Fassungslos …

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Im Fernseher laufen Nachrichten, in den sozialen Netzwerken berichten Live-Ticker über jede Veränderung und auch die Zeitungen sind gefüllt mit Beiträgen. Ein schweres Unglück erschüttert das Land und die Fassungslosigkeit lähmt. Unvorstellbar das Leid der Angehörigen … der Kopf weigert sich, die Vorstellung zu erwägen, selber betroffen zu sein. Aus zwei unabhängigen Richtungen höre ich dennoch trotzige Kritik, warum gerade dieses Unglück so dermaßen viel Aufmerksamkeit auf sich zieht und warum hier eine Schweigeminute abgehalten wird, bei anderen Unglücken aber nicht. Ist ein Unglück bedenkenswerter als ein anderes? Wohl kaum!

Was in diesem Fall besonders bestürzt ist Nähe. Es ist fast vor der Haustür passiert, die Passagiere wären eine Stunde später auf deutschem Boden ausgestiegen, wurden von Angehörigen erwartet. Die Wahrscheinlichkeit ein Opfer zu kennen, ist eben nicht unwahrscheinlich. Jeder der ein Schulkind zuhause hat, mag nicht wahrhaben, was dort passiert ist. Jeder, der in ein paar Monaten eine Reise plant, will nicht hören was diesen Reisenden widerfuhr. Es ist so nah passiert, gehört in unseren Alltag und den Menschen, die betroffen sind könnten wir jeden Tag begegnen. Dieses Unglück ist gegenwärtig. Den Angehörigen, wo immer sie leben, ist zu wünschen, dass sie optimalen Trost, Kraft und Versöhnung mit dem Schicksal finden werden.

Am Tag des Unglücks hat es eine weitere „kleine“ Nachricht geschafft in den Nachrichtenstrom einzudringen. Sie fällt mir auf, weil sie an diesem Tag so anders ist. Boko Haram hat erneut 500 Frauen und Mädchen entführt um Druck auf Wahlen auszuüben. Diese 500 Frauen und Mädchen schafften es nicht, die Bestürzung der Weltgemeinschaft auf sich zu lenken, verleiten keinen Staatschef dazu, eine Stellungnahme abzugeben, kein Flugzeug wird sich in ihre Richtung bewegen um zu helfen. Wenn ich an dem Tag aufmerksamer gewesen wäre oder nicht von dem aktuellen Unglück so bestürzt, wären mir sicherlich noch weitere Nachrichten aufgefallen, in denen Menschen Furchtbares widerfährt. Wir lesen täglich von Kriegen, Morden, Amokläufen, Vergewaltigungen, Misshandlungen, Entführungen, Folter, … So viele Nachrichten, die ohnmächtig machen, so dass es eigentlich einem Wunder gleich kommt, dass noch ein Mensch in dieser Welt lachen kann.

Es stellt sich die Frage, ob wir überhaupt noch in der Lage sind, das alles zu erfassen. Setzt ein Selbstschutz-Mechanismus ein, um uns davor zu bewahren, in Depressionen und Hilflosigkeit zu fallen? Stumpfen wir emotional ab? Woher nehmen wir Lebensmut, Optimismus, Neugierde in die Zukunft? Warum arbeiten wir weiter, versuchen unser Leben bestmöglich zu gestalten, wenn uns eine Welt voll Grausamkeit und Horror vor Augen gehalten wird?

Eine erhebliche Rolle dabei spielen die Medien. Es geht um nichts weiter als Auflagezahlen oder Klicks in den Netzwerken. Wer als erster die auffallendste Nachricht, das kompromittierendste Bild veröffentlichen kann. Von Pietät, Einfühlungsvermögen, Rücksicht oder gar Zurückhaltung ist nicht das mindeste erkennbar. Warum muss gleich diskutiert werden, was Opfer an Entschädigung zu erwarten haben? Was soll eine Headline, die nach Suizid oder Mord fragt? Warum kann man Schüler einer Schule nicht alleine trauern lassen? Wen interessiert der Aktienkurs der Gesellschaft? Wer entlockt als erster einem Freund des Piloten ein bloßstellendes Zitat? Es geht um Sensationen, Voyeurismus, Quoten … und hat nichts mehr mit Einfühlungsvermögen und objektiver Berichterstattung zu tun. Diese Katastrophen werden instrumentalisiert, genutzt um sich selber ins Spiel zu bringen, aber nicht um mit guten Journalismus zu glänzen, sondern ein Publikum zu bedienen, dass von dieser Medienmache erzogen wurde. Und ist die Nachricht drei Tage alt, hoffen wir wieder, dass sich ein neuer Schauplatz eröffnet, um das Spiel weiterzutreiben.

Dies alles bedenkend kann es nicht unsere Aufgabe oder Ziel sein, zu resignieren oder hinzunehmen. Statt zu kotzen und alles zu verdammen, müssen wir bewussten Medienumgang lernen, einfordern und auch handhaben. Journalismus in seine Schranken zu weisen muss möglich und erlaubt sein. Insbesondere, wenn der Journalismus in Hinblick auf sich selber und einer Katastrophe wie Charlie Hebdo Moralität für sich selber einfordert!

Und in Hinblick auf alle Katastrophen, die den Menschen heute passieren und von denen wir lesen – Resignation ist die falsche Haltung. Nie in der Menschengeschichte gab es so wenige Kriege, Unglücke und Gewalt. Nur hören wir dank der Medien so viel davon, als ob jedes im Wohnzimmer passiert. Und doch sind sie weit genug weg, dass wir sie ausblenden können. Jedes einzelne Verbrechen, jedes Unglück, jeder Krieg ist für den Einzelnen und die Weltgemeinschaft furchtbar. Unsere Aufgabe muss es sein hinzusehen, bewusst zu machen, Veränderungen zuzulassen und an ihnen mitzuarbeiten. Das können wir alle tun und vor der eigenen Haustür anfangen … da fallen mir spontan sehr viele Beispiele ein. Die Welt, die Zukunft und Veränderungen zum Guten und zu Humanität geht uns alle etwas an. Deshalb bleibe ich bei der Überzeugung, so schrecklich die Ereignisse sind, dass jede Schweigeminute, jede echte Anteilnahme und jede Stimme, die sich erhebt, ein Schritt in die richtige Richtung sind. Und viele dieser Schritte – mit Optimismus gepaart – machen eine großartige Weltreise aus.

Die Erinnerung bleibt

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Sie sitzt auf ihrem Findling im Garten und ihr Blick geht über den See. Sie schaut in die Ferne. Nicht in die messbare Ferne in Kilometern, sondern in die Ferne ihrer Erinnerungen, die nunmehr übrig bleiben. Gestern hatte sie mich noch gefragt, ob sie den Findling nicht wegräumen sollte. Dann erzählte sie aber, wie gerne sie immer auf dem Stein saß, wenn Schwester Longina, eine befreundete Nonne, zu Besuch kam und sie der Schwester beim Schwimmen im See zuschaute. Schon war sie wieder in den Erinnerungen und ihr Blick nicht mehr greifbar.

Die Oma, die wir kannten, gibt es nicht mehr. Vorangegangen war ein Infarkt, ein Krankenhausaufenthalt und eine Reha. Eine Zeit, in der Bangen, Hoffen und Wunschdenken sich die Klinke in die Hand gaben. Schließlich wurde sie nach Hause entlassen, mit einer vagen Prognose und einer perspektivischen Einschätzung der Ärzte, die den Angehörigen Mut, aber dennoch nichts Greifbares in die Hand gaben. Das Zuhause erkannte sie und der Auftrieb, der sie zu erfassen schien, gab wieder Hoffnung.

Mit den ersten Tagen zuhause kam die Erkenntnis. In den vertrauten Räumen findet sie die Türen nicht, die Anziehsachen liegen immer am falschen Ort, die Zahnbürste war im falschen Raum. Hunger und Durst kennt sie nicht, isst und trinkt nur, wenn sie dazu aufgefordert wird. Von einer Puppe, die immer am gleichen Ort liegt, sagt sie, sie sei gestohlen worden. Wenn man sagt, Nein, sie sitzt auf ihrem Platz. kommt ein kurzes Ach ja! um nach einer halben Stunde wieder zu erzählen, dass die Puppe weg sei. Beim Kaffeetrinken fragt sie alle paar Minuten, wo ich den Kuchen gekauft habe und ich gebe immer wieder die gleiche Antwort. In den Minuten dazwischen ist ihr Blick sehr weit weg … wo, wissen wir nicht.

Zwei Arztbesuche holen uns auf den Boden der Tatsachen. Die Augenärztin erklärt uns das eingeschränkte, irreversible Blickfeld, dass sie noch hat – Orientierung unmöglich – Infarktbedingt. Der Hausarzt erklärt uns den abschließenden Arztbericht der Klinik – selbstständiges Leben unmöglich – Infarktbedingt. Auch Infarktbedingt ist die Demenz, die keine Heilungschancen, eher das Gegenteil erwarten lässt. Wir fahren nach Hause, jeder in seinen Gedanken und beantworten auf der Fahrt wie einstudiert ihre wiederholte Frage, was das denn nun für ein Arzt gewesen sei – immer wieder.

Ohnmacht und ein leerer Tagesablauf sind die Folge. Immer angespannt und auf der Hut, wohin sie nun wieder läuft. Fragen, ob sie nicht trinken möchte, ob sie Hunger hat, wie es ihr geht. Schlafen tut sie schlecht und bei dem schlurfenden Geräusch ihrer Schritte in der Nacht sind alle wieder wach. Argwöhnisches beobachten, ob wir nicht doch wieder einen Funken der alten Oma entdecken, so wie sie früher war. Rundumbetreuung ist notwendig und selbst wenn sie stundenlang am gleichen Platz sitzt, trauen wir uns nicht, sie aus dem Blick zu lassen. Und immer wieder Gespräche zwischen uns, reden und erzählen, abwägen und besprechen, versuchen zu planen und überlegen, wohin es gehen soll. Dazwischen eigene Erinnerungen und die unlösbare Frage nach dem Grund. Und nach der Lösung. Hilflose Versuche ihr Verhalten in den letzten Monaten zu deuten.

Die Entscheidung … tut furchtbar weh und gleicht einem Scheitern. Wir erkennen, dass wir nicht in der Lage sind, diese Rundumbetreuung aufrecht zu erhalten und gleichzeitig unserem Leben, in dem wir an vieles gebunden sind, und unseren Kindern gerecht zu werden. Die Entscheidung ist getroffen, die Oma muss in einem Seniorenheim betreut werden. Dabei haben wir Glück, sofern man in diesem Zusammenhang von Glück reden mag. 200 Meter von unserem Haus ist eine Einrichtung, die auch einen Platz hat und sie sofort aufnehmen kann. Zwei Tage zwischen der Entscheidung und der Abfahrt, die gefüllt sind mit der immer währenden Frage, ob wir das richtige tun. Zwei Tage voll Zweifel und auch voll mit Schuldgefühlen, sie zu verraten. Manchmal, ganz unvermittelt, sagt sie Dinge, die im Zusammenhang passen und zeigen, dass sie durchaus noch Momente in der jetzigen Zeit hat. Momente, in denen wir verzweifeln und wünschten, dass dies alles nicht wahr ist.

Am Morgen vor der Fahrt läuft sie im Bademantel an mir vorbei in den Garten. Wohin sie denn möchte, beantwortet sie damit, dass sie in den See wolle, sich erfrischen. Das hat sie immer getan, jeden Morgen, teils bis in den November, in all den Jahren. Nun das erste Mal seit dem Krankenhaus. Ich sage, dass sie aber nicht hinaus schwimmen solle, platziere mich in angemessenem Abstand, passe auf sie auf und frage mich wieder einmal, ob das alles richtig ist. Warum jetzt? Warum geht sie ausgerechnet an dem Morgen, an dem wir sie wegbringen, an dem sie das letzte Mal hier ist, in den See. Ahnt sie es und verabschiedet sie sich? Später frühstücken wir, packen und als es hinaus ins Auto geht, dreht sie sich noch einmal um und fragt: Und wann bringt ihr mich wieder zurück?“ Ich kann die Tränen noch halten bis das Auto hinter der Kurve verschwunden ist. Zuhause parkt ihr Sohn das Auto an dem Haus in dem sie fast 40 Jahre gewohnt hat. Er läuft mit ihr die 200 Meter in der Straße, die fast 40 Jahre ihr Arbeitsweg war. Sie erkennt das alles nicht mehr und geht mit ihm in das Seniorenheim, dass nun ihr Zuhause werden soll oder besser, werden muss.

Der Sohn spricht mit den Kindern. Er erzählt ihnen, was sie in vielen Telefonaten noch nicht erfahren haben. Sie besuchen gemeinsam die Oma und nun erkennen die Kinder den leeren Blick. Sie sehen, dass die Oma sich verändert hat. Erkennen sie und doch wieder nicht und sind erschüttert. Wir müssen viel reden.

In ihrem Haus, sozusagen in ihrem Leben, kommen wir uns wie Einbrecher vor. Es ist das gleiche Haus, wie wir es immer kannten und doch wieder nicht. Es ist leer … es ist ein Haus ohne Oma. Und doch müssen wir Einbrecher sein und sehen, wie wir alles für sie regeln, was wir beachten müssen, wem wir Bescheid geben müssen. Wir sind zerrissen – zwischen der Vernunft, dass es so sein muss und den Emotionen, dass wir es doch gar nicht wollen.

Zwischen all der Arbeit sitzen wir hin und wieder in ihrem Garten. Nicht auf dem Findling, auf den werden wir uns nicht mehr setzen können. Wir tauschen unsere Erinnerungen und denken über ihr Leben nach. Sie lebte dafür, das Gedenken an ihre Eltern zu erhalten. An den Vater, den Müller und größten Arbeitgeber am Ort. An die Mutter, die alles im Krieg und den schwierigen Zeiten danach aufrecht erhielt. An ihre Bemühungen die Mühle zu erhalten. Wir denken an ihren Weg, dieses Haus am See auszubauen und an die vielen Jahre, in denen sie nicht erreichbar war, weil sie den Garten hegte und von morgens bis abends draußen war. Jeder Gegenstand im Haus erinnert an sie. Ein gelebtes Leben voll Erinnerungen. Um dann am Ende mit einem Koffer in das Seniorenheim umzuziehen. Wir hoffen, dass ihre Erinnerungen sie tragen, die sie mitnehmen kann. Was wir uns wünschen sollen, wissen wir nicht. Aber auch unsere Erinnerungen an die gesunde Oma bleiben … und trösten … ein wenig.

Plötzlich ist alles ganz anders

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In dem einen Moment genießen wir es alle – endlich ist Sommer und die Sonne scheint. Gut, es ist vielleicht schon wieder ein bisschen zu warm, aber seien wir ehrlich. Besser als mit dicken Mänteln und roter Nase über Glatteis laufen, ist das Wetter gerade allemal. Wir genießen die Parks, die Gärten, die Blumen und die Möglichkeit sämtliche Freiräume zu nutzen, die sich uns bieten. Wir genießen das Leben in vollen Zügen. Dann kommt plötzlich ein Anruf und alles ist anders.

Eine Nachricht, dass die Mutter, Schwiegermutter und Oma im Krankenhaus liegt. Die Familie bricht sofort alles ab, was im Moment vonstattengeht und orientiert sich von jetzt auf gleich neu. Man setzt sich ins Auto, fährt zum Krankenhaus mit der bangen Hoffnung, dass es nicht so schlimm sein wird, wie man … nein, wie man sich eigentlich nicht denken möchte. Die erste Einschätzung vom Arzt wird eröffnet und dann heißt es abwarten, wie es sich entwickelt. Was kommt am nächsten Tag? Was wird sein, wenn alle Ergebnisse der Untersuchungen vorliegen? Wie sieht die Zukunft aus?

Das ist eine Situation, wie sie jeden Tag geschieht, die wir aber eigentlich nicht wahrhaben wollen. Wir sind froh, wenn sie uns selber nicht trifft. Man hört davon immer wieder von Verwandten, von Nachbarn, von Kollegen oder Freunden von Freunden. Plötzliche Krankheitsfälle oder Unfälle, die dem Leben von einer Minute auf die andere eine völlig andere Richtung geben. Wollen wir auch nicht hören. Wir sind ja gesund und es geht uns gut. Was auch immer so bleiben sollte – hoffen wir.

Nach der ersten Prognose des Arztes kommt die Ernüchterung und es beginnen die Gedankenspiele, was wird wenn dies oder jenes passiert. Spekulationen kreisen im Kopf, aber ein richtiges und befriedigendes Ergebnis kann es nicht geben, denn es ist ja nichts mehr sicher und fest. Und – es wird nie mehr, wie es einmal war. Die einzige Sicherheit.

Die Angehörigen müssen nun warten, gezwungenermaßen. Wie gestaltet sich der Krankheitsverlauf? Mit welchen Einschränkungen ist zu rechnen? Ist eine vollständige Gesundung überhaupt möglich? Jeder verarbeitet für sich selber, auf seine Weise. Hat Bilder im Kopf, erinnert sich an Situationen und versucht seiner Angst Herr zu werden. Gut, wenn man sich austauschen kann. Wenn man gemeinsam verarbeitet, die Situation bespricht und notwendige Schritte plant.

Wenn man denn planen kann! Allzu oft stellen Angehörige in genau solch einer Situation fest, dass sie gar nichts planen dürfen. Das sie nicht entscheiden können. Keinerlei Rechte haben einzugreifen und dem Angehörigen nach ihrem Verständnis unterstützen dürfen. Es fehlen die notwendigen Papiere, Unterlagen, Verfügungen und Vollmachten. Man weiß vielleicht genau, was sich der kranke oder verletzte Angehörige gewünscht hat, dennoch gibt es keine Möglichkeit, dies geltend zu machen, wenn zeitige Vorsorge nicht getroffen wurde. Ein gerichtlich bestellter Vormund wird benannt und Angehörige können nur hoffen, dass er die Lage des Patienten einvernehmlich einschätzt und handelt.

Es tut weh, sich vorzustellen was wird, wenn man selber einmal schwer krank oder so verletzt ist, dass man nicht mehr für sich selber entscheiden kann. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass genau dieser Fall eintritt ist enorm hoch. Selbst wenn wir Glück haben, nicht schwer krank werden, keinen Unfall erleben, sondern einfach nur alt werden – irgendwann kommt der Moment indem wir nicht mehr selber entscheiden können. So gilt es vorzusorgen, wenn wir gesund und im Vollbesitz unserer geistigen Kräfte sind. Und dies nicht nur für uns selber, sondern und insbesondere als Entlastung für unsere Angehörigen. Ja, es tut weh, sich diesen schlimmsten Fall der Fälle vorzustellen und entsprechende Papiere vorzubereiten, aber – genau diese Vorbereitung gibt die beruhigende Sicherheit, dass im schlimmsten Fall das getan wird, was wir selber verfügt haben. Das unseren Wünschen Rechnung getragen werden muss und die Menschen, denen wir vertrauen, auch ein Auge darauf haben, dass unsere Verfügungen umgesetzt werden.

Zu nennen sind hierbei die Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung, Betreuungsverfügung, Bankvollmachten und ggf. eine Generalvollmacht. Papiere, die eine vertraute Person in die Lage versetzen, unseren bestimmten Willen durchzusetzen. Zudem ersparen wir der Person unseres Vertrauens viele unangenehme Wege und Erklärungen. Die Rechtslage ist klar. Gibt es keine Papiere, gibt es für Angehörige nichts zu tun, außer die Dinge als Zuschauer zu beobachten und hinzunehmen oder einen unangenehmen und schwierigen Instanzenweg zu durchlaufen.

Besondere Vorsicht ist dabei denen zu raten, die glauben, dies gilt nur für erwachsene Kinder und deren Eltern im Seniorenalter. Ehepartner sind genauso betroffen, wie Paare mit Kindern. Lebensgemeinschaften haben wiederum besondere Regelungen, genauso wie Geschwister untereinander. Es gibt ausnahmslos niemanden, der keiner Vorsorge bedarf, was im Fall der Fälle mit ihm geschehen soll. Oder besser noch, was eben nicht mit uns geschehen soll. Wer denkt schon als junge Mutter oder Vater gerne daran, was passiert, wenn beiden Elternteilen ein Unglück geschieht. Haben Sie festgelegt, wer das Sorgerecht und das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder bekommt? Wollen Sie die Entscheidung treffen und festlegen oder überlassen Sie diese den Ämtern, die keinen Einblick haben, wie die familiäre Konstellation wirklich ist? Wem die Kinder vertrauen oder bei wem Sie denken, dass sie in ihrem Sinne weiter erzogen werden könnten. Wer, wenn nicht Sie selber, kann am besten beurteilen, wie der Fall der Fälle in ihrem Sinne geregelt werden sollte.

Informationen dazu findet man an vielen Stellen. Man kann viel Geld dafür ausgeben oder sich an soziale Verbände wie die Caritas oder in Berlin z.B. an die Bezirksämter wenden, die solide Informationen und Hilfe geben können. Bei den Bezirksämtern wird eine Gebühr von 10 € für die Beglaubigung erhoben.

Im Eingangs beschriebenen Fall der Großmutter wurden alle erforderlichen Verfügungen rechtzeitig getroffen. Und so ungewiss die Situation sein mag, ist es beruhigend, dass die Familie aktiv teilhaben, begleiten und entscheiden kann, wie auch immer der Genesungsverlauf aussehen wird. Die Aufmerksamkeit gilt allein dem Patienten und nicht irgendwelchen Formularen, für die man doch keinen Kopf frei hat.