Mein Bildschirmschoner heißt „Ich habe gute Laune!“

Meine Kaffeetasse steht unter dem Vollautomat und ich warte, dass die Bohnen fertig gemahlen mit heißem Wasser das wichtige Morgengetränk bereiten. Während ich warte, kommt mein Chef dazu, wir wechseln ein paar Sätze und kommen auf die am nächsten Tag geplanten Klausurtagung. Einmal im Jahr treffen sich alle ProjektleiterInnen des Stadtteilzentrums Steglitz e.V. um zukunftsweisende Themen zu erarbeiten. In diesem Jahr steht der Tag unter dem Thema „Leiten und Führen!“ Ich beschwere mich ein bisschen, dass meine Motivation bei dem Thema nicht sehr groß ist. In meiner Funktion gehöre ich keinem Team an, leite und führe nicht, sondern bin eher ein Einzelkämpfer. Klar muss ich immer wieder alle MitarbeiterInnen für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit begeistern, aber direkte Personaltätigkeiten habe ich nicht. Der Chef, Thomas Mampel – falls ich es noch nie erwähnt habe – gibt mir zu bedenken, dass ich quasi doch mich selbst leiten und führen muss. Wie es denn mit meiner Selbstmotivation aussieht, was ja auch zu „leiten und führen“ gehört. Sofort und noch während er mir das Thema schmackhaft macht, fängt mein Kopf an zu arbeiten (sogar noch ohne Kaffee). Selbstmotivation ist von Natur aus ein sehr beliebtes Thema, mit dem ich mich oft, bewusst und gerne beschäftige. Der Klausurtag ist in Form eines Barcamps geplant. Jeder kann sein Thema einbringen und versuchen dafür Interessierte zum Austausch zu finden. Mein Thema steht also fest.

Am Klausurtag biete ich dieses Thema an und trotz vieler interessanter, parallel laufender Themen, sitzen wir in einer kleinen Runde und beschäftigen uns mit den Dingen, die uns selber Motor und Antrieb sind. Dabei stellte sich sehr schnell heraus, wie unterschiedlich Selbstmotivation je nach Charakter aufgefasst und genutzt wird. Braucht der eine kleine Rituale, ist es beim anderen die Rückmeldung und beim dritten die Vorstellung eines erreichten Ziels. Das Erledigt-Häkchen war genauso dabei, wie ein Erfolgstagebuch oder Motivation durch Musik. Dem einen Kollegen hilft die Möglichkeit Aufgaben auf das einfachste herunterzubrechen, dem anderen die Freiheit und das Vertrauen seinen Arbeits- und Aufgabenbereich selber zu gestalten. Wir haben wirklich eine Menge Aspekte gefunden, die unsere Selbstmotivation stärken, aber einen gemeinsamen Nenner dafür nicht.

Ich wage zu bezweifeln, dass es einen ausschlaggebenden Aspekt der Selbstmotivation gibt. Je nachdem in welchem Kontext ich mich bewege, müssen jeweils andere Aspekte greifen, die mich in meinem Handeln führen, bestärken und antreiben. Ist es das eine Mal eine positive Vorstellung, kann es ein anderes Mal eine reale Belohnung sein und ein drittes Mal ein erleichtertes Aufatmen. Selbstmotivation spiegelt meine persönliche Haltung und Lebenseinstellung wider und ist eine Fähigkeit, die ich erlernen und pflegen kann. Trainiere ich sie, kann sie treue und sehr effektive Dienste leisten, die mein Handeln in allen Facetten positiv voranbringen. Schon Kinder sollten sehr früh die Möglichkeit und Fähigkeit erlernen, das „Selbst“ zu leben, zu probieren, zu entscheiden und so eigene Erfolge zu erleben. Erlebte Erfolge graben sich tief ins Bewusstsein ein, die künftige Aufgaben beeinflussen. Das „stolz sein“ etwas geschafft zu haben, beflügelt und motiviert im Folgenden.

Im Internet finde ich Seiten voll mit Listen, die alle möglichen Formen der Selbstmotivation anbieten. Motivation durch: erkannten Sinn und Zweck einer Aufgabe, … messbare und realistische Ziele, … machbare Teilaufgaben, … durch Klarheit, … durch Vereinfachung, … Zielvorstellungen, … durch Niederlagen als Lernschritte, … dadurch negative Denkbarrieren abzuschalten, … durch Gefühl, … durch Belohnung, … durch feste Zeitpunkte, … durch bewusste Auszeiten, … durch Druck, … durch kleine Rituale, … durch To-do-Listen, … durch ein Erfolgstagebuch, … durch Verbündete, … durch Rückmeldung, … durch Vorbilder, … durch Weiterentwicklung, … durch Lachen und positives Denken, … durch Energiequellen, … durch Musik, … durch Mut, … durch Kreativität, … selber andere Motivieren. Ganz egal, was gerade als Motivation greift, ist die Selbstmotivation grundsätzlich von dem Willen beeinflusst, etwas erreichen zu wollen.

Mein persönlich stärkster Motivator ist vornehmlich der Optimismus. Sicherlich von manchen hin und wieder belächelt, hilft es mir immer das Gute einer Sache zu betrachten und positive Umstände zu schaffen. Natürlich kann ich auch schlecht gelaunt sein, wütend werden, irgendjemanden so richtig blöde finden, entsetzt sein oder übelst schimpfen. Ich kann meinen inneren Schweinehund in die Hölle wünschen und mich selber dafür verfluchen. In der Regel halte ich es in dem Zustand jedoch nicht lange aus. Über die „Kraft des positiven Denkens“ haben meine Großeltern schon viel geredet und irgendwann ist der Funke auf mich übergegangen. Ich bin von der positiven Selbstsuggestion überzeugt. Mein Denken steuert mein Handeln, was ein bewusster Prozess und eine klare Entscheidung ist. Optimismus und positives Denken hat nichts damit zu tun, sich die Welt schön zu färben, hilft jedoch enorm sich in ihr erfolgreich zu bewegen.

Den Optimismus muss ich natürlich auch trainieren, dies ganz besonders, wenn sich widrige Umstände auftun. Aber ich habe meine kleinen Hilfen: Als Bildschirmschoner steht bei mir der Satz „Ich habe gute Laune!“. Meine Passwörter sind immer ein positiver Satz. Ich gehe an fast keinem Spiegel vorbei, in dem ich mir kein Lächeln schenke (auch wenn ich muffelig bin). Ich liebe Smileys, als Aufkleber oder wenn ich schreibe. Schöne Dinge machen mir gute Laune, was sich z.B. in zahllosen Blumenbildern wiederfindet. Und noch ein paar andere Sachen. Mit Optimismus, positivem Denken, Humor, Offenheit und einer guten Portion Selbstironie ist man, denke ich, recht gut aufgestellt und gut in der Lage sich selbst zu motivieren. Das mit dem Schweinehund trainiere ich noch, immer wieder, mal mehr oder weniger erfolgreich … 😉

Und wenn’s mal nicht klappt mit der Selbstmotivation? Nun, ich habe gelernt, dass man manchen Dingen ihren Lauf lassen muss. Fehlt eine gute Idee, lieber einer anderen Aufgabe zuwenden und später weiter machen. Wenn der Antrieb fehlt, einfach mal akzeptieren, dass ich nicht immer 100 % geben kann (99 % tun es auch 🙂 ). Der Schweinehund hat mal wieder gewonnen? Neue Strategien planen … Das wichtigste mit der Selbstmotivation ist, dass wir ehrlich mit uns selbst sind, sozusagen Experten in eigener Sache – dann klappt es! Bestimmt!

Nur alte Familiengeschichten?

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Es geht mir seit Tagen durch dem Kopf: Durch die Blogparade, die eine Resonanz bekommen hat mit der ich nicht gerechnet hatte, habe ich viele bewundernswerte Beiträge gelesen, die sich für eine offene, tolerante Gesellschaft aussprechen. Beiträge, die sich gegen Menschenverachtung und die Diskriminierung nicht nur von Menschen, sondern auch unserer Werte und Freiheiten richten. Beiträge, die mir Mut und Hoffnung machen und zeigen, dass ich mit meinen Ansichten in keiner Weise alleine bin. Wenn ich vom Blog in soziale Medien wechsele kommt die Ernüchterung durch zahlreiche Nachrichten aus der aktuellen Lage im Land. Lese ich dort, stellen sich mir immer wieder die Fragen: Wie kann es kommen, dass so viele Menschen nach Rechts tendieren oder mit unfassbarer Gleichgültigkeit, Dinge hinnehmen, die weder zeitgemäß sind, noch in ein modernes Land passen? Lesen sie nicht? Hören sie nicht zu? Begreifen sie nicht oder haben alles vergessen, was aufgeschrieben und erzählt wurde?

Natürlich kann man jede Haltung mit Unzufriedenheit über Politik, über Schwächen im sozialen System, über Berührungsängste und vielem anderen erklären. Aber das allein lässt nicht wirklich begreifen, warum Menschen Parteien wählen, die sie selber in letzter Konsequenz in ihren Freiheiten und Rechten massiv einschränken würde. Ich fürchte fast, dass es mit etwas zusammenhängt, was Uwe Junge von der Partei sagt, die eben keine Alternative ist: „Wir dürften die deutsche Geschichte nicht allein auf die 12 Jahre des Krieges reduzieren. Es wäre natürlich ein Schandfleck der deutschen Geschichte, wäre beileibe aber nicht alles, was die deutsche Geschichte ausmacht.“ Das hört sich rein rational richtig an. Es lässt aber vollkommen außer Acht, wie es zu diesen 12 Jahren kommen konnte und welche Auswirkungen eben diese Jahre nicht nur auf mehr als 6 Millionen tote Menschen hatte, sondern auch auf die Bevölkerung dieses und vieler anderer Länder sowie nachfolgenden Generationen bis heute. Hin und wieder höre ich auch, dass Leute sagen, sie wären im Krieg nicht dabei gewesen, hätten damals noch nicht gelebt, es wäre so lange schon vorbei und müsse auch mal gut sein. Muss es nicht, denn das was wir aktuell erleben, hat seinen unmittelbaren Ursprung in eben jener Zeit. Sind wir Geschichtsmüde geworden?

Doch bevor ich über andere urteile, muss ich bei mir selber schauen. Wenn ich das diesbezüglich tue, stoße ich oft und immer wieder über die in diesem Land ungeliebte Geschichte. Natürlich könnte ich versuchen darüber hinwegzusehen, es ignorieren oder leugnen, aber es hat direkt mit mir selber zu tun und wenn ich das verstehe, kann ich vielleicht auch die anderen verstehen. Ein Beispiel: Wir räumen das Haus der Schwiegermutter leer. In einer Schublade sind verschiedenste Unterlagen gesammelt. Darunter ist ein unscheinbarer A5 Umschlag. Als wir ihn öffnen, finden wir einen 10-seitigen Bericht eines Marinearztes, der die Zerstörung der Stadt Lübeck in der Nacht vom 28.3.1942 beschreibt. Es sind 10 Schreibmaschinenseiten, kein Durchschlag, dabei liegen zwei Zeitungsartikel in alten Drucklettern gesetzt, die den persönlichen Bericht unterstützen. Es ist ein Dokument, das uns erschüttert. Wir finden in der Kürze nicht heraus, was es mit der Familiengeschichte zu tun hat oder wie es in diese Schublade kam. Wir werden uns damit beschäftigen müssen. Ein zweites Beispiel: Ich stehe in einer Buchhandlung und sehe ein Buch in der Auslage. Der Titel besteht aus einem Wort und ich weiß sofort, dass ich angesprochen bin, dass dieses Buch von meiner Generation erzählt und ich es kaufen werde. Es heißt „Kriegsenkel“, wurde von Sabine Bode geschrieben. Erst später erfahre ich, dass es drei Bücher sind – „Die vergesse Generation“ und „Kriegskinder“ runden die Reihe ab. Die Bücher behandeln die Kriegstraumata unserer Großeltern und Eltern, die bis in die heutigen Generationen hineinwirken. Es ist so logisch und klar, was in diesen Büchern beschrieben wird, insbesondere ist es aber eine klare Auseinandersetzung damit, dass wir uns eben nicht mit der Vergangenheit in ausreichenden Maßen beschäftigt haben. Solche Beispiele laufen mir immer wieder über den Weg.

Es gibt keine Familie bei uns, die nicht irgendwo verdrängte Erlebnisse aus der Kriegs- und Nachkriegszeit hat, die nicht von der Teilung Deutschlands und der Wiedervereinigung betroffen war und ist. Es wurde zu keiner Zeit gerne darüber geredet, was diese Ereignisse mit den Familien gemacht haben und wie Lebensläufe dadurch verändert und beeinflusst wurden. In den Schulen wurde viel über die NS-Zeit gelehrt, im öffentlichen Bewusstsein das Gedenken hochgehalten, was es aber im engsten Kreis für Nachwirkungen mit sich zog, wurde stillschweigend erlebt und hingenommen. So gab es beispielsweise in meiner Großelterngeneration zwei politische Richtungen. Die eine Familie lebte und begrüßte das nationalsozialistische Gedankengut. Darin wurde mein Vater groß. Die andere Familie lebte nach sozialistischen, eher kommunistischen Lehren, worin meine Mutter aufwuchs. Meine Eltern habe ich nicht anders erlebt als weltoffene und an fremden Nationen interessierte Menschen. Mit den einen Großeltern war ein Gespräch über Vergangenheit unmöglich, die anderen sprachen oft darüber. Mein Vater sprach oft über Toleranz, Menschenachtung, Motivation und Wertschätzung und es war ein dringendes Bestreben in ihm, das seinen Kindern mitzugeben, in einer Intensität, die uns Kinder eher belastet hat. Warum er, aus einem nationalsozialistischen Elternhaus kommend, seine Ansichten und sein Leben so drastisch änderte, konnte auch meine Mutter nicht mehr beantworten. Heute würde ich andere Fragen stellen als damals. Ihn kann ich nicht mehr fragen.

Auch in der Familie meines Mannes hat die Vergangenheit gravierende Spuren hinterlassen. Sie haben Nachwirkungen bis heute: Die demente Schwiegermutter beschwört von Zeit zu Zeit immer wieder, dass die Papiere des Vaters nicht den Russen in die Hände fallen dürften. Die Familie war Jahrzehnte durch die jeweils Herrschenden schwer belastet. Als Sozialdemokrat unter NS-Herrschaft wurde der Großvater meines Mannes inhaftiert, konnte sich aber durch hohe Fürsprecher in der Marine und im NS-Stab über die Zeit retten. In der DDR Zeit wurde er als NS-Verfolgter nicht enteignet, musste aber Haftzeiten und Repressalien wegen seiner offenen Meinung ertragen. Schulbesuche und gewünschte Ausbildung- und Studiengänge der Kinder wurden immer wieder deshalb blockiert. Letztendlich ist mein Mann ein mit 6 Jahren aus der DDR freigekauftes Kind, damit er bei seiner Mutter im Westen aufwachsen konnte. Die Teilung Deutschlands trennte Geschwister auf Jahrzehnte.

Es sind so viele Ereignisse und Umstände, die bis heute Auswirkungen haben und nicht wirklich verarbeitet sind. Die unterdrückten Erlebnisse und Emotionen der Eltern- und Großelterngeneration wirken bei uns nach, so sehr man auch verstehen kann, dass sie erst mal vordergründig wieder ein ’normales‘ Leben haben wollten. Ich denke, dass unsere Kinder die erste Generation in Deutschland sind, die weitgehend unbelastet von der Vergangenheit aufwachsen. Ihnen ist das Gefühl, vor einer Mauer zu stehen und ein- oder ausgeschlossen zu sein, nicht mehr zu erklären. Ihnen muss klar gemacht werden in welchen Luxus an Freiheit sie aufwachsen und welches Glück sie haben „zufällig“ in diesem sicheren Teil der Erde aufwachsen zu können. Um ihnen das klar zu machen, müssen wir den Älteren zuhören und sie erzählen lassen – ihnen zur Entlastung und uns zur Warnung. Dabei geht es in keiner Weise um Schuld. Geschehenes ist vorbei, nicht wieder gut zu machen und jeder handelt aus seinem aktuellen Konsens heraus. Es geht auch nicht um Scham, denn wer von uns könnte beschwören, dass er aus Angst nicht nachgibt. Es geht darum zu verhindern, dass es wieder passiert. Darum, den Jüngeren bewusst zu machen, was wir zu erwarten haben, wenn wir uns zu leicht beeinflussen und blenden lassen.

Geschichtsbewusstsein darf nicht müde werden, aber vielleicht hören von den Jüngeren mehr zu, wenn sie hören: „Ich habe erlebt …!“ statt „Im Jahr 1943 flogen die Alliierten …!“ Wenn sie merken, dass die Erlebnisse tatsächlich mit uns persönlich zu tun haben, als wenn es Seiten in einem Buch sind, die für die nächste Klausur gelernt sein müssen. Mit sich selber ehrlich sein – Fragen, wen wir noch fragen können – versöhnen, wenn die Möglichkeit besteht … wären Wege Geschichte zu bewältigen. Niemals verstehen werde ich diejenigen, die all dies von sich weisen, offenen Auges und bewusst in die nächste Katastrophe hineinrennen – und wie viele Tausende mitreißen …

Türen öffnen …

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Ich ging durch eine Winterstraße und kam an einer Tür vorbei,
die wirkte fest und auch sehr sicher, ging sicherlich nicht schnell entzwei.
Sie war sehr schön und gut beleuchtet, der Anblick lies mich nicht mehr los,
doch stand ich zweifelnd auf dem Weg – was ist denn ihre Botschaft bloß?

Wird sie sich öffnen, mich empfangen, darf ich der Gast des Hauses sein?
Bleibt sie verschlossen, weist mich ab, lässt keine Fremden dort hinein?
Was ist dahinter? Wie ist der Mensch, der hinter dieser Türe lebt?
Wie ist sein Geist, was ist das Ziel, das hier durch diese Räume schwebt.

Viel weiter führte mich mein Weg durch diese ruhige Winternacht,
Offen die Tür oder verschlossen – ich habe noch viel nachgedacht.
Bevor ich deine Tür betrachte, wie sieht’s mit meiner eig’nen aus?
Was denkt der fremde Mensch, der steht vor meinem Haus?

Was siehst du, wenn du meine Tür von außen musst betrachtest?
Fühlst du dich eingeladen wohl oder sogar verachtet.
Steht meine eigene Tür zuhaus‘ dem Fremden auf und lässt ihn rein,
Oder leb’ ich doch lieber hier für mich und ganz allein?

Und so verglich ich dann – den Mensch, ja mich, mit meiner Türe.
Was steht als erstes wohl bei mir, wenn ich den Türgriff führe?
Ist es die Neugier und das Öffnen, das meine Tür bewegt
Oder die Angst und Sicherheit, die mein Gefühl hier regt?

Ob Tür, ob Tor, ob der Gedanke, der Wissensdurst oder mein Herz,
Ich möchte offen sein für alles – Verweigerung bringt mir Schmerz.
Ich möchte hören, fühlen, sehen, was dich wohl mag bewegen,
Mit dir gemeinsam mag ich hier den Grundstein für die Zukunft legen.

Die Türen, da sind sie alle gleich, haben ein Schloss und einen Griff,
Es ist der Mensch, der dieses nutzt, der Tür gibt ihren letzten Schliff.
So lassen wir, wer will, hinein ist er in seinem Denken gut,
Dann können wir das Anderssein, betrachten mit viel Mut …

… und schöpfen aus dem Topf des anderen, der dann – ist seine Zeit gekommen,
Auch seine Tür wird öffnen mir – ganz frei und unbenommen!

 

Dieses Jahr war ganz ohne Zweifel von den vielen Menschen geprägt, die bei uns Zuflucht und Schutz gesucht haben. Es war aber auch dadurch geprägt, wie unterschiedlich die Bereitschaft aller hier lebenden Menschen ist, sich auf neue Dinge und Fremdes einzulassen. Gerade zur Weihnachtszeit, die mit einer Flüchtlingsgeschichte begann, ist es wichtig, sich selber zu hinterfragen und seine eigene Bereitschaft zu prüfen, neuen Entwicklungen den Raum zu geben, in dem sie sich entfalten können. Fremden Menschen die Möglichkeit zu geben ihr Können und Vermögen zu zeigen und in die Gemeinschaft mit einzubringen. Gewinnen tun letztendlich unsere Kinder, wenn wir uns für eine offene, multikulturelle und moderne Gesellschaft einsetzen.

Ich wünsche allen ein wunderschönes Weihnachtsfest, ganz gleichgültig, ob in der Religion oder einem anderen Glauben verwurzelt. Wichtig ist, dass wir überhaupt etwas glauben … zum Beispiel an eine gute, erfüllte Zukunft!

Frohe Weihnachten!

Begeisterung, Mut, Engagement und ein großes Problem

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Begeisterung, Mut und Engagement … starke Worte, aber ohne die geht’s nicht. Wir sitzen in einem kleinen Büro und beide Frauen erzählen von ihrem Projekt, von dem großen Problem und ihren Hoffnungen. Mit jedem Wort, das sie aussprechen, ist es spürbar – die ungebrochene Begeisterung für die Sache, der Mut sich dafür einzusetzen und das unglaubliche Engagement, das dahinter steckt. Marion Herzog und Barbara Posern erzählen vom „Rumpelbasar“ – ihrem Sozialkaufhaus – aber es ist weit mehr als das!

Liest man die Liste der Abteilungen, glaubt man sich in einem normalen Kaufhaus wiederzufinden. Haushaltswaren, Kleidung, Wäsche, Accessoires, Kinder, Bücher, Möbel, Elektrozubehör … alles da. Nur die letzte Abteilung offenbart dann, um welche Art Kaufhaus es sich handelt: Spendenannahme. Alles, was sich in diesem Kaufhaus finden lässt, kommt aus Haushalten, in denen es keine Verwendung mehr fand. Statt den Weg in den Müll zu nehmen, wurde es im Rumpelbasar abgegeben und nach Begutachtung einsortiert. Dort suchen die Sachspenden neue Besitzer und weitere Verwendung. Für wenig Geld kann man hier allerlei finden. Wenn man aufmerksam schaut, sicherlich das ein oder andere Schnäppchen machen oder eine besondere Sammlung ergänzen. Sparen kann hier jeder, denn alles, was angeboten wird ist in einwandfreiem Zustand, nur eben nicht fabrikneu. Der Rumpelbasar steht allen Menschen offen. Denjenigen, die gut haushalten müssen, denjenigen, die sparen möchten und denjenigen, die Spaß am Trödeln haben und zu den Jägern und Sammlern gehören. Es macht Spaß, sich in den Räumen umzuschauen und etwas ältere Jahrgänge finden sich bei manchem Gegenstand, beispielsweise einer schönen Sammeltasse, in ihren Erinnerungen wieder.

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Mit einem Aufruf im Gemeindebrief fand der Rumpelbasar 1970 seinen Ursprung. „Nichts wegzuwerfen, was andere noch gebrauchen können.“ war der Grundgedanke des Projektes in Zehlendorf. Es entwickelte sich durch die Jahre immer weiter. Allein im ersten Jahr konnten so 5000 D-Mark gesammelt werden. Im Jahr 2001 wagten dann die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen den Schritt in die Eigenständigkeit und gründeten den gemeinnützigen Verein „Rumpelbasar e.V.“. Heute arbeitet der Verein mit 45 ehrenamtlichen Helfern. Zehn davon sind auch Mitglieder des Vereins und allein zwei Männer sind fest angestellt. Arbeit ist für alle 45 Helfer reichlich vorhanden, denn tatsächlich alles, was hier verkauft wird, ist gespendet. Die Spenden, die gebracht oder abgeholt werden, müssen gesichtet, sortiert, gelagert werden. Schaut man sich im Rumpelbasar um, wird einem sofort klar, welch logistische Aufgabe es ist, bei so vielen Sachen die Übersicht zu behalten. Buchhaltung, Verwaltung, Kommunikation, Administration sind weitere Beispiele für Aufgabe, die neben dem reinen Verkauf erledigt werden müssen und selbst die 45 Helfer manchmal an zeitliche Grenzen stoßen lassen.

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Dieses Kaufhaus macht Gewinn und ist ein Gewinn für alle, die davon profitieren dürfen. Sind die Unkosten, wie Miete, Strom, Benzin und ähnliches gedeckt, geht der Überschuss in soziale Projekte, die Unterstützung und Hilfe benötigen. Unterstützt wird in zwei Formen: Zum einen können Einrichtungen und Projekte um Sachmittel bitten. Wenn beispielsweise eine Mutter-Kind-Einrichtung Erstausstattungen für Säuglinge oder ein Jugendprojekt Winterkleidung benötigt, werden gezielt die entsprechenden Sachen gepackt und dem Projekt zur Verfügung gestellt. Zum anderen kann finanzielle Unterstützung erbeten werden. Zweimal im Jahr wird den Projekten finanziell und zweckgebunden geholfen, wodurch manches möglich gemacht wird, was aus anderen Mittel nicht bezahlt werden kann. Die Auswahl der Begünstigten wird gut geprüft und Unterstützung gibt es nur, wenn die Projekte weiterhin begleitet werden dürfen. Entschieden, wer begünstigt wird, wird stets gemeinsam in der Mitgliederversammlung des Vereins. Nicht ohne berechtigtem Stolz erzählt Marion Herzog, dass so über die Jahre schon über eine Million Euro an gemeinnützige Projekte und Vereine weitergegeben werden konnte.

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Noch etwas anderes hat sich über die Jahre entwickelt, dass man bei solchen Engagement nicht unterschätzen darf. Die menschliche Komponente ist in jedem Winkel des Kaufhauses zu spüren. So erzählt Barbara Posen von der einen Kundin, die nach einem Umzug Fotos der Eröffnungsfeier in Rahmen zu einer Collage zusammenfügte und für die noch weißen Wände vorbeibrachte. Eine andere Unterstützerin malte gar für die Sitz- und Kaffee-Ecke drei wunderschöne große Blumenbilder, die den ganzen Raum nun schmücken. Viele Unterstützer, Spender, Freunde und treue Kunden begleiten den Rumpelbasar seit vielen Jahren. Und auch wenn es nicht das Ziel oder die Aufgabe des Kaufhauses ist, bekam hier schon mancher den richtigen Tipp oder Hinweis für ein kleines Problem.

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Noch aus der Zeit, in der die Idee entstand einen gemeinnützigen Verein zu gründen, kennen Veronika und Thomas Mampel den Rumpelbasar und seine Gründerinnen. Sie besuchten den Rumpelbasar damals für zwei Stunden und Veronika Mampel erzählt, dass sie schon damals den Elan, die Vision und das Leuchten in den Augen der Gründerinnen wahrnehmen konnte. Sie bestärkten die Frauen ihrem Mut zu folgen und boten Hilfe im Rahmen des eigenen Vereins, des Stadtteilzentrums Steglitz e.V., an. Das ist lange her und auch das Stadtteilzentrum war im Rahmen seiner Kinder- und Jugendarbeit sehr oft dankbar Unterstützung zu bekommen. So konnten Kinderreisen oder besondere Ferienprojekte mitfinanziert werden, für die anderenfalls keine Mittel zur Verfügung gestanden hätten. Über die Jahre hat sich eine erfolgreiche und fruchtbare Zusammenarbeit gefestigt.

Marion Herzog und Connie Ehlers stellvertretend für alle ehrenamtlichen HelferInnen des Rumpelbasars

Marion Herzog und Connie Ehlers stellvertretend für alle ehrenamtlichen HelferInnen des Rumpelbasars

Begeisterung, Mut und Engagement … aber auch ein großes Problem. Das Objekt in dem der Rumpelbasar zur Zeit beheimatet ist, wurde verkauft. Zum 31. Dezember 2015 stehen dem Projekt keine Räume mehr zur Verfügung. Es muss dringend ein neuer Ort gefunden werden, der den Rumpelbasar auf einer Fläche von etwa 800 qm weiter bestehen lässt. Und auch, wenn Sie denken, dass sie keine Räume zur Verfügung haben – helfen Sie indem Sie es jedem weiter erzählen. Fragen Sie, wo sie leere Räume sehen. Machen Sie sich für dieses Projekt stark, wenn Sie gute Kontakte haben. Unterstützen sie den Rumpelbasar mit Ihrer Begeisterung, ihrem Mut und Engagement … ein Projekt, dass in seinem Anspruch zeitgemäß, nachhaltig und aktueller denn je ist.

Rumpelbasar Zehlendorf e.V.
Am Stichkanal 2 – 4, 14167 Berlin
(Ecke Goerzallee, Nähe OBI, Bus 285)

www.rumpelbasar-zehlendorf.de

Öffnungszeiten (Verkauf und Spendenannaheme):
Dienstag 9.30 – 11.30 Uhr, Mittwoch 17.00 – 19.00 Uhr.

Telefon: 030 84 72 20 23 montags + donnerstags zwischen 10.00 – 12.00 Uhr.
Außerhalb dieser Zeiten läuft der Anrufbeantworter.