Soziale Arbeit und Kulinarisches – zwei Welten?

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Essen ist insbesondere auch eine gesellschaftliche Angelegenheit, wie hier bei den Kindern aus dem Schülerclub im KiJuNa.

Warum ist „Kulinarisches“ ein großes Thema in einem sozialen Verein, wie dem Stadtteilzentrum Steglitz e.V.? Neben dieser Frage überlegen Sie sich vielleicht auch, warum sich eine komplette Ausgabe der Stadtteilzeitung damit beschäftigt. Ganz einfach: Weil Essen und Trinken, Leib und Seele zusammen hält, wie uns der geflügelte Satz vermittelt. Essen und Trinken spielt immer dort eine Rolle, wo mehr als zwei Menschen zusammentreffen und gemeinsame Zeit verbringen.

In erster Linie dient die Nahrungsaufnahme dem Erhalt und der Pflege des Körpers, der Nährstoffe und Brennwerte benötigt um existieren zu können. In zweiter Linie ist Essen immer verbunden mit sozialer Interaktion. Menschen tun etwas gemeinsam, haben ein gemeinsames Anliegen, ein gemeinsames Ziel – einen satten Körper zu schaffen um so auch das Gemüt in einen zufriedenen Zustand zu versetzen. In allen Einrichtungen des freien Trägers, der von der Kindertagesstätte über Kinder- und Jugendhäuser, Nachbarschaftseinrichtungen bis zum Seniorenzentrum, alle Altersgruppen im Blickpunkt hat, spielt Essen und Trinken, nicht die zentrale, aber eine wichtige Rolle.

In den Kindertagesstätten beginnt der Kita-Tag mit dem gemeinsamen Frühstück. Gemeinsames Essen vermittelt eine gemütliche Atmosphäre, die Kinder können zur Ruhe kommen, vom Vortag erzählen und meist gibt es einen Ausblick auf den beginnenden Tag. Hinter der gemütlichen Frühstücksrunde steht ein komplexer Arbeitsablauf. Das Frühstück muss organisiert werden, Absprachen mit den Kita-Eltern getroffen, Organisatorisches geregelt werden. Die Kinder bekommen von all den Hintergründen nichts mit. Für sie steht die Gemeinsamkeit im Vordergrund. Dabei lernen sie viele soziale Aspekte, wie Tischmanieren, Rücksichtnahme, den Umgang mit Mengen, gemeinsames Auf- und Abdecken und vieles mehr. Und wenn es nur das einfache „Mit vollem Mund spricht an nicht!“ ist, gemeinsames Essen bedeutet bei Kindern immer Vertrautheit zu schaffen sowie einen sorgsamen Umgang mit diesem zentralen Lebensthema zu erlernen. Das gleiche gilt für die Mittagssituation. Auch hier kommen alle zusammen, erleben Gemeinsamkeit, Gespräch und eine Unterbrechung des Tagesablaufes.

In allen schulischen Einrichtungen, Ergänzende Förderungen und Betreuung kurz EFöB oder Schülerclub genannt, gilt das gleiche. Die Kinder kommen nach dem Schultag in die Einrichtungen und überbrücken die Zeit zwischen Schule und Zuhause. Zu Beginn steht das gemeinsame Essen. In diesen Einrichtungen ist meist ein komplexerer Organisationsaufwand zu bewerkstelligen. Die Klassen müssen mit den Essenzeiten koordiniert werden, der Grad zwischen nährstoffreichem, gesundem Essen und dem Kostenaufwand sinnvoll gestaltet werden und zudem soll das Essen den Kindern schmecken, Spaß machen und auch hier Gemeinschaft fördern.

Ist in den Kita’s und schulischen Einrichtungen Essen und Trinken ein fester Bestandteil des Tagesablaufes, sieht es in den Freizeitbereichen der Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie den Nachbarschaftshäusern etwas anders aus. Hier ist das kulinarische Angebot eher Mittel zum Zweck. In den Kindereinrichtungen kommt der soziale Auftrag zur Geltung, mittels dem Kinder und Jugendlichen gesunde, regelmäßige Ernährung und die nicht trennbaren körperlichen Betätigungen, also Sport, näher gebracht werden sollen. Dies geschieht in Form von Projektwochen, speziellen Angeboten – wie Grill-Nachmittage, gemeinsame Koch-Events – beispielsweise Weihnachtsbacken oder oft in Zusammenhang mit fremden kulturellen Ereignissen. Über das Essen werden Inhalte vermittelt, weil es immer aktives Teilhaben und Gespräch mit sich zieht. Die Verbindung zwischen kulinarischem und kulturellem Erleben öffnet Kindern und Jugendlichen einen Blick in die Gesellschaft und ihrem unglaublichen Facetten-Reichtum. Eine Besonderheit stellt unter der Trägerschaft des Stadtteilzentrums das KiReLi – Kinderrestaurant Lichterfelde dar. Diese Einrichtung ist tatsächlich ein Restaurant, in dem Kinder für einen Euro und ihre Eltern für 1,50 Euro essen können. Ein Angebot, das sich schon viele Jahre bewährt hat.

Die Nachbarschaftseinrichtungen haben bei diesem Thema einen anderen Schwerpunkt. Sie bieten Raum für Begegnung. Im „kieztreff“ in der Celsiusstraße stellen wir die Räume der Nachbarschaft zur Verfügung um Menschen zusammen zu bringen. Der zentrale Raum ist mit Tischen und Stühlen ausgestattet und bietet beinahe Wohnzimmer-Athmospere. Man kann sich setzen, nach Belieben einfach lesen, ins Gespräch kommen oder an Angeboten teilhaben. Es ist praktisch ein Raum, der die Möglichkeit bietet mit fremden Menschen Gemeinsamkeit aufzubauen ohne gleich zu privat zu werden. Die Kolleginnen der Einrichtung stehen für die BesucherInnen bereit. Manche benötigen ein offenes Ohr, mache möchten einen Kurs oder Vortrag anbieten und brauchen organisatorische Hilfe, mache brauchen einen Rat, wohin sie sich wenden können, oder sie suchen eine Gruppe für ein spezielles Anliegen. In diese Einrichtungen kann man sich hineinsetzen, sich wohlfühlen, nach eigenem Bedürfnis mitmischen oder Freunde treffen.

So auch im Gutshaus Lichterfelde, das mit seiner sehr schöne Lage mit dem angrenzenden Schlosspark und dem sowieso schönen Ambiente des Hauses zum Wohlfühlen einlädt. Ein kleines Nachbarschaftscafé steht schon viele Jahre als ergänzendes Angebot zu den vielen Freizeitmöglichkeiten zur Verfügung. Es ist jedoch kein Kaffeebetrieb, sondern ein Ort an dem sich jeder eingeladen fühlen darf und nebenher die Möglichkeit hat für wenig Geld, ein Getränk, ein Brötchen oder Kuchen zu bekommen. Das Essen und Trinken soll Menschen verbinden, die Gemeinsamkeit unterstreichen, neue Ideen wachsen lassen und Vertrautheit schaffen. Zudem können die Besucher hier erfahren, was in den vielen Einrichtungen des Stadtteilzentrums geboten wird, wo besondere Ereignisse geplant sind oder man sich beispielsweise ehrenamtlich engagieren kann. Engagieren kann man sich unter anderem im Café der Einrichtung, was eine lange Tradition im Haus hat und schon so manche Freundschaften fördern konnte.

Im Sommer wurde die Küche des Cafés renoviert und komplett umgebaut, mit allem was dazu gehört. Im Zuge dieser Neu-Gestaltung hat sich auch das Angebot verändert. Das Frühstücksbuffet konnte aus organisatorischen Gründen nicht mehr wie gewohnt angeboten werden. Statt Frühstück zum Selbermachen stehen frisch zubereitete belegte Brötchen, Kaffee, Tee, Selter und Saft und ab 14.00 Uhr der täglich frisch gebackene Kuchen bereit. Die Umstellung war anfänglich ungewohnt, hat aber dem Sinn des Hauses – zusammenzukommen – keinen Nachteil entstehen lassen. Essen und Trinken ist eine nette Nebensache im Nachbarschaftscafé und unterstützt die Hauptsache: Menschen einen Ort der Erholung, der Ruhe und des Wohlfühlens zu bieten.

Manuela Kolinski ist Projektleiterin des Gutshaus Lichterfelde und ihre Aussage gibt Einblick, wie dieses Haus bei den Menschen ankommen möchte: “Ich arbeite nun schon seit insgesamt 15 Jahren hier an diesem wunderschönen Ort. Ich freue mich nach wie vor jeden Tag, wenn ich in das Haus komme, die Terrasse aufbaue und in den schönen Schlosspark schaue. Wenn dann noch am Vormittag der frische Kuchenduft das ganze Haus vernebelt, ist es wie ein Traum, den ich jeden Tag aufs Neue träume. Hätte ich einen Wunsch frei, würde ich mir wünschen, dass die Menschen, die zu uns kommen, sich natürlich über die frischen Brötchen und den leckeren Kuchen freuen, aber sich auch für die vielseitigen Angebote hier im Gutshaus und den anderen Einrichtungen begeistern.“ Das hört sich so an, als ob da jemand am richtigen Platz ist, oder? Sie sagt weiter: “Schauen Sie einfach mal vorbei. Ein kleiner Tipp von mir: Bei einem Pott Kaffee liest sich die Stadtteilzeitung  ganz besonders gut!“

Menschen mittels Essen und Trinken verbinden, sind keine zwei Welten in der Arbeit dieses sozialen Vereins.

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Stadtteilzeitung Steglitz-ZehlendorfNr. 181 • Oktober 2014

Hallo Nachbar …

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Als ich vor etwa 20 Jahren nach Berlin zog, sagte ein Bekannter zu mir, dass der „normale“ Berliner seinen Nachbarn nicht kennt. Was er damals mit „normal“ meinte, habe ich bis heute nicht herausgefunden. Zu dem Statement, dass der Berliner seinen Nachbarn nicht kennt, kann ich aus heutiger Sicht nur sagen: „Weit gefehlt!“.

3.419.623 Einwohner hatte Berlin im November 2013. Die alle zu kennen, wäre natürlich etwas anstrengend. So gehen wir lieber in die Bezirke direkt, den Stadtteil und den unmittelbaren Kiez. Dies ist eins der Dinge, die Berlin so faszinierend macht. Jeder Kiez hat seinen eigenen Flair, eine eigene Atmosphäre, ein bestimmtes Publikum und natürlich auch Schwächen. Steigt man in die U-Bahn und steigt am anderen Ende der Stadt wieder aus, begegnet man einem völlig anderem Stadtbild. Das sind die Äußerlichkeiten. Spannend wird der Blick auf die Bewohner.

Berlin ist multikulturell und gerade darin liegt der besondere Reiz, auch wenn es immer noch Menschen gibt, die das nicht realisiert haben. Diese Stadt lebt von der Unterschiedlichkeit, den Nationalitäten, der Andersartigkeit der Menschen. Am besten erkennt man dies, wenn man an warmen Sommertagen in die unzähligen Parks und an die vielen Plätze geht, an denen sich die Menschen begegnen. Lässt man sich darauf ein, erntet man einen ungeheuren Gewinn in jeglicher Hinsicht.

Diese Vielfalt und diese ungeheure Menge an Menschen braucht besondere Obhut, unabhängig von den Erfordernissen die behördliche Stellen zu meistern haben. Es ist eben keine „Menge Mensch“ – es sind 3.419.623 Individuen. Dem haben sich viele Verbände und eine wirklich enorme Zahl an freien Trägern, wie zum Beispiel die Stadtteilzentren angenommen. Besondere Größen in der Landschaft der Verbände sind in Berlin „Der Paritätische Berlin“, der „Verband für sozial-kulturelle Arbeit“ und „Das Berliner Bündnis für Familien“, denen sich freie Träger anschließen und so den sozialen Auftrag koordinieren, fördern und politisches Gewicht geben. Ein Blick in das Spektrum der Mitglieder dieser Verbände ist imponierend, da so klar wird, wie facettenreich diese Arbeit ist. Kinder- und Jugendeinrichtungen, Nachbarschaftshäuser, Selbsthilfekontaktstellen sind nur einige Beispiele, was hier den Menschen, den Nachbarn, geboten wird. Allen gemeinsam ist eins – die Menschen zusammenzubringen, Austausch zu fördern, Alleinstehende und Familien zu unterstützen und eben dem Nachbarn ein Gesicht zu geben.

Menschen zusammenzubringen – wie geht das besser als mit einem Fest? Am 24. Mai wurde in Berlin viel gefeiert, denn zwei große Events wurden koordiniert. Das 1999 in Frankreich ins Leben gerufene „Fest der Nachbarn“ wurde schon 2012 in 32 Ländern gefeiert. In diesem Jahr waren erneut zwölf Berliner Bezirke beteiligt und die Unterschiedlichkeit der Angebotspalette hatte alles zu bieten, was Spaß, Gemeinsamkeit und Austausch fördert. Nahtlos ging das Fest in die „4. Lange Nacht der Familien“ über. Bis Mitternacht konnten Familien am 150 Angeboten in ganz Berlin teilnehmen. Ein Blick auf die Internetseiten verrät, was man alles erleben konnte und lässt die Vorfreude auf die Aktionen im kommenden Jahr wachsen.

Ein Beispiel für das Fest war der „Mitternachtströdel im Gutshaus Lichterfelde“. Das Gutshaus Lichterfelde steht seit 1999 unter Trägerschaft des Stadtteilzentrums Steglitz e.V. Die Kita im Haus und das Nachbarschaftscafé machen das Gutshaus zu einem Treffpunkt für Familien und Nachbarn im unmittelbaren Umfeld. Bei dem Mitternachtströdel durfte jeder mitmachen, der seinen eigenen Tisch mitbrachte und einen Kuchen für die Allgemeinheit spendete. Im diesem Jahr war die Sonne dem Fest gewogen, so dass schon der Aufbau mit viel Vorfreude und gegenseitiger Hilfe vonstattengehen konnte. Besucher, die vom Spaziergang aus dem Park oder direkt zum Fest kamen, konnten gemütlich beim Trödel stöbern, Kuchen oder eine Grillwurst essen. Es wurde gehandelt, man konnte sich austauschen, diskutieren, erzählen, kennenlernen, gemeinsam lachen und überall den lustigen Spielen der Kinder zuschauen. Das ist gelebte Nachbarschaft, die mit einem Lagerfeuer in der Mitte ihr Ende fand. Diejenigen, die sich beim Bäcker, beim Einkauf oder im Nachbarschaftscafé in den nächsten Tagen wieder begegnen, werden sich garantiert ein Lächeln schenken. Gemeinsame Feste schaffen Verbundenheit, Nähe und Vertrauen.

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Auch im privaten kenne ich meine Nachbarschaft sehr gut. Gegenseitige Akzeptanz und Hilfe ist an der Tagesordnung, ein freundliches Grüßen, ein nettes Gespräch immer gegeben. Die nachbarschaftliche Arbeit, die von den freien Trägern geleistet wird, habe ich überhaupt erst in Berlin kennengelernt. Lässt man sich darauf ein, wird diese große Stadt doch sehr menschlich und bekommt ein freundliches Gesicht.

Leitartikel der Homepage des Stadtteilzentrum Steglitz e.V.
vom 29. Mai 2014