischen und digitalen Dinge im Haushalt übernahm. In den ersten Handy-Jahren habe ich dieses Teil wohl nur mit mir herumgetragen, weil man das eben so machte – für den Notfall. Damit telefonieren war eh zu teuer, besonders für einen Menschen, der in der Pubertät noch ein Telefonschloss an der Drehscheibe erlebt hat, bzw. damit aufgewachsen ist, immer zwei Telefongroschen für die Telefonzelle in der Hosentasche zu haben – für den Notfall.
Mit den Kindern, eher aber wohl, weil es an der Zeit war, nahm die technisch, digitale Entwicklung seither eine nicht mehr fassbare Geschwindigkeit auf, die auch vor uns keinen Halt machte. Mein Beruf hat sich seit Mitte 80er Jahren komplett verändert und kommt ohne digitale Technik nicht mehr aus. Und auch im privaten werden immer mehr Dinge am Computer geregelt, was früher undenkbar gewesen wäre. Aus dem eigenen Interesse heraus, haben wir auch unsere Kinder sehr früh an dieser Entwicklung teilhaben lassen. Bewusst, kontrolliert und gesteuert. Heute passiert es durchaus, dass ich die Installation des Routers, des neuen Druckers oder anderes meine Tochter machen lasse. Und – wir haben trotz bald überstandener Pubertät, keine Telefonschlösser gebraucht. Geht ja auch schlecht bei Handys. Wir bezahlen die Handy-Verträge für die Smartphones, haben den Kindern früh den kontrollierten Zugang zu verschiedenen Netzwerken erlaubt und wissen, dass sie sich heute sicher in diesen Medien bewegen. Natürlich haben wir Lehrgeld bezahlt, sowohl in der Kommunikation als auch bei unbedachten Klicks z.B. auf Spiele. Aber dieses Lehrgeld ist tausendmal mehr wert, als wirkliche Schwierigkeiten aus Unwissenheit. Und auch wenn es sich im Zusammenhang komisch anhört – wir haben über diese Dinge sehr viel geredet.
Mittlerweile bin ich ständig umgeben von einem Computer, einem Tab oder meinem Handy. Ich habe Spaß daran diese Dinge zu nutzen und damit zu arbeiten, beruflich wie privat. Ich kommuniziere gerne, vielfältig und neugierig. Bin gespannt, wenn ich wieder einmal etwas ganz neues ausprobieren kann. Staune, wenn eine Entwicklung, die ich gerade verstanden habe, schon wieder überholt worden ist. Freue mich über kleine Apps, die für mich sinnvoll, eine Bereicherung darstellen. Und bewundere die Kinder und Jugendlichen, die viel schneller als ich diese Dinge begreifen und nutzen.
Ich finde meine techniklose Kindheit klasse, aber hüte mich davor, sie meinen Kindern oder ggf. Enkeln zu wünschen. Es ist unrealistisch und vergangene Zeiten holen wir nicht zurück. Sie lesen trotzdem, können sich mit Brettspielen beschäftigen und verfügen über einen sehr großen Wortschatz (ohne Abkürzungen). Die technikbeladene Zeit, die ich jetzt erlebe, finde ich genauso klasse und freue mich, dass ich sie mit Spaß erleben darf. Ich lese täglich in einem echten Buch, kann mich stundenlang techniklos bewegen und beschäftigen – wenn ich will. Ins Seniorenheim werde ich einmal nur unter der Bedingung einziehen, dass flächendeckend WLan vorhanden ist – falls es dann nicht schon was Neues gibt. Mit meinem digitalen Begleiter, der mir lückenlosen Kontakt zu Außenwelt ermöglicht.
Meine Tochter kommt zu mir an den Computer und fragt, was ich mache. Ich erzähle ihr, dass ich darüber schreibe, dass ich schon an der Handy-Körperhaltung von weitem zu erkennen bin, und dass mir das zu denken gibt. Die sagt nur: „Und dabei heißt es immer – die Jugend von heute!“ schaut auf ihr Handy und lächelt … ich nehme an eine SMS vom Freund … das gabt’s bei uns auch nicht.
Da kommen auch bei mir viele Erinnerungen hoch, was du hier so toll beschrieben hast.
Durch eine berufsbedingte und aus Gesundheitsgründen (mit 50), Umschulung, lernte ich den PC kennen und war immer so geschockt, was ich doch noch dazu lernen konnte ;).
Auch zum Handy kam ich durch meinen schwer behinderten Papa, der mich im Notfall erreichen musste, aber zu mehr diente es damals kaum. Heute haben mich die Enkel überzeugt, dass es doch ohne Smartphone gar nicht mehr geht, aber ich weiß auch, wie ich nicht erreichbar bin *grins.
Bin aber trotzdem keine Oma, die den Zeigefinger hebt, weil die jungen Leute eben in diese Technik ganz anders rein wachsen, als wir.
Nur eines mag ich nicht, wenn man sich unterhält, sollten auch Smartphone mal Pause haben.
Einen lieben Gruß,
Uschi
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Diese Dinge benutzt man nur, wenn man einen Grund und/oder einen Vorteil dadurch hat. Ich genieße beispielsweise sehr, wenn meine Mutter in Spanien ist und mir via Facebook „Guten Morgen“ wünscht. Sie liest in FB von allen Enkelkindern und auch was bei den Kindern los ist.
Unsere Tabu-Zone für Smartphones ist der Esstisch … das zählt nur das gesprochene Wort! 🙂
Einen lieben Grüße zurück von Anna
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Ich erinnere mich gut an unseren ersten schwarz-weiß Fernseher und das alte schwere Telefon. Bis zum 50. Lebensjahr wollte ich mit einem PC nichts zu tun haben und schrieb als letzte die Zeugnisse noch per Hand. Ohne dem geht es aber nicht, das sehe ich ein und heute könnte ich gar nicht mehr ohne.
Allerdings ein Tablet brauche und will ich nicht und ein e-book-reader kommt mir auch nicht ins Haus.
Wer mit den digitalen Medien sorgsam und vernünftig umgeht, den kann man nur beglückwünschen. Bei unseren Schülern sehe ich schon Defizite, sowohl in der Sprache, die mehr und mehr verkümmert, als z.B. die Unlust, mit dem Atlas zu arbeiten („Wenn ich was suche, habe ich ein Navi! oder… oder… oder…)
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Der E-Book-Reader habe ich probiert, aber ich liebe richtige Bücher zu sehr … nicht mein Ding. Außerdem ist das Lesen ja gerade die Entspannung vom Bildschirm.
Bei den Schülern muss man eben die neuen Möglichkeiten und Medien so einbinden, dass diese Defizite erst gar nicht entstehen können. Hier brauchen wir Lehrmethoden, die sich der neuen Welt bedienen und die Schüler auf das vorbereitet, was sie später erwartet. Es gibt tolle Projekte, die zeigen, dass so etwas geht. Das Problem ist hier, dass die Lehrmethoden dem Vermögen der Schüler in digitalen Dingen immer hinterher hinken. Das wird uns noch viel zu denken geben!
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Das halte ich für nahezu unmöglich, wenn es nicht bereits im frühsten Alter versucht wird.
Unsere älteren Schüler fühlen sich ohne ihr Smartphone doch gar nicht mehr lebenstüchtig. Was glaubst du, wie oft ich im Unterricht auf ganzen Sätzen bestehen muss, weil sie auf ein-Wort-Antworten oder halbe Sätze geeicht sind.
Mit meinem KrimiBUCH begebe ich mich jetzt in mein Bett 🙂 .
Hab eine zauberhafte Nacht 🙂 .
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Ich denke, dass deine Erfahrungen von den meisten LehrerInnen bestätigt werden, was schlimm genug ist. Dennoch dürfen wir uns damit nicht zufrieden geben. Hier sitzen auch Eltern, wie Lehrkräfte in einem Boot und natürlich muss man bei den Kindern sehr früh anfangen … aber eben auch bei den Erwachsenen.
Fakt ist aber, dass Jugendliche heute ganz anders kommunizieren als wir. Das werden wir nicht ändern. Wie sie kommunizieren, lässt sich mit bewusster und gut durchdachter Herangehensweise langfristig sicherlich ändern. Dazu müssten aber Eltern mitmachen und Lehrpläne angepasst werden … wenn man sich das überlegt … fast möchte ich schreiben: Lassen wir’s! Aber das wäre gegen meine Überzeugung.
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Du hast absolut recht, aber meinst du, die Lehrpläne werden dahingehend geändert? Das setzt auch voraus, dass Schulen ganz anders ausgestattet werden müssen, um die Schüler bewusst mit Medien unterrichten zu können. Dazu fehlt in der Regel das Geld und auch die Bereitschaft.
Ich sage dir ganz ehrlich, die Schullandschaft ist heute insgesamt so marode, dass ich zufrieden bin, dass ich in einem Jahr aufhöre.
Mit einer Umorientierung (Lehrpläne, Ausstattung der Schulen, geschultes Personal – das ist ein Fass ohne Boden oder ein verzwirbeltes Wollknäuel).
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Womit wir an dem Punkt wären, dass es ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, das nur allzu gerne auf dem Rücken der (handysüchtigen) Jugendlichen und der (demotivierten) Lehrkräfte ausgetragen wird. Das Um- und Neudenken muss in der Politik beginnen – genau dort, wo die ältesten Beteiligten sitzen. Sehr hoffnungsvoll … 😛
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Ja, du hast absolut recht. Aber schau dir unsere Politiker an. Ist da einer bei, der Charisma hat? Der wirklich daran denkt, was unsere Kinder und Jugendlichen jetzt und in Zukunft brauchen?
Ich bin kein demotivierter Lehrer, aber ich genieße ein Altersteilzeitmodell, das mir das Aufhören in einem Jahr ermöglicht.
Allerdings schließe ich nicht aus, mein einem geringen Stundensatz weiter zu machen 🙂 .
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Seit dem ich politisch denken kann, habe ich viele Politiker erlebt, die „Wir müssten mal …!“ gedachten haben, aber noch nie einen der „Wir machen jetzt …!“ durchgehalten hat. Wenn Kinder und Jugendliche wählen dürften, hätten wir eine ganz schön andere Welt! 😉
Genieße die frühe Möglichkeit des Ruhestands. Ich habe einen 55 jährigen Pensionär zuhause, der mir tagtäglich vorführt, wie gut es ihm geht! 😉
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Anziehpuppen ☺ welch wunderbare Erinnerung!
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Ja, wa? Da träum ich heute noch von! 😉
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Wie immer ganz toll geschrieben. Ich erinnere mich mit Schmunzeln an die Zeit, wo ich die Songs im Radio mit dem Kassettenrekorder mitschnitt und darauf achten musste, die beiden Knöpfe auch zusammen zu drücken. Und wenn dann der Speaker zum Schluss in den Song gelabert hat, war ich echt sauer. Aber alles in seine Zeit, heute ist es anders und immer noch spannend.
Liebe Grüsse,
Claudine
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… vor allem, wenn du an einem der beiden Knöpfe abgerutscht bist, der Lied-Anfang versaut war und wir auf die nächsten „Top 10“ warten mussten. Stimmt! 😉 Schön, wenn wir uns diese Spannung erhalten. Danke dir und liebe Grüße! 🙂
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Wieder mal ein wunderbarer Artikel. Ich empfinde es genau wie du. Wir hatten es schön damals, und heute haben sie es auch schön. Nur anders halt.
Aber ich finde, uns Eltern stellt die Technologie schon vor ganz andere Herausforderungen als unsere Eltern oder gar Großeltern.
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Da gebe ich dir vollkommen recht, zumal uns die Technik in ihrer Geschwindigkeit ja dauern überrennt. Aber ich bin auch so weit, gelassen festzustellen, dass ich nicht mehr alles mitmachen muss. Mitreden können – möchte ich trotzdem. 🙂 Lieben Dank für’s Lob – Freude!
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Ich meinte das nicht so sehr im Hinblick auf das mithalten können, sondern eher den Überblick zu behalten, wo wieder irgendwelche Fallen oder gefahren lauern.
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Hm. Woher weißt Du denn, dass Deine Freundin die Handy-Haltung meinte?Ich kann mir gut vorstellen, dass sie generell Deine Körperhaltung, Deinen Körperstatus meinte. Hast Du sie mal gefragt?
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Gefragt nicht, aber sie hat so eindeutig auf mein Handy gezeigt, das ich dann schuldbewusst (für die Dauer dieser Unterhaltung) wegsteckte. 😉
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