Mein digitaler Begleiter

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Es war ein wunderschöner Nachmittag bei einer Freundin und ich lief gut gelaunt nach Hause. Nach guten Gesprächen und vielen Neuigkeiten, schaute ich schnell auf mein Handy … könnte ja sein, dass mich jemand zwischenzeitlich vermisst hat oder weltbewegende Mails oder Nachrichten gekommen sind. Als ich wieder aufschaute, winkte mir in 50 Metern Entfernung eine andere Freundin zu. Wir liefen zueinander, begrüßten uns herzlich und einer ihrer ersten Sätze lautete: „Ich war mir unsicher, ob du das bist. Aber bei der Körperhaltung, dachte ich, ist sie es bestimmt.“ sprach’s, lachte und wir tauschten wieder Neuigkeiten und Spannendes – was halt so los war. Als ich weiterlief, kam mir ihr erster Satz wieder ins Gedächtnis. Hm, soweit ist es jetzt also: Man erkennt mich von weitem an meiner Körperhaltung. Wie ich laufend auf mein Handy schaue in dem Bemühen nichts aus der digitalen Welt zu verpassen.

Dabei bin ich vollkommen undigital aufgewachsen. Mein Lieblingsspielzeug war Schere und Papier, Puppen, Bälle, Bücher … Wir haben uns miteinander oder mit Dingen beschäftigt, die wenn überhaupt, vielleicht klingeln konnten. Mehr nicht. Ich kann mich erinnern, dass meine kleine Schwester und ich „Vater, Mutter, Kind“ mit Buntstiften an der Fensterbank gespielt haben. Und wir hatten unendlich viele Papier-Anziehpuppen. Meine Mutter musste sie uns immer vormalen und dann konnten wir ihnen Kleider zeichnen, ausschneiden und mit den Papierlaschen anziehen. Wenn sie kaputt gespielt waren, haben wir die Mutter wieder gelöchert, uns eine neue Modepuppe zu malen. Klappte lange, bis sie auf den Trichter kam, dass wir in der Lage waren sie uns selber zu malen. Dabei waren ihre immer schöner. Wir haben zweckentfremdet, was wir in die Finger bekommen konnten. Kartons wurden Puppenstuben, Stoffreste zu Teppichen, Steine und Stöcke Möbelstücke. Mein persönliches Highlight war immer, wenn der neue Otto-Katalog kam und ich den alten haben durfte. Stundenlanges ausschneiden … ich habe ganze fiktive Familien und Hausstände ausgeschnitten und mit den Bildern gespielt. Gefehlt hat uns dabei nichts – wir kannten ja nichts anderes.

Den ersten Fernseher im Wohnzimmer habe ich sehr spät bewusst erlebt. „Dick und Doof“, „Bonanza“, „Bezaubernde Jeanny“, „Speedy Gozales“ … waren meine Kinderhelden. Und viel mehr Technik gab’s in meiner Kindheit eigentlich nicht. In jugendlichen Jahren kam ein Kassettenrekorder hinzu. Was war das für eine Herausforderung sich Lieder aus dem Radio übergangslos auf einer Kassette zu sichern. Begeistert war ich immer, wenn ein Wecker, Radio oder ähnliches kaputt war. Schraubenzieher aus dem Keller holen, Innenleben erforschen und die Einzelteile weiterverwerten.

Die nächste größere technische Herausforderung stellte sich mir in der ersten Ausbildung in Form einer Reproduktionskamera. Diese raumfüllenden Geräte waren früher Teil der Produktionskette zur Erstellung von Druckerzeugnissen. Heute dürften sie alle museumsreif sein. Etwa in dieser Zeit erlebte ich den ersten Computer. Mein Onkel, bei dem ich die zweite Ausbildung absolvierte, schaffte sich den ersten kleinen Macintosh etwa 1985 an und … er ließ mich das Teil erforschen. Ich liebte beide – den Onkel, der mich das Gerät erforschen und probieren ließ und dieses kleine technische Wunder. Von da an hatte ich immer die Möglichkeit, irgendwo Hand an einen Computer zu legen. 1993 war dann ein rundum revolutionäres Jahr. Nicht nur, dass ich mit der Liebe meines Lebens zusammen zog, die Liebe meines Lebens kaufte uns auch noch den ersten eigenen Heimcomputer. Wieder liebte ich beide … den Mann sowieso und den Computer … bis heute!

Das erste Handy kam mit dem ersten Kind ins Haus, also mit dem Kind im Bauch – für den Notfall. Nein, nicht dieses monströse Teil mit Antenne. Unser erstes Handy passte schon in eine etwas größere Hosentasche, die dann zugegeben etwas ausgebeult aussah. Der Gatte kam mit den Karton nach Hause, streckte mir diesen entgegen und sagte „Mach’ mal!“ Ich glaube im Nachhinein, das war der Moment in dem ich fortan die elektronischen und digitalen Dinge im Haushalt übernahm. In den ersten Handy-Jahren habe ich dieses Teil wohl nur mit mir herumgetragen, weil man das eben so machte – für den Notfall. Damit telefonieren war eh zu teuer, besonders für einen Menschen, der in der Pubertät noch ein Telefonschloss an der Drehscheibe erlebt hat, bzw. damit aufgewachsen ist, immer zwei Telefongroschen für die Telefonzelle in der Hosentasche zu haben – für den Notfall.

Mit den Kindern, eher aber wohl, weil es an der Zeit war, nahm die technisch, digitale Entwicklung seither eine nicht mehr fassbare Geschwindigkeit auf, die auch vor uns keinen Halt machte. Mein Beruf hat sich seit Mitte 80er Jahren komplett verändert und kommt ohne digitale Technik nicht mehr aus. Und auch im privaten werden immer mehr Dinge am Computer geregelt, was früher undenkbar gewesen wäre. Aus dem eigenen Interesse heraus, haben wir auch unsere Kinder sehr früh an dieser Entwicklung teilhaben lassen. Bewusst, kontrolliert und gesteuert. Heute passiert es durchaus, dass ich die Installation des Routers, des neuen Druckers oder anderes meine Tochter machen lasse. Und – wir haben trotz bald überstandener Pubertät, keine Telefonschlösser gebraucht. Geht ja auch schlecht bei Handys. Wir bezahlen die Handy-Verträge für die Smartphones, haben den Kindern früh den kontrollierten Zugang zu verschiedenen Netzwerken erlaubt und wissen, dass sie sich heute sicher in diesen Medien bewegen. Natürlich haben wir Lehrgeld bezahlt, sowohl in der Kommunikation als auch bei unbedachten Klicks z.B. auf Spiele. Aber dieses Lehrgeld ist tausendmal mehr wert, als wirkliche Schwierigkeiten aus Unwissenheit. Und auch wenn es sich im Zusammenhang komisch anhört – wir haben über diese Dinge sehr viel geredet.

Mittlerweile bin ich ständig umgeben von einem Computer, einem Tab oder meinem Handy. Ich habe Spaß daran diese Dinge zu nutzen und damit zu arbeiten, beruflich wie privat. Ich kommuniziere gerne, vielfältig und neugierig. Bin gespannt, wenn ich wieder einmal etwas ganz neues ausprobieren kann. Staune, wenn eine Entwicklung, die ich gerade verstanden habe, schon wieder überholt worden ist. Freue mich über kleine Apps, die für mich sinnvoll, eine Bereicherung darstellen. Und bewundere die Kinder und Jugendlichen, die viel schneller als ich diese Dinge begreifen und nutzen.

Ich finde meine techniklose Kindheit klasse, aber hüte mich davor, sie meinen Kindern oder ggf. Enkeln zu wünschen. Es ist unrealistisch und vergangene Zeiten holen wir nicht zurück. Sie lesen trotzdem, können sich mit Brettspielen beschäftigen und verfügen über einen sehr großen Wortschatz (ohne Abkürzungen). Die technikbeladene Zeit, die ich jetzt erlebe, finde ich genauso klasse und freue mich, dass ich sie mit Spaß erleben darf. Ich lese täglich in einem echten Buch, kann mich stundenlang techniklos bewegen und beschäftigen – wenn ich will. Ins Seniorenheim werde ich einmal nur unter der Bedingung einziehen, dass flächendeckend WLan vorhanden ist – falls es dann nicht schon was Neues gibt. Mit meinem digitalen Begleiter, der mir lückenlosen Kontakt zu Außenwelt ermöglicht.

Meine Tochter kommt zu mir an den Computer und fragt, was ich mache. Ich erzähle ihr, dass ich darüber schreibe, dass ich schon an der Handy-Körperhaltung von weitem zu erkennen bin, und dass mir das zu denken gibt. Die sagt nur: „Und dabei heißt es immer – die Jugend von heute!“ schaut auf ihr Handy und lächelt … ich nehme an eine SMS vom Freund … das gabt’s bei uns auch nicht.

Der kleine König

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Sein Name hat einen persischen Ursprung und bedeutet König. Im keltischen bedeutet es weiser oder alter Mann, aber bis es soweit ist, wird es noch lange dauern, ist er doch gerade erst geboren. Halten wir uns ans Persische, denn königlich sind auch die Empfindungen, wenn man den kleinen Kerl sieht. Mit seinen gerade mal 50 Zentimetern fällt die Vorstellung, dass daraus einmal ein großer Mann wird, im Moment noch etwas schwer. Mein Bruder ist Vater geworden. Lange war mein Besuch geplant und da das Baby so unpünktlich gar nicht war, konnte ich die zweite Lebenswoche begleiten. Es ist ein unglaublich schönes Gefühl, ein Kind in den Armen zu halten, dessen Vater ich vor 33 Jahren ebenso im Arm hielt, den 21 Jahre jüngeren Bruder. Wie schön muss dieses Gefühl für die Großmutter des Kindes sein?

Wenn ich ihn im Arm halte kommen viele Gedanken und Erinnerungen auf. Allein der Geruch des Säuglings, der mit nichts anderem zu vergleichen ist. Das Schutzgefühl, das sich automatisch in mir ausbreitet. Das wohlige Gefühl, wenn ich die zarte Haut streicheln kann. Der Hoffnung, dass ihm nur das Beste im Leben widerfährt. Die Erinnerung an die eigenen Kinder, die so klein, so zart, so schutzbedürftig waren. Es ist immer wieder ein kleines Wunder, wenn so ein kleines Kind eine ganze Familie bereichert und erwachsene Menschen zu emotional gesteuerten Tagträumern macht.

Die Rollen sind neu verteilt. Der Bruder, der lange alleine lebte, hat eine wunderbare Frau gefunden und aus dem Bund ist dieses Kind entstanden. Ein Kind, das in Liebe geboren ist und zwei sehr große Familien verbindet. Wir lernen den Bruder in seiner neuen Rolle kennen. Merken, wie er Verantwortung übernimmt, die er bislang nicht kannte. Freuen uns, wie er seine Jugendhaftigkeit behält und erzählt, welche Pläne er hat und was er einmal alles mit seinem Sohn machen wird. Sehen die Freude und den Stolz in seinen Augen als ihm bewusst wird, dass sein Sohn mit den Augen seinem Finger folgen kann. Wir lernen, dass seine Frau nun die erste Stelle einnimmt und er seine eigene Familie hat. Und wir freuen uns, dass diese Frau seine Familie genauso angenommen hat wie die Familie sie.

Die Familien des kleinen Königs könnten unterschiedlicher nicht sein, wobei sie sich in der Größe nicht viel geben. Er ist eins von fünf, sie ist eins von acht Kindern. Die eine, europäische, Großmutter hat die komplette Erstlingsausstattung des Vaters aufgehoben. Da er ein Nachzügler war, musste sie damals alles noch einmal anschaffen. Das sollte nicht noch einmal passieren, da die Töchter schon erwachsen, auch Mütter werden könnten. Das bedeutet, dass der neugeborene Sohn nun die gleichen Strampelanzüge trägt wie der 33-jährige Vater. Dies fand die andere, afrikanische, Großmutter unglaublich als sie es hörte, da in ihrem Land ganz andere Traditionen, Gepflogenheiten und Erfordernisse im Umgang mit Säuglingen gelten. Es gibt zum Beispiel keine Kinderwagen. Dort, wo sie lebt, werden die Kinder am Körper getragen. Müssen doch einmal längere Wege zurück gelegt werden, ist immer jemand im Familienverband zur Stelle, der das Kind hütet. Und damit ihr Enkel im fernen Europa auch den richtigen Kinderbrei bekommt, ist ein Paket unterwegs mit einem Getreide, dass hierzulande nicht zu bekommen ist.

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Das die Mutter des kleinen Kerls aus einer anderen Kultur kommt, merkt man deutlich. Ich habe selten eine so entspannte junge Mutter erlebt. Ich denke, so entspannt war ich selber kaum. Mit einer Engelsruhe widmet sie sich ihrem Kind, wird kaum nervös und verliert nie die Geduld. Ihr ist das Glück anzusehen und das macht sie wunderschön. Aber einmal habe ich sie doch erwischt. Wir wollten spazieren gehen. Der kleine Kerl wurde von uns in den Kinderwagen gelegt und meckerte lautstark und lange. Nach ein paar Metern hörte es schlagartig auf und er schlief. Die Mama musste doch ein paarmal prüfen, ob alles mit ihm ok ist. Ha, das kannte ich doch – wie oft ging ich ans Kinderbett, wenn mein Kind länger schlief, um zu prüfen, ob alles gut ist.

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Nun muss sich die kleine Familie bewähren, wird täglich Veränderungen erfahren und im Miteinander wachsen. Wir sind Begleiter, unterstützen, wo es sinnvoll ist und stützen, wenn es erforderlich wird. Freuen uns an deren Glück und wünschen uns, dass der kleine Kerl einen guten Lebensweg vor sich hat. Nach einer Woche bin ich nach Hause gekommen, voller Erinnerungen, wie es für uns damals war, als unsere Kinder noch so klein waren. Es war wunderschön, aber auch die Jahre, die seither vergangen sind, waren im Miteinander wunderschön. Vielleicht werde ich einmal erfahren, wie das Gefühl einer Großmutter ist, die ihr Enkelkind das erste Mal auf dem Arm hält. Beim kleinen König durfte ich sehen, wie meine Mutter ihn hielt – es muss großartig sein.

Der Mann mit den neun Fingern

© Vera Kuttelvaserova - Fotolia.com

© Vera Kuttelvaserova – Fotolia.com

Sie hielt mir ihre Hand mit fünf kleinen Papierkugeln entgegen und sagte: „Sie können sich gar nicht vorstellen, was ihre Tochter angerichtet hat!“ Ich schaute etwas verstört auf die Hand der Erzieherin, die mich abgefangen hatte als ich mein Kind aus der Schule abholen wollte. Dann erklärte sie mir, dass sie extra wunderschönes Origami-Papier besorgt hätte, das ja so teuer sei, und mit den Kindern Origami-Geschenkschachteln falten wollte. Meine Tochter hatte das Papier nicht gefaltet, sondern geknüllt, und wollte es mit anderen Materialien auf einem großen Blatt zu einem Gesamtbild zusammenkleben. Mir dämmerte das schreckliche Drama, dass diese Frau erlebt haben musste. Gut, ich war die Mutter und kannte das Kind. Wusste, zu welchen kreativen Schandtaten es im Stande war.

Hier trafen zwei Welten aufeinander, die nie zu vereinen waren. Auf der einen Seite eine Frau, deren Kreativität darin bestand mit Kindern der ersten Klasse Origami-Schenkschachteln und Fröbelsterne zu falten. Es ist eine feine Sache, wenn die Kleinen ihren Eltern alle die gleiche Schachtel oder den gleichen Stern mit nach Hause bringen. Mal eine blaue, mal eine rote Schachtel, grün vielleicht auch … hier ging’s nur darum zu produzieren und den Stolz der Frau, was sie mit Kindern bewerkstelligt zu unterstreichen. Bei dem Wort Fröbelsterne bekommen viele Erwachsene Schweißausbrüche. Logische Denker bekommen es hin, alle anderen nagen Lebenslang an Selbstzweifeln. Es gibt Kinder, die solche Falttechniken sofort können, oder eben solche, die weder Interesse, noch Geduld oder Spaß an dieser Art Kreativität haben. Dazu gehört mein Kind. Eben die andere Seite. Meine Versuche, der Frau zu erklären, dass das Kind basteln wollte und wirklich sehr kreativ sei, stießen auf absolute Verständnislosigkeit.

Erst durch dieses Kind habe ich mit den Jahren einen völlig neuen Blick auf Kreativität bekommen und deren Bedeutung richtig verstanden. Dabei glaubte ich, als Tochter einer Malerin und selber Grafikerin alles darüber zu wissen. Ich hatte beispielsweise seit meiner Jugend jeden schönen Papierschnipsel aufgehoben und verfügte über eine sehr stattliche Sammlung. Ich war mir zu 100 % sicher, dass die bis an mein Lebensende halten würde. Tat sie nicht. Die Papier-Sammlung hielt exakt so lange, bis mein Kind eine Schere halten konnte und wusste, wie man Kleber benutzt. Erstmalig in meinem Leben musste ich Buntpapier kaufen, damit mein Kind weiter basteln konnte. War ich von Berufswegen gewohnt sehr sauber, akkurat und strukturiert zu arbeiten, lernte ich sehr schnell, dass es das Bastelmonster nicht die Bohne interessierte, was die Mutter ihr versuchte zu erklären. Handwerk? Techniken? Erfahrung? Alles Nonsens – ich lernte, den Mund zu halten und das Kind einfach machen zu lassen. Und schließlich lernte ich, dass die Ergebnisse meiner Tochter viel schöner, kreativer und einfallsreichen als meine waren. Denn ihr Kopf war frei. Sie war neugierig, wollte probieren, hatte keine festen Bilder im Kopf. Sie hatte keine Vorbehalte, eine blaue Sonne zu malen, wenn es zu ihrer Vorstellung passte. Und warum sollte der Mann zehn Finger haben, wenn er nur neun Finger benutzt. Selbst der Hund wurde einmal großformatig mit Lebensmittelfarbe bemalt. Ein Moment in dem die tolerante Mutter zwischen Tobsuchtsanfall und brüllendem Lachen in Sekundenbruchteilen entscheiden muss.

Den eigenen Kindern im privaten Bereich die Möglichkeit offen zu halten Kreativität auszuleben, hängt viel davon ab, ob man selber eine Affinität dazu hat oder sich der Tragweite dieser klar ist. Schwieriger wird es, wenn Kinder in Institutionen gehen, die entweder der eigenen Vorstellung von Kreativität nicht entsprechen können oder einfach keine Kapazität dafür haben. Meine ältere Tochter klagte in der Grundschulzeit über den zu schweren Schulranzen, also war gemeinsames Ausräumen angesagt. Jedes zweite Blatt in der Tasche, so kam es mir vor, bestand aus einem Mandala. Es kam heraus, dass all diese Mandalas von den Kindern im Mathematikunterricht ausgemalt werden mussten, wenn sie zu schnell mit den Aufgaben fertig waren. Dieses Phänomen begegnete uns auch in anderen Unterrichtseinheiten. Nicht ein einziger Mensch hat den Kindern damals die tatsächliche Bedeutung dieser Schaubilder erklärt. Sie dienten lediglich dazu Kinder zu beschäftigen unter dem Deckmantel falsch verstandener Kreativität. In meinen Augen sind Ausmalbilder, Mandalas oder Malen nach Zahlen, ggf. nützlich motorische Fähigkeiten zu üben, die aber jegliches kreative Potential im Keim ersticken. Auch die klasseneinheitlichen Aufgaben, beispielsweise ein Bild alá Hundertwasser zu malen, dienen nicht unbedingt dem eigenen Einfallsreichtum. Kinder versuchen hier bestmöglich Vorgaben zu erfüllen, nicht aber eigene Ideen zu verwirklichen. Und die Eltern suchen beim nächsten Elternabend verzweifelt unter vielen gleichen, ihren kindlich gemalten Hundertwasser. Wohl dem, dessen Kind sein Bild vorne signiert hat.

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Als Picasso einmal eine Ausstellung mit Kinderzeichnungen besucht hatte, sagte er: „Als ich so alt war, konnte ich malen wie Raphael. Aber ich brauchte ein Leben lang um so zu malen wie die Kinder.“ Kinder malen, was sie fühlen. Es interessiert sie nicht ein reales Abbild der Umwelt zu gestalten. Das kommt erst mit dem älter werden und den Urteilen der erwachsenen Welt. Malt es am Anfang nur Wellen und Kreise, bekommen die Kreise mit der Zeit einmal Beine oder Arme und werden schließlich vielleicht ein Mensch. Der Erwachsene, der fragt, warum der Mensch keine Ohren hat, nimmt unterschwellig sofort eine Wertung vor, die dem Kind nicht dient. Bei seinem Menschen, der keine Ohren hatte, waren sie auch nicht wichtig. Das Kind erzählt, was es selber denkt und wahrnimmt, was für seine Geschichte wichtig ist und Bedeutung hat. Es erzählt nicht das, was tatsächlich da ist um ein stimmiges Bild nach den Kriterien der Erwachsenen zu malen. Statt zu fragen, warum dies oder jenes im Bild fehlt, sollte man ein Kind lieber danach fragen, was es mit seinem Bild erzählen möchte. Vielleicht auch, wie seine Geschichte weiter geht. Keinesfalls aber werten und kritisieren. Ein Kind, das ständig kritisiert wird, muss zu dem Schluss kommen, dass es nicht malen kann und lässt es sein. Das andere Kind, das erzählen darf, für seine Ideen und Einfallsreichtum gelobt wird, mit dem Erwachsenen ins Gespräch ob seiner schönen Bilder kommt, malt weiter. Sein Gewinn liegt in der Entwicklung seiner Ideen, im freien Denken, der Weiterentwicklung seiner Geschichten und dem Kontakt mit dem Interessenten.

Um Kreativität und den Einfallsreichtum zu erhalten, bedarf es keiner besonderen Förderung als die Materialien zur Verfügung zu stellen. Es bedeutet kindliches Denken zuzulassen – machen lassen – Farben, Formen, Materialien, Ideen kombinieren, ausprobieren lassen und keine Grenzen zu setzen. Jeder kennt Geschichten vom Dior-Lippenstift an der Wand, von Schlammbildern im Garten, Fingerfarben bemalten Badewannen. Kinder haben Spaß am Tun. Bleibt ihre Kreativität erhalten, kommt irgendwann unweigerlich das Interesse am Handwerk, das der Kunst später durchaus zugrunde gelegt werden kann. Kreative Menschen sind Menschen, die auch in anderen Lebensbereichen, ideenreich neue Wege beschreiten können und wunderbare Lösungen für alt eingefahrene Vorgänge finden können. Sie können quer denken, neu kombinieren, originelle Wege finden.

Deshalb, liebe erwachsene Welt, wenn ihr ein Bild seht und sagt: „Was ist daran Kunst? Das kann ich auch!“ Macht doch – könnt ihr nämlich nicht. Lernt von den Kindern – die können … und wenn ihr Mann plötzlich 13 Finger hat, hat er sehr wahrscheinlich alle Hände voll zu tun.

Der etwas andere Markt

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Für die Öffentlichkeit noch nicht bemerkbar, ist ein kleines Team mit den Vorbereitungen für den 2. Kunstmarkt der Generationen beschäftigt. Dieses Mal gelassener als im letzten Jahr, denn das Team hat ein Bild vor den Augen und eine Vorstellung im Kopf … und beides wird verwirklicht werden. Getragen von den Erfahrungen vom Vorjahr, von den Rückmeldungen der BesucherInnen und KünstlerInnen, von der Begeisterung aller Mitwirkenden, haben die Arbeiten begonnen. 100 Künstler werden in einem Kunstmarkt zusammen ausstellen und mit ihnen gemeinsam werden Kinder, Jugendliche, Mütter, Väter, etwas ältere BesucherInnen, einfach alle, die dazu Lust haben, einen Tag mit Kunst, kleineren Aktionen und der Mischung der Generationen in gemeinschaftlicher Atmosphäre im Schlosspark Lichterfelde genießen können.

Wir haben eingeladen – zum zweiten Mal – und freuen uns auf diesen besonderen Tag. Auf das Gefühl der Vorfreude, auf die Spannung, ob alles Reibungslos klappt, auf die Vielfalt der Kunstschaffenden, auf Gespräche, das Lachen, die Neugierde, auf das ein oder andere Wiedersehen und besonders auf die Menschen, die mit uns diesen Tag begehen. Wir – das sind MitarbeiterInnen des Stadtteilzentrum Steglitz e.V., die auch schon im letzten Jahr den ersten Kunstmarkt organisiert haben. Schon im Vorfeld des letzten Kunstmarktes, besonders aber am Abend, als alles vorbei war, war uns allen klar, dass wir diese Teamarbeit erneut erleben wollten. Eine Teamarbeit, in der jeder seine Erfahrungen und Stärken einbringen kann. Aber auch eine Teamarbeit, die ganz besonders von vielen ehrenamtlichen HelferInnen und vielen KollegInnen auf großartige Weise unterstützt worden war. So soll es auch in diesem Jahr werden.

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Die soziale Arbeit steht im Fokus des Veranstalters, wozu gehört, Menschen zusammenzubringen und Stadtteilarbeit zu leisten. Dieser Arbeitsbereich – generationsübergreifende Arbeit – steht unter der Leitung von Veronika Mampel, die routiniert Feste organisiert und alle erforderlichen Komponenten … MitarbeiterInnen, behördliche Erfordernisse, organisatorische Voraussetzungen … zusammenbringt. Bei diesem besonderen Markt ist die Kunst für sie das Medium, das die Menschen vereint. Sie werden durch die unterschiedlichsten Darstellungsweisen zu Gesprächen, Diskussionen, zu gemeinsamen Aktionen animiert und der besondere Reiz liegt für die Arbeitsbereichsleiterin darin, dass alles in der Natur stattfinden kann. Auf diese Weise können Flächen im Bezirk völlig neuen Möglichkeiten zugewiesen werden, die der Anonymität der Großstadt entgegenlaufen. Der Nachbar bekommt ein Gesicht und das Kennenlernen bekommt durch Kunst eine offene Chance. Veronika Mampel freut sich über jede Gelegenheit Jung und Alt zusammenzubringen, ohne Vorbehalte, Wertung oder Scheu. Hier wird Kunst von allen Altersklassen vorgestellt und so ein Einblick in die Lebenswelten der anderen gegeben. Kunst drückt sich für sie in alle möglichen Richtungen aus. So hat sie großen Spaß daran, ein kleines Programm auf die Beine zu stellen, dass über den Tag verteilt, Tanzvorstellungen und Musik zu bieten hat. Bei solchen Gelegenheiten, mitten unter alle diesen Menschen, sagt sie, fühlt sie sich besonders wohl. Dann weiß sie, dass ihre Intention – Menschen zu verbinden – angekommen ist.

„Fast genau ein Jahr ist es nun her, dass ich beim ersten Kunstmarkt der Generationen ein von Geatano Foti gesponsertes Auto mit einem Graffiti komplett besprühen durfte.“ erinnert sich Sebastian Unger. Er ist nicht nur Projektleiter der EFöB an der 10. ISS, sondern auch ein sehr renommierter Graffity-Künstler. „Ich weiß noch genau, wie nervös ich war wegen der Verantwortung dem Spender und meinen KollegInnen gegenüber. Um jeden Preis sollte es ein Hingucker werden und die abendliche Versteigerung ein Highlight der gesamten Veranstaltung.“ Ein Bild zu malen, während viele Menschen – also die Gäste, Kollegen sowie die Aussteller des Marktes – dabei zusehen können, ist für ihn ein unbeschreiblicher Nervenkitzel. Deshalb ist er stolz und voller Vorfreude auf den 27. Juni 2015! Denn auch in diesem Jahr wird er wieder als live Performance ein Bild sprayen, während an circa 100 Marktständen „echte Kunstprofis“ ihre Werke feilbieten und sicher hunderte Gäste über den Kunstmarkt der Generationen schlendern. Unter dem Motto „Gemeinsam“ möchte er über mehrere – wie in einem Puzzle – zusammengelegte Leinwände ein abstraktes Bild schaffen, das klassisches Graffiti mit der Ästhetik eines Yin-Yan-Logos vereint. „Wenn ich so darüber nachdenke, weiß ich nicht, was mich nervöser macht. Ist es die Herausforderung dieses Bild so umzusetzen, wie es in meinem Kopf herumschwirrt, oder ist es die Vorstellung des – erneut – großartigen und stark besuchten Kunstmarktes?“ fragt er sich … was es auch ist, er freut sich sehr darauf!

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„Zum ersten, zum zweiten, zum dritten … verkauft an die Dame mit der Nummer 117!“ in etwa diesen Satz werden die Gäste am Abend des Marktes zu hören bekommen. Mehr als 10 Bilderspenden namenhafter KünstlerInnen aus Steglitz-Zehlendorf stehen bereit und werden zugunsten der Kinder- und Jugendarbeit des Stadtteilzentrum Steglitz e.V. versteigert. René Stürkat ist unglaublich glücklich und dankbar ob der großen Spendenbereitschaft, den seine Aufgabe beim Kunstmarkt ist die Organisation der Versteigerung. Im letzten Jahr wurde amerikanisch versteigert und für den Fiat des Schirmherrn durch Graffiti gestaltet, sind mehr als 1000 Euro zusammen gekommen. Dieses Jahr wird die klassische Variante der Versteigerung angewandt und die Bilder an den jeweils höchst bietenden verkauft. Die Bilder kann man sich im Laufe des vormittags in Ruhe anschauen und mit den Künstlern ins Gespräch kommen. Kunst bedeutet für René Stürkat sich ohne Grenzen auszudrücken und sich dadurch mit sich selbst und anderen Menschen in Verbindung zusetzen. Es gibt für ihn keine Regeln und jeder kann sich so auf die Art und Weise ausdrücken, was und wie er fühlt. Künstler geben etwas von ihrem Inneren Preis, zeigen was sie beschäftigt und setzen sich damit auseinander. Kunst verbindet Menschen in der Auseinandersetzung. Sie ist auf jede Art und Weise ein Ausdrucksmittel und braucht eine Plattform auf der dies Möglich ist. Als die Idee von Kunstmarkt entstanden ist, war für ihn die treibende Kraft diese Plattform zu ermöglichen. Im eigenen Sozialraum sollen Menschen Raum bekommen, sich diesem Thema der Gesellschaft zu zuwenden und einen Zugang zu öffnen.

Für diesen Kunstmarkt haben wir uns eine neue Aktion ausgedacht, kann Katharina Zehner erzählen. Neben den bewährten Ständen mit Kunst und Kunsthandwerk, dem bunten Programm, reichhaltigen Gaumenfreuden und Getränken wird auch ein kleiner Kunstgarten während des Festes entstehen. In der Mitte des Marktes wird ein Areal gekennzeichnet sein, wo Kunstobjekte in kleinen „Kunstbeeten“ wachsen können.

Die Einrichtungen des Stadtteilzentrums sind eingeladen ein solches Beet zu bestellen. Sie bieten eine Station auf dem Kunstmarkt an, wo die Besucher des Kunstmarktes kleine, große, bunte, eckige, fliegende, rollende, laute, leise, dicke, flache Kunstobjekte herstellen können, die dann in diesen Beeten ausgestellt werden. Natürlich können die Objekte am Ende des Tages von den Besuchern abgeerntet und mit nach Hause genommen werden, aber zunächst soll jeder Besucher sehen, was hier in unserer Mitte alles wachsen kann. Weil ein Kunstgarten aus allem wachsen kann, ist die Idee hier möglichst Kunstobjekte aus oder mit Material zu kreieren, dass normalerweise in den Müll wandert. Diese Aktion hat es im letzten Jahr nicht gegeben … es wird also spannend werden.

Seit 1999 steht das Gutshaus Lichterfelde – hinter dem der Kunstmarkt stattfinden wird – unter Trägerschaft des Stadtteilzentrum Steglitz e.V. Manuela Kolinski ist seit vielen Jahren die Projektleiterin des Nachbarschaftsbereichs des Hauses. Ihr obliegt die Organisation vor Ort und aller ehrenamtlich helfenden Hände. Bei ihr laufen alle Fäden zusammen und sie ist die erste Ansprechpartnerin für alle, die Fragen oder helfende Hände haben. Und davon benötigt man viele um so einen großen Markt reibungslos veranstalten zu können. Ihre besondere Herausforderung ist, dass jeder weiß was er zu tun hat, und vor allem das jeder, der seine Zeit zur Verfügung stellt auch das Gefühl der richtigen Wertschätzung bekommt. Ehrenamtliche Unterstützung wird bei allen Verkaufsständen, Kaffee und Kuchen, Getränke, den Verzehrmarken, für den Auf- und Abbau der Stände und das Bestücken im Laufe des Tages gebraucht. Es ist wichtig, dass ständig geschaut wird, dass kein Müll herumliegt, altes Geschirr weggeräumt wird und immer ein sauberer Sitzplatz gefunden werden kann. „Es ist einfach schön, wenn Menschen in ihrer Freizeit mit Spaß und guter Laune bei solchen Veranstaltungen helfen. Spaß ist die Grundvoraussetzung für ein gemeinsames gutes Gelingen. Aber,“ sagt Manuela Kolinski „es ist auch unsere Aufgabe, da zu sein, wenn alles vorbei ist. Dann muss alles wieder so sein, als wenn kein Markt stattgefunden hat, denn der Park ist ja wichtiger Bestandteil unserer schönen Umgebung hier.“ Für das gemeinsame gute Gelingen hat sie beste Unterstützung von Melanie Zimmermann, Projektleiterin der Kita Schlosskobolde, die durch Kooperationsfreude und kreative Einfälle eine große Bereicherung für den schönen Markt ist.

Es gibt viele Bestandteile, die notwendig sind, solch einen Kunstmarkt auf die Beine zu stellen. Schön ist die Begeisterung, die bei allen KollegInnen, die dies organisieren und allen die mithelfen, mitschwingt. Das unglaubliche „Wir“-Gefühl, die Dankbarkeit nach dem gelungenen Markt, die fröhlichen und freundlichen Gesichter während des Markttages, die bewundernden Blicke auf die schönen Kunstwerke der Ausstellenden und die vielen Kinder, die sich vom Markttreiben anstecken lassen und immer wieder Neues und Interessantes zu entdecken finden. Ganz besonders wichtig sind dabei natürlich die Besucher, die das Markttreiben mit Leben füllen und den Künstlern die Möglichkeit geben, ihre Werke zu besprechen und die notwendige Rückmeldung für weitere Werke zu bekommen. Wir hoffen, wir können Sie mit diesem kleinen Blick hinter die Kulissen anstecken und laden herzlich zum 2. Kunstmarkt der Generationen am 27. Juni 2015 von 11.00 – 19.00 Uhr in den Schlosspark Lichterfelde ein. Wie es schließlich gewesen ist erzählt Ihnen dann …

Anna Schmidt

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Kunstmarkt der Generationen 2015
Schlosspark Lichterfelde am Hindenburgdamm 28, 12203 Berlin,
27. Juni 2015, 11.00 – 19.00 Uhr.

Fotos: Roman Tismer – Kunstmarkt der Generationen 2014

 

Der Töchter-Mutter-Tag und viele Tattoos

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Ich hätte ja viel für möglich gehalten, nicht aber, mich so oft mit einem Thema zu beschäftigen, das ich für mich persönlich ausgeschlossen habe. Die Neugierde an Andersartigkeit und der Wunsch der Töchter sich ein Tattoo stechen zu lassen, war schon zweimal Anlass für Blog-Beiträge. Im zweiten fand sich in Kommentaren der Hinweis auf eine Tattoo-Ausstellung in Hamburg. Museum für Kunst und Gewerbe hörte sich ziemlich prima an. So waren die Töchter schnell gefragt, die Fahrkarte mit der Bahn gebucht und der Termin stand fest. Dass es der diesjährige „Muttertag“ war, habe ich später erst zufällig gemerkt, aber der Gedanke gefiel mir. Wir machten uns auf den Weg … noch etwas skeptisch, ob der Zug trotz Bahnstreik fährt. Es klappte und nach knapp zwei Stunden angenehmer Fahrt waren wir in Hamburg. Kommt man dort aus dem Hauptbahnhof heraus, stolpert man fast in das Museum, das genau gegenüber des Bahnhofs liegt. 

Gleich vor dem Eingang zeigen sechs sehr große Fotografien, was einen drinnen erwartet – Menschen mit nackten Oberkörpern zeigen die verewigten Kunstwerke auf ihren Körpern. Die Faszination, die von diesen Bildern ausgeht, hört auch im inneren der Räume nicht auf.

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Beginnend mit kleineren Skulpturen kommt man schnell zu Fotografien russischer Strafgefangener. Hier schaudert es einen, denn sehr freundlich sehen die Herren nicht aus. Etwas ruhiger geht es weiter, denn religiöse Riten oder Stammes-Zugehörigkeiten gehen eher in den Vorstellungsbereich des untätowierten Menschen. Tätowierte Hände, die die Träger einzigartig machen, gehören dazu.

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Hat man sich gerade wieder etwas beruhigt, steht man vor den Hautpräparaten aus dem 1900 Jahrhundert, die zur Identifikation unbekannter Leichen dienten. Hier bin ich unsicher, ob’s das Schaudern oder die Neugierde ist, die mich fesselt. Selbst König Harald II soll im 11. Jahrhundert anhand einer Tätowierung nach seinem Tod erkannt worden sein.

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Sak Yants – sakrale Tätowierungen aus Thailand – fesseln durch ihre Schönheit und verblüfft lese ich, dass sie verdeckt getragen werden und nicht offen zu sehen sind. Sie dienen den Menschen als Glücksbringer und Schutz vor Unheil.

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Gesichtstätowierungen aus Birma, die dem Übergang vom Kind zur Frau symbolisieren. Hier erstaunt mich, dass diese Tradition zwar teilweise erloschen ist, aber wieder auflebt. Was für Gesichter … ich würde am liebsten immer wieder faszinierend, faszinierend, faszinierend schreiben.

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Und auch japanische Tätowierungen fehlen unter den Bildern nicht, die aber, denke ich, schon eher gewohnt für unsere Augen sind. Wobei sie dadurch nicht an Schönheit einbüßen.

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Jeder der Farben mag, zu welchem Zweck auch immer, freut sich an dem Farbspektrum der schönen Tattoo-Tinten, deren Unbedenklichkeit aber sicherlich manchmal angezweifelt werden darf oder durfte. Hier kann man sich freuen, dass heute auf so etwas geachtet wird.

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Die Gerätschaften wiederum dürften jeden interessieren. Den einen im Entschluss bestärken, so etwas nicht an die Haut zu lassen. Den anderen überlegen lassen, welches wohl das schmerzloseste Gerät ist. Interessant sehen sie alle aus. Von der Reise-Tattoo-Maschine bis hin zu Dornen-, Horn- oder Knochen-Werkzeugen – auch hier ist die Auswahl groß.

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Und selbst vorm Kinderzimmer hat das Tattoo nicht Halt gemacht … den kleinen Piraten, Indianer und Seebären gehört eine eigene Vitrine.

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Literatur hat die Ausstellung ebenso zu bieten wie viele Video-Einspielungen … und auch die Erklärungen an den Bildern oder auf den Wänden bieten wirklich interessante Fakten, die immer wieder Staunen erzeugen. Wer weiß schon, dass selbst Sissi – Kaiserin von Österreich – ein Tattoo getragen hat?

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Das Schweinchen wiederum fand ich klasse, was meine Tochter mit einem „Mama, was denkst du woran die üben?“ kommentierte. Egal – ich finde das Schwein hipp … cool … megamodern!

Die beiden letzten Bilder der Ausstellung haben mich in ihren Bann gezogen.

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Was für ein Blick …

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… und welch ein krasser Gegensatz. Man möchte eine liebevolle Großmutter sehen und kann sich nicht von ihren Körperbemalungen trennen.

Die Ausstellung ist sehr sehenswert und war den Weg wert. Ich persönlich spüre immer noch nicht den Wunsch ein Tattoo zu tragen, doch die Schönheit, Faszination, das Unbegreifliche oder eben auch Verständliche dahinter, übt einen ungeheuren Reiz aus. Und beiden Töchtern, altersgemäß kritisch, hat es ebenfalls sehr gefallen. Sie hätten sich allerdings auch einen Blick auf die neusten Tattoo-Moden gewünscht. Dennoch lässt die Ausstellung den Besucher mit wunderschönen Bildern, Informationen und Erklärungen bereichert nach Hause gehen. Fazit: Wen es interessiert – hinfahren – es lohnt sich sehr!

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Natürlich sind wir nicht sofort wieder in den Zug nach Hause eingestiegen, sondern gut gelaunt in die Stadt gelaufen. Am Rathaus vorbei in die Altstadt und zum Hafen ging der Weg. Das Hafenfest war voll im Gange, was natürlich den großen Vorteil hatte, dass wir als Berlin-Touristen nicht weiter auffielen. Die Töchter fühlten sich wohl, zumal in dieser Stadt der Lieblings-Fussball-Verein beheimatet ist. Das Essen hat geschmeckt und eine Runde Riesenrad sind sie auch gefahren (Mutter musste zum Glück am sicheren Boden auf die Taschen aufpassen). Es war ein wunderschöner Tag, bei bestem Wetter, mit gut gelaunten Töchtern, viel Lachen und Gemeinsamkeit. Nur einer hat gefehlt am Töchter-Mutter-Tag … der Vater. Der hat uns wieder vom Bahnhof abgeholt … aber der Plan für den Vatertag-Familien-Abend steht.

Den Töchter-Mutter-Tag möchte ich gerne wieder machen … mal sehen, was uns im nächsten Jahr einfällt – am Muttertag! 🙂

Die Sache mit dem Klettergerüst

Foto: ©-Kara-Fotolia.com

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Ein bekanntes Beispiel für die Diskrepanz zwischen dem Wunsch einer Mutter, ihr Kind in Sicherheit zu wissen und dem Bewegungs- und Entdeckerdrang eines Kindes ist wohl das Klettergerüst. Kinder wollen es erobern, so hoch als möglich klettern und oben stolz beweisen, dass sie es geschafft haben. Die Mutter steht unten, beobachtet, muss sich schwer zusammenreißen, nicht wie ein jonglierender Tanzbär unter dem Kind herumzutanzen und die rettenden Arme aufzuhalten. Selbst den eingezogenen Zischlaut der Mutter, falls das Kind schwankt, sollte es nicht mitbekommen, um nicht das Gefühl zu bekommen, die Mutter zweifele an seinen Fähigkeiten. Kinder brauchen und wollen Sicherheit, die sich aber mit jedem Lebensjahr verändert und oft sehr von der Vorstellung der Eltern abweicht.

Wohl zu den schönsten Gefühlen in der Erziehung gehört der Moment, in dem Mutter oder Vater realisieren, dass das Kind Vertrauen, Zuneigung und Schutz beim Elternteil sucht. Besonders, wenn einem klar wird, dass diese Zuneigung, dieses Schutzbedürfnis, nur einem selbst gilt. Der Moment, wenn sich das erste Mal die Hand des Säuglings um die der Eltern schließt oder das Kind den Kopf vertrauensvoll auf der Schulter ablegt. Dieses Urvertrauen, das das Kind entgegenbringt ist so unglaublich schön und so schwer zu erschüttern – doch es verändert sich. Ist es beim Säugling noch sehr durch Nähe und Körperkontakt bestimmt, löst es sich immer weiter, erforscht und erobert seinen Lebenskreis. Eltern werden zur Zuflucht, wenn es in der Ferne nicht mehr stimmt. Je selbstständiger und selbstbewusster das Kind wird, desto weniger bedarf es den familiären Schutz. Desto größer werden seine Kreise, die für die Eltern immer schwerer zu kontrollieren sind.

Das Maß, wie stark der Schutz sein muss, den Kinder bedürfen, ist individuell und von Kind zu Kind unterschiedlich. Es gibt Kinder, die von Anfang an selbstbewusst, stark und neugierig durch ihre Erlebniswelt streifen, aber auch Kinder, die eher zögerlich und zurückhaltend sind. Genauso wie Eltern: Die einen, die Angst vor jeder Veränderung und Gefahr für das Kind haben oder Eltern, die es entspannt schaffen, das Kind seine Erfahrungen machen zu lassen. Für alle Kinder gilt, dass sie nur aus den Erfahrungen, die sie machen dürfen, lernen und ihr Verhalten entsprechend einstellen.

Kinder sind von Natur aus neugierig und möchten die Welt erfahren. So ist es durchaus sinnvoll, Schutzmaßnahmen zu treffen und vorausschauend die nähere Umgebung zu prüfen, was zur Gefahr werden könnte. Sind das beim Säugling im Krabbelalter noch herumliegende Kleinteile, muss beim laufenden Kind geprüft werden, wo es sich stoßen und verletzen könnte. Gefährliche Substanzen sollten immer gut bewahrt und offene Fenster oder Türen gesichert werden. Scharfe Gegenstände gehören ebenso nicht unbeobachtet in Kinderhände, da gilt nach wie vor der alte Spruch: „Messer, Gabel, Schere, Licht, ist für kleine Kinder nicht!“ Wer Kinder im Haus hat, sollte in allen Lebensbereichen gut prüfen, wo es nachhaltige Maßnahmen zu treffen gilt, die Unfälle vermeiden und so manchen Kummer ersparen.

Dennoch sollte man auch nicht übervorsichtig sein. Ein Kind, dass den Umgang mit Messer und Schere nicht lernt, ist eher in Gefahr, sich damit zu verletzen. Ein Kind, dass nie eine Kerze anzünden darf, wird früher oder später dem Reiz, es im Verborgenen zu tun, unterliegen. Besser als die schützende Glasglocke ist der altersentsprechende Lernprozess und das Gespräch über Gefahren. Dieser Lernprozess gilt auch für Bereiche außerhalb der Wohnstätte. Ein Kind, das nicht schwimmen kann, wird an einen Schwimmbadbesuch keinen Spaß haben. Ein Kind, das nicht lernt, wie man vernünftig einem Tier begegnet, baut Ängste auf, die es in Gefahr bringen. Gut ist, sich zu informieren, wo Kinder in allen Lebensbereichen lernen können und dürfen, und so immer bereichernde Erfahrungen machen.

Ist es in jüngeren Jahren eher der körperliche Schutz und Lernprozess, sind es mit dem Heranwachsen mehr die ideellen Erfahrungswerte. Kinder fangen mehr oder weniger im Alter von 10 Jahren an, sich für Handys und Internet zu interessieren. Verbieten bringt wenig. Sinn macht ein begleitetes Heranführen, was für viele Eltern heute einem gemeinsamen Lernen gleich kommt. Ein Kind muss heute lernen, wo sich Abofallen beim Handy verbergen; muss lernen, welche Gefahren das Internet mit sich bringt; muss wissen, was Datenweitergabe in Netzwerken bedeutet. Meist wird in der Grundschule mit Referaten begonnen, die im Internet recherchiert werden müssen, und wer kennt nicht die gute alte PowerPoint-Präsentation, die ein beliebtes Medium ist. Ein Computer muss ins Haus. Die Ausrede von Erziehungsberechtigten, selber keine Ahnung davon zu haben, hat heutzutage keinen Bestand mehr. Kinder müssen damit umgehen können, da heutzutage nahezu kein beruflicher Weg, geschweige denn viele private Angelegenheiten, ohne die digitale Technik auskommen. Hier kann man mit dem Kind lernen und Angebote nutzen, die vielfältig bereit stehen. Das wichtigste dabei bleibt jedoch, wie bei allen Erziehungsangelegenheiten, mit dem Kind im Gespräch zu bleiben. Nur dadurch kann man beobachten, herausfinden, was aktuell von Interesse ist und notfalls rechtzeitig eingreifen – im Idealfall. Welche Absprachen man trifft, welche Regeln gelten sollen, ist Individuell und familiärer Natur, muss aber immer wieder entsprechend des Kindesalters neu verhandelt werden.

So auch die Regeln, die den Ausgang betreffen und ganz besonders der Umgang mit Alkohol. Irgendwann, und da fasse sich bitte jeder an die eigene Nase, wird der Nachwuchs (wenn er es denn nicht heimlich tut) sein erstes Bier trinken. Hier mit Entsetzen, harten Strafen und Moralpredigten zu reagieren, macht wenig Sinn. Er/sie wird es wieder tun, dann aber erst recht heimlich. Es ist besonders in diesem Bezug wichtig, miteinander zu reden, mit Offenheit zu versuchen einen Weg zu finden, der Eltern und dem Kind entgegen kommt.

Einen ganz besonderen Aspekt der Sicherheit für ein Kind dürfen wir aber nie vergessen: Kinder brauchen Rückendeckung und Vertrauen. Wenn sie sich stets sicher sein können, dass das Zuhause ein Ort ist, der Unterstützung und Verständnis bietet, werden sie sich in der Welt freier und sicherer bewegen. Sicherheit bedeutet, erzählen dürfen ohne Angst zu haben verurteilt zu werden. Sicherheit bedeutet, so sein zu dürfen, wie man ist. Schwäche, Enttäuschung, Wut zeigen zu dürfen, ein offenes Ohr zu finden und im Gespräch Lösungen aufzuzeigen. Sie sind es wert und was Eltern an Zeit in die Erziehung und Sicherheit der Kinder investieren, zahlt sich später vielfach aus. Gute Eltern werden nicht geboren, auch das müssen sie lernen. Wenn wir dabei den Blick in die eigene Kindheit nicht vergessen, mit einem guten Bauchgefühl, viel Liebe und einer gewaltigen Portion Humor in die Erziehungsarbeit einsteigen, kommen wunderbare kleine Persönlichkeiten dabei heraus, auf die wir – berechtigt – stolz sein können. Kinder können ganz oben auf dem gedachten Klettergerüst stehen, wenn ihre Eltern den richtigen Balanceakt zwischen Sicherheit und Freiheit gemeistert haben!

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Stadtteilzeitung Steglitz-ZehlendorfNr. 187 • Mai 2015

Ihr Kinderlein kommet …

©-F.Schmidt-Fotolia.com

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In ein paar Wochen ist es endlich soweit – wir freuen uns auf eine Geburt. Ein neues Mitglied wird unseren Familien-Kreis bereichern. Die Eltern sind jung, gesund, verliebt und glücklich. Das einzige etwas ungewöhnliche bei diesem Kind ist vielleicht, dass die altersmäßig nächst stehenden Cousine und Cousin des Babys bald 18 Jahre alt sein werden. Alle anderen Cousinen und Cousins sind älter. Dieses Kind wird nie gleichaltrige Cousinen und Cousins haben. Es hat auch ziemlich alte Tanten und Onkel, denn sein Vater war ein Nachzügler … 24 Jahre jünger als die älteste Schwester.

Ein großer Altersunterschied besteht und belebt die Familie. Meine Mutter hat sehr früh ihr erstes Kind, meine ältere Schwester, bekommen. Danach folgten noch drei Geschwister mit zweieinhalb, dreieinhalb und viereinhalb Jahren Abstand. Die Familienplanung war abgeschlossen und sehr spät kündigte sich doch noch ein Nachzügler an, der sich allen Planungen widersetzte. Mit 41 Jahren bekam meine Mutter meinen jüngsten Bruder. Zu einem Zeitpunkt, als sie das erste Mal in ihrem Leben etwas für sich selber tat und Malerei studierte. Zu einem Zeitpunkt, als meine Schwestern und ich schon 24, 21 und 18 Jahre alt waren und uns mit Schulabschlüssen und Ausbildungsbeginn beschäftigten. Wer unsere Familie nicht kannte, war unsicher zu wem der Säugling gehörte, denn meine Mutter hatte schon sehr früh graue Haare. Am Tag meiner Geschichts-Abiturprüfung wurde mein Bruder geboren. Mein Geschichtslehrer fragte mich damals, warum ich so nervös sei und als ich ihm den Grund nannte, fragte er: „Gleiche Mutter, gleicher Vater?“ und ich nickte nur und sagte: „Gleiche Mutter, gleicher Vater!“

Mit 41 Jahren war sie damals eine Spätgebärende. Es war keine leichte Umstellung für meine Eltern, die eigentlich schon das Ende der Erziehungsarbeit vor Augen hatten. Dennoch entwickelte sich der Nachzügler zu einem enormen Gewinn für uns alle. Zweifel bestanden, mussten letztendlich der Freude über ein neues Familienmitglied weichen. Zudem war es für meine Schwestern und mich wunderschön, meine Mutter noch einmal bewusst als schwangere Frau zu erleben. Aber mein Bruder, trotz dessen, dass er vier Geschwister hat, wuchs als Einzelkind auf. Meine Schwestern und ich waren schon auf dem Weg die Ursprungsfamilie zu verlassen.

Wir sind fünf Kinder, was wir immer sehr bewusst mit allen Vor- und Nachteilen erlebt haben. In Erinnerung bleiben natürlich vornehmlich die schönen und lustigen Erlebnisse und Gemeinsamkeiten. Wenn wir alle zusammentreffen, dauert es nicht lange und wir erinnern uns an dies und jenes, jeder weiß noch ein anderes Detail, kramt eine Besonderheit aus dem Gedächtnis, die die anderen schon vergessen hatten. An diesen Gesprächen kann sich mein jüngster Bruder oft nicht beteiligen, weil er keine gemeinsamen Kindheitserinnerungen mit uns älteren hat. Es geht sogar soweit, dass er nicht nur seine eigenen Kindheitserinnerungen hat, die er nicht mit uns teilen kann. Er hat auch meine Eltern ganz anders wahrgenommen als wir. Als wir Kinder waren, waren unsere Eltern sehr jung und fast selber noch auf dem Weg ihre Persönlichkeit zu entwickeln. Er hatte als Kind abgeklärte Eltern, die so schnell nichts mehr aus dem Sessel locken konnten, hatten sie doch schon so ziemlich alles in der Erziehung von Kindern erlebt.

Mit über 30 Jahren sagte mein Bruder einmal in einem Gespräch, dass er eigentlich jetzt erst seine älteren Geschwister richtig kennenlernt und ihr Wesen erfasst. Er sei oft auf die Gespräche neidisch gewesen, bei denen er zugehört hatte und hätte die Verbundenheit, die er zwischen uns älteren gespürt hätte, manchmal für sich selber vermisst. Es hatte etwas sehr Wehmütiges als er das sagte. Erschwerend kommt auch hinzu, dass er unseren Vater in einem Alter verloren hat, in dem er ihn sehr gebraucht hätte – er war 16 Jahre alt und in der Pubertät. Wir Älteren haben unter diesem Verlust nicht weniger gelitten, haben aber den Vater in der ganzen Kindheit und dem späteren Erwachsenwerden als Unterstützung zur Seite gehabt.

Warum ich das erzähle dürfte allen klar sein, die die Nachrichten der letzten Tage verfolgt haben. Eine Mutter von 13 Kindern bekommt mit 65 Jahren nach künstlicher Befruchtung Vierlinge. In ein paar Monaten werden Kinder geboren werden, die nie mit allen Geschwistern unter einem Dach leben werden. Ihre Mutter könnte ihre Großmutter sein. Sind die Kinder einmal 20 Jahre alt, wird die Mutter 85 Jahre alt sein und die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese Kinder sehr früh mit Rollator, Pflegeversicherungen, Seniorennachmittagen auseinandersetzen müssen, ist sehr groß.

Ich komme seit ein paar Tagen aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus. Jedes Kind der Welt sollte willkommen sein – unter natürlichen Bedingungen. Unter Bedingungen, die ein unbeschwertes, freies und gesundes Aufwachsen möglich machen. Unter Voraussetzungen, die die Natur uns gegeben hat und an denen der Mensch nicht manipuliert. Es spielt keine Rolle, ob ein Kind Mutter und Vater hat, oder zwei Mütter oder zwei Väter. Nur sollte das Kind auch die Chance haben mit seinen Eltern den natürlichen Werdegang des Lebens und Alterns zu durchleben, und dass es nicht schon kurz nach der Pubertät in die Altenpflege wechseln muss. Der Kinderwunsch einer 65-Jährigen ist in meinen Augen purer Egoismus. Was mich besonders daran stört ist, dass dieser Kinderwunsch und Egoismus nicht eine Frau alleine für ihre eigene Person betrifft. Es betrifft vier ungeborene Kinder, die nicht die geringste Möglichkeit der Wahl haben. Die gesundheitliche Unverantwortlichkeit braucht man überhaupt nicht zu erwähnen. Nicht nur für die Mutter, deren Körper in dem Alter nicht mehr selber für Geburten bereit ist, sondern auch das Risiko, dass die Kinder tragen. Geschwisterkinder sind betroffen, die in Erklärungsnot kommen und ständig erklären werden, dass die Tante gleich alt wie die Nichte ist oder der Bruder nicht der sehr alte Onkel ist. Geschwister, die gefragt oder nicht, die Verantwortung für die Obhut ihrer sehr jungen Geschwister übernehmen werden müssen.

Meine Mutter war mit 41 Jahren eine Spätgebärende. Das ist heute nichts Besonderes mehr. Ich selber war mit 34 + 36 Jahren bei meinen Kindern eine Spätgebärende. Dennoch sind es die Zeichen der Zeit, dass Frauen oft spät Kinder bekommen und sich vorher in Ausbildung und Beruf um eigenständige Grundsicherung kümmern. Ich finde es auch wunderbar, dass Paaren, die aus irgendwelchen medizinischen Gründen alleine keine Kinder bekommen können, Möglichkeiten haben sich helfen zu lassen. Das bedeutet aber nicht, dass man jegliche Altersfrage außer Kraft setzen muss, den eigenen Wunsch, jung zu bleiben und als Mutter bewundert zu werden, über das Wohl von Kindern stellt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Chance haben mit ihren Eltern erwachsen zu werden.

Es ist eine Sache sich darüber zu empören, weil es aus der Norm fällt, dass 65-jährige Frauen Kinder bekommen. Es ist eine andere Sache sich alle Facetten vorzustellen, die die Auswirkungen und Tragweite von solch einer alten Mutter für die Kinder hat. Man stelle sich allein einen Elternabend in der Oberstufe der Kinder vor, zu dem die Mutter mit Rollator gehen muss. Mir graut es bei der Vorstellung. Diesen vier Kindern wünsche ich vornehmlich, dass sie es schaffen gesund und ohne Komplikationen auf die Welt zu kommen. Zudem wünsche ich ihnen, dass ihre Familienbande stark genug und nicht zu weit auseinander sind, auf dass sie immer in einem familiären Netz aufgehoben sein werden. Ich hatte schon einmal in einem Beitrag geschrieben „Rabenmütter gibt es nicht!“. In diesem Fall komme ich an meine Grenzen des Verständnisses, muss aber auch hier einräumen, dass diese Frau ihre Gründe haben wird. Nur verstehen werde ich das nicht.

Ihr Kinderlein kommet, oh kommet doch all …?

Zum Leben zu müde, zum Sterben zu schwach …

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Sie hebt ihre Hände hoch, schaut auf den kleinen Schlauch an ihrem Handgelenk und fragt, für was der ist. Ich erkläre ihr, dass darüber Flüssigkeit in ihren Körper kommt, weil sie krank ist und sie wieder gesund werden muss. Dafür bekommen ich einen verständnislosen Blick. Um die Situation zu überspielen, erkläre ich ihr weiter, dass es jetzt Frühling wird. Erzähle ihr, dass alle Vögel zurück kommen und sie im Frühling doch so gerne draußen ist. Dann wird ihr Blick wieder milde und wandert weiter … Das machten wir seit fast 5 Stunden und alle paar Minuten fragte sie mich wieder, für was der Schlauch an ihrem Handgelenk ist.

Wir freuten uns auf ein ruhiges Wochenende. Ohne Verpflichtungen und ohne Kinder, die zu einem Hockeyturnier gefahren waren. Es kam anders. Gegen Mittag kommt ein Anruf aus dem Seniorenheim, dass es der Schwiegermutter nicht gut ginge und man sie in ein Krankenhaus bringen wollte. Nach fünf Minuten, wir wohnen 200 Meter entfernt, waren wir dort. Sie schlief, aber selbst der schlafenden Frau war anzusehen, dass es nicht gut stand. Beim Transport wurde sie teilweise wach, ob sie uns wirklich erkannte ist unsicher. Auch später als wir warten mussten dauerte es recht lange, bis sie wirklich realisierte, dass wir anwesend und bei ihr waren. Nach relativ kurzer Zeit holte uns ein Arzt zur Untersuchung, ließ sich die Umstände erzählen, fragte nach Verfügungen und Vollmachten und begann mit der ersten Untersuchung. Wieder einmal waren wir froh, dass wir spontan die Papiere mitgenommen hatten. Schließlich erklärte er uns die weiteren Untersuchungen, die notwendig waren. Dann stellte er das erste Mal die belastende Frage, welche lebenserhaltende Maßnahmen gemacht werden sollten. Mein Mann und ich schauten uns kurz an, bis er antwortete „Keine!“ Der Arzt ließ aber nicht locker, fragte, ob ein Infekt behandelt werden dürfe, was mit Herzbehandlungen wäre und einiges andere, bis er zufrieden war. Schließlich mussten wir auf weitere Untersuchungen warten.

Wir waren beide in Gedanken, immer mit dem Blick auf die ruhende Patientin. Waren in Gedanken bei der gesunden Frau, die sie noch vor einem Jahr war, wanderten zu dem Tag ihres Infarkts, zu der Reha, zu der Erkenntnis, dass sie nicht mehr alleine lebensfähig war. Zum letzten gemeinsamen Tag in ihrem Haus, zu der Zeit in der sie sich im Seniorenheim zurechtfinden und wir uns mit Demenz auseinander setzen mussten. Die ersten Wochen waren schwer, aber auch an Demenz, an gemeinsame kleine Spaziergänge und an Unterhaltungen in einer Endlosschleife, kann man sich gewöhnen. An immer wieder gleiche Fragen, kleine Rituale und Begebenheiten, die einem doch ein liebevolles Lächeln entlocken. Und trotzdem schaut man zu, wie ein geliebter Mensch immer weniger, zarter, kleiner, transparenter wird. Und weil man nicht weiß, wie lange dieser Zustand dauern wird, schwankt man ständig zwischen der Dankbarkeit, gemeinsame Zeit verbringen zu können und dem Wunsch, es möge doch wieder wie früher sein. Es wird nie mehr wie früher.

Es wird schwieriger und nun kommen andere Krankheitssymptome hinzu. Wir haben gesehen, dass sie zerbrechlicher wurde. Haben bemerkt, dass der Kopf immer weniger leisten konnte, dass ihre Erinnerungen schwächer und entfernter waren. Und wenn sie für wenige Momente einmal im Jetzt war, haben wir ihre Befürchtung, was sie für eine Belastung für uns wäre, entkräftet. Immer öfter hat sie geäußert, dass es doch besser wäre, wenn sie sterben würde. Das haben wir versucht zu ignorieren, aber das sagt sie nun auch im Krankenbett, wenn sie für einen kurzen Moment bei uns ist. Sie will einfach nicht mehr, ist des Lebens müde, möchte Ruhe und ihren Frieden haben. Und wir – wir sind nun soweit, dass wir ihr wünschen, ihr Wunsch möge erfüllt werden.

Belastend ist die Frage der Ärzte, was für Maßnahmen noch getroffen werden sollen, damit sie wieder gesund werden kann. Ein Harnwegsinfekt, eine Lungenentzündung und ein Schlaganfall stehen zur Auswahl. Es ist die eine Sache, alle Vorsorgepapiere auszufüllen, die Kreuze an die richtige Stelle zu machen und zu verfügen, dass ein anderer Mensch entscheiden soll, welche lebensverlängernde Maßnahmen getroffen werden sollen oder eben auch nicht. Diese Papiere haben uns immer sehr geholfen, entscheiden zu können. Eine ganz andere Sache ist es vor einem Arzt zu stehen und diese Entscheidung zu treffen. Zum Glück ist es in unserem Fall eindeutig und oft kommuniziert. Sie selber hat es verfügt, festgeschrieben und uns oft gesagt, das sie alles ablehnt, was sie künstlich am Leben hält.

Aber sie ist nun mal die Mutter, die Schwester, die Schwiegermutter, die Oma. Wir möchten festhalten – wissen aber, dass dies nicht mehr richtig ist. Der Wunsch, dass sich ihr Wille erfüllt und sie Frieden findet, wird immer stärker. Wir reden viel miteinander, müssen diese Situation gemeinsam bewältigen, kämpfen mit der inneren Zerrissenheit und wissen doch, dass es so kommen wird. Und wann? In Stunden, Tagen oder Monaten? Er kommt – der Frieden, den sie sich wünscht – bis dahin werden wir weiter machen … Leben, Arbeiten, Reden, Nachdenken – aber auch Lachen, Freude empfinden, das Miteinander genießen und erinnern uns an die vielen gemeinsamen Jahre – mit einer einst starken Frau.

Am nächsten Tag ein weiterer Anruf. Sie ist aus dem Krankenhaus entlassen worden und wieder im Seniorenheim. Innerhalb kürzester Zeit sind wir bei ihr – fassungslos, dass so eine schnelle Wende möglich sein soll. Gestern noch zum Sterben bereit und heute wieder entlassen. Sie liegt wieder in ihrem Bett, erkennt uns sofort, setzt sich mit Hilfe auf und redet mit uns … immer die gleichen Fragen. Sie sieht immer noch nicht gut aus, ihr Atem rasselt, aber es ist möglich ihr ein Lächeln zu entlocken. Im Schwesternzimmer lasse ich mir den Entlassungsbericht geben. Unter vielem anderen steht dort: „Auf Wunsch der Patientin erfolgt eine rasche Rückverlegung in die gewohnte Umgebung der Pflegeeinrichtung!“ … wir sind sprachlos. Wie kann man einen dementen Patienten auf eigenen Wunsch entlassen, der zwei Minuten später davon nichts mehr weiß? Will sie nun leben oder sterben? Wir sind durcheinander.

Gut, alles geht wieder seinen gewohnten Lauf … wir werden sie beobachten, besuchen, unterstützen, betreuen … alle Auf und Ab’s mit ihr durchleben, ihre Fragen beantworten und mit ihr lachen, wenn es geht. Wir sind dankbar für unseren Alltag, die Arbeit, die Kinder, die uns ablenken. An ihrem Handgelenk trägt sie immer noch das Plastik-Armband aus der Klinik mit ihrem Namen drauf … es sieht aus wie das bei der Geburt eines Kindes … das ist der Lebenskreislauf. Und das Leben fragt nicht, wie es uns geht, es geht immer weiter – dafür bin ich besonders dankbar!

Tattoo – wenn die Kinder Entscheidungen treffen

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Foto: © yuryrumovsky – Fotolia.com

Große Aufregung im Haus … aus Versehen hat der Vater mitbekommen, dass die Töchter planen ihren Körper in absehbarer Zeit mit einem Bild zu bereichern. Die Mutter war schon eingeweiht, hatte aber noch keine Zeit den Vater schonend vorzubereiten. Einzelne Gespräche beruhigen die Gemüter wieder, aber es wird deutlich, dass eine völlig neue Phase der Eltern-Kind-Beziehung eingetreten ist. Die Töchter werden erwachsen, treffen eigene Entscheidungen und wollen sich ein Tattoo stechen lassen, ob es den Eltern gefällt oder nicht.

In mir drinnen kämpfen ganz viele verschiedene Gefühle mit- und gegeneinander. Zwischen Faszination und Ablehnung ist alles durcheinander gewürfelt. Tattoos finde ich faszinierend – wo sie passen. Es gibt Menschen, die wie für Tattoos gemacht zu sein scheinen. Deren ganzes Auftreten, deren Haltung und Outfit genau zu dem passen, was sie sich auf ihre Haut haben stechen lassen. Menschen mit Tattoos wollen auffallen, sich abgrenzen oder auch deutlich ausgrenzen. Jeder, der ein Tattoo hat, gibt eine Botschaft an andere weiter. Und, wenn das Handwerk gut ausgeführt ist, finden sich wahre Kunstwerke auf der Haut. Manche Tattoos finde ich abstoßend, teilweise bedauernswert oder lächerlich. Tattoos, die aus einer Laune heraus entstanden sind, einer momentanen Mode folgen oder einfach schlecht ausgeführt sind … der arme Träger.

Für mich selber kam so ein Gedanke noch nie in Frage. Ich habe noch nie einen Reiz dabei gespürt, mich selber mit einem Bild für immer zu verbinden. Tattoos haben etwas Anrüchiges, Mutiges für mich und mit einer Mischung aus Respekt, Skepsis und Verständnislosigkeit betrachte ich manchmal Menschen, deren ganzer Körper für immer mit ihren Phantasien in Form von Bildern verbunden ist. Für einen Zeitungsbeitrag habe ich schon einmal ein Interview mit dem Inhaber eines Tattoo-Ladens geführt. Dabei habe ich persönlich viel gelernt und es hat eher meine Zuneigung dazu gefördert, konnte ich doch besser das Handwerk und die Kunst dahinter verstehen. Ich kann es bestens an anderen Menschen akzeptieren, teils auch bewundern, aber meins ist es eben nicht.

Und nun tragen sich beide Töchter mit dem Gedanken, sich für immer mit einem besonderen Bild zu verbinden. Bei den eigenen Kindern ist das noch einmal ein ganz anderer Schuh. Zum einen habe ich Bilder von meinen süßen Kleinkindern vor Augen, die sie nie mehr sein werden und die ich immer beschützt habe. Zum anderen, passiert jetzt etwas in ihren Köpfen, vor dem ich sie nicht mehr beschützen kann und deren Auswirkungen sie ganz alleine tragen werden. Natürlich kann ich jetzt alle Argumente ins Feld führen, die dagegen sprechen, aber ich fürchte, je vehementer mein Widerstand sein wird, umso mehr werden sie es wollen. Also versuche ich es mit Vernunft, dass sie sich Bilder aussuchen sollen, die sie auch noch im Alter gut finden können. Bilder, mit denen sie eine Begebenheit, einen Menschen, ein Gefühl verbinden können. Bilder, die keine zeitliche Begrenzung haben und für sie persönlich etwas ganz besonderes bedeuten. Und den Plural von „Bildern“ führe ich hier nur an, weil es zwei Töchter sind – also ein Bild pro Tochter reicht – denke ich … hoffe ich. Die Wahl der Körperstelle sollte ebenso gut durchdacht sein. Gerade bei jungen Menschen, die noch nicht wissen, welche Berufswahl einmal die richtige sein wird. Es gibt Berufe, in denen das nicht gern gesehen ist oder auch gar nicht akzeptiert wird. Und trotz dessen, dass Tattoos Jahrhunderte alt sind, sind sie doch immer etwas anrüchig belegt und gesellschaftlich nicht konform. Also sollte es eine Körperstelle sein, die auch einmal gut verdeckt werden kann und bei der die Giraffe nicht nach ein paar Jahren vielleicht wie ein Walross wirkt. Enorm wichtig ist in meinen Augen der Ausführende der Bilder. Sie müssen eine gute Wahl des Studios treffen, sich gut erkundigen, beraten lassen und letztlich vertrauen können, wenn es dann an die Ausführung geht. Danach werden sie nie mehr dieselben sein – äußerlich.

Bei diesem Vorhaben sind wir Eltern nur noch Zuschauer. Sie müssen entscheiden, wir müssen akzeptieren. Das der Moment kommen würde, in dem sie Entscheidungen gegen unseren Rat treffen, wussten wir. Letztlich haben wir sie dazu erzogen eigene Entscheidungen zu treffen. Wir haben gemeinsam diskutiert, haben hin und her überlegt. Schließlich habe ich gebeten, dass ich dabei sein darf. Bei der Beratung und auch später, wenn es dann umgesetzt werden wird. Ich kann besser damit umgehen, wenn ich sie begleiten darf. Sie waren alleine in dem Studio, dass sie sich ausgesucht haben. Dort bekamen sie gesagt, dass man frühestens drei Monate vor dem 18. Geburtstag berät. Das hat mir schon einmal gefallen. Soweit ist es bei der Jüngeren noch nicht. Weil sie es gemeinsam machen möchten, wartet auch die Ältere ab. So sind ein paar Monate gewonnen, in denen sie ihre Entscheidung bedenken können, vielleicht das Motiv modifizieren und sich wirklich über die lebenslange Tragweite klar werden können.

Ich habe ein Buch gekauft – ein Buch mit 1000 Tattoos. Fotos von Naturvölkern, aus dem letzten Jahrhundert, Sammlungen von Herzen oder anderen Motiven. Enthalten ist ein relativ kurzer Text über die Geschichte der Tattoos – kurz genug, dass die Chance besteht, dass sie ihn lesen werden. Die Motive, die sie sich selber ausgesucht haben gefallen mir. Den Bezug und die Begründung, die sie mir erzählt haben, kann ich nachvollziehen. Und ein bisschen bewundere ich ihren Mut, das machen zu wollen. Aber trotzdem … ich würde mir viel lieber darüber Gedanken machen wollen, ob ich sie impfen lasse oder nicht, zum Schwimm- oder Gymnastk-Verein schicke, ihnen Gemüsesuppe oder Spaghetti koche. *seufz*

Ich habe ein sehr schönes Zitat dazu gefunden: „Wenn man Kinder hat, die in der Pubertät oder über diese hinaus sind, dann sollte man sich nicht in Ihr persönliches Leben einmischen, ohne eingeladen worden zu sein. –  Jesper Juul“ Sie suchen das Gespräch und den Austausch mit uns … auch was die Tattoos betrifft … ein gutes Bauchgefühl sagt mir, dass dies so in Ordnung ist und ich hoffe, dass es noch lange so bleibt. Denn mit oder ohne Tattoos, es sind ja doch immer meine – wunderbaren – Kinder.

Die Zeitung Nummer 374

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Nr. 374 macht sich auf den Weg

In der riesigen Produktionshalle der Druckerei steht ein Koloss von einer Maschine, der fünf Farbwerke verbindet und einfaches weißes Rollenpapier in bedruckte Zeitungsseiten verwandelt. Es ist laut in der Halle, denn verbunden mit dem Koloss sind weitere Maschinen und Förderwerke, die in einer Endlosschleife das Rollenpapier verarbeiten und am Ende fertig verpackte Zeitungsstapel produzieren und auswerfen. Es ist die Geburtsstunde der kleinen Stadtteilzeitung, die sich von hier aus auf ihren Weg zum Leser macht. In einem dieser Zeitungsstapel lag eines Tages eine kleine Zeitung, die gleich nach Entstehung eine unglaubliche Neugierde entwickelte, wohin ihr Weg sie führen würde. Sie war ungemein stolz auf ihre schönen gedruckten Buchstaben und bunten Bilder, die viele schöne Berichte auf ihren 12 Seiten zusammenfassten.

Doch zuerst führte der Weg der Zeitungen in der Druckerei zu einem großen Lastwagen. In dem war es ziemlich eng und voll, von oben und unten wurde gedrückt, alles war mit Zeitungsstapeln voll gepackt. Doch es half nichts. Die Lastwagen wurde geschlossen, Motorengeräusche waren zu hören und in schunkelnder Fahrt machten sich alle Zeitungsstapel auf ihren gemeinsamen Weg. Lange dauerte die Fahrt nicht. Der Laster hielt an, wurde geöffnet, Stapel für Stapel wurde in einen kleinen Raum getragen. Die Tür des Raums ging zu und erst einmal war Ruhe. Unsere kleine Zeitung schaute sich ein bisschen um und entdeckte ein Plakat auf dem in bunten Buchstaben stand: „Faschingsfest im KiJuNa“. „Aha, KiJuNa heißt das hier also,“ dachte sich die kleine Zeitung und überlegte, was das wohl war.

Als sich unsere kleine Zeitung gerade so richtig anfing zu langweilen, ging die Tür wieder auf. Zwei Männer kamen herein und besprachen sich, wie sie die ganzen Zeitungsstapel nun im Bezirk verteilen würden. Sie brachten die Stapel erneut in einen Wagen, diesmal in einen kleinen Transporter, der keine allzu lange Fahrt vermuten ließ. Unsere kleine Zeitung dachte sich ganz richtig, dass dies nun wohl der Zeitpunkt war, sich von seinen Brüdern und Schwestern zu verabschieden. Die Zeitungen hatten ja eine Aufgabe: Die Buchstaben und bunten Bilder, die sie trugen, ergaben spannende Informationen, die unbedingt einen Leser finden wollten. Recht hatte sie – nach kurzer Zeit trugen die beiden Männer mal hier, mal dort – immer ein, zwei, drei Stapel der Zeitungen in ein Geschäft, eine Bücherei, ein Bezirksamt oder eine Einrichtung. Bei den Einrichtungen stand immer Stadtteilzentrum auf einem Schild. Die mochte unsere kleine Zeitung, denn das Wort „Stadtteil…“ war ja auch ein Teil ihres schönen Namens. In einer dieser Einrichtungen wurde ihr Stapel schließlich auch gebracht. Dort war eine Frau, die die Männer sehr herzlich begrüßte und sich richtig freute, dass sie die neuen Zeitungen bekam. Als die Männer weiterfuhren, legte die Frau die älteren Zeitungen zur Seite und platzierte die neuen in einem schönen Stapeln bereit. Was wohl mit den älteren Zeitungen gemacht werden würde, überlegte sich unsere kleine Zeitung. Aber das vergaß sie recht schnell, denn nun war ja der Moment „ihren“ Leser zu finden in greifbare Nähe gerückt. Drei Geschwister lagen über ihr – oh, wie sie sich freute.

In der Einrichtung, in der die Zeitungen lagen, war ganz schön viel los. Männer, Mütter mit Kindern, ältere Frauen und Herren, alle aus aller Herren Länder. Die sprachen so viele unterschiedliche Sprachen, dass unsere kleine Zeitung sich immer freute, wenn sie entdeckte, dass die ganzen Menschen ja doch ihre Sprache, also ihre Buchstaben, verstehen und sprechen konnten. Eine Frau mit Kopftuch nahm die erste Zeitung und steckte sie ohne zu lesen ein. „Hm, liest sie bestimmt heute Abend“, dachte die kleine Zeitung, „noch zwei, dann bin ich dran!“ Die nächste Ausgabe nahm eine junge Frau mit einem Baby auf dem Arm und setzte sich ins Café. „Noch eine über mir,“ dachte die kleine Zeitung. Nach einer Weile kam ein ziemlich alter Herr mit Aktentasche. Der sah etwas grummelig aus. Auch er nahm sich eine Zeitung, schaute sich das große Titelbild an, las ein bisschen und fing an zu lächeln. „Aha, wir haben also die Kraft unsere Leser zum Lächeln zu bringen!“ dachte sich unsere Zeitung und konnte kaum mehr aushalten, da sie nun an der Reihe war.

Nun … es dauerte. Keiner kam und nahm sich die kleine Zeitung. Es wurde Nacht und wieder Tag. Die freundliche Frau kam zurück, schloss alles auf, kochte Kaffee, breitete das Frühstück vor für die Gäste in ihrer Einrichtung, die „kieztreff“ hieß. Zu ihr kam eine zweite Frau und sie unterhielten sich, dann kam ein Mann, der sich an die Theke setzte. „Jetzt,“ dachte sich die kleine Zeitung, „gleich entdeckt er mich!“ und tatsächlich zog der Mann die oberste Zeitung zu sich heran. Fing an zu lesen, blätterte, las weiter, blätterte … oh, wie wohl fühlte sich die kleine Zeitung. Schließlich zog der Mann einen Kugelschreiber aus seiner Tasche, klappte die Zeitung zu und schrieb in die obere Ecke „374“. Faltete die Zeitung zusammen und steckte sie in seine Jackentasche.

„Ich bin jetzt also die Zeitung Nr. 374.“ überlegte sich unsere Zeitung. „Was das wohl zu bedeuten hat?“ Aber das überlegte sie nicht lange, denn der Mann machte sich auf den Weg und unsere Nr. 374 freute sich auf die Dinge, die sie nun mit dem Mann erleben würde …

Familie Glück und Nummer 374

Der Mann, der die Zeitung mit der Nummer 374 mitgenommen hat, heißt Herr Glück. Er ist der Vater von Jule und Paul und wohnt mit Frau Bärbel und Schwiegermutter Else zusammen in einem kleinen Haus in Lichterfelde. Ab und zu geht er in den „kieztreff“, trink dort einen Frühstückscafé, liest etwas in der Zeitung, bevor er sich auf den Weg zur Arbeit macht. In seinem Garten steht eine riesengroße Lärche, die mit der Zeit sehr krumm gewachsen ist und er Befürchtungen hat, dass sie irgendwann umfällt. In der kleinen Zeitung hatte er in einem Beitrag gelesen, dass man unter bestimmten Voraussetzungen solch einen Baum fällen darf. Eine Amtsnummer, die Auskunft geben kann, stand auch in dem Artikel, Durchwahl -374. Dort wollte er anrufen und sich erkundigen.

Als Herr Glück am Abend nach Hause kam, hatte er seine Informationen bekommen. Die Lärche gehört nicht zu den geschützten Baumarten in Berlin, also durfte sie ohne Genehmigung und Ersatzbepflanzung gefällt werden. Herr Glück hängte seine Jacke an den Garderobenhaken, sah die kleine Zeitung in der Tasche, die er nun ja nicht mehr brauchte und legte sie auf den Beistelltisch. Er begrüßte seine Familie und freute sich auf einen schönen Abend zuhause. Natürlich erzählte Herr Glück davon, dass die Lärche gefällt werden dürfe und man nun schauen müsse, wer so etwas machen kann. Frau Glück, die ja die Pläne den Baum zu fällen kannte, hatte sich schon einmal online umgeschaut, was man statt dessen dort pflanzen könne. Verliebt war sie in einen Ginkgobaum, der zwar auch ein Nadelgehölz ist, aber doch Blätter hat. Gefallen hat ihr besonders, dass der Ginkgo als Lebensbaum gilt und seinen Blättern eine große Heilwirkung zu gesprochen wird.

Später, als Frau Glück schlafen ging, kontrollierte sie noch einmal die Haustür. Dabei fiel ihr Blick auf die kleine Zeitung auf dem Beistelltisch oder besser gesagt, auf die Nummer auf der kleinen Zeitung auf dem Beistelltisch. 374 … was hatte denn nun das zu bedeuten. 374 war genau die Online-Bestellnummer für einen Ginkgo-Baum. Sie nahm die kleine Zeitung in die Hand, blätterte sie durch und überlegte. Bestimmt wollte sie ihr Mann mit dem schönen Baum überraschen und da er sich keine Zahlen merken konnte, hatte er sie hier aufgeschrieben und vergessen einzustecken. Aber hatte sie tatsächlich die Nummer in dem Gespräch erwähnt? Nun, das wusste sie nicht mehr und legte die Zeitung gedankenverloren in die Schublade darunter.

Das gefiel der kleinen Zeitung nun nicht. In der dunklen Schublade konnte sie keiner sehen. Sie wollte gelesen werden und erst nach ein paar Tagen, in denen sie außerhalb viele Geräusche gehört hatte, zog jemand die Schublade wieder auf. Das Gesicht von Oma Else war zu sehen. Die suchte ihren Schlüssel – wieder einmal – und hoffe ihn in der Schublade zu entdecken. Da war er nicht, aber die Zeitung kannte sie nicht und beschloss, sie sich zum Kaffee anzuschauen. „Endlich wieder jemand der mich lesen möchte,“ stellte die kleine Zeitung zufrieden fest. „Ich kam mir schon wie Altpapier vor!“ … am Nachmittag war es dann soweit. Oma Else machte es sich auf der Terrasse gemütlich, legte sich die Zeitung und ihr Strickzeug bereit, dann machte sich eine schöne Tasse Kaffee. Sie las in der Zeitung, die sich nun so richtig wohl und beachtet vorkam. Alle Beiträge hatten etwa das gleiche Thema. Es ging in der ganzen Zeitung um „Nachhaltigkeit“. Ein ganz modernes Thema, das davon handelt, wie wir unsere Bedürfnisse und unseren Verbrauch so ändern, dass wir die Welt nicht zu sehr belasten und für unsere Nachkommen erhalten. Oma Else las alles durch und legte die Zeitung später zufrieden zur Seite. 374 … sie nahm ihr Strickzeug in die Hand, blickte aber immer wieder auf die 374, die auf die Zeitung geschrieben stand. War sie beim Stricken tatsächlich in Reihe 374 stehengeblieben? Nun, Oma Else grübelte nicht lange und legte los … Reihe 375, 376, 377 … die kleine Zeitung lag zufrieden auf dem Tisch … durchgelesen!

Etwas später am Nachmittag setze sich Paul zur Oma und erzählte ihr, was er am Nachmittag mit seinem Freund Jasper erlebt hatte. Die beiden Jungen waren zum Weiher gefahren und hatten dort ihre Boote fahren lassen. Paul war so stolz auf sein selbstgebautes Boot, das aber etwas langsamer als Jaspers Boot war … Jasper hatte Model 374 – als Paul die Zahl in der oberen Ecke auf der kleinen Zeitung sah, erschrak er so heftig, dass er gegen den Tisch stieß und sein Saftglas umstieß. Na, was für eine Freude. Oma Else sprang auf und rettete vor dem Saft was sie halten konnte. Paul holte einen Lappen und so hatten sie schnell wieder alles in Ordnung gebracht. Nur die kleine Zeitung sah jetzt nicht mehr so fein aus. Else legte sie schnell zur Seite auf die Fensterbank, wo sie trocknen konnte. „Was ist nur mit dir los, Paulchen,“ schimpfte Oma Else, „manchmal bist du wirklich ungeschickt.“ Paul hörte das nicht. Er überlegte, warum die Nummer mit seinem Wunschmodel auf der Zeitung gestanden hatte. Ob sich da wohl jemand Gedanken für seinen Geburtstag gemacht hatte?

Am frühen Abend kam die ganze Familie auf der Terrasse zusammen. Die Mutter hatte für alle etwas zu essen bereit gestellt, alle hatten etwas über den Tag zu erzählen und unterhielten sich angeregt. Bis Oma Else anfing vom Nachmittag und dem umgeschubsten Saftglas zu erzählen. Sie beklagte sich, dass das Strickzeug ja doch ein paar Spritzer von dem Saft abgekommen hatte und nun ganz klebrig sei. „Aber,“ beschwerte sie sich, „ist ja eh wurscht. Ich hab bei Reihe 374 weitergestrickt, weil das auf der kleinen Zeitung stand. Als ich den Fehler gemerkt hatte, war ich im Muster schon viel zu weit. Jetzt muss ich wieder alles aufmachen und neu anfangen.“ „Äh, 374. Auf der kleinen Zeitung? Das war doch nur die Durchwahl für das Grünflächenamt, weil ich wissen wollte, ob wir die Lärche fällen dürfen. Sonst würde die ja immer noch dort stehen!“ sagte Herr Glück ganz verwundert und schaute in die großen Augen seiner Frau. „Wie, Durchwahl,“ , meinte sie. „War das nicht die Online-Bestellnummer für meinen neuen Ginkgo-Baum? Hast du ihn nicht bestellt?“ Die Eltern schauten sich fragend an und wieder zur Oma, die leise vor sich hin schimpfte und irgendwas von mangelnder Kommunikation in der Ehe erzählte. Und Paul … tja, der schaute ebenso verwundert, nein eher enttäuscht, und erzählte mit leiser Stimme ebenfalls von seiner Verbindung zu Nummer 374 … Sprachlosigkeit in der Familie und jeder hing seinen Gedanken nach. Der Vater fragte mit einem Mal, wo eigentlich Jule ist. „Jule wird ja wohl nichts mit 374 zu tun haben … Jule!“ rief er laut.

Jule meldete sich … im hintersten Winkel des Gartens, dort wo vorher die Lärche gestanden hatte, war sie auf dem Boden beschäftigt. Das interessierte dann doch alle und sie gingen zu ihr hinüber. Jule buddelte in der Erde. „Schau mal, Mama. Ich habe diese kleine Kastanie im Park gefunden. Die hat ausgekeimt und ist schon so groß. Wenn ich sie im Park gelassen hätte, wäre sie bestimmt kaputt gegangen. Wir haben doch jetzt den Platz, wo die Lärche weg ist.“ Jule schaute alle mit strahlendem Gesicht an. Herr und Frau Glück konnten sich ihr Lächeln nicht verkneifen und Paul meinte dazu: „Ich weiß jetzt, was Jule mit der kleinen Zeitung Nummer 374 zu tun hat. Schaut mal zu der Erde. Jule hat Zeitungsschnipsel mit eingegraben.“ „Warum hast du das denn gemacht?“ fragte die Oma. „Na, in der Schule im Hort haben wir heute gelernt, dass Zeitungspapier aus Bäumen gemacht wird. Und als ich vorhin mit der Kastanie gekommen bin, habe ich die nasse Zeitung gesehen. Die kann ja keiner mehr lesen.“ „Dann hat der kleine Baum ja genügend Lesestoff und wird bestimmt ein schlauer Baum,“ lachte die Oma und auch die anderen mussten jetzt alle lachen. 374 – eine einfache Zahl auf so einer kleinen Zeitung und jeder hatte damit etwas zu tun. „Ach, Paulchen, natürlich bekommst du dein Model Nr. 374 zum Geburtstag. Das Geld für den Ginkgo haben wir ja jetzt eingespart, dank Jule und der kleinen Zeitung!“

Die kleine Zeitung war zufrieden – zwar in kleine Schnipsel zerrissen, aber sie hatte alles erlebt, was so eine Nr. 374 erleben kann. Eines Tages würde sie wieder ein großer starker Baum sein, der sicherlich nicht zu Zeitungspapier verarbeitet werden würde!

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Die Geschichte von Nr. 374 ist im Zusammenhang mit dem Papierpaten-Projekt des Stadtteilzentrum Steglitz e.V. entstanden. Eine schöne Projektbeschreibung findet sich in diesem Beitrag: Neue KollegInnen in der Geschäftsstelle