Ich hätte ja viel für möglich gehalten, nicht aber, mich so oft mit einem Thema zu beschäftigen, das ich für mich persönlich ausgeschlossen habe. Die Neugierde an Andersartigkeit und der Wunsch der Töchter sich ein Tattoo stechen zu lassen, war schon zweimal Anlass für Blog-Beiträge. Im zweiten fand sich in Kommentaren der Hinweis auf eine Tattoo-Ausstellung in Hamburg. Museum für Kunst und Gewerbe hörte sich ziemlich prima an. So waren die Töchter schnell gefragt, die Fahrkarte mit der Bahn gebucht und der Termin stand fest. Dass es der diesjährige „Muttertag“ war, habe ich später erst zufällig gemerkt, aber der Gedanke gefiel mir. Wir machten uns auf den Weg … noch etwas skeptisch, ob der Zug trotz Bahnstreik fährt. Es klappte und nach knapp zwei Stunden angenehmer Fahrt waren wir in Hamburg. Kommt man dort aus dem Hauptbahnhof heraus, stolpert man fast in das Museum, das genau gegenüber des Bahnhofs liegt.
Gleich vor dem Eingang zeigen sechs sehr große Fotografien, was einen drinnen erwartet – Menschen mit nackten Oberkörpern zeigen die verewigten Kunstwerke auf ihren Körpern. Die Faszination, die von diesen Bildern ausgeht, hört auch im inneren der Räume nicht auf.
Beginnend mit kleineren Skulpturen kommt man schnell zu Fotografien russischer Strafgefangener. Hier schaudert es einen, denn sehr freundlich sehen die Herren nicht aus. Etwas ruhiger geht es weiter, denn religiöse Riten oder Stammes-Zugehörigkeiten gehen eher in den Vorstellungsbereich des untätowierten Menschen. Tätowierte Hände, die die Träger einzigartig machen, gehören dazu.
Hat man sich gerade wieder etwas beruhigt, steht man vor den Hautpräparaten aus dem 1900 Jahrhundert, die zur Identifikation unbekannter Leichen dienten. Hier bin ich unsicher, ob’s das Schaudern oder die Neugierde ist, die mich fesselt. Selbst König Harald II soll im 11. Jahrhundert anhand einer Tätowierung nach seinem Tod erkannt worden sein.
Sak Yants – sakrale Tätowierungen aus Thailand – fesseln durch ihre Schönheit und verblüfft lese ich, dass sie verdeckt getragen werden und nicht offen zu sehen sind. Sie dienen den Menschen als Glücksbringer und Schutz vor Unheil.
Gesichtstätowierungen aus Birma, die dem Übergang vom Kind zur Frau symbolisieren. Hier erstaunt mich, dass diese Tradition zwar teilweise erloschen ist, aber wieder auflebt. Was für Gesichter … ich würde am liebsten immer wieder faszinierend, faszinierend, faszinierend schreiben.
Und auch japanische Tätowierungen fehlen unter den Bildern nicht, die aber, denke ich, schon eher gewohnt für unsere Augen sind. Wobei sie dadurch nicht an Schönheit einbüßen.
Jeder der Farben mag, zu welchem Zweck auch immer, freut sich an dem Farbspektrum der schönen Tattoo-Tinten, deren Unbedenklichkeit aber sicherlich manchmal angezweifelt werden darf oder durfte. Hier kann man sich freuen, dass heute auf so etwas geachtet wird.
Die Gerätschaften wiederum dürften jeden interessieren. Den einen im Entschluss bestärken, so etwas nicht an die Haut zu lassen. Den anderen überlegen lassen, welches wohl das schmerzloseste Gerät ist. Interessant sehen sie alle aus. Von der Reise-Tattoo-Maschine bis hin zu Dornen-, Horn- oder Knochen-Werkzeugen – auch hier ist die Auswahl groß.
Und selbst vorm Kinderzimmer hat das Tattoo nicht Halt gemacht … den kleinen Piraten, Indianer und Seebären gehört eine eigene Vitrine.
Literatur hat die Ausstellung ebenso zu bieten wie viele Video-Einspielungen … und auch die Erklärungen an den Bildern oder auf den Wänden bieten wirklich interessante Fakten, die immer wieder Staunen erzeugen. Wer weiß schon, dass selbst Sissi – Kaiserin von Österreich – ein Tattoo getragen hat?
Das Schweinchen wiederum fand ich klasse, was meine Tochter mit einem „Mama, was denkst du woran die üben?“ kommentierte. Egal – ich finde das Schwein hipp … cool … megamodern!
Die beiden letzten Bilder der Ausstellung haben mich in ihren Bann gezogen.
Was für ein Blick …
… und welch ein krasser Gegensatz. Man möchte eine liebevolle Großmutter sehen und kann sich nicht von ihren Körperbemalungen trennen.
Die Ausstellung ist sehr sehenswert und war den Weg wert. Ich persönlich spüre immer noch nicht den Wunsch ein Tattoo zu tragen, doch die Schönheit, Faszination, das Unbegreifliche oder eben auch Verständliche dahinter, übt einen ungeheuren Reiz aus. Und beiden Töchtern, altersgemäß kritisch, hat es ebenfalls sehr gefallen. Sie hätten sich allerdings auch einen Blick auf die neusten Tattoo-Moden gewünscht. Dennoch lässt die Ausstellung den Besucher mit wunderschönen Bildern, Informationen und Erklärungen bereichert nach Hause gehen. Fazit: Wen es interessiert – hinfahren – es lohnt sich sehr!
Natürlich sind wir nicht sofort wieder in den Zug nach Hause eingestiegen, sondern gut gelaunt in die Stadt gelaufen. Am Rathaus vorbei in die Altstadt und zum Hafen ging der Weg. Das Hafenfest war voll im Gange, was natürlich den großen Vorteil hatte, dass wir als Berlin-Touristen nicht weiter auffielen. Die Töchter fühlten sich wohl, zumal in dieser Stadt der Lieblings-Fussball-Verein beheimatet ist. Das Essen hat geschmeckt und eine Runde Riesenrad sind sie auch gefahren (Mutter musste zum Glück am sicheren Boden auf die Taschen aufpassen). Es war ein wunderschöner Tag, bei bestem Wetter, mit gut gelaunten Töchtern, viel Lachen und Gemeinsamkeit. Nur einer hat gefehlt am Töchter-Mutter-Tag … der Vater. Der hat uns wieder vom Bahnhof abgeholt … aber der Plan für den Vatertag-Familien-Abend steht.
Den Töchter-Mutter-Tag möchte ich gerne wieder machen … mal sehen, was uns im nächsten Jahr einfällt – am Muttertag! 🙂