Mit Sicherheit „JA!“

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Foto: Henriette Schmidt

Die größtmögliche Vermeidung eines jeglichen Risikos, das unsere Person, Familie oder unsere Lebensumstände stört, um den Zustand der Sicherheit (lat. sēcūritās) zu erreichen, liegt von Natur aus im Bestreben der Menschen. Diese Sicherheit unterliegt jedoch permanenter Veränderung, da Fortschritt und Weiterentwicklung ebenso in seiner Natur liegen. Wenn sich nun Grenzen verändern, Lebensumstände untragbar werden, Kriege ein Leben unmöglich machen, fängt der Mensch an zu wandern und das Sicherheitsgefüge vieler gerät ins wanken. Diejenigen, die sicher beheimatet sind, möchten den Zustand bewahren. Diejenigen, die wandern, möchten den Zustand erlangen. Auch aus dem zweiten Aspekt, dort wo Wenige mehr haben als Viele und Ungerechtigkeit eine Überlebensfrage wird, wandert der Mensch und wird das Sicherheitsempfinden anderer ins Wanken bringen. Das richtige Mittelmaß beider Gruppen zu sättigen, würde die Flüchtlingsfrage, den Ursprung von Rassismus und Ausländerfeindlichkeit dauerhaft lösen

Aber dieses Mittelmaß wird es nie geben und es wird immer eine Frage der Bereitschaft bleiben, Veränderungen zuzulassen oder sich ihnen entgegenzustellen. Es wird immer Menschen geben, die teilen und helfen, oder Menschen, denen die eigene Besitzstandswahrung wichtiger ist. Es gibt immer Menschen, die sich für Flüchtlinge engagieren und die Flüchtlingsarbeit als gesellschaftliche Aufgabe und Verantwortung sehen. Genauso wie es Menschen gibt, die aus eigener Unsicherheit oder Ängsten für diese Arbeit nicht zu öffnen sind oder ganz einfach nicht zuhören und verstehen wollen. Umso wichtiger ist es, dass die Einsichtigen den Flüchtlingen helfen, sich mit ihnen auseinander setzen, ihre Motive hören und versuchen zu verstehen, warum sie sich auf unglaubliche Wege machen, Gefahren in Kauf nehmen und einer vollkommen ungewissen Zukunft entgegen gehen.

Hilfreich ist sicherlich, wenn wir den Begriff der Sicherheit einmal für uns selber definieren. Uns selber klar machen, was wir brauchen um uns wohl, angenommen, beschützt, akzeptiert zu fühlen um uns in unserem Umfeld frei und glücklich entfalten zu können. Haben wir das für uns deutlich gemacht, wird auch klar, was diese Menschen alles nicht haben. Nicht einmal, wenn sie es tatsächlich geschafft haben in diesem Land anzukommen.

„Sicherheit ist wie ein Käse mit Löchern.“ sagt Veronika Mampel. Sie hat sich von Anfang an für Flüchtlinge eingesetzt, als die Notunterkunft in der Sporthalle, Lippstädter Straße, eingerichtet wurde. Sie hat mit den Menschen gesprochen, dafür gesorgt, dass sie mit dem Nötigsten versorgt wurden, sich um viele administrative Dinge gekümmert und letztlich dafür gesorgt, dass eine Möglichkeit für diese Menschen bestand, außerhalb der Halle einen Ort zu haben, an dem sie Ruhe finden und sich entspannen können. Das KiJuNa – Kinder-, Jugend- und Nachbarschaftszentrum öffnete für sie die Türen und fortan kamen jeden Tag bis zu 40 Flüchtlinge in die Einrichtung. Man lernte sie kennen, sie erzählten und „Flüchtling“ war kein Wort mehr ohne Gesicht.

Man muss sich vorstellen, sagt Veronika Mampel, dass sie bei Ankunft erst einmal Polizisten sehen. Dann werden sie beispielsweise in einer Halle untergebracht, in der Bett an Bett steht. In der Halle leben Menschen aus verschiedenen Ländern, ggf. aus den Ländern mit denen sich die eigene Heimat im Krieg befindet. Sie wissen nicht, ob ihre Nationalität hier anerkannt ist, können die Anträge nicht verstehen, die sie stellen müssen. Bei allen Fragen, Bedürfnissen, Befürchtungen müssen sie hoffen einen Dolmetscher zu finden der helfen kann. Einzig sicher ist nur das Dach über dem Kopf und das was sie am Körper tragen können. Selbst außerhalb der Halle wissen sie nicht, was für Gefahren in Form von Widerständen, Ablehnung, Fremdenhass, ihnen entgegen tritt. Nur dieser Zustand ist ihnen sicher, solange bis eventuell einmal ihr Status geklärt sein wird. Dürfen sie bleiben, bekommen sie vielleicht ein Gefühl von Sicherheit. Müssen sie gehen, bleibt einzig die Hoffnung, doch noch irgendwo in dieser Welt einen Ort zu leben zu finden.

Die, die erst einmal bleiben dürfen, bis der Status geklärt ist, leben in einer Erstunterkunft. Eine Sozialpädagogin, die sich mit einem Team um diese Menschen kümmert, erzählt uns, dass diese Menschen in großer Unsicherheit leben solange der Status nicht geklärt ist. Das bringt große Probleme in Alltag mit sich, den sie so gerne planen und regeln würden. Dies insbesondere, weil sie das Gefühl haben, in einem Land zu sein, in dem alles möglich ist. Aber, sie erzählt auch von dem großen Vertrauen, das diese Menschen ihnen entgegenbringen, weil sie verstanden haben, dass sie hier nur eine Chance haben, wenn sie sich integrieren. Und natürlich lernt man sie mit der Zeit kennen, versteht die Schicksale, die sie mitbringen. Wenn dann einer von ihnen den Bescheid bekommt, dass er hier bleiben darf, ist es auch immer etwas mit Wehmut verbunden und der Hoffnung auf einen glücklichen weiteren Weg.

Aber es gibt ebenso diejenigen, die nicht anerkannt werden und wieder ihn ihr Heimatland zurück müssen. So ist es auch in der Notunterkunft geschehen und Menschen, mit denen man die ein oder andere Stunde verbracht hat, müssen zurück. Die Ratlosigkeit und Enttäuschung sind dabei kaum in Worte zu fassen. Aber ihre Worte sollten gesagt werden und so folgten ein paar von ihnen einer Einladung zu einem Gespräch im KiJuNa. Es waren serbokroatische und albanische Menschen, die dort saßen und von ihrem Weg erzählten, der sie illegal über Ungarn und Österreich nach Deutschland führt. Alle von der Hoffnung getrieben in ein besseres Leben zu laufen. Sie erzählten von 10stündigen Fußwegen, von den Gefahren und Hindernissen und besonders der Ausweglosigkeit, falls sie wieder zurückkehren müssen. Davon, dass sie sich Geld geliehen hätten um hierher kommen zu können und nicht zu wissen, wie sie es je bei der Rückkehr zurück geben könnten. Der Blick in ihre Gesichter genügt um die menschliche Ratlosigkeit dahinter zu erahnen.

Und trotzdem äußern sie die Dankbarkeit, die sie empfinden, wie sie hier behandelt und aufgenommen wurden. Sagen auch, dass die deutschen Behörden richtig und nach den Gesetzen handeln. Bedanken sich für die Stunden der Abwechslung, der Ruhe und Anteilnahme, die ihnen in der Nachbarschaftseinrichtung entgegengekommen ist.

In diesem Video können sie die Menschen sehen, wie sie von ihrem Leben, der Zukunftsangst und Perspektivlosigkeit sprechen. In ihren Sprachen mit zusammengefassten Übersetzungen. Sicherlich ist nicht alles für uns zu verstehen, dass Gefühl, was diese Menschen durchmachen und erleben wird dennoch transportiert.

Geschichte der Flüchtlinge

Diese Erlebnisse und nicht zuletzt die furchtbaren Nachrichten aus dem Mittelmeer machen deutlich, dass sich Europa für Hilfe suchende Menschen öffnen muss. Es spielt keine Rolle, ob Menschen wegen Krieg oder Verfolgung flüchten müssen oder ob Hunger, Armut und Perspektivlosigkeit die Gründe sind. Immer steht einzig der Wunsch auf ein sicheres Leben im Hintergrund. Unsere vordergründige Sicherheit ist keine Rechtfertigung einen einzigen verzweifelten Menschen ins Elend zurückzuschicken. Und bevor unsere Sicherheit auch nur einen einzigen Kratzer abbekommt, können wir noch sehr viele dieser Menschen an unserem Wohlstand teilhaben lassen! Die Antwort auf die Frage, ob wir Flüchtlingen helfen oder nicht, kann daher nur sein: „Mit Sicherheit JA!“

Einen herzlichen Dank an Veronika Mampel (Gespräch) und Kristoffer Baumann (Video), wodurch dieser Beitrag möglich wurde!

Leitartikel der Homepage des
Stadtteilzentrum Steglitz e.V. vom 27. April 2015

Ihr Kinderlein kommet …

©-F.Schmidt-Fotolia.com

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In ein paar Wochen ist es endlich soweit – wir freuen uns auf eine Geburt. Ein neues Mitglied wird unseren Familien-Kreis bereichern. Die Eltern sind jung, gesund, verliebt und glücklich. Das einzige etwas ungewöhnliche bei diesem Kind ist vielleicht, dass die altersmäßig nächst stehenden Cousine und Cousin des Babys bald 18 Jahre alt sein werden. Alle anderen Cousinen und Cousins sind älter. Dieses Kind wird nie gleichaltrige Cousinen und Cousins haben. Es hat auch ziemlich alte Tanten und Onkel, denn sein Vater war ein Nachzügler … 24 Jahre jünger als die älteste Schwester.

Ein großer Altersunterschied besteht und belebt die Familie. Meine Mutter hat sehr früh ihr erstes Kind, meine ältere Schwester, bekommen. Danach folgten noch drei Geschwister mit zweieinhalb, dreieinhalb und viereinhalb Jahren Abstand. Die Familienplanung war abgeschlossen und sehr spät kündigte sich doch noch ein Nachzügler an, der sich allen Planungen widersetzte. Mit 41 Jahren bekam meine Mutter meinen jüngsten Bruder. Zu einem Zeitpunkt, als sie das erste Mal in ihrem Leben etwas für sich selber tat und Malerei studierte. Zu einem Zeitpunkt, als meine Schwestern und ich schon 24, 21 und 18 Jahre alt waren und uns mit Schulabschlüssen und Ausbildungsbeginn beschäftigten. Wer unsere Familie nicht kannte, war unsicher zu wem der Säugling gehörte, denn meine Mutter hatte schon sehr früh graue Haare. Am Tag meiner Geschichts-Abiturprüfung wurde mein Bruder geboren. Mein Geschichtslehrer fragte mich damals, warum ich so nervös sei und als ich ihm den Grund nannte, fragte er: „Gleiche Mutter, gleicher Vater?“ und ich nickte nur und sagte: „Gleiche Mutter, gleicher Vater!“

Mit 41 Jahren war sie damals eine Spätgebärende. Es war keine leichte Umstellung für meine Eltern, die eigentlich schon das Ende der Erziehungsarbeit vor Augen hatten. Dennoch entwickelte sich der Nachzügler zu einem enormen Gewinn für uns alle. Zweifel bestanden, mussten letztendlich der Freude über ein neues Familienmitglied weichen. Zudem war es für meine Schwestern und mich wunderschön, meine Mutter noch einmal bewusst als schwangere Frau zu erleben. Aber mein Bruder, trotz dessen, dass er vier Geschwister hat, wuchs als Einzelkind auf. Meine Schwestern und ich waren schon auf dem Weg die Ursprungsfamilie zu verlassen.

Wir sind fünf Kinder, was wir immer sehr bewusst mit allen Vor- und Nachteilen erlebt haben. In Erinnerung bleiben natürlich vornehmlich die schönen und lustigen Erlebnisse und Gemeinsamkeiten. Wenn wir alle zusammentreffen, dauert es nicht lange und wir erinnern uns an dies und jenes, jeder weiß noch ein anderes Detail, kramt eine Besonderheit aus dem Gedächtnis, die die anderen schon vergessen hatten. An diesen Gesprächen kann sich mein jüngster Bruder oft nicht beteiligen, weil er keine gemeinsamen Kindheitserinnerungen mit uns älteren hat. Es geht sogar soweit, dass er nicht nur seine eigenen Kindheitserinnerungen hat, die er nicht mit uns teilen kann. Er hat auch meine Eltern ganz anders wahrgenommen als wir. Als wir Kinder waren, waren unsere Eltern sehr jung und fast selber noch auf dem Weg ihre Persönlichkeit zu entwickeln. Er hatte als Kind abgeklärte Eltern, die so schnell nichts mehr aus dem Sessel locken konnten, hatten sie doch schon so ziemlich alles in der Erziehung von Kindern erlebt.

Mit über 30 Jahren sagte mein Bruder einmal in einem Gespräch, dass er eigentlich jetzt erst seine älteren Geschwister richtig kennenlernt und ihr Wesen erfasst. Er sei oft auf die Gespräche neidisch gewesen, bei denen er zugehört hatte und hätte die Verbundenheit, die er zwischen uns älteren gespürt hätte, manchmal für sich selber vermisst. Es hatte etwas sehr Wehmütiges als er das sagte. Erschwerend kommt auch hinzu, dass er unseren Vater in einem Alter verloren hat, in dem er ihn sehr gebraucht hätte – er war 16 Jahre alt und in der Pubertät. Wir Älteren haben unter diesem Verlust nicht weniger gelitten, haben aber den Vater in der ganzen Kindheit und dem späteren Erwachsenwerden als Unterstützung zur Seite gehabt.

Warum ich das erzähle dürfte allen klar sein, die die Nachrichten der letzten Tage verfolgt haben. Eine Mutter von 13 Kindern bekommt mit 65 Jahren nach künstlicher Befruchtung Vierlinge. In ein paar Monaten werden Kinder geboren werden, die nie mit allen Geschwistern unter einem Dach leben werden. Ihre Mutter könnte ihre Großmutter sein. Sind die Kinder einmal 20 Jahre alt, wird die Mutter 85 Jahre alt sein und die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese Kinder sehr früh mit Rollator, Pflegeversicherungen, Seniorennachmittagen auseinandersetzen müssen, ist sehr groß.

Ich komme seit ein paar Tagen aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus. Jedes Kind der Welt sollte willkommen sein – unter natürlichen Bedingungen. Unter Bedingungen, die ein unbeschwertes, freies und gesundes Aufwachsen möglich machen. Unter Voraussetzungen, die die Natur uns gegeben hat und an denen der Mensch nicht manipuliert. Es spielt keine Rolle, ob ein Kind Mutter und Vater hat, oder zwei Mütter oder zwei Väter. Nur sollte das Kind auch die Chance haben mit seinen Eltern den natürlichen Werdegang des Lebens und Alterns zu durchleben, und dass es nicht schon kurz nach der Pubertät in die Altenpflege wechseln muss. Der Kinderwunsch einer 65-Jährigen ist in meinen Augen purer Egoismus. Was mich besonders daran stört ist, dass dieser Kinderwunsch und Egoismus nicht eine Frau alleine für ihre eigene Person betrifft. Es betrifft vier ungeborene Kinder, die nicht die geringste Möglichkeit der Wahl haben. Die gesundheitliche Unverantwortlichkeit braucht man überhaupt nicht zu erwähnen. Nicht nur für die Mutter, deren Körper in dem Alter nicht mehr selber für Geburten bereit ist, sondern auch das Risiko, dass die Kinder tragen. Geschwisterkinder sind betroffen, die in Erklärungsnot kommen und ständig erklären werden, dass die Tante gleich alt wie die Nichte ist oder der Bruder nicht der sehr alte Onkel ist. Geschwister, die gefragt oder nicht, die Verantwortung für die Obhut ihrer sehr jungen Geschwister übernehmen werden müssen.

Meine Mutter war mit 41 Jahren eine Spätgebärende. Das ist heute nichts Besonderes mehr. Ich selber war mit 34 + 36 Jahren bei meinen Kindern eine Spätgebärende. Dennoch sind es die Zeichen der Zeit, dass Frauen oft spät Kinder bekommen und sich vorher in Ausbildung und Beruf um eigenständige Grundsicherung kümmern. Ich finde es auch wunderbar, dass Paaren, die aus irgendwelchen medizinischen Gründen alleine keine Kinder bekommen können, Möglichkeiten haben sich helfen zu lassen. Das bedeutet aber nicht, dass man jegliche Altersfrage außer Kraft setzen muss, den eigenen Wunsch, jung zu bleiben und als Mutter bewundert zu werden, über das Wohl von Kindern stellt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Chance haben mit ihren Eltern erwachsen zu werden.

Es ist eine Sache sich darüber zu empören, weil es aus der Norm fällt, dass 65-jährige Frauen Kinder bekommen. Es ist eine andere Sache sich alle Facetten vorzustellen, die die Auswirkungen und Tragweite von solch einer alten Mutter für die Kinder hat. Man stelle sich allein einen Elternabend in der Oberstufe der Kinder vor, zu dem die Mutter mit Rollator gehen muss. Mir graut es bei der Vorstellung. Diesen vier Kindern wünsche ich vornehmlich, dass sie es schaffen gesund und ohne Komplikationen auf die Welt zu kommen. Zudem wünsche ich ihnen, dass ihre Familienbande stark genug und nicht zu weit auseinander sind, auf dass sie immer in einem familiären Netz aufgehoben sein werden. Ich hatte schon einmal in einem Beitrag geschrieben „Rabenmütter gibt es nicht!“. In diesem Fall komme ich an meine Grenzen des Verständnisses, muss aber auch hier einräumen, dass diese Frau ihre Gründe haben wird. Nur verstehen werde ich das nicht.

Ihr Kinderlein kommet, oh kommet doch all …?

Der Traum von der Musik-Kita mit dem Hund

Feza Guschke März 2015

Feza Guschke

Als sie eines Tages ihrer Arbeitsbereichsleiterin erzählt, dass sie von einer Kita mit einem Hund träumt, bekommt sie als Antwort gesagt: „Warum nicht!“ Genau damit hatte sie nicht gerechnet, da die Antwort mehr aussagte, als dass allein die Vorstellung möglich ist. Die Antwort bedeutete ebenso, dass man empfänglich für ihre Visionen und Vorstellungen ist. Hier werden Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet und neu Perspektiven bereitgestellt. Das hatte sie fasziniert – ein Arbeitsplatz, der nicht in einem starren Muster verharrt, sondern wo es gewünscht ist an neuen Entwicklungen aktiv teilzuhaben und mitzuarbeiten. Zum 1. März hat Feza Guschke die Leitung der Kita Lichterfelder Strolche übernommen. Sie übernimmt damit die Verantwortung für eine der drei Kita’s des Stadtteilzentrum Steglitz e.V., aber eine neue Kollegin ist sie dennoch nicht.

Feza Guschke war Erzieherin im Team der Lankwitzer Maltinis, eine relativ neue Einrichtung des Stadtteilzentrums, die im August 2013 eröffnete. Hier konnte sie von Anfang an den Kita-Alltag, die Atmosphäre und die Teambildung mit gestalten. Recht schnell war deutlich, welches kreative Potential sie dafür mitbrachte. Feza erzählt lächelnd, dass sie einmal von einem Dozenten als ein Fass voll Kreativität bezeichnet wurde. Es ist ihr bewusst und sie sagt, dass sie Möglichkeiten braucht um all das loszulassen und zu teilen, was in ihr steckt. Mit wem könnte sie dies nun wieder besser teilen als mit Kindern. Kinder kennen für sie keine Grenzen. Sie sind bereit, sich und ihre Umwelt auszuprobieren und unvoreingenommen allem zu begegnen, was sie spannend und interessant finden. Unvoreingenommenheit zu erhalten und so wenig Grenzen als möglich zu setzen sind Dinge, die sie den Kita-Kindern erhalten möchte. Voraussetzung dafür ist, dass Kinder Regeln lernen, Pflichten einhalten und durch Verlässlichkeit wiederum Freiheiten erhalten. Klingt schwierig? Ist es nicht, denn wenn man die Ruhe und Überzeugung spürt, die Feza ausstrahlt, wenn sie das sagt, spürt man auch, dass sie die Persönlichkeit hat, dies umzusetzen.

Feza Guschke lernt gerne, für sich selber, von Kindern, von den Menschen, die ihr begegnen. In diesem Jahr wird sie ihre Zusatz-Ausbildung zur Facherzieherin für Musik und Rhythmik beenden. Musik gehörte von Kindheit an zu ihrem Leben dazu, ist etwas, was sie ihren eigenen Kindern mitgibt und auch den Kita-Kindern vermitteln möchte. Die Möglichkeiten zusätzliche Fachausbildungen zu machen, schätzt sie sehr an ihrem Beruf. Je nach Neigung und Fertigkeiten kann man Kompetenzen erlangen, sich in alle Richtungen weiterbilden und entwickeln. Sie selber musste immer lernen, sich neuen Situationen anzupassen und sich in neuen Begebenheiten zurecht zu finden. In Berlin geboren, erlebte sie ihre ersten drei Lebensjahre bei der Großmutter in der Türkei. In Berlin wieder bis zu ihrem 12 Lebensjahr, um dann bis zum 28. Lebensjahr in der Türkei zu leben. Dort absolvierte sie die erste Ausbildung und das Studium zur Deutschlehrerin. Als Lehrerin machte sie ihrer ersten Erfahrungen mit der Art und Weise, wie Kinder lernen und lernte die verschiedenen Wege kennen, Kindern etwas beizubringen. Durch Heirat und Geburt der eigenen Kindern wurde Feza endgültig in Berlin sesshaft. Das frühere Lehramt wollte sie nicht mehr ausüben. Kinder zu bewerten gehörte nicht zu der Vorstellung von Förderung die sie wollte. Sie entschloss sich nach der Elternzeit zur Erzieherausbildung. Diese Ausbildung bezeichnet Feza als Reise zu sich selber. Sie sei für Dinge sensibilisiert worden, die sie persönlich bereichert hätten. Es sei einer Reflexion der eigenen Person nahe gekommen, von der sie in vielen Bereichen bis heute profitiert und nicht zuletzt die Themenvielfalt und -vertiefung hätte sie an dieser Ausbildung geschätzt.

Nun hat die nächste Veränderung begonnen und sie wird ein Team von ErzieherInnen in der Kita leiten. Das Wort Leitung mag sie noch nicht besonders und muss sich daran gewöhnen. Als Begleitung sieht sie sich lieber, denn auch die Weiterentwicklung der Kolleginnen liegt ihr sehr am Herzen. Die Entscheidung ist ihr nicht leicht gefallen, war sie doch fest in ihre Arbeit der Kita Maltinis integriert. Dort hinterlässt sie wertvolle Kontakte zu Kindern, Eltern, Kolleginnen, die sie vermissen wird. Letztendlich war die Neugierde und Herausforderung stärker. Die Möglichkeit selber Perspektiven und Ziele zu entwickeln, eine Kita zu gestalten, Kolleginnen in ihren Ideen zu fördern und von ihren eigenen Ideen zu begeistern. Ausschlaggebend für den Zuspruch die Projektleitung zu übernehmen, war letztendlich das Vertrauen, das Arbeitsbereichsleitung und Geschäftsführung in sie setzten und besonders die Zusicherung jeglichen Rückhalt zu haben, den sie braucht.

Feza Guschke liebt Kommunikation in jeglicher Form, gleichgültig ob über Musik, Gestik oder Worte. Sie vermittelt das Gefühl, zuzuhören, was ihr Gegenüber sagt. Mit den Kita-Eltern möchte sie auf Augenhöhe arbeiten, möchte, ihr Vertrauen gewinnen und hofft auf wertschätzende Zusammenarbeit. Es ist ihr wichtig, Situationen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, offene Gespräche zu suchen und so für alle optimale Lösungen zu schaffen, die einen achtsames Miteinander ermöglichen. Das sind ihre ersten Ziele in der „neuen“ Kita, die sie von nun an leiten wird. Oder doch eher begleiten? Alles ist offen, denn diese Frau lernt schnell – und wer weiß, vielleicht berichten wir an dieser Stelle einmal von der Musik-Kita mit dem Hund

Wir wünschen Feza einen wunderschönen Beginn und den Erfolg, den sie sich wünscht. An ihrem neuen Arbeitsplatz beim alten Arbeitgeber, der sich besonders freut, eine Kita-Leitung mit einer bewährten Kollegin aus den eigenen Reihen besetzen zu können. 

Leitartikel der Homepage des
Stadtteilzentrum Steglitz e.V. vom 2. März 2015

 

Dein Frieden muss mein Frieden sein

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Frieden hat für mich eine kaum fassbare Größe. Ich lebe in ihm, lebe mit ihm und glaube ein Recht darauf zu haben, in Frieden leben zu können. Er ist immer da seit dem ich denken kann. Ich wünsche ihn mir, meinen Kindern, meinen Freunden, meinen Mitmenschen. Ich kann es mir nicht anders vorstellen, habe nichts anderes kennengelernt und habe doch eine furchtbare Angst davor, dass er eines Tages nicht mehr da sein könnte – hier – dort, wo ich lebe. In meiner Welt.

Ich gehöre der Generation an, die Eltern haben oder hatten, die den Nicht-Frieden erlebt haben. Gehöre zu denjenigen, die eins zu eins die Geschichten erzählt bekamen, die von Krieg, Vertreibung, Bombennächten, Hunger, Verlust von Menschen, Hoffnung und Verzweiflung hörten. Zu denjenigen, die Menschen kennen oder kannten, die Kriegstraumata ihr Leben lang mitnahmen. Aber erlebt habe ich es nicht und kann mir den Schrecken des Krieges nur vorstellen und mit Gesichtern und Erzählungen in Verbindung bringen. Meine Kinder nicht mehr – für sie gibt es nichts anderes als den Frieden in dem wir hier leben. Selbst die Vorstellung des beklemmenden Gefühls an der Berliner Mauer, einer direkten Auswirkung des letzten Krieges bei uns, ist diesen Kindern nicht mehr zu vermitteln. Sie fühlen sich, wie ich, sicher – weil sie ja auch nichts anderes kennengelernt haben. Ich bin dankbar dafür.

Diese Sicherheit endet mit einem Knopfdruck und genau dieser Knopfdruck macht uns die außergewöhnliche Lage klar, in der wir leben. Es bedarf nur den Fernseher anzuschalten um zu erfahren, was in anderen Ländern und der Welt los ist. In den Nachrichten erfahren wir von dem Schrecken, den Menschen in allen Teilen der Welt erleben und dieser Schrecken heißt Krieg. Gerade jetzt finden überall politische Kriege statt, zu nennen sind aktuell die Ukraine, Afghanistan, Irak, Gaza oder Syrien – unter anderen. Aber auch Glaubenskriege in alle Teilen der Welt und soziale Kriege lassen von sich hören, in einer Vielzahl, die kaum mehr zu ertragen ist. In jeder Sekunde leiden und sterben Menschen, weil andere Menschen ihre politischen, wirtschaftlichen oder religiösen Interessen nicht vereinen können. Wir hören, wie der Nachrichtensprecher sagt, dass die Bilder nicht gezeigt werden können, weil sie zu grausam sind. Wir sehen Menschen, die um ihr Leben rennen, dabei die Richtung egal ist, weil es keine Flucht gibt. Wir sehen Gesichter, die das Grauen erleben. Und schalten den Fernseher aus, weil wir diese Nachrichten nicht mehr erfassen können. Oder – schalten um und lenken uns mit einer Talkshow ab – nicht ohne vorher für die Bequemlichkeit vor dem Apparat gesorgt zu haben.

Und was tun wir? Manch einer postet im Facebook-Profil, wie schrecklich er dies alles findet. Mancher klebt sich ein Peace-Zeichen aufs Auto. Mancher schreibt sich den Frust, wie ich, von der Seele. Wenige gehen auf die Straßen, wenige sind aktiv in irgendwelchen Organisationen. Stellung beziehen wir gerne, was ja auch wichtig und richtig ist, aber wirklich aktiv sind wir kaum. Dabei könnten wir alle etwas tun.

Ich denke, dass jeder Frieden im Kopf anfängt. Der erste Schritt zu unseren Friedensbemühungen muss deshalb in unseren Köpfen stattfinden. Wir dürfen nicht in Gleichgültigkeit verharren, weil Kriegsschauplätze in sicherer Entfernung liegen. So ist schon viel erreicht, wenn wir uns selber prüfen und überlegen, wo unsere eigenen Grenzen sind. Wo steckt noch ein kleiner Rest Intoleranz und einseitiges Denken in uns. Wo wären unsere Grenzen Andersartigkeit, Fremdheit oder andere Meinungen zu akzeptieren. Wo wird es uns zu persönlich, dass wir uns in unserer Welt bedroht fühlen. Wir müssen uns prüfen, was uns an Menschen mit anderem Hintergrund oder Nationen, auch religiöser oder sexueller Ausrichtung tatsächlich stört, warum wir manches nicht akzeptieren wollen. Wir müssen thematisieren, wie die Vorstellung und Definition von Frieden beim anderen aussieht und wo dieser Frieden seine Grenze hätte. Denn wenn wir die Grenzen kennen, können wir diese auch benennen und eben mit jenen Menschen in einen Dialog treten und Grenzen für beide Seiten öffnen.

Beide Seiten zusammen zu bringen, ist die Grundlage für jegliche Friedensbemühungen. Um das zu bewerkstelligen muss man immer auch erkennen und begreifen, dass jede Seite ihre eigene Geschichte hat. Nur wenn man die Geschichte des anderen kennt, kann man einlenken, verstehen, Kompromisse schließen und gangbare Wege finden. Es gibt keinen bösen Palästinenser und guten Juden, genauso wenig wie einen bösen Juden und guten Palästinenser. Beide Völker haben einen historischen Weg hinter sich, den man kennen muss um zu verstehen, was in diesen Ländern passiert. Mir ist es vollkommen unverständlich, warum in unserem „sicheren“ Land Geschichts- und Politikunterricht zu Nebenfächern degradiert sind, die leicht abwählbar gar keine Rolle mehr in der Schulbildung der Kinder spielen. Wie sollen Kinder und Jugendliche zu verantwortungsvollen politisch denkenden Menschen erzogen werden, wenn sie Politik aus der historischen Rolle überhaupt nicht mehr verstehen. Statt dessen werden sie durch die Schulzeit geschubst, um möglichst schnell für Staat und Wirtschaft als „Material“ zur Verfügung zu stehen und Bruttosozialprodukt und Renten zu sichern. Wo bitte sollen sie Toleranz lernen, die über Urlaubsbekanntschaften hinaus geht. Wie sollen sie begreifen, aus welchen Gründen Menschen in unserem Land Schutz suchen. Wie verstehen, dass der ganze Globus zusammenhängt und das Wohl eines Volkes auf Kosten der anderen geht. Und wie sollen sie Kulturen verstehen, die sie im Schnellverfahren der Rahmenlehrpläne streifen. Und da brauchen wir nicht einmal in die weite Welt zu schauen, auch unsere eigene Geschichte verblasst immer mehr in den Köpfen. Ein fataler Fehler aus meiner Sicht.

Frieden ist dort nicht möglich, wo wenige ihre einseitigen Interessen mit Macht wahren wollen und Massen lenken. Und gefährlich wird es dort, wo diese wenigen radikal werden. Alles was radikal ist, kann einer Gemeinschaft nicht nutzen. Aber je leichter eine Masse zu lenken ist, desto schneller wird sie für dumm verkauft und in eine Richtung gedrängt, die weder Freiheit noch Gleichberechtigung oder Frieden heißen kann. So ist es geradezu Pflicht für uns, darauf zu achten Medienmacher, Politiker und auch die Wirtschaft kritisch zu betrachten und dort unbequem zu sein, wo es undurchsichtig oder allzu platt erscheint. Kritik zu üben und zu äußern ist nicht nur Recht, es ist auch Pflicht und genau das müssen Kinder lernen. Tun sie aber nicht, wenn sie nur das nächste Klassenziel und das Wohlwollen der Lehrkräfte vor Augen haben.

Um den Frieden in unserem Land zu wahren, müssen wir der kommenden Generation begreiflich machen, dass der Zustand in dem wir leben nicht selbstverständlich ist. Sie müssen verstehen, wie die Welt funktioniert und warum es in anderen Kulturen andere Prioritäten als bei uns gibt. Sie müssen lernen, Konflikte ohne Waffen zu lösen. Sie müssen sich eine Welt gestalten, in der nicht das ständige Wirtschaftswachstum, sondern das friedliche, kompromissfähige Leben die Zukunft sichert. Und wir müssen Kindern vorleben und thematisieren, dass nur die Differenzierung, das Gespräch und Kompromissfähigkeit mit Zukunft gleichzusetzen ist.

Ich hoffe, nichts anderes kennenzulernen als den Frieden in meinem Land. Aber ich möchte auch den Frieden für meine Kinder und deren Kinder, Frieden in anderen Ländern. Dafür kann ich etwas tun. Indem ich in meinem Kopf aufräume, indem ich meine Kinder zu kritischen und bewussten Bürgern erziehe und in dem ich immer wieder offen und laut fordere, dass unsere Zukunftsinvestition nur in den Kindern und Jugendlichen liegen kann. Sie brauchen den Rückhalt und die Sicherheit, dass wir ihnen die Zukunft in unserem Land anvertrauen und die Gewissheit, dass wir alles tun, um sie für diese Aufgabe vorzubereiten. Sie müssen diejenigen sein, die den Friedenswunsch in die Welt tragen und durchsetzen. Unsere Kinder müssen mit unserer Unterstützung Frieden zu einer festen Größe wandeln und das nicht nur bei uns!

Rabenmütter … gibt es nicht

©-Kati-Molin-Fotolia.com

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Mit etwa 20 Jahren saß ich bei meiner Mutter in der Küche. In den Nachrichten berichteten sie von einem Fall, in dem einem Kind Gewalt angetan worden war. Sehr entrüstet äußerte ich, dass ich nicht verstehen könne, wie eine Mutter ihrem Kind so etwas antun kann. Meine Mutter kochte seelenruhig weiter und meinte nur: „Doch, ich kann es mir vorstellen. Es gibt Situationen in denen man einfach nicht mehr anders kann.“ Nun saß ich dort und wusste nicht, worüber ich mich mehr aufregen sollte. Über den geschilderten Fall aus den Nachrichten oder über meine eigene Mutter, die so eine Ungeheuerlichkeit geäußert hatte. 

Meine Mutter hatte etwas ausgesprochen, was für mich als ihr Kind nicht sein durfte. Ich fühlte mich persönlich verletzt und angegriffen. Ich wollte an dem Bild einer Idealmutter festhalten. Einer Mutter, die alles, aber auch alles für ihr Kind gibt und sich selber dafür in den Hintergrund stellt. Ich wollte an eine heile Welt glauben, in der Kinder sicher leben und Mütter aufopfernd und mit großer Fürsorge ihre Kinder großziehen.

Aber es gibt sie immer wieder, die Nachrichten von Kindern, die Furchtbares erleben müssen. Das Entsetzen darüber schlägt meistens in sprachlose Fassungslosigkeit um. Ist von Wut und Hilflosigkeit begleitet. Anders als bei Fällen, die Kindesmissbrauch zum Thema haben, hört und liest man kaum vorschnelle Urteile, die diesen Müttern jegliche Rechte und körperliche Unversehrtheit absprechen. Solche Fälle darf es in unseren Köpfen einfach nicht geben. Wir fühlen uns alle als Kind einer Mutter. Eine Mutter, die ihrem Kind nicht gerecht werden will oder kann, ist etwas was, das nach unserer Vorstellung gegen die Natur und gegen unser Wunschdenken geht.

Ich wurde selber Mutter, viele Jahre später. Machte eigene Erfahrungen als Mutter und musste mir eingestehen, dass es dieses Bild der Idealmutter nicht gibt. Ich erfuhr meine Grenzen, stellte fest, dass das „Mutter sein“ nicht vor Krankheit, Sorgen oder aufgebrauchten Kraftreserven schützt. Das Bild von Mutter und Kind, welches wir in den Medien, meist mit Weichzeichner, vermittelt und vorgespielt bekommen, ist nicht real. Doch niemand erzählt, wie es wirklich ist, wenn man Kinder hat. Die Gesellschaft möchte funktionierende Mütter, welche die eigene Belange auf Jahre hinten anstellen. Mütter, die für ihre Kinder die anderen Facetten ihrer Persönlichkeit ausblenden und diese erst nach Volljährigkeit der Kinder wie aus einem Dornröschenschlaf wieder erwachen lassen. Nur gibt es diese Mütter nicht, auch wenn es niemand hören möchte.

Man kann es nicht lernen – Mutter zu sein. Man kann sich in Kursen bestmöglich vorbereiten, meistens nur auf die Geburt. Man kann Fachbücher zu Rate ziehen, was man oft erst tut, wenn ein Problem auftaucht. Man kann um Rat bitten und bekommt erfahrungsgeprägte unterschiedliche Meinungen. Mutter wird man und ist es dann für immer. Und ist man erst Mutter geworden, stellt man fest, dass sich die eigene Geschichte, die eigene Erziehung, Erfahrungen, Gelerntes mit dem Alltag vermischen. Besonders am Anfang möchte man alles richtig machen und steht im Umfeld, mehr vor sich selbst, vor einem immensen Erwartungsdruck. Alles soll funktionieren, man möchte sich stolz zeigen, Anerkennung bekommen und alles richtig machen. So lange, bis irgendeine Komponente aus dem Gleichgewicht fällt.

Beginnend mit der Geburt … wer erzählt denn, dass es Wochenbett-Depressionen gibt? Dass das Stillen meist nicht auf Anhieb klappt. Dass Schmerzen noch eine Weile Begleiter sind? Dass nicht alle Babys wie Porzellanpuppen aussehen und Kinder am liebsten schreien, wenn Frau selber vor Müdigkeit kaum denken kann. Wer erzählt, dass es oft Situationen gibt, in denen man sich überfordert fühlt, nicht mehr weiter weiß, man vor Hilflosigkeit wütend wird? Wer gibt zu, dass es Momente gibt, in denen wir unser Kind in dem Arm halten, versuchen zu trösten, während das Kind in uns selber weint? Wer sagt, dass das alles normal und erlaubt ist? Wer berichtet von dem Quatsch, den sich Mütter bei Spielplatz-Gesprächen selber antun, in dem sie wetteifern, welches Kind sich schneller entwickelt? Von dem Wettrennen, welches Kind begabter ist und vor dem Schuleintritt schon lesen kann? Von den Endlos-Diskussionen unter Eltern verschiedener Ansichten? Von der Peinlichkeit, eine Therapie für das Kind suchen zu müssen? Von Schulproblemen, Pubertätsproblemen, dem ersten Liebeskummer, von Abgrenzung des eigenen Kindes zur Mutter. Das erzählt vorher keiner so genau und wir würden es sehr wahrscheinlich nicht hören wollen. Wir würden gerne so lange als möglich glauben, dass ausgerechnet wir die ideale Mutter sein können. Was passiert, wenn das Leben unseres Kindes unsere eigene Vergangenheit wieder zum Leben erweckt? Die Barrieren sind da, besonders wenn eigene Geschichte, schlechte Erfahrungen, elterliche Prägung sich mischt mit dem täglichen Erleben. Wenn Sorgen auftreten, partnerschaftliche Spannungen, Existenz-Ängste, Verlust-Ängste, das normale Leben auf harte Belastungsproben stellt.

In einem Gespräch mit einer älteren Frau sagte ich einmal, dass es meinen Kindern nur gut gehen könne, wenn es mir selber gut geht. Als Antwort bekam ich von ihr zu hören, dass eine Mutter sich gefälligst zusammen zu reißen und ausschließlich für die Kinder da zu seinen habe. Eine Ansicht, die mir als junger Mutter genauso erschreckend erschien, wie damals die Aussage meiner Mutter. Meine Perspektive hatte sich geändert. Ich hatte erfahren, was es bedeutet Mutter zu sein. Jede Mutter lernt schnell die Mauern kennen, die blockieren und den Alltag, die Harmonie zum Kind empfindlich belasten können.

Jede Mutter handelt aus ihrer eigenen Geschichte heraus. So hat meine Mutter fünf Kinder und die Endpunkte der Belastbarkeit in alle Richtungen erfahren. Die ältere Frau hatte ein Kind ohne Vater groß gezogen, in einer Zeit in der ein uneheliches Kind noch als Bastard galt. Beide sprachen aus ihrem persönlichen Erleben. Ich muss nicht ihrer Meinung sein, kann ihre Beweggründe aber verstehen und nachvollziehen. So haben auch Schuldzuweisungen oder Vorwürfe Müttern gegenüber nicht den geringsten Nutzen, denn jede kann nur so handeln, wie ihre momentane Verfassung und die Umstände es erlauben. Bevor man ein Urteil über eine Mutter äußert, sollte man sehr genau hinschauen, warum etwas so ist.

Es muss einer Mutter gesellschaftlich erlaubt sein, zu sagen „Ich kann nicht mehr!“. Es darf keinem Versagen gleichkommen, sich Hilfe zu holen. Hilfe gibt es, bei Ämtern, bei freien Trägern, Initiativen und im medizinischen Bereich. Nur um Hilfe annehmen zu können, muss ich mir bewusst machen, dass ich ein Problem habe und dieses Problem seine Berechtigung hat. Ich darf nicht dem Gefühl unterliegen, dadurch versagt zu haben. Die anderen, das Umfeld, sollten genau hinschauen. Fragen, wenn sich Unstimmigkeiten abzeichnen, Hilfe anbieten, Verständnis zeigen, hinschauen und nicht weggucken. Mütter zu unterstützen, ihnen eine solide soziale Basis zu ermöglichen, sie finanziell gut aufzustellen und ihre Leistung zu würdigen und anzuerkennen, ist der primärste Kinderschutz, den eine Gesellschaft leisten kann.

Die erste Frage, die sich eine Mutter stellen sollte ist: „Was kann ich für mich tun, damit es meinem Kind gut geht!“. Und noch ein kleiner Ausflug ins Tierreich – wussten Sie, dass sich Rabenmütter noch fürsorglich um ihren Nachwuchs kümmern, selbst wenn die Jungvögel aus dem Nest gefallen sind?

„Zur Erziehung eines Kindes braucht man ein ganzes Dorf.“ besagt ein afrikanisches Sprichwort – nicht Mütter alleine, wir alle stehen in der Verantwortung Kindern gute Mütter zu geben!

Leitartikel der Homepage des Stadtteilzentrum Steglitz e.V.
vom 19. Mai 2014

Ein Tag ohne Multikulti. – Geht das überhaupt?

Um es gleich vorweg zu sagen – ich bin blond und blauäugig, also germanischer Abstammung. Auch mein Name ist rein deutsch und so kann ich von der Ursprungsgeschichte her schon mal versuchen, einen „rein-deutschen“ Tag zu erleben.

Wach werden … ich habe Glück, denn ich wache immer vor meinem Wecker auf, um ihn rechtzeitig auszustellen. Er ist aus Taiwan. So gehe ich erstmal in die Küche – nein, heute gibt es keinen Kaffee aus Kolumbien, der gute alte Pfefferminztee aus dem Garten muss reichen, um ganz wach zu werden. Im Badezimmer wird es dann schon schwieriger. Zähneputzen mit Colgate geht nicht, der war Amerikaner, also Ajona von einem Schwaben. Beim DuschDas habe ich wieder Glück, die Firma wurde zwar von einem Niederländer, aber auf deutschem Boden gegründet, die weitere Firmengeschichte unterschlage ich hier lieber. Aloe Vera Produkte zum Eincremen sind heute tabu – die Pflanze gibt es nicht in unseren Breitengraden. Beim Anziehen muss ich einfach streiken, denn auch die Baumwolle kommt ursprünglich aus Asien, aber der Herr Fugger hat sie wenigstens ab dem 14. Jahrhundert in Deutschland verarbeitet.

Fertig für den Hundespaziergang habe ich das nächste Problem. Mein Hund ist ein Golden Retriever, eine englische Rasse. Aber er schaut mich mit so bittenden Augen an, dass ich beschließe, mir für einen Tag einzubilden, er sei ein deutscher Schäferhund. Um meine Hundefreunde muss ich heute einen großen Bogen machen. Die eine Freundin kommt aus der Ukraine und die Hunde sind ausnahmslos „Ausländer“. Also gehen mein Hund und ich ganz alleine und einsam am Kanal entlang … und so ein Mist – ausgerechnet heute begegnet mir der nette alte asiatische Herr, der mich immer herzlich grüßt, obwohl wir uns gar nicht kennen. Ich ignoriere ihn und hoffe, dass er mir beim nächsten Mal verzeiht.

Hunderunde geschafft, jetzt noch schnell Brötchen holen. Nein, heute gibt es nicht die günstigen, die als Rohlinge aus Asien eingeflogen werden. Heute muss ich die teuren Brötchen beim Bäcker um die Ecke kaufen, denn das deutsche Handwerk hat (zu recht) seinen Preis. Das Frühstück überstehe ich noch recht gut. Es gibt genug, was das deutsche Land zu bieten hat, aber auf so eingedeutschte Besonderheiten wie Croissants oder Cappuchino muss ich schon verzichten.

Jetzt wird es schwierig, ich muss zur Arbeit gehen. Mein Auto kann ich stehen lassen, denn das kommt aus Tschechien. Aber die 20 Minuten Fussweg überstehe ich ganz gut. Ich überlege mir schon einmal was es zum Abendessen geben soll. Salat kommt nahezu immer aus Holland und auch viele Gemüsesorten wie Paprika, Zucchini, Auberginen oder Mais gibt´s nicht bei uns. Also Kartoffeln mit Kohl und Bratwürstchen, meine Kinder werden wohl kaum begeistert sein. Und auch beim Obst kann ich nicht punkten, denn Bananen, Ananas, Apfelsinen, Melonen und viele andere sind in deutschen Gärten nicht zu finden. Also Pflaumenkompott, es ist ja sowieso Herbstzeit.

Bei der Arbeit muss ich wieder ganz schön mogeln, denn eigentlich darf  ich meinen geliebten PC nicht mal anschauen. Alle technischen Komponenten, die ich zum Arbeiten brauche, stellen schon alleine eine halbe Weltreise dar. Also schreibe ich vorsintflutlich meine Texte mit einem Bleistift, doppelte Arbeit, grummel! Telefonieren ist heute auch nicht, das Handy kommt aus Korea. Ja, und dann mache ich am besten meine Bürotür zu, denn einige liebe KollegInnen kommen aus der Türkei, aus Serbien, aus Polen, aus Schwaben … ok, die Schwaben lassen wir gelten.

Mittagessen und Mittagpause – die  Dönerbude, der Chinese, die Pizzeria, der Mexikaner, der Sushi-Laden fällt aus. Currywurst geht, Pommers auch, der Hamburger ist gestrichen. Dann  verkümmel ich mich doch lieber mit der guten alten Butterstulle mit Leberwurst auf eine Parkbank – und denke nach: Ich gebe auf! Ein Leben ohne Multikulti ist für uns gar nicht möglich und außer einer schrecklichen geschichtlichen Epoche gab es nie einen rein-deutschen Staat. Selbst Preußen war ein Vielvölkerstaat und Zufluchtsland für viele Verfolgte und Andersgläubige (wie Hugenotten, Holländer und Russen). Gleichgültig, was wir anfassen und tun, wohin wir uns bewegen, worüber wir sprechen, in welchen Kreisen wir uns aufhalten – es gibt schon lange kein unbeeinflusstes deutsches Leben mehr.

Die Welt ist bunt und global geworden, die Grenzen sind fast auf der ganzen Welt offen und auch das Internet lässt uns am Leben des ganzen Erdballs teilhaben. Wir haben die Freiheit, uns überall zu bewegen und zu leben. Aber eins müssen wir noch gewaltig in unserer Umgebung verbessern – die Toleranz zu üben  und den enormen Gewinn des Multikulti in unseren kleinen Lebenskreisen zu nutzen.

Stadtteilzeitung Steglitz-Zehlendorf – Ausgabe 162, November 2012