Weltverbesserer – im Dienst für jeden anderen

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Sie verdienen nichts daran und tun es meist ohne besondere Anerkennung zu erwarten. Die eine backt Kuchen im Café, die andere sortiert Spenden, der nächste begleitet Behördengänge, ein anderer stellt sich kostenfrei Fragen zu rechtlichen Unsicherheiten – das sind nur wenige Beispiele. So unterschiedlich die Tätigkeiten, so unterschiedlich die Gründe der Menschen, die sie ausüben und doch haben alle einen gemeinsamen Nenner: Sie üben ein Ehrenamt aus. 13 Millionen Menschen in Deutschland sind ehrenamtlich für Vereine, Organisationen, Initiativen oder Ähnlichem tätig. Es ist eine Symbiose zwischen Individuen und Verbänden bei der beide Seiten auf unterschiedlichen Ebenen gewinnen. Der Vorteil für die Verbände liegt auf der Hand. Arbeiten, für die kein Geld zur Verfügung stände, werden getan. Aber profitieren auch die Ehrenamtlichen in einem Maß, das sie nicht als blauäugige Weltverbesserer dastehen lässt?

Gemeinschaft ist ein Grundelement einer jeden Gesellschaft und funktioniert dort, wo Menschen bereit sind etwas mehr zu tun oder zu geben, als sie selber benötigen. Gemeinschaft funktioniert dort, wo gegenseitige Achtung gelebt wird, unabhängig des Vermögens des Einzelnen. Je nach Kraft, Stärke und Fähigkeit wird freies Potential an die Gemeinschaft abgegeben, die daraus bereichert wird. Vereine, Organisationen, Initiativen sind Gemeinschaften, die einem bestimmten Ziel unterliegen und dieses nach Möglichkeiten fördern. So haben soziale Vereine den Menschen selber im Fokus, entwickeln und fördern Perspektiven, die Menschen dort abholt, wo sie es aktuell brauchen und in ihrer Lebenssituation unterstützt. Funktionierende Gemeinschaft, gute Nachbarschaft, einvernehmliches Stadtteilleben und generationsübergreifende Begegnung sind solche Ziele, für die der Staat in direkter Form keine Gelder erübrigen kann. So sind diese Vereine in vielen Bereichen auf ehrenamtliche Unterstützung angewiesen.

Viele Vereine, beispielsweise im sportlichen Bereich oder in bestimmten Interessensgebieten, werden durch ehrenamtliche Vorstandsarbeit ihrer Mitglieder organisiert. Auch eine Vielzahl an Sportangeboten besonders für Kinder- und Jugendliche werden durch ehrenamtliche Trainer ermöglicht, die wenn überhaupt lediglich eine Aufwandsentschädigung bekommen. Im karitativen Bereichen werden Begleitdienste, Hilfs- und Spendenangebote wie beispielsweise Bücherstuben oder Essensausgaben durch Ehrenamtliche bestritten. Kindergärten, Schulen, Freizeitstätten … überall dort, wo Menschen zusammenkommen, trifft man auf das Heer der Ehrenamtlichen. Die Gründe ein Ehrenamt anzutreten sind vielfältig. Oft ist es der Wunsch nicht allein zu sein, oft das Vermögen außerhalb der Erwerbstätigkeit Potential frei zu haben und sehr oft auch eine bestimmte Fähigkeit oder ein besonderes Interesse, das man mit anderen teilen möchte. Gemeinsam haben alle Ehrenamtlichen die Freiwilligkeit und das Wissen für diese Tätigkeit materiell leer auszugehen. Der Gewinn liegt in ideellen Werten, die dem Ehrenamtlichen wiederum ermöglichen Teil einer Gemeinschaft zu sein, etwas zu schaffen oder ein Ziel zu verwirklichen, dass Zufriedenheit und Genugtuung verschafft.

„In der Nachbarschaftsarbeit ist ehrenamtliche Arbeit ein Muss“ sagt Veronika Mampel. Ihr obliegt der Arbeitsbereich der nachbarschafts- und generationsübergreifenden Arbeit und die Koordination der Flüchtlingshilfe des Stadtteilzentrum Steglitz e.V., einem sozialen Träger, der der Tradition der internationalen Nachbarschaftsheimbewegung verpflichtet und seit Gründung 1995 für alle Menschen in Berlin Steglitz-Zehlendorf tätig ist. Gerade in Großstädten wie Berlin sind Nachbarschaftstreffpunkte, Mehrgenerationen- oder Kinder- und Jugendhäuser aus der sozialen Landschaft nicht mehr wegzudenken. Menschen brauchen Treffpunkte und Möglichkeiten, die sie vor Isolation und Vereinsamung bewahren. Was in früheren Zeiten die Großfamilie oder dörfliche Gemeinschaft leistete, muss in heutiger Zeit auf andere Weise gefunden werden. Gegenseitiger sozialer Halt, Gemeinschaftsgefühl, Unterstützung in problematischen Lebenslagen, aber auch Lebensfreude und Lachen ist in solchen Treffpunkten zu finden. Die Ehrenamtlichen sinnvoll und an passender Stelle einzusetzen, erfordert viel Feingefühl, erzählt sie weiter. Man muss genau zuhören, was der einzelne einbringen und welche Bedürfnisse durch sein Ehrenamt erfüllen möchte. Und natürlich muss das Amt zum Ehrenamtlichen passen, damit es eine fruchtbare Bereicherung für beide Seiten wird. Freude am Leben muss der Ehrenamtliche mitbringen, ebenso wie ein selbstbewusster Umgang mit Herausforderungen in der Arbeit, ein stabiles Selbstwertgefühl und Kritikfähigkeit. Nach dem schönsten Erlebnis im Bereich der ehrenamtlichen Arbeit gefragt, erzählt sie von den jüngsten Erlebnissen in der Flüchtlingshilfe. Die spontane Bereitschaft selbst über Weihnachtsfeiertage zu helfen, der unglaubliche Zulauf bei kurzfristigen Hilfeaufrufen, sind Erlebnisse, die sie immer wieder begeistern. Für diese Erlebnisse ist sie dankbar, bestärken sie sie doch in ihrem Tun und geben Gewissheit, selbst in Krisensituationen nicht allein zu sein.

Dankbarkeit drückt auch Manuela Kolinski aus, wenn sie an „ihre“ Ehrenamtlichen denkt. Sie ist Projektleiterin des Nachbarschaftsbereichs des Gutshaus Lichterfelde. Das kleine Café im Haus wird ausschließlich durch ehrenamtliche Helfer geführt. Sie erzählt: „Jeden Morgen komme ich ins Gutshaus und freue mich auf die ehrenamtliche Kollegin, die den Frühdienst im Café hat. Es ist jeden Tag jemand anderes. Jede hat ihre eigene Art die belegten Brötchen vorzubereiten oder den selbst gebackenen Kuchen zu machen. Insgesamt sind es sechs Damen, die sich die Arbeit im Café teilen. Eine andere Dame plant Ausflüge und ein Herr unterstützt uns im Garten tatkräftig und erledigt auch alle anfallenden kleineren Reparaturen. Ich finde es einfach nur klasse, wenn Menschen ihre freie Zeit zur Verfügung stellen und mit so viel Freude und Spaß bei uns mit arbeiten. ich bedanke mich sehr oft bei ihnen, weil ich der Meinung bin, dass dies nicht selbstverständlich ist. Sie selber finden es aber selbstverständlich, z.B. auch bei Veranstaltungen mitzuhelfen oder auch mal für den anderen einzuspringen. Auch angestellte KollegInnen kommen in der Urlaubszeit her, um den Garten zu pflegen und die Blumen auf der Terrasse zu gießen. Einfach, weil sie es sehr gerne machen.“ Manuela Kolinski denkt, dass sie das tun, weil sie sich selbst dafür entschieden haben und freut sich, dass alle Ehrenamtlichen schon länger als drei Jahre im Gutshaus tätig sind. So konnte ein Team zusammenwachsen das bei Teamsitzungen neue Ideen bespricht, die dann gemeinsam umgesetzt werden. „Für mich ist es sehr wichtig, ein gutes Vertrauensverhältnis miteinander zu haben und auch offen über alles reden zu können. Ich finde das dadurch ein gutes Arbeitsklima entsteht und man sich aufeinander freuen kann.“ sagt sie weiter. „Es ist spannend, weil natürlich jeder anders in seiner Art ist. Das genau ist das, was die Arbeit mit Menschen ausmacht. So lernt jeder etwas dazu, egal wie alt er ist oder welchen Hintergrund er mitbringt. Wenn sich neue Ehrenamtliche vorstellen und schließlich bei uns anfangen, werden sie sofort ins Team aufgenommen. Keiner wird bewertet. Ganz im Gegenteil, jeder ist herzlich willkommen mit uns zu lachen, wenn der Kuchen mal aussieht wie eine Flunder oder statt Zucker auch mal Salz in den Teig kommt.“ Sie freut sich mit so tollen Menschen zu arbeiten und stellt für sich selber fest: „Wenn ich mal in Rente gehe werde ich auf jeden Fall ein Ehrenamt annehmen. Das ist Nachbarschaftsarbeit und Gemeinschaft für mich.“

Esther Oesinghaus ist hauptberuflich die Leiterin der Verwaltung des Stadtteilzentrum Steglitz e.V. Einmal in der Woche tauscht sie aber die Rolle. Dann geht sie in die kleine Zweite-Hand-Boutique in der Celsiusstraße. Die öffnet dreimal in der Woche die Türen und wird ebenso ausschließlich durch ehrenamtliche Helfer geführt. Gespendete Damen- und Herrenbekleidung wird für einen kleinen Preis angeboten und Flüchtlinge haben die Möglichkeit sich mittels Gutscheinen mit ansprechender Kleidung auszustatten. Der Erlös kommt der Kinder- und Jugendarbeit und der Flüchtlingsarbeit des Vereins zugute. Esther Oesinghaus leitet auch hier – als Ehrenamtliche das ehrenamtliche Team. Auch sie erzählt, dass gerade in der Unterschiedlichkeit der Menschen, der Helfer sowie der Kunden, die Faszination und der Spaß an der Sache liegt. Neben den Beratungen und den kleinen Verkaufsgesprächen, kommt sie mit Kunden immer wieder ins Gespräch, die oft aus ihrem Leben erzählen. Es macht ihr Spaß ihre Kreativität in der Boutique leben zu können und im Team immer wieder neue Ideen entwickeln und verwirklichen zu können. Natürlich hat ihr Beruf den Vorrang, aber im Ehrenamt, gleich ob sie in der Boutique steht oder wie oft bei anderen Gelegenheiten in der Flüchtlingsarbeit hilft, spürt sie die Dankbarkeit der Menschen, die sich über ein wenig Hilfe und geschenkte Zeit freuen.

Es gibt viele andere Beispiele aus der Arbeit des sozialen Vereins, in denen ehrenamtliche Helfer eingesetzt werden. Mehr noch – in denen es ohne sie schwer wäre das Angebot aufrecht zu erhalten. Ja, Ehrenamtliche sind Weltverbesserer. Menschen, die ihre direkte Umgebung durch ihren Einsatz etwas besser machen. Menschen, die zeitgemäß aus einem guten Motiv anderen das Leben etwas leichter machen und Gemeinschaft und Nachbarschaft ungeheuer aufwerten. Blauäugig sind die Ehrenamtlichen in keiner Weise, denn sie haben erkannt, dass Gemeinschaft nur funktionieren kann, wenn jeder auch etwas an den anderen denkt.

Wenn Sie sich für ein Ehrenamt beim Stadtteilzentrum Steglitz e.V. interessieren, schreiben Sie Frau Veronika Mampel und erzählen Sie von ihrer Vorstellung. Wir sind gespannt – E-Mail v.mampel@sz-s.de – und freuen uns auf Sie!

Ein „Fest der Nachbarn“ von Nachbarn für Nachbarn

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Es gibt viele Gründe, warum sich Menschen in ihrem Wohnumfeld wohl fühlen, auch in einer großen Stadt. Es kann die schöne Lage der Wohnung sein, die gute Anbindung im Stadtgefüge oder eine schöne Lage mit angrenzenden Grünflächen. Manche schätzen einen kinderfreundlichen Kiez, andere wiederum gute Einkaufs- oder Freizeitmöglichkeiten. Völlig unabhängig, was jeder für sich selber als Wohlfühlfaktor im Kiez definiert, kann der Grund ganz einfach sein: Der Nachbar ist bekannt, hat einen Namen und mit der Zeit trifft man bekannte Gesichter, kann Grüßen und nette Gespräche führen. Es gibt viele Möglichkeiten nette Nachbarn kennenzulernen. Eine davon ist das „Fest der Nachbarn“, das in allen Berliner Bezirken neben vielen anderen, am 29. Mai zum zweiten Mal auf dem Ludwig-Beck-Platz in Lichterfelde gefeiert wurde.

Am Runden Tisch in Lichterfelde-West entstand die Idee auch in diesem Jahr auf dem Platz ein Fest zu feiern. Das Fest vom letzten September war allen Beteiligten noch in schöner Erinnerung geblieben. Bei der Terminsuche bot sich das Fest der Nachbarn, der European Neighbours Day, an. Das europaweit gefeierte Fest steht unter der Schirmherrschaft des Europäischen Parlaments, erfreut sich jährlich steigender Beliebtheit und wird seit 2012 durch den Verband für sozial-kulturelle Arbeit in Berlin koordiniert. Gründe genug sich zu beteiligen und unter Organisation und Koordination des Stadtteilzentrum Steglitz e.V. wurde schließlich fleißig geplant und organisiert. Es sollte ein Fest werden, bei dem sich Vereine, Einrichtungen, Einzelhändler, Organisationen … alle die im Kiez eine Rolle erfüllen, vorstellen, präsentieren und mit den Nachbarn ins Gespräch kommen möchten. 20 Marktstände wurden bestellt, die sehr schnell vergeben waren, Plakate und Handzettel verteilt und Aktionen für alle Generationen vorbereitet. Bald stand nur noch eins im Raum: Gutes Wetter bestellen und die Vorfreude!

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Vorfreude war das hauptsächliche Gefühl, das allen anzumerken war, die am Festtag ihre Stände schmücken. Das Wetter versprach einen regenfreien Nachmittag und pünktlich um 16.00 Uhr eröffnete Manuela Kolinski vom Stadtteilzentrum Steglitz e.V. die Feierlichkeit. Nicht nur die Stände luden zu Information, Gespräch und Austausch ein, daneben versprach ein Ablaufplan viel Abwechslung für Augen und Ohren. Zwischen den Darbietungen verschiedener Gruppen konnten sich die teilnehmenden Stände mit ihren Anliegen vorstellen, was von den meisten auch gerne in Anspruch genommen wurde.

Die Kreistanzgruppe aus dem Gutshaus Lichterfelde machten mit mehreren Tänzen den Anfang. Mit rhythmischen Bewegungen brachten sie das Publikum sofort in die richtige Stimmung. Da konnte kaum ein Fuß stillhalten und begeistertes Klatschen begleitete die Bewegungen und Lieder der Damen. Auch eine Zugabe wurde gefordert und schließlich luden die Tänzerinnen alle ein doch mitzumachen. Das machten auch viele – von Kindern, Eltern und vielen Senioren begleitet, fuhr selbst eine Rollstuhlfahrerin die getanzten Runden mit im Kreis. Da fällt es nicht schwer, sich das Lachen und die Stimmung auf dem kleinen Platz vorzustellen, oder?

Die Tanzmäuse aus dem KiJuNa, Kinder-, Jugend- und Nachbarschaftszentrum in der Osdorfer Straße, zeigten ebenso ihr Können, das sie seit vielen Jahren mit ihrer Tanzlehrerin Anjia gerne bei solchen Festen zeigen. Matthias Winnig ließ die Gäste bei einer Qi Gong Vorführung staunen. Die Mädchengruppe aus der Jugendfreizeiteinrichtung Albrecht Dürer in der Memlingstraße zeigten, mit was für modernen Tänzen Jugendliche ihr Publikum begeistern können. Das Zentrum für Yoga ließ wieder Staunen und zeigte Bewegungen, die kaum jemand ohne gute Anleitung und Übung zustande bringt, aber die richtige Adresse dafür war ja am Ort. Zu guter Letzt zeigte der Bläserkreis der Paulusgemeinde einen schönen Ausschnitt aus seinem Repertoire. Alles in allem, von den Vorstellungen der Teilnehmenden in eigener Sache eingerahmt, ein sehr abwechslungsreicher Nachmittag, der das Publikum bis zum Ende auf dem Fest begeisterte.

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Information, Gespräch und Austausch, den Nachbarn kennenlernen – sich mit dem Händler, den Gemeindemitgliedern, dem Seniorenservice oder den MitarbeiterInnen des Schülerclubs einmal ungezwungen unterhalten, war ein großes Anliegen des Festes. An jedem Stand fanden gute Gespräche statt. Interessante Fragen konnten beantwortet werden, Tipps gegeben, Verabredungen getroffen werden. Kennenlernen, Gesicht zeigen, Barrieren abbauen und zeigen, dass ein Kiez durch Geschichten, durch Miteinander, gegenseitigen Ergänzungen und Unterstützungen lebenswert wird, das war ein sehr gelungenes Unterfangen an diesem Nachmittag. Eine Malerin aus dem Einwohnerheim in der Klingsorstraße zeigte am ganzen Nachmittag ihr Talent und lud zahlreiche Kinder ein, es ihr gleich zu tun. Die Sozialarbeiterin aus der Flüchtlingseinrichtung gab Informationen und, wo notwendig, die Übersetzungen dazu. Und gerade alle Kinder, ganz gleich woher, zeigten in ihrer Mischung, dass sie egal ob bei Malen, Schminken, Tanzen oder Luftballon fliegen lassen, alle den gleichen Spaß hatten.

Wir sind uns sicher, die Nachbarn und Gäste dieses Festes grüßen einander, wenn sie sich wiedersehen. Die Teilnehmer der Stände zeigten sich sehr zufrieden und uns hat es ganz einfach richtig viel Spaß gemacht! An Spenden kamen 330 Euro zusammen, die einem Zweck der Kinder- und Jugendhilfe zugute kommen, der noch bestimmt wird. Also aufgepasst, wenn wir auch 2016 wieder zum Fest der Nachbarn einladen. Bis dahin wollen Sie vielleicht gar nicht so lange warten. Müssen Sie auch nicht … wir freuen uns über jeden Nachbarn, der Lust hat am Runden Tisch in Lichterfelde-West mitzureden.

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Fest der Nachbarn Teilnehmer 2015:
JFE Albrecht Dürer, Schülerclub Memlinge, Netti 2.0, Seniorenresidenz Bürgerpark, Die Piraten, SPD, CDU, Qi Gong – M. Winnig, Mrs. Sporty, ev. Paulus Gemeinde, Familienzentrum der Paulus Gemeinde, ADFC, Radfahrclub Lichterfelde, Senioren Service Peschke/Pasedach, HIBUDA, Runder Tisch Lichterfelde-West, Stadtteilzentrum Steglitz e.V., Jung fragt Alt e.V., Wohnheim Klingsorstraße, ImZentrumSein – Joga + Ernährungsberatung, Heimatverein Steglitz.

Termine Runder Tisch Lichterfelde-West 2015:
16.6.15, 8.9.15, 20.10.15 + 1.12.15, Info Manuela Kolinski, Telefon 030 84 41 10 40

Leitartikel der Homepage des Stadtteilzentrum Steglitz e.V.
vom 11. Juni 2015

„Nur“ ein gelbes Bobbycar

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Es hat eigentlich ganz einfach angefangen: Eine Kollegin fragte in einer Besprechungsrunde, ob irgendwer noch ein ungenutztes Bobbycar im Keller hätte. Sie hätte in ihrer Einrichtung viele Mütter mit kleinen Kindern, denen solch ein Spielzeug nicht zur Verfügung stehen würde und sie es sich auch gar nicht leisten könnten. In dieser Runde konnte jedoch keiner dem Wunsch entsprechen. Ein paar Tage später fragte die Kollegin über ein vereinsinternes Netzwerk aber noch einmal nach. Der Wunsch danach war offensichtlich groß. Also gab’s eine kleine Anfrage in einem großen Netzwerk (das mit F) und innerhalb weniger Stunden meldeten sich zwei Freundinnen und drei Gefährte wurden zur Abholung versprochen.

Ein paar Tage später drehte ich nach der Arbeit eine Runde mit dem Auto und holte das erste Bobbycar ab. Quitschgelb und im einwandfreien Zustand. Die Spenderin sagte nur: „Was gibt es schöneres als ein Kinderlachen und wenn sich darüber noch ein Kind freut, wäre ihr das Dank genug.“ Dann brachte ich das kleine Auto in die Einrichtung. Als ich dort ankam, waren eine ganze Gruppe Mütter dort und auch genau das kleine Mädchen, für das dieses Auto gedacht war. Die Kollegin freute sich unheimlich als sie das Auto sah, zeigte es den Müttern und die Schwester des Mädchens setzte sie auf das Bobbycar. Anfängliche Skepsis zeichnete sich im Gesicht des Kindes ab, wandelte sich ganz schnell in die Erkenntnis, dass es sicher und gemütlich sitzen konnte und in Windeseile hatte das Kind verstanden, wie das Auto zu bewegen war. Das Lachen und die Freude des Kindes und der Erwachsenen war meinen Weg wert. Zufrieden und mit einem Lächeln ging ich wieder zum Auto und fuhr nach Hause.

Es hat mich aber noch eine Weile beschäftigt. Es war so einfach hier eine Freude zu machen und bei mir ein gutes Gefühl zu hinterlassen. Warum machen wir so etwas eigentlich nicht öfters? Wie viele Spielzeuge liegen ungenutzt in Kellern oder sind in irgendwelchen Ablagen in Kartons verstaut? Und warum? Aus Bequemlichkeit, damit sie erst einmal aus dem Weg sind? Aus Nostalgie-Gründen, weil die eigenen Kinder damit ja gespielt hatten. Oder weil vielleicht, eventuell, gegebenenfalls … noch die potentiellen Enkelkinder damit spielen könnten. Oder weil man einfach nicht weiß, wo man es abgeben könnte und es zum Wegschmeißen ja doch zu schade ist.

Wir haben zuhause so gut wie alle Spielzeuge abgegeben. Zum einen, weil die Kinder groß sind und wir einfach keinen Platz haben das alles aufzuheben. Zum anderen, weil ich eh aus einer Familie komme, die Dinge immer dort zur Verfügung stellt, wo sie besser gebraucht werden können. Entsprechend dem Alter der Kinder wurde immer getauscht, verteilt und verschenkt. Das lernt man einfach in großen Familien so. Aber eine große Familie hat nicht jeder und auch nicht das Geld, ständig neues Spielzeug zu kaufen.

Wenn man im Moment durch die Supermärkte läuft, weiß man schon automatisch, was in ein paar Wochen wieder los ist. Die Weihnachtssüßigkeiten stehen seit September in den Regalen, gleich neben den Halloween-Sachen – es lebe der Konsum. Der Handel macht uns freundlicherweise darauf aufmerksam, was wir kaufen sollen und wo unsere Bedürfnisse sind. Das finde ich persönlich übel – Altweibersommer will in meinem Kopf einfach nicht zu Lebkuchen und Spekulatius passen. Aber ich will nicht undankbar sein und freue mich über die rechtzeitige Erinnerung Weihnachtsgeschenke zu besorgen. Klappt nur nie und die Geschenke in letzter Minute stehen bei mir jährlich hoch im Kurs. Gut, darum geht’s mir hier nicht. Der Gedanke Weihnachtsgeschenke besorgen zu müssen, verursacht vielen Eltern schlaflose Nächte. Denn auch wenn sie es gerne täten, können sie es nicht, weil das Geld dafür fehlt. Und so mancher Wunsch, den sie gerne erfüllen würden, muss sich in einem Nichts oder einer halbherzigen Alternative auflösen. Das kennt wohl jeder, der Kinder hat – Millionäre sind eher die wenigsten von uns. Glücklich sei derjenige, der es einigermaßen gut hinbekommt und die Kinder glücklich machen kann, ohne das Dispo in eine schwere Krise zu stürzen.

Und mit den Weihnachtssüßigkeiten kommen auch bald die Spendenaktionen, die für gute Zwecke sammeln und werben, was das Zeug hält. Im Fernsehen, im Radio, mit der Post … Möglichkeiten und Angebote gibt es unzählige. Man kann überall spenden und sich selber ein gutes Gefühl vermitteln. Ich habe schon oft gehört, dass mir Leute sagten, sie spenden jedes Jahr an die gleiche Organisation. Dann hätten sie etwas getan, könnten bei den anderen absagen „Ich habe ja schon …“ und das gute Gewissen ist für ein Jahr ruhig. Es ist richtig und wichtig, dass gespendet und geholfen wird, ganz ohne Zweifel. Was ich schade dabei finde ist, dass man eben im Fernsehen, im Radio und in der Post nur die großen Organisationen findet, die sich den Werbeaufwand leisten können. Die kleinen Projekte, Vereine und Einrichtungen können das nicht, weder personell noch finanziell.

Wenn ich mich – unabhängig davon, dass ich für einen sozialen Träger arbeite – in meinem unmittelbaren Wohnumfeld umsehe, fallen mir sofort mehrere Möglichkeiten ein, wo man helfen kann. Nur ist das nicht ganz so bequem, wie ein Überweisungsformular auszufüllen. Man muss einmal hingehen und fragen, was gebraucht wird – schauen, ob man’s verwirklichen kann und noch einmal hingehen um es zu bringen. Ich bin mir sehr sicher, dass so gut wie jeder in seiner Nähe eine Möglichkeit findet, bei kleinen Einrichtungen zu helfen und zu spenden. Es müssen nicht die großen sein. Die kleinen Sachen, gleich um die Ecke, brauchen es meistens viel mehr als große Organisationen, nur muss ich dann auf eine glamouröse Fernsehgala verzichten. Gewinnen tue ich dabei allerdings den Dank der Menschen, die versuchen mit ihrer Arbeit mein Umfeld ein bisschen besser zu machen. Vielleicht den Dank einer Mutter, die sonst kein Geschenk fürs Kind hätte. Sicherlich den Dank der Menschen, deren Arbeit mit ihrer Spende unterstützt wird.

Der Blick in den eigenen Keller lohnt sich sicherlich einmal. Vielleicht finden man ja Sachen, die woanders besser aufgehoben wären und anderen Freude machen. Nicht verkehrt ist es in jedem Fall, sich jetzt schon Gedanken zu machen, ob man in der Weihnachtszeit helfen kann und wie man es machen möchte. Ob es wirklich die großen Spendenaktionen sein müssen oder ob sich nicht ganz in der Nähe etwas anbietet, was die ganze Aufmerksamkeit wert wäre.

Ich werde in den nächsten Tagen noch die beiden anderen Autos abholen und an den versprochenen Platz bringen. Und dann mache ich mir meine Gedanken, wo ich selber einen sinnvollen und guten Beitrag in der Weihnachtszeit leisten kann. Oder noch besser – wo ich auch zwischendurch mal, zum Beispiel bei der Vermittlung eines Bobbycars, helfen kann.

Ich bedanke mich herzlich bei Feza Guschke und Dorothée Wiese für die Bobbycars und den Trecker
– damit habt ihr den Kindern im „kieztreff“ eine große Freude gemacht!