Neubeginn

Es war ein sehr spontaner Entschluss. Nachdem ich den Computer ausgeschaltet hatte, überlegte ich mit dem Hund spazieren zu gehen oder mit ihm zum Friedhof zu fahren. Fünf Minuten später saßen wir im Auto und fuhren los. Ich hatte 14 Tage vermieden daran zu denken, aber jetzt sagte das Bauchgefühl, sei der richtige Zeitpunkt. Gleich an der ersten Ampel fing der Starkregen an. Nun wollte ich es aber durchziehen und fuhr weiter. Auch am Friedhof regnete es noch in Strömen, trotzdem nahm ich Balou an die Leine und wir liefen los.

Ich war mir sicher die Grabstelle sofort zu finden, verlief mich aber hoffnungslos auf diesem riesigen Friedhof. Schließlich fand ich mit der Satellitenansicht des Handys doch die richtige Stelle. Der Hund nahm einen Stock zum Knabbern. Ich stand das erste Mal, tropfnass, am Grab meines Mannes, der 14 Tage zuvor beerdigt worden war. Seit dem 8. Februar bin ich Witwe. Etwas, was ich bei allen Möglichkeiten und Gedanken nie ins Auge gefasst hatte. Ich verbrachte etwas Zeit in der Stille des Bereichs, nur mit dem Geräusch des Regens. Dann nahm ich die Leine wieder auf und drehte mich zum Gehen um. Genau in diesem Moment riss der Himmel auf. Balou und ich gingen unter tropfenden Bäumen, aber mit strahlendem Sonnenschein zum Auto zurück. Es hatte etwas Mystisches: Der erste Besuch am Grab im Regen begonnen und unter der Sonne beendet. Ich hatte ein schönes Gefühl in mir und dachte „Du passt ja doch auf uns auf!“

Seit 10 Wochen bin ich nun alleinstehend. Von Heute auf Morgen war beendet, was ich immer geliebt und geschätzt hatte. Unser einfaches, stinknormales Familienleben mit erwachsenen Kindern, die ihrer Wege gehen, gibt es nicht mehr. Wir waren glücklich, hatten Pläne, haben an Zukunft gedacht, uns auf ein Leben wieder zu zweit gefreut. Es machte uns Spaß, dem anderen eine kleine Freude zu bereiten. Wir hatten uns immer noch etwas zu sagen. Waren einander noch lange nicht müde. Der Plan, als Greise auf einer Bank sitzend, unser Leben noch einmal zu besprechen geht nicht mehr auf. Und doch kann ich, trotz aller Trauer auf eine erfüllte Liebe und glückliche Ehe zurückblicken. Das empfinde ich als Geschenk. Ich hatte den besten Vater für meine Kinder und er war nicht nur mein Ehemann, sondern auch der beste Freund, Schutz, meine Schulter zum Anlehnen und der Mensch, mit dem ich am liebsten meine Zeit verbrachte. Er ist nicht mehr.

Seither kämpfen meine Gedanken. Ich bedenke alle Konsequenzen und überlege, was sich alles ändern wird. Versuche zu erfassen, was das für mich bedeutet. Ich fange an mich einzurichten in diesem neuen Lebensabschnitt – alleine. Ich habe eine neue Freiheit, die ich nie haben wollte, und weiß, je eher ich sie zu schätzen weiß, desto besser komme ich mit ihr klar. Ich wollte das alles nicht, aber muss es doch annehmen.

Verbittern oder in Trauer versinken ist nicht meins. Was wäre wenn … bringt mich nicht weiter. Und nach wie vor spüre ich in mir diese Lust auf Leben, meine permanente Neugierde auf alles, was mir begegnet und den ständigen Drang der Langeweile keine Chance einzuräumen. Ich habe Ideen, ich entwickel Pläne, korrigiere frühere Vorhaben. Nur derjenige, dem ich das alles am liebsten erzählt hätte, fehlt. Ich erzähle es ihm in Gedanken.

Ein Plan ist diesen Blog wieder zu aktivieren. Als die Trauer ganz frisch war, konnte ich sehr guten Freunden schreiben. Ohne Antworten zu erwarten, konnte ich meinen Gedanken Raum geben und sie los lassen. Das hat unheimlich geholfen. Wenn ich etwas schreibe, bekomme ich es schneller aus dem Kopf. Das Schreiben hatte mir schon lange gefehlt, nur waren andere Dinge an der Reihe. Jetzt finde ich den Zeitpunkt gut wieder weiter zu machen. 

Was ich seit Jahren pflege, und sicher von manchem hin und wieder belächelt wurde, ist mein Optimismus. Er ist für mich purer Egoismus mir mein Leben leichter zu machen und Überlebensstrategie. Und genau das rechnet sich jetzt. Besser als Dietrich Bonhoeffer kann ich es nicht sagen: 

„Optimismus ist in seinem Wesen keine Ansicht über die gegenwärtige Situation, sondern er ist eine Lebenskraft, eine Kraft der Hoffnung, wo andere resignierten, eine Kraft, den Kopf hochzuhalten, wenn alles fehlzuschlagen scheint, eine Kraft, Rückschläge zu ertragen …“

Es wird weitergehen und es wird gut weitergehen. Anders als erhofft, aber mit wundervollen Erinnerungen im Gepäck und dem ein oder anderen Gespräch in Gedanken mit ihm. Wie, werdet ihr hin und wieder hier lesen.

Und noch einen Satz habe ich gelesen, der sich gerade in meiner jetzigen Situation, siehe oben, bewahrheitet: Die Sonne scheint immer – auch hinter den Wolken!

Was für ein biblisches Alter

Als wäre es gestern gewesen, kann ich mich sehr gut daran erinnern, wie ich etwa 16-jährig über Ältere nachdachte. Meine Mutter, damals 36 Jahre jung, war für mich jenseits eines erreichbaren Alters. So alt zu werden lang außerhalb meiner Vorstellungskraft. Damals. Das einzige Etappenziel, das ich vor Augen hatte, war 18 Jahre alt zu werden, um die Volljährigkeit zu erhalten. Volljährig werden war mir wichtig, da ich ein mit der Welt auf Konfrontation stehender, immer für zu jung gehaltener Teenager war. Tatsächliche Verbesserungen stellten sich mit der Volljährigkeit nicht wirklich ein. Dennoch glaubte ich, mich nun in der Welt der Erwachsenen allen ebenbürtig zu behaupten können. Die Erkenntnis, dass Erwachsen sein nichts mit der Volljährigkeit zu tun hat, traf mich erst später.

Ich wurde 30 Jahre alt, das war ok. Mit 40 Jahren kamen die ersten Gedanken über das Älterwerden. Der 50 zigste war mein entspanntester Geburtstag und nun – uups – bin ich 60 Jahre alt. Auch dieses Wiegenfest tat nicht weh, zumal ich es seit jeher als Energieverschwendung ansehe, mit etwas zu hadern, was ich eh nicht ändern kann. Ein paar Gedanken mache ich mir trotzdem darum:

Mich fasziniert der Perspektivwechsel, den wir mit steigender Lebenszeit unterliegen. Man wird tatsächlich mit dem Alter erfahrener und ändert die Betrachtungsweise in vielerlei Hinsicht. Dazu kommen angepasste Bedürfnisse, Vorlieben und Interessen. Konnte ich mir als 18-jährige nicht vorstellen, einen Abend zu Hause und ohne meine Freunde zu verbringen, bin ich heute froh, wenn ich nicht unbedingt mehr weg muss. Nahezu jeder von uns hat sicherlich als Kind einmal gedacht, die eigenen Kinder ganz anders zu erziehen als die Eltern. Ganz besonders, wenn wir gerade ein entschiedenes Nein erfahren hatten. Sind die eigenen Kinder dann tatsächlich da, sieht die Sache schon anders aus. Man ertappt sich dabei, wie man den Eltern nachträglich recht gibt oder frühere Entscheidungen nachvollziehen kann. Wir haben viele Dinge in der Erziehung unserer Kinder anders als unsere Eltern gemacht. Allein weil sich die Zeit und das Verständnis zur Pädagogik geändert hatte. Wir haben aber auch viele grundlegende Werte übernommen, weil sie sich bewährt und als richtig erwiesen haben.

Immer schon habe ich bewundernd und respektvoll älteren Menschen zugehört. Sie haben in Zeiten gelebt, die ich nur aus Büchern oder Filmen kennenlernen konnte und kann. Meine Großeltern hatten zwei Weltkriege erlebt und überlebt. Verhältnisse, die wir uns hier überhaupt nicht vorstellen können. Mein Vater hatte immer gesagt, dass er sich nichts mehr wünschte, als dass seine Kinder keinen Krieg erleben müssen. Bisher hat sein Wunsch gehalten. Für viele Kinder in der Welt gilt das nicht. Ich gehöre in eine Generation, deren Großeltern die Kriege erlebten und deren Eltern dort hineingeboren worden sind. Das hat unsere Erziehung bestimmt. Wir sind deren Enkel und hatten das Privileg, ihren Geschichten persönlich zuhören zu dürfen. Meine Mutter kann aus ihren Kindertagen nicht erzählen, ohne den Tränen nahe zu sein. Dieses erzählte Erleben aus der Kriegszeit wird es bald nicht mehr geben. Andere Ereignisse treten in den Vordergrund und bestimmen unsere Geschichten, die den Kindern von Heute mitgegeben werden.

Nun gehöre ich langsam zu denjenigen, die von Früher erzählen können und in der Tat hat sich unser Leben sehr verändert. Die frühen 60er, Kriegsenkel-Generation, ist eine der letzten Generationen, die analog aufgewachsen ist. Wir hatten relativ wenig Spielzeug und im Kinderzimmer nichts, wozu eine Steckdose erforderlich war. Als Jugendliche hatten wir keine Handys. Taschenrechner ab der 10. Klasse waren etwas Besonderes und der ganze Stolz ein eigener Kassettenrekorder und die erste aus dem Radio aufgenommene Musikkassette mit Lieblingsmusik. In der Ausbildung habe ich Bleisatz gelernt, eine Reprokamera per Hand eingestellt, eine Reinzeichnung mit Rapidograf bearbeitet und gezeichnet wurde mit einem Bleistift. Ich weiß, was ein Fadenzähler ist und ein Typometer benutze ich noch heute. Sachen, die mein Schreibprogramm als Fehler oder unbekannte Wörter markiert. Computer eroberten recht schnell in den 90ern unser Leben. Den ersten Privaten kauften mein Mann und ich 1993 als wir zusammen zogen. Das erste Handy bekamen wir 1995. Heute ist beides nicht mehr wegzudenken. Ich bin dankbar, dass ich im Gegensatz zu meinen Kindern analog aufwuchs. Bei ihnen waren diese Geräte von Anfang an dabei, was für mich nicht schlechter, aber eben anders ist. Ihre Selbstverständlichkeit, mit digitalen Programmen, Tools und Inhalten umzugehen, werde ich nicht erreichen. Die Möglichkeiten, die sie haben, waren uns nicht gegeben, allein weil ihre Welt transparenter und kleiner geworden ist.

Der Blick auf einige Gesetze, die in den Jahren geändert wurden, seit dem ich geboren wurde, lohnt ebenfalls. Bis 1977 waren Frauen zur Führung des Haushalts verpflichtet. Der Mann allein konnte bestimmen, ob sie arbeiten gehen durfte oder nicht. 1994 wird der Paragraf 175 abgeschafft, womit Homosexualität nicht mehr strafbar war. Erst seit 1998 wird in Deutschland nicht mehr zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern unterschieden. Seit kurzen 21 Jahren haben Kinder ein Recht auf gewaltfreie Erziehung, sowohl körperlich als auch psychisch. Es ist so unglaublich kurz her, dass diese heutigen Selbstverständlichkeiten beschlossen wurden. Und es ist so unglaublich traurig, wie sehr immer noch um Gleichberechtigung, Kinderschutz, Inklusion, Anerkennung und Respekt allen Geschlechtern gegenüber gekämpft werden muss.

Es ist spannend, das Leben rückwärts zu betrachten und Veränderungen zu beobachten. Manche Jahre und schwierige Entwicklungen hätte ich gerne vermieden, aber genau sie sind sehr prägend gewesen. Und nur alle Jahre zusammen prägen meine heutige Persönlichkeit. Noch einmal Jung sein möchte ich nicht. Natürlich würde ich mich freuen, wenn die Waage etwas anderes anzeigen würde. Den körperlichen Zustand einer 20-Jährigen würde ich mir auch heute gerne gefallen lassen. Alles noch einmal erleben würde mir aber nichts nutzen. Ich würde vieles vielleicht anders handhaben, aber auch neue Fehler machen. Je älter ich werde, desto entspannter empfinde ich mich im Umgang mit vielen Aspekten. Ich MUSS nicht mehr, ich KANN.

Tja, 60 Jahre und lange noch nicht das Ende. Hoffentlich! Eine Erkenntnis, die für einen Teenager unvorstellbar ist. Meine 80-jährige Mutter ist jetzt mein Vorbild. Ich empfände es als Geschenk so fit, so alt zu werden und auch sie hat noch einige Pläne. Der Blick auf das gelebte Leben ist zuweilen sehr schön. Ich liebe Erinnerungen und Gegenstände, die früher für mich eine Rolle spielten. Nun, ich gehöre jetzt zu den Alten – Punkt! Nicht zu ändern, aber auch nicht schlimm. An die Zahl 60 muss ich mich etwas gewöhnen. Bedeutender ist für mich das Jetzt mit meinen Plänen und Zielen, die es zu erfüllen gilt. Humor und Optimismus müssen gepflegt werden und sind wichtig, um gelassen alt zu werden. So ein bisschen mit dem inneren Schweinehund zanken und etwas für die geistige und körperliche Gesundheit tun, ist auch von Vorteil. Ich bin jeden Morgen neugierig auf den bevorstehenden Tag und die Menschen, die mir begegnen werden. Solange ich mir diese Neugierde erhalten kann, werde ich mich um das tatsächlich biblische Alter noch fleißig weiter bemühen.

Mein Bildschirmschoner heißt „Ich habe gute Laune!“

Meine Kaffeetasse steht unter dem Vollautomat und ich warte, dass die Bohnen fertig gemahlen mit heißem Wasser das wichtige Morgengetränk bereiten. Während ich warte, kommt mein Chef dazu, wir wechseln ein paar Sätze und kommen auf die am nächsten Tag geplanten Klausurtagung. Einmal im Jahr treffen sich alle ProjektleiterInnen des Stadtteilzentrums Steglitz e.V. um zukunftsweisende Themen zu erarbeiten. In diesem Jahr steht der Tag unter dem Thema „Leiten und Führen!“ Ich beschwere mich ein bisschen, dass meine Motivation bei dem Thema nicht sehr groß ist. In meiner Funktion gehöre ich keinem Team an, leite und führe nicht, sondern bin eher ein Einzelkämpfer. Klar muss ich immer wieder alle MitarbeiterInnen für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit begeistern, aber direkte Personaltätigkeiten habe ich nicht. Der Chef, Thomas Mampel – falls ich es noch nie erwähnt habe – gibt mir zu bedenken, dass ich quasi doch mich selbst leiten und führen muss. Wie es denn mit meiner Selbstmotivation aussieht, was ja auch zu „leiten und führen“ gehört. Sofort und noch während er mir das Thema schmackhaft macht, fängt mein Kopf an zu arbeiten (sogar noch ohne Kaffee). Selbstmotivation ist von Natur aus ein sehr beliebtes Thema, mit dem ich mich oft, bewusst und gerne beschäftige. Der Klausurtag ist in Form eines Barcamps geplant. Jeder kann sein Thema einbringen und versuchen dafür Interessierte zum Austausch zu finden. Mein Thema steht also fest.

Am Klausurtag biete ich dieses Thema an und trotz vieler interessanter, parallel laufender Themen, sitzen wir in einer kleinen Runde und beschäftigen uns mit den Dingen, die uns selber Motor und Antrieb sind. Dabei stellte sich sehr schnell heraus, wie unterschiedlich Selbstmotivation je nach Charakter aufgefasst und genutzt wird. Braucht der eine kleine Rituale, ist es beim anderen die Rückmeldung und beim dritten die Vorstellung eines erreichten Ziels. Das Erledigt-Häkchen war genauso dabei, wie ein Erfolgstagebuch oder Motivation durch Musik. Dem einen Kollegen hilft die Möglichkeit Aufgaben auf das einfachste herunterzubrechen, dem anderen die Freiheit und das Vertrauen seinen Arbeits- und Aufgabenbereich selber zu gestalten. Wir haben wirklich eine Menge Aspekte gefunden, die unsere Selbstmotivation stärken, aber einen gemeinsamen Nenner dafür nicht.

Ich wage zu bezweifeln, dass es einen ausschlaggebenden Aspekt der Selbstmotivation gibt. Je nachdem in welchem Kontext ich mich bewege, müssen jeweils andere Aspekte greifen, die mich in meinem Handeln führen, bestärken und antreiben. Ist es das eine Mal eine positive Vorstellung, kann es ein anderes Mal eine reale Belohnung sein und ein drittes Mal ein erleichtertes Aufatmen. Selbstmotivation spiegelt meine persönliche Haltung und Lebenseinstellung wider und ist eine Fähigkeit, die ich erlernen und pflegen kann. Trainiere ich sie, kann sie treue und sehr effektive Dienste leisten, die mein Handeln in allen Facetten positiv voranbringen. Schon Kinder sollten sehr früh die Möglichkeit und Fähigkeit erlernen, das „Selbst“ zu leben, zu probieren, zu entscheiden und so eigene Erfolge zu erleben. Erlebte Erfolge graben sich tief ins Bewusstsein ein, die künftige Aufgaben beeinflussen. Das „stolz sein“ etwas geschafft zu haben, beflügelt und motiviert im Folgenden.

Im Internet finde ich Seiten voll mit Listen, die alle möglichen Formen der Selbstmotivation anbieten. Motivation durch: erkannten Sinn und Zweck einer Aufgabe, … messbare und realistische Ziele, … machbare Teilaufgaben, … durch Klarheit, … durch Vereinfachung, … Zielvorstellungen, … durch Niederlagen als Lernschritte, … dadurch negative Denkbarrieren abzuschalten, … durch Gefühl, … durch Belohnung, … durch feste Zeitpunkte, … durch bewusste Auszeiten, … durch Druck, … durch kleine Rituale, … durch To-do-Listen, … durch ein Erfolgstagebuch, … durch Verbündete, … durch Rückmeldung, … durch Vorbilder, … durch Weiterentwicklung, … durch Lachen und positives Denken, … durch Energiequellen, … durch Musik, … durch Mut, … durch Kreativität, … selber andere Motivieren. Ganz egal, was gerade als Motivation greift, ist die Selbstmotivation grundsätzlich von dem Willen beeinflusst, etwas erreichen zu wollen.

Mein persönlich stärkster Motivator ist vornehmlich der Optimismus. Sicherlich von manchen hin und wieder belächelt, hilft es mir immer das Gute einer Sache zu betrachten und positive Umstände zu schaffen. Natürlich kann ich auch schlecht gelaunt sein, wütend werden, irgendjemanden so richtig blöde finden, entsetzt sein oder übelst schimpfen. Ich kann meinen inneren Schweinehund in die Hölle wünschen und mich selber dafür verfluchen. In der Regel halte ich es in dem Zustand jedoch nicht lange aus. Über die „Kraft des positiven Denkens“ haben meine Großeltern schon viel geredet und irgendwann ist der Funke auf mich übergegangen. Ich bin von der positiven Selbstsuggestion überzeugt. Mein Denken steuert mein Handeln, was ein bewusster Prozess und eine klare Entscheidung ist. Optimismus und positives Denken hat nichts damit zu tun, sich die Welt schön zu färben, hilft jedoch enorm sich in ihr erfolgreich zu bewegen.

Den Optimismus muss ich natürlich auch trainieren, dies ganz besonders, wenn sich widrige Umstände auftun. Aber ich habe meine kleinen Hilfen: Als Bildschirmschoner steht bei mir der Satz „Ich habe gute Laune!“. Meine Passwörter sind immer ein positiver Satz. Ich gehe an fast keinem Spiegel vorbei, in dem ich mir kein Lächeln schenke (auch wenn ich muffelig bin). Ich liebe Smileys, als Aufkleber oder wenn ich schreibe. Schöne Dinge machen mir gute Laune, was sich z.B. in zahllosen Blumenbildern wiederfindet. Und noch ein paar andere Sachen. Mit Optimismus, positivem Denken, Humor, Offenheit und einer guten Portion Selbstironie ist man, denke ich, recht gut aufgestellt und gut in der Lage sich selbst zu motivieren. Das mit dem Schweinehund trainiere ich noch, immer wieder, mal mehr oder weniger erfolgreich … 😉

Und wenn’s mal nicht klappt mit der Selbstmotivation? Nun, ich habe gelernt, dass man manchen Dingen ihren Lauf lassen muss. Fehlt eine gute Idee, lieber einer anderen Aufgabe zuwenden und später weiter machen. Wenn der Antrieb fehlt, einfach mal akzeptieren, dass ich nicht immer 100 % geben kann (99 % tun es auch 🙂 ). Der Schweinehund hat mal wieder gewonnen? Neue Strategien planen … Das wichtigste mit der Selbstmotivation ist, dass wir ehrlich mit uns selbst sind, sozusagen Experten in eigener Sache – dann klappt es! Bestimmt!

Fassungslos …

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Im Fernseher laufen Nachrichten, in den sozialen Netzwerken berichten Live-Ticker über jede Veränderung und auch die Zeitungen sind gefüllt mit Beiträgen. Ein schweres Unglück erschüttert das Land und die Fassungslosigkeit lähmt. Unvorstellbar das Leid der Angehörigen … der Kopf weigert sich, die Vorstellung zu erwägen, selber betroffen zu sein. Aus zwei unabhängigen Richtungen höre ich dennoch trotzige Kritik, warum gerade dieses Unglück so dermaßen viel Aufmerksamkeit auf sich zieht und warum hier eine Schweigeminute abgehalten wird, bei anderen Unglücken aber nicht. Ist ein Unglück bedenkenswerter als ein anderes? Wohl kaum!

Was in diesem Fall besonders bestürzt ist Nähe. Es ist fast vor der Haustür passiert, die Passagiere wären eine Stunde später auf deutschem Boden ausgestiegen, wurden von Angehörigen erwartet. Die Wahrscheinlichkeit ein Opfer zu kennen, ist eben nicht unwahrscheinlich. Jeder der ein Schulkind zuhause hat, mag nicht wahrhaben, was dort passiert ist. Jeder, der in ein paar Monaten eine Reise plant, will nicht hören was diesen Reisenden widerfuhr. Es ist so nah passiert, gehört in unseren Alltag und den Menschen, die betroffen sind könnten wir jeden Tag begegnen. Dieses Unglück ist gegenwärtig. Den Angehörigen, wo immer sie leben, ist zu wünschen, dass sie optimalen Trost, Kraft und Versöhnung mit dem Schicksal finden werden.

Am Tag des Unglücks hat es eine weitere „kleine“ Nachricht geschafft in den Nachrichtenstrom einzudringen. Sie fällt mir auf, weil sie an diesem Tag so anders ist. Boko Haram hat erneut 500 Frauen und Mädchen entführt um Druck auf Wahlen auszuüben. Diese 500 Frauen und Mädchen schafften es nicht, die Bestürzung der Weltgemeinschaft auf sich zu lenken, verleiten keinen Staatschef dazu, eine Stellungnahme abzugeben, kein Flugzeug wird sich in ihre Richtung bewegen um zu helfen. Wenn ich an dem Tag aufmerksamer gewesen wäre oder nicht von dem aktuellen Unglück so bestürzt, wären mir sicherlich noch weitere Nachrichten aufgefallen, in denen Menschen Furchtbares widerfährt. Wir lesen täglich von Kriegen, Morden, Amokläufen, Vergewaltigungen, Misshandlungen, Entführungen, Folter, … So viele Nachrichten, die ohnmächtig machen, so dass es eigentlich einem Wunder gleich kommt, dass noch ein Mensch in dieser Welt lachen kann.

Es stellt sich die Frage, ob wir überhaupt noch in der Lage sind, das alles zu erfassen. Setzt ein Selbstschutz-Mechanismus ein, um uns davor zu bewahren, in Depressionen und Hilflosigkeit zu fallen? Stumpfen wir emotional ab? Woher nehmen wir Lebensmut, Optimismus, Neugierde in die Zukunft? Warum arbeiten wir weiter, versuchen unser Leben bestmöglich zu gestalten, wenn uns eine Welt voll Grausamkeit und Horror vor Augen gehalten wird?

Eine erhebliche Rolle dabei spielen die Medien. Es geht um nichts weiter als Auflagezahlen oder Klicks in den Netzwerken. Wer als erster die auffallendste Nachricht, das kompromittierendste Bild veröffentlichen kann. Von Pietät, Einfühlungsvermögen, Rücksicht oder gar Zurückhaltung ist nicht das mindeste erkennbar. Warum muss gleich diskutiert werden, was Opfer an Entschädigung zu erwarten haben? Was soll eine Headline, die nach Suizid oder Mord fragt? Warum kann man Schüler einer Schule nicht alleine trauern lassen? Wen interessiert der Aktienkurs der Gesellschaft? Wer entlockt als erster einem Freund des Piloten ein bloßstellendes Zitat? Es geht um Sensationen, Voyeurismus, Quoten … und hat nichts mehr mit Einfühlungsvermögen und objektiver Berichterstattung zu tun. Diese Katastrophen werden instrumentalisiert, genutzt um sich selber ins Spiel zu bringen, aber nicht um mit guten Journalismus zu glänzen, sondern ein Publikum zu bedienen, dass von dieser Medienmache erzogen wurde. Und ist die Nachricht drei Tage alt, hoffen wir wieder, dass sich ein neuer Schauplatz eröffnet, um das Spiel weiterzutreiben.

Dies alles bedenkend kann es nicht unsere Aufgabe oder Ziel sein, zu resignieren oder hinzunehmen. Statt zu kotzen und alles zu verdammen, müssen wir bewussten Medienumgang lernen, einfordern und auch handhaben. Journalismus in seine Schranken zu weisen muss möglich und erlaubt sein. Insbesondere, wenn der Journalismus in Hinblick auf sich selber und einer Katastrophe wie Charlie Hebdo Moralität für sich selber einfordert!

Und in Hinblick auf alle Katastrophen, die den Menschen heute passieren und von denen wir lesen – Resignation ist die falsche Haltung. Nie in der Menschengeschichte gab es so wenige Kriege, Unglücke und Gewalt. Nur hören wir dank der Medien so viel davon, als ob jedes im Wohnzimmer passiert. Und doch sind sie weit genug weg, dass wir sie ausblenden können. Jedes einzelne Verbrechen, jedes Unglück, jeder Krieg ist für den Einzelnen und die Weltgemeinschaft furchtbar. Unsere Aufgabe muss es sein hinzusehen, bewusst zu machen, Veränderungen zuzulassen und an ihnen mitzuarbeiten. Das können wir alle tun und vor der eigenen Haustür anfangen … da fallen mir spontan sehr viele Beispiele ein. Die Welt, die Zukunft und Veränderungen zum Guten und zu Humanität geht uns alle etwas an. Deshalb bleibe ich bei der Überzeugung, so schrecklich die Ereignisse sind, dass jede Schweigeminute, jede echte Anteilnahme und jede Stimme, die sich erhebt, ein Schritt in die richtige Richtung sind. Und viele dieser Schritte – mit Optimismus gepaart – machen eine großartige Weltreise aus.

Die letzte Mohnstolle …

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Ich sah aus dem Augenwinkel, dass eine E-Mail von der Mutter ankam, worüber ich mich immer freue. Als ich sie las, war ich gar nicht mehr so freudig. Ich wusste nicht, wie ich sie einschätzen sollte. Es war die Ankündigung an meine Geschwister und mich, dass unsere Weihnachtspäckchen unterwegs seien. Das bedeutet in der Regel, bald gibt’s Mohnstollen, den sie jedes Jahr für uns backt – so lecker! Also eigentlich etwas, was Freude bei mir auslösen sollte. Aber in der Mail stand auch der Satz: „Genießt den Kuchen, denn ab jetzt könnt Ihr nur noch das Rezept von mir bekommen.“ Schon schlugen die Gefühle Purzelbaum – richtig auf’s Päckchen freuen wollte ich mich nicht mehr. Natürlich antwortet ich fröhlich, dass sie mir sicherheitshalber das Rezept schicken solle, falls ich sie im nächsten Jahr nicht mehr überreden könne, wieder eine Stolle zu backen.

Was mich so „unfreudig“ gestimmt hatte war die Tatsache, dass sich meine Mutter bester Gesundheit erfreut. Sie ist aber auch ein sehr klar denkender Mensch, der Tatsachen anspricht und ehrlich damit umgeht. Also auch, dass sie älter wird und manche Dinge ihr nicht mehr von der Hand gehen wie früher. So auch das Backen der Stollen für fünf „Kinder“ zu Weihnachten. Unterschwellig war aber auch eine andere Botschaft damit verbunden, die sich für mich durch dieses ganze Jahr zieht. Ich muss bereit sein mich von Menschen zu verabschieden. Akzeptieren, dass Menschen sich auf die letzte Lebensphase vorbereiten. Damit verbunden auch annehmen, dass dieses Thema für mich persönlich näher kommt. Ein sehr unbequemes Thema, wenn man eigentlich Mitten im Leben steht.

Im Juni haben wir die Schwiegermutter auf andere Weise verloren. Sie ist in die Demenz gefallen, das hatte ich in diesem Beitrag schon einmal beschrieben. Die ersten Wochen und Monate waren sehr schwer und wir mussten lernen damit umzugehen. Demenz muss man erleben, sonst kann man sich schwer vorstellen, wie sich die betroffenen Menschen verändern. Dabei haben wir es noch relativ gut getroffen, da sie zweihundert Meter weiter im Seniorenheim sehr gut untergebracht ist. Es fällt uns dennoch immer schwer sie zu besuchen. Ein Teil in uns möchte, dass es wieder so wie früher wird und der andere Teil beobachtet sehr realistisch, dass sich diese einst starke Frau immer weiter von uns entfernt. Sie wird kleiner, transparenter, leiser, zärtlicher, dankbarer … weniger!

Ich habe ihr eine kleine Nikolaustüte gepackt. Ein Schokoladen-Nikolaus, ein Schoko-Glückskäfer (den sie uns immer schenkte) und dann noch jeweils eine Klappdose mit Bonbons und eine mit kandiertem Ingwer. Ich war gespannt und diesmal fiel es mir nicht so schwer sie zu besuchen, hoffte ich doch, dass sie diese Dinge erkennt und sich freut. Normale Tüten zu öffnen und schließen geht mit ihren Fingern nicht mehr. Ich zeigte ihr, wie sie die erste Dose auf bekommt. Auf die Frage, ob sie weiß, was es ist, meinte sie: „Na diese Bonbons, diese Ca… , diese mit Lakritz.“ und ich sagte „Ja, Cachou-Bonbons!“ Sie nahm ganz schnell die zweite Dose in die Hand, die sie selber öffnete. „Ach, Ingwer!“ und schon war der erste in ihrem Mund. Ihr Lächeln war mehr als 1000 Goldstücke wert. Nach einem schönen Spaziergang mit ihr, ging ich einigermaßen zufrieden nach Hause. Nur einigermaßen zufrieden, weil sie mir im Gespräch wieder gesagt hatte, dass sie manchmal nicht mehr aufwachen möchte. Das tut weh. Zufrieden, weil ich gesehen habe, dass sie sich über Kleinigkeiten freut und ich aktiv etwas tun kann. Cachou-Bonbons und Ingwer, die sie immer liebte, sind offensichtlich noch in ihrer Erinnerung wach. Wer weiß, wie lange noch.

Abschied hat immer etwas Schweres in sich, ob plötzlich oder langsam, spielt keine große Rolle dabei. Man kann etwas nicht wieder zurückholen, es ist endgültig und die Angst, was diese Veränderung mit sich bringt und die verbundene Ungewissheit doch groß. Ein Kollege hat kürzlich seine Mutter verloren. Sie war friedlich eingeschlafen, was sicherlich tröstlich war, aber damit ist für ihn die ganze Elterngeneration weggebrochen. Er hat am Tag der Beerdigung einen sehr schönen, ergreifenden Nachruf an seine Eltern veröffentlicht. Ich habe ihn sehr bewundert dafür, weil er offen über seine Trauer sprach, dennoch seine Dankbarkeit zu Ausdruck brachte und seine Verbundenheit und Liebe zeigen konnte. So hat er seinen Söhnen vermittelt, was er selber an Erziehung erfahren hat, was er an Erziehung den Söhnen weitergeben wollte und die Söhne dies in ihre Kinder weitergeben können. Trotz aller Trauer hat er einen Weg aufgezeigt, wie seine Eltern weiterleben in der Erinnerung und der Erziehung der Kinder in dieser Familie.

Es geht immer weiter – anders halt, aber es geht! Manchmal schwer, manchmal leichter … mir ist bewusst, dass ich die Veränderungen nicht aufhalten kann. Will ich auch nicht, genauso wenig wie ständig daran denken. Oder durch so eine Mail mit einer Mohnstolle daran erinnert werden. Lieber konzentriere ich mich auf das Jetzt. Überlege, wie ich die Zeit, die ich z.B. mit der Schwiegermutter noch habe, nutzen kann. Wie ich mich auf Veränderungen vorbereiten und wappnen kann. Genauso wie ich bereit sein muss, mich von Menschen zu verabschieden, muss ich bereit sein, Menschen in meinem Leben zu begrüßen. Was steht mir noch mit meinen Kindern bevor? Ich bin so dankbar, dass ich sie um mich habe, sind sie doch ein entscheidender Motor für mein Leben. Ich freue mich auf neues Leben, denn sicherlich werde ich in vielen Jahren auch einmal Oma sein. Erst einmal werde ich Tante – im nächsten Mai bekomme ich eine Nichte oder einen Neffen. Mein jüngster Bruder wird das erste Mal Vater und die Familie wächst weiter. Ein absoluter Grund für Optimismus – so eine große Freude für uns alle.

In diesem Jahr genieße ich die letzte, von der Mutter gebackene, Mohnstolle, denn das Päckchen ist angekommen. Im nächsten Jahr … backe ich sicherheitshalber schon mal selber … oder schaffe es doch noch, sie wieder zu überreden! 🙂 Denn es gibt einfach Gerichte und Gebackenes, die bei aller Mühe nicht so schmecken wollen, wie es zuhause einmal war!

 

 

 

Wunschlos glücklich!

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Wohl jeder hat sich schon einmal überlegt, was er sich wünschen würde, wenn ein Dschinn wie im Mädchen vorbeikommen und uns drei Wünsche schenken würde. Darüber gibt es viele Witze, in denen sich die drei Wünsche ad absurdum führen und man am Ende mit nichts da steht. Und wohl jeder hat schon die Debatte geführt, was sinnvoller wäre – sich erst Gesundheit und dann Geld oder doch Glück zu wünschen. Aber was wäre tatsächlich, wenn …? Träumen darf man ja!

Das Thema „Wünsche“ hat mich vor ein paar Monaten beschäftigt. Wir haben im Redaktionsteam eine Ausgabe der Stadtteilzeitung vorbereitet, die das Thema „Senioren“ haben sollte. Im Kopf hatte ich eine Zeitungsausgabe, die lauter Senioren vorstellt, die im goldenen Zeitalter stehen und uns erzählen, wie klasse es ist, älter zu sein. Die Realität holte mich recht schnell ein, weil ich doch mehrheitlich mit Menschen sprach, denen es unangenehm war, zugeben zu müssen, dass sie die jugendliche Grenze weit überschritten haben und nicht mehr zu den Best-Agern gehören.

Ich selber habe das Altersproblem nie gehabt. Die Kindheit war schön, in der Jugend alle außer mir und meinen Freunden doof, dann konnte ich nicht schnell genug 18 Jahre alt werden. Die 20er waren prima, aber beruflich geprägt. In den 30ern musste ich so einige Katastrophen mit mir selber ausmachen, ohne die ich in den 40ern nicht meine Persönlichkeit gefunden hätte. Und jetzt in den 50ern darf ich genießen. Weiß vornehmlich, was ich nicht will und bin in der glücklichen Lage mir aussuchen zu dürfen, was ich will. Natürlich mit Abstrichen … frustrierende Bikinieinkäufe z.B. will ich nicht mehr, Atemnot verstecke ich hinter „würdigen“ Bewegungen und die morgendliche Bluthochdruck-Tablette hinter vernunftgesteuerten Vorsorgeargumenten. Nächtliche Discoaktivitäten überlasse ich gnädig der Jugend und schluck meinen Groll  zähneknirschend runter, wenn Themen für mich nicht mehr „altersgerecht“sind, mit einem „Habe ich früher auch so gemacht!“. 🙂

Zurück zu den Wünschen: In dem Redaktionsmonat hatte ich Geburtstag und wollte eigentlich meinen Frust Luft machen, dass ich persönlich es doch ziemlich klasse finde, älter zu werden. Das Resultat war eine Liste mit 53 Wünschen (so alt wurde ich). Ich gebe zu, dass es schwer war, die 53 Wünsche zusammen zu bekommen und am Ende war es harte Arbeit, die letzten Lücken zu schließen. Auch mein „Testleser“ gab mir die unverblümte Rückmeldung, dass er sich doch sehr durch die Liste quälen musste, denn was ist interessant an der Liste, wenn es nicht die eigene ist. So verschwand die Liste der Wünsche wieder in den Notizen der möglichen Blog-Beiträge.

Alter und Wünsche ist und bleibt jedoch Thema und die Gedanken wandern immer wieder dorthin zurück. Wir erleben gerade in diesen Tagen in der Familie, wie es ist, wenn das Alter die letzten Stationen der Mobilität und Flexibilität einleitet. Es kommt der Moment, in dem wir uns alle klar machen müssen, dass auch wir endlich sind. Dieser Umstand können wir nicht ändern und je realistischer unser Bild davon ist umso besser. Was wir sehr wohl beeinflussen können ist der Weg dorthin. Wie wir diesen Weg und unsere Haltung dazu gestalten, ist eine bewusste Entscheidung, die ganz ohne Zweifel von Erfahrung und Lebenseinstellung geprägt ist.

Die eine Möglichkeit ist zu jammern und zu klagen. Wir können versuchen uns an der Zeit festzuhalten. Uns in ein jugendliches Outfit zwängen und so tun, als ob uns das nichts angeht. Das scheitert, wenn dann im Bus jemand aufsteht und fragt, ob wir uns nicht doch setzen wollen. Oder an der Eintrittstür sagt jemand, dass man doch erst die Älteren vorlassen soll und man merkt, dass man selbst gemeint ist. Schlimmstenfalls, wenn uns irgendwo der Seniorenbonus angeboten wird. Jammern hilft nicht, interessiert keinen und kann unter Umständen sogar recht peinlich werden.

Die andere Möglichkeit – wir nehmen es, wie es ist. Gestehen den Jungen die Bereiche zu, die sie übernehmen werden und suchen unsere Bereiche in denen wir eine Bereicherung sein können. Denn eins haben sie nicht – Erfahrung ist das Privileg des Alters. Und noch einen Tick leichter wird das Ganze, wenn wir das Alter tatsächlich annehmen und uns mit Optimismus dem zuwenden, was da noch kommen mag. Und das ist viel. Das hat mir meine Wunschliste sehr klar gemacht. Uninteressant, ob ich mir meine Wünsche alle erfüllen kann, denn sie richten den Blick in die Zukunft und werden so unweigerlich Antrieb und Motor.

Interessant finde ich, dass sich meine Wunschliste in ein paar Monaten schon verändert hat. Manche Wünsche mussten sich ändern, weil die Ereignisse sich geändert haben. Manche schätze ich heute anders ein und andere wiederum würden nun dazukommen. So finde ich es doch sehr interessant eine permanente Wunschliste zu haben, die ich von Zeit zu Zeit wieder ändern und anpassen kann. Sie motiviert mich und macht mir sehr deutlich, was ich zum einen schon geschafft habe und mir zum anderen noch alles bevor steht. Und letztendlich kommt noch in jedem Jahr ein Wunsch hinzu. Und der Platz der Liste ist bei meinen Notizen genau richtig, denn es sind meine Wünsche, ganz individuell und für mich persönlich sehr wertvoll.

So passen Wünsche und Alter für mich wunderbar zusammen … lieber Dschinn – drei reichen mir nicht! Ich möchte in keinem Fall wunschlos glücklich sein. 🙂