Kita und Corona: Aus der Sicht der Kita Kiezhopser

Seit Mitte Juni dürfen alle Kinder in Berlin wieder ihre, in den letzten 13 Wochen sicherlich schmerzlich vermisste, Kita besuchen. Es kehrt also wieder eine Art Normalität in den Kita-Alltag ein. Zwar noch hier und da mit Maske und Abstand, aber dennoch Normalität. Doch wie war es in den letzten Wochen? Wie haben die Menschen, die das System die ganze Zeit am Laufen gehalten haben, diese Zeit erlebt? Wie war es für diejenigen, die trotz eigener Ängste und der allgemein herrschenden Verunsicherung den anderen systemrelevanten Menschen den Rücken freigehalten und ihre Kinder betreut haben? Was war schlecht? Was war gut? Was wird die Krise überdauern und was sollte sich auf keinen Fall wiederholen?

Um all diese Fragen beantwortet zu können, haben wir vom Stadtteilzentrum Steglitz unsere Kitas besucht und einfach nachgefragt. Denn, wer könnte besser davon erzählen, als die Kitaleitungen und Erzieher*innen, die die ganze Zeit über „an vorderster Front“ gekämpft und Tag für Tag ihr Bestes gegeben haben?!

Nach den Strolchen erzählen die Marienfelder Kiezhopser 


Der Anfang

Am Morgen des 13. März glaubte Sandra Dehmel, Projektleiterin der Kita Marienfelder Kiezhopser, dass sie einen ganz normalen Tag mit ihrem Team erleben würde. Eine Erste-Hilfe-Weiterbildung in der Geschäftsstelle des Stadtteilzentrums war geplant. Während der Weiterbildung erreichte den freien Träger die Nachricht, dass Corona-bedingt alle Kitas in Berlin schließen müssten. Es sei ein großer Vorteil gewesen, dass sie nicht in der Kita gewesen sei, sondern in der Geschäftsstelle, erzählt sie, da sich die Informationen in kürzester Zeit änderten. Zwischen Team und Verwaltung hin und her gerissen, kamen immer neue Anweisungen, die sie in den Pausen an ihr Team weitergab. Es stand aber fest: Die Kita wurde geschlossen. Als die Weiterbildung zu Ende war, trafen sich alle Kolleg*innen, ohne Absprache, in der Kita wieder. Jeder im Team packte etwas für zuhause ein. Je nach Vorliebe wurden Bastelsachen, Sprachlerntagebücher oder Akten mitgenommen, eben Dinge, die man macht, wenn man Zeit hat. Erst dann trennten sich die Wege des Teams ins vermeintliche Wochenende … der Ausgang ungewiss.

Letztlich war die Kita am Montag noch einmal geöffnet. Die Eltern kamen mit ihren Kindern und das Kitateam versuchte sie in vielen Gesprächen zu beruhigen, ohne schon selber viel zu wissen. Die Kinder waren an diesem Tag sehr kuschelig, da auch sie die Veränderung spürten. Ab Dienstag war dann tatsächlich für 1 ½ Wochen geschlossen und lediglich die Kolleg*innen ohne Kinder vor Ort. Relativ gesehen hätten sie Glück gehabt, sagt Sandra Dehmel, nur eine Kollegin gehörte zur Hochrisikogruppe, zwei weitere mit Kindern fielen aus und eine Kollegin mit Kind sei nach einer Woche wiedergekommen. So konnte die Notbetreuung personell gut besetzt werden.

Die Eltern

Besonders in dieser ersten Zeit haben die Kitaeltern das Team sehr unterstützt. Als um die E-Mail-Adressen gebeten wurde, sei innerhalb kürzester Zeit ein Verteiler aufgebaut worden. Darüber bekamen die Eltern 2-3 pro Woche eine E-Mail, um sie immer auf dem neusten Stand zu halten und gut zu informieren. Am Anfang kam selten eine Antwort auf die Mails. Erst als Sandra Dehmel den Eltern ehrlich mitteilte, dass sie sich vorkomme, als würde sie gegen eine weiße Wand schreiben, kamen E-Mails zurück. Die Eltern wollten nicht zusätzlich belasten oder beschrieben, wie es ihnen selber und ihren Kindern ging. Sie äußerten Lob, Dankbarkeit, boten Hilfe an und halfen nicht zuletzt, indem sie Vorgaben einhielten. Das Wir-Gefühl war sehr gegenwärtig in diesen ersten Wochen. Dann kippte es etwas, weil nach neuen Vorgaben stärker hinterfragt wurde, warum andere Kinder kommen durften, die eigenen aber nicht. Dies sei dennoch immer gut zu erklären gewesen und ein konstruktiver Weg zwischen „Was dürfen wir“ und „Was können wir machen“ gefunden werden.

Die Kinder

Die Kinder, die die Notbetreuung besuchen durften, beschreibt Heike Steinitz, stellvertretende Projektleiterin, als tiefenentspannt. Es war ungewöhnlich, dass die Kita so leer war. Diese ersten 6 – 7 Kinder mussten sich als neue Gruppe zusammenfinden, wussten die erhöhte Aufmerksamkeit aber doch sehr zu genießen. Waren es im März noch wenige Kinder, wurde mit der Zeit immer weiter geöffnet bei kleinen Gruppen. Ende April wurden es drei Gruppen und im Mai wieder vier. Trotz dessen, dass Ende Juni wieder alle hätten kommen können, wurden 15 Kinder weiter zuhause betreut, was ebenfalls eine große Hilfe war.

Die zuhause betreuten Kinder fehlten ganz einfach. Anders lässt es sich kaum beschreiben. Zwar wurde von ihnen per Mail erzählt, kleine Videos oder gemalte Bilder geschickt, aber ihre fehlenden Stimmen und Lachen machten die Räume leise. Eltern erzählten, dass auch die Kita vermisst wurde und Spaziergänge nicht in die Nähe gemacht werden durften. Diese Kinder bekamen Post: Zwei Briefe mit Vorschlägen zum Basteln, Malen oder mit Blumensamen und einer Anleitung dazu, vom ganzen Kitateam unterschrieben. Als diese Kinder wiederkommen durften, mussten sich so manche Eltern dann sagen lassen: „Mama, die Zeit zuhause mit dir war schön, aber meine Freunde spielen besser.“ Letztendlich, erzählen die Erzieher*innen, haben alle Kinder in dieser schwierigen Zeit und durch die geänderten Verhältnisse auf verschiedenste Weise einen großen Entwicklungsschub gemacht.

Der Senat

Nach den Vorgaben des Senats in der Corona-Zeit gefragt, greift Sandra Dehmel ganz einfach hinter sich und stellt einen dicken Ordner auf den Schreibtisch. Die 16. Trägerinformation kam am 10. Juni bei den Kitas an. Problematisch waren Informationen, die freitags nachmittags sehr spät ankamen und montags morgens umgesetzt sein mussten, was nicht nur einmal passierte. Teils kamen neue Informationen täglich an. Auch die Formulierungen mit „sollte“, „könnte“ oder „möglichst“ waren wenig hilfreich. Manche Vorgaben ließen schon beim Lesen die Machbarkeit anzweifeln. So sollten beispielsweise die Fußböden der Kita mehrfach täglich desinfiziert werden. Die anwesenden Kinder durften aber nicht währenddessen in den Garten. Oder der Toilettengang, bei dem das Kind immer begleitet werden sollte und danach alles desinfiziert werden musste. Was mit den anderen Kindern der Gruppe in der Zwischenzeit zu tun sei, stand nicht dabei. Neue Mülleimer mit Fußtritt mussten angeschafft werden. Stellt man sich jedoch ein 3-jähriges Kind an solch einem Eimer vor, weiß man, dass dem kleinen Fuß die Kraft fehlt und es doch oben anfasst. Aus den 30-seitigen Hygienevorgaben des Senats hat Heike Steinitz einen schnell zu erfassenden 4-seitigen Desinfektionsplan geschrieben. Nach den wöchentlichen Mitteilungen des Senats schrieb sie die Pläne, wer wann kommen durfte, immer wieder um. Anfangs noch sehr akkurat mit Linien und Kästchen, später einfach mit durchstreichen, darüberschreiben und angeklebten Zetteln. Heike Steinitz sagt, dass sie sich sehr gewünscht hätte, einmal einen Senatsvertreter vor Ort zu sehen und gemeinsam über die Vorgaben zu sprechen.

Der Träger

Was sie beim Senat vermissten, kam dennoch aus dem Kolleg*innen-Kreis. War irgendeine Frage offen oder wurde Unterstützung gebraucht, konnte sich das Team auf Anke Eichner und Angela Wittrin, Leitung des Arbeitsbereiches Kindertagesstätten, verlassen. Sie verstanden es in der ganzen Zeit präsent und doch nicht allgegenwärtig zu sein. Trotzdem vermittelten sie das notwendige Vertrauen, das Team vor Ort entscheiden zu lassen und unkonventionelle Lösungen zu akzeptieren. Sie schafften den Rückhalt und notwendigen Rahmenbedingungen, besonders in der Fragestellung: „Was braucht ihr!“ und „Wie geht es euch!“. Auch Katrin Reiner, wellcome-Koordinatorin, und Birgit Kiecke, Ansprechpartnerin für Kinderschutz, waren in dieser schwierigen Zeit unverzichtbare Unterstützerinnen des Teams. Heike Steinitz erzählt von ihrem 5-jährigen Sohn und dem Spagat zwischen Muttersein und stellvertretende Kitaleitung. Zum einen ist da die Mutter, deren Sohn ihr ein und alles ist. Zum Zweiten die stellvertretende Projektleiterin, deren Beruf nicht systemrelevant genug ist, als dass ihr eigenes Kind betreut wird. Und zum Dritten die Kollegin, die genau weiß, dass sie dringend in ihrem Projekt gebraucht wird. Nach einer Woche mit dieser Zerreißprobe stand sie im Büro den Tränen nah. Katrin Reiner fand genau die richtigen einfühlsamen Worte und bot an, Hilfe zu finden. Sie stellte einen Kontakt her und Heike konnte sich beraten lassen. „Nur weil ich Erzieherin bin, bin ich ja nicht eine bessere Mutter,“ sagt sie „und durch Katrin konnte ich Hilfe annehmen!“ Danach ging alles besser.

Das Team

Das Team beschreibt Sandra Dehmel in den Wochen nach dem 13. März in eigenen Worten am besten: „Corona hat in jedem von uns die beste und stärkste Seite herausgekitzelt. Als wir noch nicht wussten, ob wir die Kita wieder betreten dürfen, hat sich jeder mit Arbeit eingedeckt. Die Kolleg*innen, die länger zu Hause waren, haben immer wieder Möglichkeiten gefunden die Leute in der Kita zu unterstützen. Es war nicht viel reden nötig. Als nach ein paar Wochen das große Planen und Organisieren losging, muss meine ‚Jetzt-bitte-nicht’-Ausstrahlung groß gewesen sein. Die Kollegen*innen fingen ganz von selbst an, ihre Anliegen und die der Eltern alleine oder untereinander zu klären. Anfangs kam dann hinterher ein zögerndes ‚Ich habe mal …’, später war es ein selbstverständliches ‚Ich habe mal … nur, dass du informiert bist’. Und wenn ich stundenlang über den neuen Vorgaben gebrütet habe, ist wie selbstverständlich alles weitergegangen. Jeder hat sich und seine Aufgabe gefunden. Jeder hat irgendwie den anderen aufgefangen. Jeder hat auf jeden aufgepasst. Jeder hat selbst dafür gesorgt, dass alle die nötigen Infos haben, und dass alles reibungslos weitergeht.“ Ihr Fazit: „Es tut gar nicht weh, abzugeben, zu delegieren, machen zu lassen, nicht alles zu jeder Zeit unter Kontrolle zu haben.“ Ein großes Lob an ein „Team“, im wahrsten Sinne des Wortes!

Baumkobolde … mit Spaß zum Nachdenken anregen

„Ich war einmal ein sehr stolzer Baum. Über viele Jahre wuchs ich und konnte den Wechsel der Jahreszeiten genießen. Mit den Bewohnern der Häuser um mich herum wurde ich gemeinsam älter. Später wurde ich krank. Sie merken es nicht, bis ich nicht mehr zu retten war. Es tat weh, als sie die Säge anlegten und ich mich von meinem erhabenen Blick aus der Baumkrone verabschieden musste. Lange stand ich traurig dort als Baumstumpf. Sehr lange und niemand beachtete mich – fast niemand. Harald kannte ich schon als kleinen Jungen. Der war immer draußen und musste die Stadt entdecken. An einem schönen Tag kam er mit zwei Holzscheiben vorbei. Das wurden meine ersten Ohren. Augen bekam ich auch und schon hatte ich mit meinem natürlich gewachsenen Mund wieder ein Gesicht. Von da an änderte sich alles. Die Leute schauten mich wieder an. Sie lächelten und gingen tatsächlich mit guter Laune weiter. Und wenn sie Harald in meiner Nähe treffen, erzählen sie immer spannende Sachen aus der Stadt. Jetzt bin ich wieder ein stolzer Baum-Stumpf … ich war der erste in der großen Stadt, doch meinen Namen bekam ich erst viel später.“ So würde sicherlich der Baumstumpf erzählen, doch diese Geschichte ging noch viel weiter:

Harald Kortmann war lange an dem abgesägten Baumstamm vorbeigegangen. Der gefiel ihm nicht und im Mai 2015 fielen ihm zwei Birkenscheiben in die Hände. Derzeit arbeitete er beim Kamin- und Brennholzhandel Hanne und mit den beiden Birkenscheiben wusste er sofort, wie er seiner Mutter eine Freude machen konnte. So entstand die Idee und der erste Baumstumpf bekam ein Gesicht, aber dabei sollte es nicht bleiben. Zwei/drei Monate rätselten die Steglitzer Bevölkerung, wer der Urheber für die vielen Baumstümpfe ist, die über Nacht ein Gesicht bekamen. Überall schienen sie zu entstehen. Das fragte auch Karla Rabe in der Berliner Woche und hatte damit Glück. Harald meldete sich bei ihr, ein weiterer Bericht über die Baumstümpfe entstand und damit bekamen sie auch ihren Namen. Baumkobolde nannte Karla Rabe die kleinen Kreaturen, die immer zahlreicher Straßen und Parks schmückten. Harald Kortmann war sich anfangs nicht sicher, ob er sich mit seiner Aktion am Rande der Legalität bewegt. Deshalb arbeitete er vorwiegend nachts. Er zerstört jedoch nichts und erregt kein öffentliches Ärgernis. Ganz im Gegenteil, die Akzeptanz und Freude, die er mit seinen Baumkobolden verbreitet, sind schon fast nicht mehr aus unserem Straßenbild wegzudenken.

Die Freude an den Baumkobolden ist auch der Grund, warum er immer noch gerne nachts arbeitet. Mittlerweile wird er von den Leuten erkannt, angesprochen, in nette Gespräche verwickelt und … von der Arbeit abgehalten. Das erklärt er allerdings Augenzwinkernd: Es sei sein „Herzens-Portemonnaie“, was er an Rückmeldungen und Reaktionen sammeln kann. Besonders Kinder bringen ihn mit ihren Reaktionen immer wieder zum Lachen. Wildfremde Menschen sprechen ihn freundschaftlich an und bestätigen ihm, das er ihr Leben bereichert. Eine Dame sagte zu ihm, dass er die Welt verändere und aus einer Glut eine Flamme werden könne.

Was anfangs nur eine Idee war, entwickelte sich schnell zu einer Aufgabe. Harald Kortmann möchte mit seinen Baumkobolden nicht anklagen, er betrauert die vielen Bäume, die zwar gefällt, aber nicht nachgepflanzt werden. Der Grund liegt, wie bei vielen anderen Dingen, im fehlenden Geld und nur auf Spenden der Bürger dürften sich Bezirk und Senat nicht verlassen. Hier fordert er eine etwas verantwortungsvoller Vorgehensweise der Behörden und kennt sich mit Zahlen und Verordnungen bestens aus. Er selber sieht sein Engagement unter nachhaltigen Aspekten: Kinder, die Freude an den Kobolden haben und Erwachsene, mit denen er ins Gespräch kommt, kann er auf die Bedeutung der Baumscheiben aufmerksam machen. Kinder, die früh lernen, wie wichtig eine Baumscheibe für einen gesunden Baum ist, parken später auch nicht darauf. „Früher hatte Berlin den Ruf als grünste Stadt Europas,“ sagt er, „dazu würde er gerne wieder seinen Beitrag leisten und die Problematik in den Köpfen der Menschen bewusst machen!“ Kinder, die mit ihren Eltern über die Baumkobolde sprechen, können früh lernen, wie wichtig gesunde Bäume für unser ökologisches System und unser Klima sind.

Die Baumkobolde verbreiten sich in der ganzen Stadt. Was anfangs auf Steglitz-Zehlendorf beschränkt war, ist längst über die Bezirksgrenzen hinaus gegangen. Tatsächlich bekam Harald auch schon Anfragen aus anderen Städten. Als kleines Nebenprodukt entsteht hin und wieder ein Baumkobold im Miniformat. Hier freut er sich besonders, dass diese Minikobolde, die er verschenkt hat, nach Jamaika, Australien, Frankreich, England oder Brasilien ausreisen durften. Er ist bekannt, es ist seine Idee und er ist – zu recht – stolz darauf. Aber es sind nicht alle, die sein Tun gut heißen. Sicherlich muss er Baumkobolde reparieren, wenn die Ohren abfallen. Zerstört wird nur selten etwas. Doch einen hartnäckigen Kontrahenten hatte er: Zwischen Klinikum Steglitz und Stichkanal findet man kaum einen einzigen Baumkobold. Dabei hatte Harald etwa 30 Kobolde dort entlang bestück, um festzustellen, dass ein anderer sie wieder demontierte. Er montierte erneut, der andere demontierte und noch einmal. Dann ließ er es bleiben und akzeptiert schlicht, dass der andere Unbekannte offensichtlich an dem Weg keine Baumkobolde akzeptiert. Aber einen gibt es doch – ganz versteckt im Dickicht. Doch wo der steht verraten wir natürlich nicht.

Die ganze Geschichte der Baumkobolde fusst auf privatem Engagement. Er verdient nichts damit und nimmt keine finanziellen Spenden an. Das notwendige Holz bekommt er vom früheren Arbeitgeber und Freund Thomas Jung. Die Kosten für die Schrauben trägt er selber. Harald Kortmann hat mit dem Baumkobolden seine Passion gefunden und ist vollkommen offen, was daraus entsteht oder wie es sich entwickelt. Er sei immer schon ein Freiluftmensch gewesen und für seinen Aktionismus bei seinen Freunden bekannt. Die Baumkobolde, sagt er, sein das Beste, was ihm in den vergangenen Jahren passiert sei. Gefreut hat er sich über den Kontakt nach Teltow. Der Nachbarbezirk bekam im Mai 2017 seine ersten sechs Baumkobolde und er wurde zum Baumscheibenfest 2017 eingeladen. Dort wird er Baumzauberer genannt, dessen Schützlinge zum Nachdenken einladen, für das Grün in der Stadt sensibilisieren und einfach alle fröhlich stimmen. Richtig zählen kann sie kaum einer mehr, aber der allererste Baumkobold wäre sicherlich stolz, wenn er wüsste, dass er gut 2000 – 3000 Brüder hat.


Ein Beitrag aus dem Magazin „Im Mittelpunkt“ 4 2017 mit dem Leitthema „Runde Tische und Bürgerbeteiligung“

Das ganze Magazin könnt Ihr als eBook oder interaktives Pdf herunterladen, die gedruckte Version, einschließlich dem Einleger mit allen Veranstaltungen des SzS, gibt es in unseren Einrichtungen.

Wir gehen davon aus, dass wir die Welt verändern können!

20-Jahre_SzS20 Jahre Stadtteilzentrum Steglitz e.V.

Es passiert alles gleichzeitig: Die Tür öffnet sich und eine Frau kommt mit einem Brief in der Hand herein. Im hinteren Raum der Einrichtung sitzt eine Gruppe Senioren und frühstückt gemeinsam. An der nächsten Bushaltestelle steigt eine Gruppe Kinder in den Bus um einen Ausflug zu machen. Als alle im Bus sind steigen noch eine ältere Frau und ein Mann mit ein. Zwei Häuserblocks weiter sammeln sich viele MitbürgerInnen um ihre Solidarität in einer Kundgebung zu zeigen. So unterschiedlich diese Situationen sind, haben sie alle einen gemeinsamen Nenner – alle Situationen passieren im Rahmen der Nachbarschaftsarbeit. Nachbarschafts- und generationsübergreifende Arbeit, Stadtteilarbeit, sozial-kulturelle Arbeit sind aus dem Stadtbild der Bezirke nicht mehr wegzudenken. In Steglitz-Zehlendorf wird der nachbarschaftliche Gedanke unter anderem durch das Stadtteilzentrum Steglitz e.V. getragen, das im November 2015 seinen 20. Geburtstag feiert.

Mehr als 50 Nachbarschaftsvereine und Stadtteilzentren sind in den Berliner Bezirken aktiv. Das ganze Stadtgebiet wird von freien Trägern abgedeckt, die den Mittelpunkt ihrer Arbeit auf die individuelle Betrachtung des einzelnen Menschen und ihrer nachbarschaftlichen Vernetzung und gegenseitiger Hilfsangebote setzen. Begonnen hat diese Entwicklung Ende des 19. Jahrhunderts in England, wo 1884 die Toynbee-Hall in London als eines der ersten Nachbarschaftshäuser gegründet wurde, das heute noch aktiv ist. Der Grundgedanke dieser Gründung war Bildungs- und Begegnungsangebote sowie gegenseitige Hilfemöglichkeiten in die Bevölkerung zu tragen. Nachbarschaftliche Arbeit sollte der Überwindung von Klassenunterschieden dienen und fürsorgliche Aufgaben übernehmen – dort wo der Staat nicht mehr hinkommt. In der weiteren geschichtlichen Entwicklung sind diese freien Träger und Nachbarschaftsheime starke sozialen Träger der Gesellschaft geworden. Dort, wo Behörden die Hände gebunden sind, schaffen Nachbarschaftsvereine die Nähe zum Menschen und können weit unkonventioneller und mit mehr menschlicher Nähe arbeiten.

Die Arbeitsbereiche der Träger und Vereine sind vielfältig: Kindertagesstätten, Kinder- und Jugendliche, Familien, Senioren, pflegerische Tätigkeiten, Beratungen in akuten oder präventiven Angelegenheiten, Betreuungen, schulische Unterstützungen und auch Freizeit und Kultur sowie Stadtteilarbeit steht in den Arbeitsbeschreibungen. Die Arbeit wird von Fachkräften geleistet, die nicht selten besondere Ausbildungen und Zusatzqualifikationen mit sich bringen. Zudem zeichnen sie sich dadurch aus, dass sie persönliche Interessen, wie beispielsweise musikalisch und künstlerische Talente und Fähigkeiten, in ihre Arbeit mit einbringen. Nicht zu unterschätzen ist die starke Verwurzelung und Vernetzung der Träger und Vereine in ihren Stadtteilen und Bezirken, die schnelles und bedarfsorientiertes Handeln möglich machen. Ein Aspekt, der nicht zuletzt auf Senatsebene bei der Bewältigung der Flüchtlingsarbeit erkannt wurde.

Die Arbeitsweise der sozialen Arbeit stellt sich vornehmlich aus drei Grundsäulen zusammen: Die Einzelfallhilfe, die Gruppenarbeit und letztlich die Gemeinwesenarbeit. Alle drei Bereiche greifen unmittelbar ineinander und bilden eine Einheit, die alle Bevölkerungs-Schichten und -Gruppen erreicht. In der Einzelfallhilfe kommen wir zu der Frau, die mit einem Brief in der Hand in die Einrichtung kommt. Sie hat einen Antrag für Kinderbetreuung vom Amt bekommen und versteht alleine nicht, was sie ausfüllen muss. In der Einrichtung findet sie AnsprechpartnerInnen für ihr Anliegen. Entweder wird ihr Hilfe geboten, den Antrag zu verstehen und selber auszufüllen oder sie bekommt die Adresse einer Stelle, die ihr fachkompetent weiterhelfen kann. Die ältere Frau, die mit dem Mann in den Bus steigt, ist eine geschulte ehrenamtliche Helferin, die den Mann begleitet um sich erstmalig bei der Meldestelle vorzustellen. In beiden Fällen wird individuell geschaut, was das Anliegen ist, ob es alleine bewältigt werden kann und schließlich, wie es gelöst wird. Ungeachtet des sozialpädagogischen Ansatzes passiert dies in persönlicher und menschlicher Ansprache, die dem jeweiligen Bedürfnis des Hilfesuchenden gerecht wird. Sein persönliches Anliegen wird mit den Hilfsquellen der Gemeinschaft verbunden und so das Umfeld des Einzelnen gestärkt und verbessert.

Gruppenarbeit geht in allen Altersgruppen vonstatten, auch wenn es manchmal vordergründig nicht wie Gruppen-Arbeit aussieht. Die Senioren, die gemeinsam in der Einrichtung frühstücken, erleben einen lebendigen und geselligen Vormittag. Ziel ist es der Vereinsamung älterer Menschen entgegenzuwirken, sie miteinander bekannt zu machen und Kontakte herzustellen, die über dieses Frühstück hinaus Aktivitäten entstehen lassen. Die Kinder, die gemeinsam in den Bus steigen erleben vielfältige Ansätze der pädagogischen Arbeit. Sie lernen Gemeinschaft, das Kennenlernen der Stadt über ihr Umfeld hinaus, lernen sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewegen und vieles mehr. Gruppenangebote sind für allen Altersklassen, für alle Interessensgebiete und für alle persönlichen Belange zu finden. Eine Gruppe dient immer der Bildung, der Reife und dem Wachstum, der Heilung oder Eingliederung eines Einzelnen in eine Gemeinschaft. Soziale Kompetenzen der Einzelnen werden in einer Gruppe durch vorher festgelegte Inhalte oder Ziele gestärkt.

Die Gemeinwesenarbeit dient im Allgemeinen der Verbesserung des unmittelbaren Wohnumfeldes. Das Stadtteilzentrum Steglitz e.V. hat beispielsweise dem Leitbild des Vereins einen prägenden Satz vorangestellt: „Wir gehen davon aus, dass wir die Welt verändern können!“ und proklamiert weiter: „Wir sind bereit Verantwortung für Aufgaben und Prozesse im Bezirk zu übernehmen. Zu wichtigen Themen melden wir uns zu Wort und mischen uns ein.“ Die Mitbürger, die sich zu einer Kundgebung versammeln, um Solidarität gegenüber Geflüchteten zu zeigen, folgten einem Aufruf des Trägers zur Gegendemo. Dabei geht es nicht darum, politische Ziele oder Richtungen zu verfolgen, sondern schlicht, die Haltung der Bevölkerung für individuelle Schicksale zu sensibilisieren und eine klare und offene Haltung gegenüber fremden Menschen zu zeigen. Vertreter sozialer Träger und Vereine sitzen in den Gremien des Bezirks, in Arbeitsgruppen und Fach-Foren. Sie beobachten gesellschaftliche Entwicklungen und melden sich zu Wort. Beispielsweise werden viele Runde Tische von sozialen Trägern gefördert, die wiederum mittels Präventionsbeirat Gehör bei Bezirksstadträten und Bürgermeister finden. Gemeinschaftliches Leben wird mit gestaltet, verändert und zum besseren für den einzelnen Bürger verändert.

Ausnahmslos jeder ist von der Arbeit der sozialen Träger und Vereine betroffen. Ob man seine Kinder in die Kita bringt, die Älteren in die Ergänzende Förderung und Betreuung in der Schule, die Jugendlichen nachmittags ein Kinder- und Jugendhaus besuchen, Erwachsene sich zu Gruppen oder einer Tasse Kaffee im Nachbarschaftshaus treffen oder Senioren gemeinsame Ausflüge machen – es betrifft jeden. Ehrenamtliche HelferInnen werden in allen Bereichen der Arbeit eingebunden und entsprechend ihres Vermögens eingesetzt. Bezirklich Entwicklungen werden durch diese Arbeit mit gestaltet und verändert. Damit sind noch nicht die vielen besonderen Aufgaben angesprochen, wie zum Beispiel „Frühe Hilfen“ oder SRL-Projekte, um nur zwei zu nennen. Im Mittelpunkt steht immer und besonders der einzelne Mensch – derjenige, der schon immer hier wohnte oder derjenige, der aus fremden Ländern hier integriert werden muss. Das Stadtteilzentrum Steglitz e.V. tut dies nun seit 20 Jahren in Steglitz-Zehlenndorf – mit viel Engagement, großartigen MitarbeiterInnen und vielen Menschen, die den Verein auf seinem Weg begleiten. Wir wünschen „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!“ – mit allen, die den Verein begleiten, mit ihm vernetzt sind, kooperieren, manchmal auch kritisch betrachten oder ganz einfach von ihm profitieren!