Begeisterung, Mut, Engagement und ein großes Problem

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Begeisterung, Mut und Engagement … starke Worte, aber ohne die geht’s nicht. Wir sitzen in einem kleinen Büro und beide Frauen erzählen von ihrem Projekt, von dem großen Problem und ihren Hoffnungen. Mit jedem Wort, das sie aussprechen, ist es spürbar – die ungebrochene Begeisterung für die Sache, der Mut sich dafür einzusetzen und das unglaubliche Engagement, das dahinter steckt. Marion Herzog und Barbara Posern erzählen vom „Rumpelbasar“ – ihrem Sozialkaufhaus – aber es ist weit mehr als das!

Liest man die Liste der Abteilungen, glaubt man sich in einem normalen Kaufhaus wiederzufinden. Haushaltswaren, Kleidung, Wäsche, Accessoires, Kinder, Bücher, Möbel, Elektrozubehör … alles da. Nur die letzte Abteilung offenbart dann, um welche Art Kaufhaus es sich handelt: Spendenannahme. Alles, was sich in diesem Kaufhaus finden lässt, kommt aus Haushalten, in denen es keine Verwendung mehr fand. Statt den Weg in den Müll zu nehmen, wurde es im Rumpelbasar abgegeben und nach Begutachtung einsortiert. Dort suchen die Sachspenden neue Besitzer und weitere Verwendung. Für wenig Geld kann man hier allerlei finden. Wenn man aufmerksam schaut, sicherlich das ein oder andere Schnäppchen machen oder eine besondere Sammlung ergänzen. Sparen kann hier jeder, denn alles, was angeboten wird ist in einwandfreiem Zustand, nur eben nicht fabrikneu. Der Rumpelbasar steht allen Menschen offen. Denjenigen, die gut haushalten müssen, denjenigen, die sparen möchten und denjenigen, die Spaß am Trödeln haben und zu den Jägern und Sammlern gehören. Es macht Spaß, sich in den Räumen umzuschauen und etwas ältere Jahrgänge finden sich bei manchem Gegenstand, beispielsweise einer schönen Sammeltasse, in ihren Erinnerungen wieder.

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Mit einem Aufruf im Gemeindebrief fand der Rumpelbasar 1970 seinen Ursprung. „Nichts wegzuwerfen, was andere noch gebrauchen können.“ war der Grundgedanke des Projektes in Zehlendorf. Es entwickelte sich durch die Jahre immer weiter. Allein im ersten Jahr konnten so 5000 D-Mark gesammelt werden. Im Jahr 2001 wagten dann die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen den Schritt in die Eigenständigkeit und gründeten den gemeinnützigen Verein „Rumpelbasar e.V.“. Heute arbeitet der Verein mit 45 ehrenamtlichen Helfern. Zehn davon sind auch Mitglieder des Vereins und allein zwei Männer sind fest angestellt. Arbeit ist für alle 45 Helfer reichlich vorhanden, denn tatsächlich alles, was hier verkauft wird, ist gespendet. Die Spenden, die gebracht oder abgeholt werden, müssen gesichtet, sortiert, gelagert werden. Schaut man sich im Rumpelbasar um, wird einem sofort klar, welch logistische Aufgabe es ist, bei so vielen Sachen die Übersicht zu behalten. Buchhaltung, Verwaltung, Kommunikation, Administration sind weitere Beispiele für Aufgabe, die neben dem reinen Verkauf erledigt werden müssen und selbst die 45 Helfer manchmal an zeitliche Grenzen stoßen lassen.

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Dieses Kaufhaus macht Gewinn und ist ein Gewinn für alle, die davon profitieren dürfen. Sind die Unkosten, wie Miete, Strom, Benzin und ähnliches gedeckt, geht der Überschuss in soziale Projekte, die Unterstützung und Hilfe benötigen. Unterstützt wird in zwei Formen: Zum einen können Einrichtungen und Projekte um Sachmittel bitten. Wenn beispielsweise eine Mutter-Kind-Einrichtung Erstausstattungen für Säuglinge oder ein Jugendprojekt Winterkleidung benötigt, werden gezielt die entsprechenden Sachen gepackt und dem Projekt zur Verfügung gestellt. Zum anderen kann finanzielle Unterstützung erbeten werden. Zweimal im Jahr wird den Projekten finanziell und zweckgebunden geholfen, wodurch manches möglich gemacht wird, was aus anderen Mittel nicht bezahlt werden kann. Die Auswahl der Begünstigten wird gut geprüft und Unterstützung gibt es nur, wenn die Projekte weiterhin begleitet werden dürfen. Entschieden, wer begünstigt wird, wird stets gemeinsam in der Mitgliederversammlung des Vereins. Nicht ohne berechtigtem Stolz erzählt Marion Herzog, dass so über die Jahre schon über eine Million Euro an gemeinnützige Projekte und Vereine weitergegeben werden konnte.

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Noch etwas anderes hat sich über die Jahre entwickelt, dass man bei solchen Engagement nicht unterschätzen darf. Die menschliche Komponente ist in jedem Winkel des Kaufhauses zu spüren. So erzählt Barbara Posen von der einen Kundin, die nach einem Umzug Fotos der Eröffnungsfeier in Rahmen zu einer Collage zusammenfügte und für die noch weißen Wände vorbeibrachte. Eine andere Unterstützerin malte gar für die Sitz- und Kaffee-Ecke drei wunderschöne große Blumenbilder, die den ganzen Raum nun schmücken. Viele Unterstützer, Spender, Freunde und treue Kunden begleiten den Rumpelbasar seit vielen Jahren. Und auch wenn es nicht das Ziel oder die Aufgabe des Kaufhauses ist, bekam hier schon mancher den richtigen Tipp oder Hinweis für ein kleines Problem.

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Noch aus der Zeit, in der die Idee entstand einen gemeinnützigen Verein zu gründen, kennen Veronika und Thomas Mampel den Rumpelbasar und seine Gründerinnen. Sie besuchten den Rumpelbasar damals für zwei Stunden und Veronika Mampel erzählt, dass sie schon damals den Elan, die Vision und das Leuchten in den Augen der Gründerinnen wahrnehmen konnte. Sie bestärkten die Frauen ihrem Mut zu folgen und boten Hilfe im Rahmen des eigenen Vereins, des Stadtteilzentrums Steglitz e.V., an. Das ist lange her und auch das Stadtteilzentrum war im Rahmen seiner Kinder- und Jugendarbeit sehr oft dankbar Unterstützung zu bekommen. So konnten Kinderreisen oder besondere Ferienprojekte mitfinanziert werden, für die anderenfalls keine Mittel zur Verfügung gestanden hätten. Über die Jahre hat sich eine erfolgreiche und fruchtbare Zusammenarbeit gefestigt.

Marion Herzog und Connie Ehlers stellvertretend für alle ehrenamtlichen HelferInnen des Rumpelbasars

Marion Herzog und Connie Ehlers stellvertretend für alle ehrenamtlichen HelferInnen des Rumpelbasars

Begeisterung, Mut und Engagement … aber auch ein großes Problem. Das Objekt in dem der Rumpelbasar zur Zeit beheimatet ist, wurde verkauft. Zum 31. Dezember 2015 stehen dem Projekt keine Räume mehr zur Verfügung. Es muss dringend ein neuer Ort gefunden werden, der den Rumpelbasar auf einer Fläche von etwa 800 qm weiter bestehen lässt. Und auch, wenn Sie denken, dass sie keine Räume zur Verfügung haben – helfen Sie indem Sie es jedem weiter erzählen. Fragen Sie, wo sie leere Räume sehen. Machen Sie sich für dieses Projekt stark, wenn Sie gute Kontakte haben. Unterstützen sie den Rumpelbasar mit Ihrer Begeisterung, ihrem Mut und Engagement … ein Projekt, dass in seinem Anspruch zeitgemäß, nachhaltig und aktueller denn je ist.

Rumpelbasar Zehlendorf e.V.
Am Stichkanal 2 – 4, 14167 Berlin
(Ecke Goerzallee, Nähe OBI, Bus 285)

www.rumpelbasar-zehlendorf.de

Öffnungszeiten (Verkauf und Spendenannaheme):
Dienstag 9.30 – 11.30 Uhr, Mittwoch 17.00 – 19.00 Uhr.

Telefon: 030 84 72 20 23 montags + donnerstags zwischen 10.00 – 12.00 Uhr.
Außerhalb dieser Zeiten läuft der Anrufbeantworter.

Ein Tag ohne Multikulti. – Geht das überhaupt?

Um es gleich vorweg zu sagen – ich bin blond und blauäugig, also germanischer Abstammung. Auch mein Name ist rein deutsch und so kann ich von der Ursprungsgeschichte her schon mal versuchen, einen „rein-deutschen“ Tag zu erleben.

Wach werden … ich habe Glück, denn ich wache immer vor meinem Wecker auf, um ihn rechtzeitig auszustellen. Er ist aus Taiwan. So gehe ich erstmal in die Küche – nein, heute gibt es keinen Kaffee aus Kolumbien, der gute alte Pfefferminztee aus dem Garten muss reichen, um ganz wach zu werden. Im Badezimmer wird es dann schon schwieriger. Zähneputzen mit Colgate geht nicht, der war Amerikaner, also Ajona von einem Schwaben. Beim DuschDas habe ich wieder Glück, die Firma wurde zwar von einem Niederländer, aber auf deutschem Boden gegründet, die weitere Firmengeschichte unterschlage ich hier lieber. Aloe Vera Produkte zum Eincremen sind heute tabu – die Pflanze gibt es nicht in unseren Breitengraden. Beim Anziehen muss ich einfach streiken, denn auch die Baumwolle kommt ursprünglich aus Asien, aber der Herr Fugger hat sie wenigstens ab dem 14. Jahrhundert in Deutschland verarbeitet.

Fertig für den Hundespaziergang habe ich das nächste Problem. Mein Hund ist ein Golden Retriever, eine englische Rasse. Aber er schaut mich mit so bittenden Augen an, dass ich beschließe, mir für einen Tag einzubilden, er sei ein deutscher Schäferhund. Um meine Hundefreunde muss ich heute einen großen Bogen machen. Die eine Freundin kommt aus der Ukraine und die Hunde sind ausnahmslos „Ausländer“. Also gehen mein Hund und ich ganz alleine und einsam am Kanal entlang … und so ein Mist – ausgerechnet heute begegnet mir der nette alte asiatische Herr, der mich immer herzlich grüßt, obwohl wir uns gar nicht kennen. Ich ignoriere ihn und hoffe, dass er mir beim nächsten Mal verzeiht.

Hunderunde geschafft, jetzt noch schnell Brötchen holen. Nein, heute gibt es nicht die günstigen, die als Rohlinge aus Asien eingeflogen werden. Heute muss ich die teuren Brötchen beim Bäcker um die Ecke kaufen, denn das deutsche Handwerk hat (zu recht) seinen Preis. Das Frühstück überstehe ich noch recht gut. Es gibt genug, was das deutsche Land zu bieten hat, aber auf so eingedeutschte Besonderheiten wie Croissants oder Cappuchino muss ich schon verzichten.

Jetzt wird es schwierig, ich muss zur Arbeit gehen. Mein Auto kann ich stehen lassen, denn das kommt aus Tschechien. Aber die 20 Minuten Fussweg überstehe ich ganz gut. Ich überlege mir schon einmal was es zum Abendessen geben soll. Salat kommt nahezu immer aus Holland und auch viele Gemüsesorten wie Paprika, Zucchini, Auberginen oder Mais gibt´s nicht bei uns. Also Kartoffeln mit Kohl und Bratwürstchen, meine Kinder werden wohl kaum begeistert sein. Und auch beim Obst kann ich nicht punkten, denn Bananen, Ananas, Apfelsinen, Melonen und viele andere sind in deutschen Gärten nicht zu finden. Also Pflaumenkompott, es ist ja sowieso Herbstzeit.

Bei der Arbeit muss ich wieder ganz schön mogeln, denn eigentlich darf  ich meinen geliebten PC nicht mal anschauen. Alle technischen Komponenten, die ich zum Arbeiten brauche, stellen schon alleine eine halbe Weltreise dar. Also schreibe ich vorsintflutlich meine Texte mit einem Bleistift, doppelte Arbeit, grummel! Telefonieren ist heute auch nicht, das Handy kommt aus Korea. Ja, und dann mache ich am besten meine Bürotür zu, denn einige liebe KollegInnen kommen aus der Türkei, aus Serbien, aus Polen, aus Schwaben … ok, die Schwaben lassen wir gelten.

Mittagessen und Mittagpause – die  Dönerbude, der Chinese, die Pizzeria, der Mexikaner, der Sushi-Laden fällt aus. Currywurst geht, Pommers auch, der Hamburger ist gestrichen. Dann  verkümmel ich mich doch lieber mit der guten alten Butterstulle mit Leberwurst auf eine Parkbank – und denke nach: Ich gebe auf! Ein Leben ohne Multikulti ist für uns gar nicht möglich und außer einer schrecklichen geschichtlichen Epoche gab es nie einen rein-deutschen Staat. Selbst Preußen war ein Vielvölkerstaat und Zufluchtsland für viele Verfolgte und Andersgläubige (wie Hugenotten, Holländer und Russen). Gleichgültig, was wir anfassen und tun, wohin wir uns bewegen, worüber wir sprechen, in welchen Kreisen wir uns aufhalten – es gibt schon lange kein unbeeinflusstes deutsches Leben mehr.

Die Welt ist bunt und global geworden, die Grenzen sind fast auf der ganzen Welt offen und auch das Internet lässt uns am Leben des ganzen Erdballs teilhaben. Wir haben die Freiheit, uns überall zu bewegen und zu leben. Aber eins müssen wir noch gewaltig in unserer Umgebung verbessern – die Toleranz zu üben  und den enormen Gewinn des Multikulti in unseren kleinen Lebenskreisen zu nutzen.

Stadtteilzeitung Steglitz-Zehlendorf – Ausgabe 162, November 2012