Unterstützung für Trans* und queer lebende Menschen

Es ist weit mehr als ein Spiel und aus vielen Lebensgeschichten nicht wegzudenken. Die Rede ist von Fußball, Fußballvereinen und eine enorme Zahl von verbundenen Fans. Die Wahl des Lieblingsfußballvereins gleicht einem Glaubensbekenntnis und hält meist lebenslang. Umso bedeutender ist der gesellschaftliche Tenor des „Spiel des Lebens“, wie es gerne von Liebhabern genannt wird. Dieser gesellschaftlichen Bedeutung sind sich die Fußballvereine insbesondere in den letzten Jahren sehr bewusst geworden. Damit verbunden auch die Notwendigkeit, eine klare und soziale Haltung einzunehmen. Man könnte es „mit gutem Beispiel vorangehen“ nennen, so wie es der Berliner Verein Hertha BSC immer wieder tut.

Zum Sozialbericht 2019 „Mehr als Fußball“, der im November erschien, schreibt Paul Keuter, Mitglied der Geschäftsleitung, dass Hertha Haltung zeigen will, die sich an unseren Werten ‚Vielfalt‘ und ‚Fortschritt‘ ausrichtet. Wie das genau aussieht, liest man im Sozialbericht, der auf 72 Seiten alle Facetten des sozialen Engagements des Vereins aufzeigt. Auf Seite 24 des Berichts findet man die Headline: „In Berlin kannst du alles sein – auch LGBTQ“. Darunter steht: „Gerade in der Welt des Fußballs muss noch viel gegen Homo- und Transphobie gekämpft und müssen klassische Geschlechterrollen aufgebrochen werden. Hertha BSC verschreibt sich diesem Kampf und setzt sich ein – für ein buntes Berlin, auch in Bezug auf die sexuelle Orientierung und Identität, für die Bewahrung demokratischer Grundtugenden wie Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit.“

Die Haltung gegen Homo- und Transphobie ist aber nur ein Beispiel des Engagements. Der Verein fördert nicht nur eine Vielzahl eigener Projekte, sondern unterstützt beispielsweise mit der Bezirkswette kleine Initiativen und zeigt so seine Verbundenheit mit der Hauptstadt. In der Spielzeit 2019/20 wurden die Spieltage um die „Bezirks-Wette“ erweitert, bei denen der Hauptstadtclub mit dem im Vordergrund stehenden Bezirk eine Ticket-Wette eingeht. Schaffen es die Fans, das bereitgestellte Kontingent an „Bezirks-Tickets“ abzurufen, stellt Hertha BSC einem sozialen Projekt aus einem zugehörigen Kiez 5.000 Euro zur Verfügung.

Der 25. Spieltag – das Bundesligaspiel Hertha BSC gegen SV Werder Bremen am 7. März sollte für das Stadtteilzentrum Steglitz e.V. zum Glücksfall werden. Über das Internet fanden die Verantwortlichen das Stadtteilzentrum und boten sich als „Wettgegner“ an. Das zu unterstützende Projekt sollte der Aufbau einer Beratungsstelle für trans*identen Kinder und Jugendlichen sein. Es war lange ungewiss, aber am Spieltag stand fest, dass es gelungen war. Weit mehr als 500 Tickets für das Spiel über die Bezirkswette waren verkaufen. Die Freude war nicht nur bei Thomas Mampel, Geschäftsführer des Stadtteilzentrums, einem echten Herthaner, sehr groß und damit auch der Beginn des Projektes möglich.

Seither wurde viel im Hintergrund gearbeitet. Katrin Reiner, die sich diesem Projekt widmet, hat Kontakte geknüpft, recherchiert, sich selber weitergebildet und nicht zuletzt eine Präsentation erarbeitet. Diese hat sie unter anderem im Projektleiter*innenkreis des sozialen Vereins präsentiert. Themen wie die Definitionen Trans*identität und Inter*geschlechtlichkeit, der Sprachgebrauch oder Trans*kinder und deren Familien, wurden neben anderem besprochen. Klar wurde dabei, dass dieses Thema viele Wissenlücken aufweist, auch im Kreis der Pädagog*innen und Erzieher*innen. Um diese Themenstellung in die Arbeit des Vereins zu integrieren, eine Haltung auszubauen, zu sensibilisieren und zu stärken werden die nächsten Schritte geplant. Zunächst wird das Thema in Arbeitsgruppen und Teams vorgestellt. Daraus werden sich weitere Diskussionen und Besprechungen ergeben, die letztlich die Richtung der Weiterentwicklung möglich und sinnvoll machen.

Katrin Reiner möchte das Projekt „von innen heraus“ wachsen lassen, das heißt Kolleg*innen einbinden und offen für Denkanstöße und Meinungen zu sein. Möglich wäre später beispielsweise eine Jugendgruppe für trans*idente Jugendlich oder eine Beratungsstelle für Betroffene und ihre Eltern, Vorträge zur Aufklärung und Klärung für Einrichtungen und andere soziale Träger. Zum jetzigen Zeitpunkt ist alles offen.

Begeistern und sensibilisieren steht im Fokus von Katrin Reiner, die das Thema von Grund auf kennt. Mit der Unterstützung von Hertha BSC ist das Projekt vorerst gesichert. So kann das Stadtteilzentrum in naher Zukunft Inter* und Trans* und queer lebende Menschen unterstützen ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Zudem alle eigenen Möglichkeiten nutzen, eine breit gefächerte Akzeptanz zu fördern.

Denn, so wie Hertha BSC sagt: In Berlin kannst du alles sein …

Schreiben gegen Rechts – ein Buch der Zuversicht!

Schreiben gegen Rechts

Eine Momentaufnahme in Berlin: Ich gehe in die Markthalle, kaufe beim Wurststand Salami am Stück. Der Verkäufer, der mir sehr freundlich mein Rückgeld gibt, hat asiatische Augen. Die Steinpilze beim Gemüsehändler bekomme ich von einem offensichtlich türkischen Mitbürger. Die Bäckereiverkäuferin antwortet mir in breitestem Schwäbisch. Nachher ruhe ich mich im Café aus. Dort sitzen an einem Tisch englischsprachige Studenten. Am nächsten Tisch unterhalten sich ein deutsches Paar und ein Mann mit holländischem Akzent. Als ich später in den Bus einsteige, lasse ich einer Mutter, die ein Kopftuch trägt, mit ihren Kindern den Vortritt und den Busfahrer kann ich von seinem nationalen Hintergrund her nicht einschätzen. Zuhause angekommen treffe ich vor der Haustür meinen syrischen Nachbarn und grüße ihn herzlich. Kaum habe ich die Haustür hinter mir geschlossen, ruft mich meine Schwägerin an, die aus Kenia stammt. Das ist Realität in Deutschland.

Eine Momentaufnahme nach der Bundestagswahl: Die einen feiern einen für sie großartigen Sieg. 72 Jahre nach Kriegsende zieht eine rechtsgerichtete Partei in den Bundestag ein. Die anderen sind entrüstet und können kaum glauben, was da passiert. Etablierte Parteien und Medien gehen auf Ursachensuche und ringen sich fadenscheinige Begründungen ab. Viele üben sich in Gleichgültigkeit und der Hoffnung, dass das schon wieder vorbeigehen wird. Was haben wir eigentlich bei dieser Wahl erwartet? Dass die rechteste aller Parteien tatsächlich unter fünf Prozent bleibt? Dass es vielleicht nur 6 oder 7 Prozent werden? Und dann? Wäre es weniger schlimm gewesen? Haben wir nicht, wenn wir ehrlich sind, alle gewusst, dass diese gewisse Partei, die eben keine Alternative ist, einen Wahlsieg feiern wird, um den einen oder anderen Prozentpunkt hin oder her?

Lange war klar, dass Probleme in unserem Land nicht rechtzeitig aufgegriffen, lange verschleppt wurden und Unzufriedenheit siegt. Für diese Unzufriedenheit wurde zu lange die Flüchtlingspolitik als Platzhalter hergenommen, ohne zu merken, dass die Probleme viel tiefer sitzen. Zu viele fühlen sich abgehängt in einer Gesellschaft, die sich stolz Sozialstaat und Wirtschaftsmacht nennt und doch das steigende Armutsrisiko zulässt. Zu viele fühlen sich nicht zugehörig, trotz dessen, dass es die Mauer schon 28 Jahre nicht mehr gibt.

Zudem haben wir gewusst, wenn wir ehrlich bleiben, dass rechtes Gedankengut immer unter uns war. Nach dem 2. Weltkrieg und in all den Jahren danach. Begriffe wie Kriegskinder und Kriegsenkel werden erst jetzt aufgearbeitet, in einer Zeit, in der die Kriegskindergeneration langsam von uns geht. Wurden die Kriegsenkel im Schulunterricht mit der Geschichte der Nationalsozialisten überfüttert, können viele Jugendliche heute nicht einmal mehr erzählen, warum sich vierzig Jahre eine Mauer durch Deutschland zog. Menschen mit rechtem Gedankengut waren immer unter uns, konnten sich aber in etablierten Parteien wiederfinden. Erst als sich die etablierten Parteien auf die politische Mitte zu bewegten und sich Flüchtlingen öffneten, brauchten Menschen mit ihrem rechten Gedankengut eine neue Partei, die ihnen eine Heimat gibt. Die fand sich und es wurde wieder gesellschaftsfähig rechte Gedanken öffentlich und ohne Scham zu brüllen. Lange haben wir skeptisch über die Landesgrenzen geschaut, in Länder, die alle mit rechten Parteien haderten und gejubelt, wenn diese keine Mehrheiten gewinnen konnten. Wir haben mit Entsetzen die Wahl des amerikanischen Präsidenten beobachtet, der seinen Nationalismus seither dummdreist verbreitet. Nun hat es uns selber getroffen … mit Abgeordneten im Bundestag, die einem Wahlprogramm folgen, das wundern lässt, warum es nur eine einzige Stimme bekommen hat.

Ich habe lange gebraucht um es so anzuerkennen wie es ist: Die ewig Gestrigen spannen populistische Parolen vor ihren Karren und gehen auf Stimmenfang bei den ewig Unzufriedenen. Politiker kümmern sich auch nach der Wahl eher um ihren politischen Einfluss, als den Menschen einmal klar zu signalisieren, dass sie es verstanden haben und sich um die Probleme der kleinen Leute kümmern und zuhören werden. Medien kümmern sich um ihre Zugriffszahlen, füttern uns mit Negativschlagzeilen und bieten den Rechten eine Bühne, die ihnen nicht zusteht. Es waren 12,6 Prozent  … nur 12,6 Prozent oder schon 12,6 Prozent … das haben wir alle künftig in der Hand.

Die Dekadenz mit der wir hier unseren Wohlstand ausleben ist für mich der Punkt, der mir am meisten zu schaffen macht. Wir erleben einen Wohlstand, der sich durch 72 Jahre Frieden in dieser Region aufgebaut hat. Wir leben in einem der sichersten und reichsten Ländern der Welt. Unsere Waffen liefern wir in fremde Länder – sollen sie sich doch die Köpfe einschlagen, solange wir daran verdienen. Wir schotten unseren Reichtum vor denen ab, deren Länder durch Kriege zerstört sind und keine Sicherheit mehr bieten. Wir schließen unsere Grenzen, wenn heimatlose Menschen bei uns Schutz suchen. Wir bewerten, dass das Verhungern kein wirklicher Asylgrund bei uns ist. Und wenn wir als großartige Nation bei deren Aufbau wieder mithelfen, ist nicht selten der Gedanke der Bereicherung dabei. Wir könnten tausende Menschen noch zu uns reinlassen ohne das Geringste zu entbehren. Wenn ich auf die Zahlen der Zwangswanderungen nach dem 2. Weltkrieg schaue, staune ich, dass wir überhaupt über Obergrenzen debattieren. Wir erlauben uns zu bewerten, dass allein unsere Kultur die einzig richtige ist. Lassen aber zu, dass Konzerne auf fremden Kontinenten selbst Wasser als Grundrecht den Menschen vorenthalten. Das Niveau auf dem wir klagen, ist so unglaublich hoch, dass nationalsozialistische Gedanken schon irrational wirken. Die verschobene Realität nationalistischer Menschen so widersinnig und weltfremd, dass man schon fast verzweifeln müsste.

Das tun wir aber nicht – Verzweiflung hat noch nie jemandem genutzt. Ich muss was tun und ich brauche die Gemeinschaft der Menschen, die diese Probleme sehen, aber dennoch an das Gute in der Welt glauben. Es ist mir schon immer schwer gefallen meinen Mund zu halten und ich will es auch gar nicht. Es hat so unglaublich gut getan den Rückhalt zu spüren als ich 2016 zur Blogparade „Schreiben gegen Rechts“ aufgerufen habe. Es kamen 81 wunderbare Beiträge zusammen, die auch heute alle aktuell sind. Das möchte ich gerne mit euch allen weiterführen. Waren es vor einem Jahre die Flüchtlingszahlen, die in aller Munde waren, ist es heute das stärker werden der Rechten. Nehmen wir ihnen die Bühne und geben sie unseren Idealen zurück. Öffnen wir den Blick für Mitmenschlichkeit, eine multikulturelle Gesellschaft und eine Welt, die zusammenrückt:

Lasst uns wieder Beiträge sammeln in einer offenen Blogparade. Offen in der Hinsicht, dass sie nicht zeitlich begrenzt ist. Beteiligt euch mit Beiträgen, die Geschichten von multikulturellem Zusammenleben erzählen. Beiträge über Fakten, die positive Beispiele einer offenen Gesellschaft zeigen. Erzählt von Initiativen und gelungenen Projekten aus der Flüchtlingsarbeit. Erzählt von eurem Untermieter, der erst mit der Zeit eure Worte verstand. Berichtet von Ereignissen über Landesgrenzen hinweg. Beteiligt euch mit Gedichten oder Bildern, die eine bunte, aber eben die tatsächliche Realität in anderen Ländern und unserem Land zeigen. Überlegt, was jeder einzelne von uns aktiv tun kann, um den Rechten ihren Platz zu weisen. Es gibt so wunderbare Möglichkeiten von einer offenen, freien und bunten Gesellschaft zu erzählen. Bedient euch nicht der Sprache der Populisten und der Rechten. Zeigt, dass man Anliegen, Proteste oder Bedenken durchaus respektvoll und konstruktiv darstellen kann. Ich werde keine Beiträge bewerten oder auswählen. Ich fasse sie zusammen.

Veröffentlicht eure Beiträge in eurem Blog mit der Verlinkungen zu diesem Aufruf. Hier setzt ihr euren Link ein, damit er allen zugänglich wird. Ich sammle bis zu einhundert Beiträge und erstelle daraus wieder ein Buch. Dieses Buch ist allen zugänglich, die es lesen möchten. Niemand verdient daran. Es soll ein Buch werden, das einen klaren Standpunkt vermittelt. Ein Buch, dass Bewusstsein schafft. Ein Buch, dass Hoffnung schenkt – ein „Buch der Zuversicht!“.

Ich freue mich von euch zu hören … erzählt anderen davon, denn es geht weiter mit dem „Schreiben gegen Rechts – für Toleranz und Vielfalt!“

Vorwärts geht’s … kein Rückblick!

annaschmidt-berlin.com_viel-glück-2016

Ich habe das erste Mal grüne Butter gemacht und viel Zeit zum Nachdenken dabei gehabt. Eigentlich hat die grüne Butter immer meine Schwiegermutter gemacht, jedes Jahr zu Weihnachten oder Silvester. Das kann sie nun nicht mehr. Jetzt ist es an mir. Als ich über die alte Dame nachdachte, kam mir besonders in den Sinn, wie gut es ihr im Moment geht. Wir haben gelernt, mit ihrer Demenz umzugehen. Wissen, wie wir ihr kleine Freuden bereiten können und sind dankbar über ihren, zur Zeit, stabilen Gesundheitszustand. Das war in diesem Jahr nicht immer so. Es gab Tage, an denen wir glaubten, sie für immer zu verlieren. Die alte Dame ist das beste Beispiel für mich, dass Rückblicke nutzlos sind. Das Gehirn hebt sich das auf, was besonders prägend im Leben ist und war. Das sind meistens die positiven Momente, den Rest verdrängen wir – oft, nicht immer. Das Entscheidende bleibt.

Würde ich nur zurückblicken, müsste ich über den Umstand klagen, dass die Schwiegermutter krank wurde, dass sie sterben wollte und kein selbstbestimmtes Leben mehr führen kann. Alles sind Dinge, die ich nicht beeinflussen kann oder konnte. Natürlich sind schlimme Tage dabei gewesen, aber zur Zeit können wir uns um sie kümmern, mit ihr lachen und noch ein bisschen festhalten. Wer weiß wie lange noch – der Moment zählt.

Würde ich zurückblicken, würde ich von der Last erschlagen werden, welche schrecklichen Ereignisse im letzten Jahr in der Welt passiert sind. So grausam, dass die Fassungslosigkeit bleibt. Und den Gedanken, dass es auch weiterhin solche Ereignisse geben wird, möchte man erst gar nicht denken. Sich diesen Ereignissen ergeben, hieße aufgeben und ich bin dankbar für jede Nachricht, jede Initiative, jedes Projekt, jeden beherzten Menschen, der zeigt, dass es in dieser Welt anders läuft. Ich bin dankbar für jeden, der zukunftsweisend, offen, multikulturell und beherzt denkt, der gute Entwicklungen vorantreibt und mich an das Gute im Menschen glauben lässt!

Mir würde so manches Wort, manche Situation und manches Missverständnis im Nachhinein leid tun. Auch dies tut es nicht, denn so unangenehm das ein oder andere war, hat es mich lernen lassen und zurücknehmen kann ich es nicht. Lernen lassen, noch genauer auf Gesagtes zu achten und insbesondere bei allem Gesagten, den anderen in seiner Situation und seinen Beweggründen feinfühlender zu betrachten. Ich darf lernen … das ist immer gut!

Würde ich nur rückwärts blicken, müsste ich mich ändern. Nicht alles was ich tat war gut, aber weit mehr positiv und richtig. Und ganz ehrlich – wer ändert sich grundlegend im meinem Altern noch? Ich bin die Summe der Dinge, die ich erlebt habe – Gutes wie Schlechtes, mache das Beste daraus, versuche an einigen Ecken etwas zu feilen. Gesunde Selbstkritik ist immer gefragt. Aber ich habe meine Macken und werde sie gut pflegen! 😉

Im Rückblick müsste ich über ein arbeitsreiches und Jahr der Veränderungen klagen – was für ein Blödsinn. Es hat Spaß gemacht, es hat Fortschritt gebracht und Dinge entstehen lassen – beruflich wie privat. Im nächsten Jahr wird’s noch mehr … nie, wirklich niemals wird mir langweilig.

Ein bisschen bedauern könnte ich mich auch noch – ich bin (fast) arbeitslose Mutter geworden. Die Kinder sind keine Kinder mehr, aber ganz erwachen sind sie (zum Glück) noch nicht. Ich kann ihre Selbstständigkeit genießen, kann sie begleiten in den Dingen, die sie nun zwingend alleine handhaben müssen und bekomme doch noch das Gefühl von beiden gebraucht zu werden. Was für ein schöner Prozess zu beobachten, wie sie in die Erwachsenenwelt hineinwachsen! Dazu kommt die bewusste Erkenntnis, dass der Vater und ich uns immer mehr mit dem Bewusstsein auseinander setzten, wie wir unsere Zweisamkeit künftig gestalten … wie spannend.

Vorwärts blickend werde ich das neue Jahr beginnen.

Bei allen Rückblicken oder Neujahrsgedanken, die ich gelesen habe, haben mir zwei besonders gefallen. Über „Toms Gedankenblog“ bin ich auf den Beitrag von Lydia Krüger gekommen: „Gute Vorsätze für 2016? Warum ein Jahresmotto besser funktioniert“. Lest es – für mich war es sofort einleuchtend und ich finde ein Jahresmotto prima. Vorsätze habe ich seit Jahren keine, denn – ich kenne mich. Sie sind so schnell vergessen, wie der Alltag mich wieder im Griff hat. Als ich es gelesen habe, hatte ich sofort mein Jahresmotto: „Neue Perspektiven!“ … seit längerem schon spüre ich die Lust auf Neues, Umdenken, innovative Ideen … ich denke, es wird ein gutes Jahr, dies an verschiedenen Ecken in Angriff zu nehmen!

Der zweite Beitrag ist ein Neujahrsgruß von Anna-Lena im Blog „Mein Lesestübchen“. In ihrem Beitrag „Zum Jahresende“ bettet sie in ihren Text viele lesenswerte Blogs mit Namen ein. Lest den Beitrag und klickt euch durch diese wunderbaren Blogs. Es ist eine Bereicherung – versprochen. Seit zwei Jahren gehört die Blogwelt nun zu mir. Viele virtuelle Freundschaften sind entstanden, die ich nicht mehr missen möchte. Ich genieße in hohen Maßen, dass dieses Medium wesentlich langlebiger und beständiger als alle anderen sozialen Medien ist. Ich genieße die Vielfalt der Blogs, die sich in der Meinungsvielfalt und unterschiedlichen Macharten spiegelt. Und es entwickelt sich immer weiter … meine natürliche Neugierde kommt auf volle Kosten. 😉

In der Zusammenfassung aus meinen Nicht-Rückblicken ergibt sich für mich folgendes: Ich zerbreche nicht an Dingen, die ich nicht beeinflussen kann und werde nicht aufgeben an das Gute im Menschen zu glauben. Da der Moment zählt, achte ich feinfühliger auf gute Entwicklungen, die ich vorantreiben kann. Ich werde in diesem Sinne weiter an mir feilen und weil ich gebraucht werde, gibt’s auch keine Langeweile. 🙂 Passt!

Auf ein neues, gutes, spannendes und interessantes Jahr!

Herzliche Grüße von
Anna

Weltverbesserer – im Dienst für jeden anderen

kieztreff_49

Sie verdienen nichts daran und tun es meist ohne besondere Anerkennung zu erwarten. Die eine backt Kuchen im Café, die andere sortiert Spenden, der nächste begleitet Behördengänge, ein anderer stellt sich kostenfrei Fragen zu rechtlichen Unsicherheiten – das sind nur wenige Beispiele. So unterschiedlich die Tätigkeiten, so unterschiedlich die Gründe der Menschen, die sie ausüben und doch haben alle einen gemeinsamen Nenner: Sie üben ein Ehrenamt aus. 13 Millionen Menschen in Deutschland sind ehrenamtlich für Vereine, Organisationen, Initiativen oder Ähnlichem tätig. Es ist eine Symbiose zwischen Individuen und Verbänden bei der beide Seiten auf unterschiedlichen Ebenen gewinnen. Der Vorteil für die Verbände liegt auf der Hand. Arbeiten, für die kein Geld zur Verfügung stände, werden getan. Aber profitieren auch die Ehrenamtlichen in einem Maß, das sie nicht als blauäugige Weltverbesserer dastehen lässt?

Gemeinschaft ist ein Grundelement einer jeden Gesellschaft und funktioniert dort, wo Menschen bereit sind etwas mehr zu tun oder zu geben, als sie selber benötigen. Gemeinschaft funktioniert dort, wo gegenseitige Achtung gelebt wird, unabhängig des Vermögens des Einzelnen. Je nach Kraft, Stärke und Fähigkeit wird freies Potential an die Gemeinschaft abgegeben, die daraus bereichert wird. Vereine, Organisationen, Initiativen sind Gemeinschaften, die einem bestimmten Ziel unterliegen und dieses nach Möglichkeiten fördern. So haben soziale Vereine den Menschen selber im Fokus, entwickeln und fördern Perspektiven, die Menschen dort abholt, wo sie es aktuell brauchen und in ihrer Lebenssituation unterstützt. Funktionierende Gemeinschaft, gute Nachbarschaft, einvernehmliches Stadtteilleben und generationsübergreifende Begegnung sind solche Ziele, für die der Staat in direkter Form keine Gelder erübrigen kann. So sind diese Vereine in vielen Bereichen auf ehrenamtliche Unterstützung angewiesen.

Viele Vereine, beispielsweise im sportlichen Bereich oder in bestimmten Interessensgebieten, werden durch ehrenamtliche Vorstandsarbeit ihrer Mitglieder organisiert. Auch eine Vielzahl an Sportangeboten besonders für Kinder- und Jugendliche werden durch ehrenamtliche Trainer ermöglicht, die wenn überhaupt lediglich eine Aufwandsentschädigung bekommen. Im karitativen Bereichen werden Begleitdienste, Hilfs- und Spendenangebote wie beispielsweise Bücherstuben oder Essensausgaben durch Ehrenamtliche bestritten. Kindergärten, Schulen, Freizeitstätten … überall dort, wo Menschen zusammenkommen, trifft man auf das Heer der Ehrenamtlichen. Die Gründe ein Ehrenamt anzutreten sind vielfältig. Oft ist es der Wunsch nicht allein zu sein, oft das Vermögen außerhalb der Erwerbstätigkeit Potential frei zu haben und sehr oft auch eine bestimmte Fähigkeit oder ein besonderes Interesse, das man mit anderen teilen möchte. Gemeinsam haben alle Ehrenamtlichen die Freiwilligkeit und das Wissen für diese Tätigkeit materiell leer auszugehen. Der Gewinn liegt in ideellen Werten, die dem Ehrenamtlichen wiederum ermöglichen Teil einer Gemeinschaft zu sein, etwas zu schaffen oder ein Ziel zu verwirklichen, dass Zufriedenheit und Genugtuung verschafft.

„In der Nachbarschaftsarbeit ist ehrenamtliche Arbeit ein Muss“ sagt Veronika Mampel. Ihr obliegt der Arbeitsbereich der nachbarschafts- und generationsübergreifenden Arbeit und die Koordination der Flüchtlingshilfe des Stadtteilzentrum Steglitz e.V., einem sozialen Träger, der der Tradition der internationalen Nachbarschaftsheimbewegung verpflichtet und seit Gründung 1995 für alle Menschen in Berlin Steglitz-Zehlendorf tätig ist. Gerade in Großstädten wie Berlin sind Nachbarschaftstreffpunkte, Mehrgenerationen- oder Kinder- und Jugendhäuser aus der sozialen Landschaft nicht mehr wegzudenken. Menschen brauchen Treffpunkte und Möglichkeiten, die sie vor Isolation und Vereinsamung bewahren. Was in früheren Zeiten die Großfamilie oder dörfliche Gemeinschaft leistete, muss in heutiger Zeit auf andere Weise gefunden werden. Gegenseitiger sozialer Halt, Gemeinschaftsgefühl, Unterstützung in problematischen Lebenslagen, aber auch Lebensfreude und Lachen ist in solchen Treffpunkten zu finden. Die Ehrenamtlichen sinnvoll und an passender Stelle einzusetzen, erfordert viel Feingefühl, erzählt sie weiter. Man muss genau zuhören, was der einzelne einbringen und welche Bedürfnisse durch sein Ehrenamt erfüllen möchte. Und natürlich muss das Amt zum Ehrenamtlichen passen, damit es eine fruchtbare Bereicherung für beide Seiten wird. Freude am Leben muss der Ehrenamtliche mitbringen, ebenso wie ein selbstbewusster Umgang mit Herausforderungen in der Arbeit, ein stabiles Selbstwertgefühl und Kritikfähigkeit. Nach dem schönsten Erlebnis im Bereich der ehrenamtlichen Arbeit gefragt, erzählt sie von den jüngsten Erlebnissen in der Flüchtlingshilfe. Die spontane Bereitschaft selbst über Weihnachtsfeiertage zu helfen, der unglaubliche Zulauf bei kurzfristigen Hilfeaufrufen, sind Erlebnisse, die sie immer wieder begeistern. Für diese Erlebnisse ist sie dankbar, bestärken sie sie doch in ihrem Tun und geben Gewissheit, selbst in Krisensituationen nicht allein zu sein.

Dankbarkeit drückt auch Manuela Kolinski aus, wenn sie an „ihre“ Ehrenamtlichen denkt. Sie ist Projektleiterin des Nachbarschaftsbereichs des Gutshaus Lichterfelde. Das kleine Café im Haus wird ausschließlich durch ehrenamtliche Helfer geführt. Sie erzählt: „Jeden Morgen komme ich ins Gutshaus und freue mich auf die ehrenamtliche Kollegin, die den Frühdienst im Café hat. Es ist jeden Tag jemand anderes. Jede hat ihre eigene Art die belegten Brötchen vorzubereiten oder den selbst gebackenen Kuchen zu machen. Insgesamt sind es sechs Damen, die sich die Arbeit im Café teilen. Eine andere Dame plant Ausflüge und ein Herr unterstützt uns im Garten tatkräftig und erledigt auch alle anfallenden kleineren Reparaturen. Ich finde es einfach nur klasse, wenn Menschen ihre freie Zeit zur Verfügung stellen und mit so viel Freude und Spaß bei uns mit arbeiten. ich bedanke mich sehr oft bei ihnen, weil ich der Meinung bin, dass dies nicht selbstverständlich ist. Sie selber finden es aber selbstverständlich, z.B. auch bei Veranstaltungen mitzuhelfen oder auch mal für den anderen einzuspringen. Auch angestellte KollegInnen kommen in der Urlaubszeit her, um den Garten zu pflegen und die Blumen auf der Terrasse zu gießen. Einfach, weil sie es sehr gerne machen.“ Manuela Kolinski denkt, dass sie das tun, weil sie sich selbst dafür entschieden haben und freut sich, dass alle Ehrenamtlichen schon länger als drei Jahre im Gutshaus tätig sind. So konnte ein Team zusammenwachsen das bei Teamsitzungen neue Ideen bespricht, die dann gemeinsam umgesetzt werden. „Für mich ist es sehr wichtig, ein gutes Vertrauensverhältnis miteinander zu haben und auch offen über alles reden zu können. Ich finde das dadurch ein gutes Arbeitsklima entsteht und man sich aufeinander freuen kann.“ sagt sie weiter. „Es ist spannend, weil natürlich jeder anders in seiner Art ist. Das genau ist das, was die Arbeit mit Menschen ausmacht. So lernt jeder etwas dazu, egal wie alt er ist oder welchen Hintergrund er mitbringt. Wenn sich neue Ehrenamtliche vorstellen und schließlich bei uns anfangen, werden sie sofort ins Team aufgenommen. Keiner wird bewertet. Ganz im Gegenteil, jeder ist herzlich willkommen mit uns zu lachen, wenn der Kuchen mal aussieht wie eine Flunder oder statt Zucker auch mal Salz in den Teig kommt.“ Sie freut sich mit so tollen Menschen zu arbeiten und stellt für sich selber fest: „Wenn ich mal in Rente gehe werde ich auf jeden Fall ein Ehrenamt annehmen. Das ist Nachbarschaftsarbeit und Gemeinschaft für mich.“

Esther Oesinghaus ist hauptberuflich die Leiterin der Verwaltung des Stadtteilzentrum Steglitz e.V. Einmal in der Woche tauscht sie aber die Rolle. Dann geht sie in die kleine Zweite-Hand-Boutique in der Celsiusstraße. Die öffnet dreimal in der Woche die Türen und wird ebenso ausschließlich durch ehrenamtliche Helfer geführt. Gespendete Damen- und Herrenbekleidung wird für einen kleinen Preis angeboten und Flüchtlinge haben die Möglichkeit sich mittels Gutscheinen mit ansprechender Kleidung auszustatten. Der Erlös kommt der Kinder- und Jugendarbeit und der Flüchtlingsarbeit des Vereins zugute. Esther Oesinghaus leitet auch hier – als Ehrenamtliche das ehrenamtliche Team. Auch sie erzählt, dass gerade in der Unterschiedlichkeit der Menschen, der Helfer sowie der Kunden, die Faszination und der Spaß an der Sache liegt. Neben den Beratungen und den kleinen Verkaufsgesprächen, kommt sie mit Kunden immer wieder ins Gespräch, die oft aus ihrem Leben erzählen. Es macht ihr Spaß ihre Kreativität in der Boutique leben zu können und im Team immer wieder neue Ideen entwickeln und verwirklichen zu können. Natürlich hat ihr Beruf den Vorrang, aber im Ehrenamt, gleich ob sie in der Boutique steht oder wie oft bei anderen Gelegenheiten in der Flüchtlingsarbeit hilft, spürt sie die Dankbarkeit der Menschen, die sich über ein wenig Hilfe und geschenkte Zeit freuen.

Es gibt viele andere Beispiele aus der Arbeit des sozialen Vereins, in denen ehrenamtliche Helfer eingesetzt werden. Mehr noch – in denen es ohne sie schwer wäre das Angebot aufrecht zu erhalten. Ja, Ehrenamtliche sind Weltverbesserer. Menschen, die ihre direkte Umgebung durch ihren Einsatz etwas besser machen. Menschen, die zeitgemäß aus einem guten Motiv anderen das Leben etwas leichter machen und Gemeinschaft und Nachbarschaft ungeheuer aufwerten. Blauäugig sind die Ehrenamtlichen in keiner Weise, denn sie haben erkannt, dass Gemeinschaft nur funktionieren kann, wenn jeder auch etwas an den anderen denkt.

Wenn Sie sich für ein Ehrenamt beim Stadtteilzentrum Steglitz e.V. interessieren, schreiben Sie Frau Veronika Mampel und erzählen Sie von ihrer Vorstellung. Wir sind gespannt – E-Mail v.mampel@sz-s.de – und freuen uns auf Sie!