Superhelden lächeln doch!

Einmal durch die Lüfte fliegen, Hindernisse mit Superkräften aus dem Weg räumen, verschlossene Türen mit einem Laserblick öffnen. Wer hat sich nicht schon einmal vorgestellt, ein Superheld zu sein? Sie tragen eine geheimnisvolle Maske, meist einen wehenden Umhang und haben eine außergewöhnlich Kraft, die sie von allen anderen Helden abhebt. Im wirklichen Leben aber sind sie meist unscheinbar und gehen ganz normalen Berufen nach, weshalb wir uns so leicht mit ihnen identifizieren können. In der realen Welt gibt es diese Superhelden jedoch nicht. Hier sind Helden, wenn sie überhaupt erlauben als solche bezeichnet zu werden, oft nur auf den zweiten Blick erkennbar.

Es sind andere Begriffe, die unsere heutigen Helden ausmachen und oft sind sie verwundert, wenn man sie überhaupt mit dem Begriff verbindet. Heute ist heldenhaft, wer Empathie, Handlungen ohne direkten Gegenwert, zeitliches Engagement ohne Bezahlung gibt. Heutige Helden möchten ihr Tun als Selbstverständlichkeit verstanden wissen und durch ihr Selbstverständnis anderen zum Vorbild werden, motivieren, zum Mitmachen anregen. Der alte Held mit Superkräften gilt nur noch im Comic oder Film. Moderne Helden setzen sich für Gesellschaft und deren schwächste Mitglieder ein. Ein Held wird man nicht, indem man sich selbst so nennt … es sind andere, die manche Menschen als heldenhaft empfinden.

Dieses Empfinden ist zu spüren, wenn man sich mit Fayez an einen Tisch setzt und ihn erzählen lässt. Das taten wir das erste Mal, als wir im Dezember 2018 die Anfrage bekamen, aus unseren Kinder- und Jugendeinrichtungen eine Wunschliste an die Aktion „Schenk doch mal ein Lächeln“ zu schicken. Die Wünsche wurden auf Sterne geschrieben und an einen Tannenbaum gehängt, der im Rathaus Zehlendorf aufgestellt wurde. Dort konnten sich Besucher einen Stern aussuchen, das entsprechende Geschenk besorgen und wieder im Rathaus abgeben. Kurz vor Weihnachten wurde dann ein Nachmittag organisiert, an dem Freiwillige alle diese Geschenke schön einpackten. Die Jugendeinrichtungen konnten die Geschenke im Rathaus abholen und in den Einrichtungen den Kinder- und Jugendlichen übergeben.

Wir wollten den Mann kennenlernen, der hinter dieser Aktion steckte, und riefen ihn an. Er sei gerade auf dem Weg, seine Frau und Sohn zu einem PeKiP-Kurs zu bringen und hätte danach Zeit. Da der Kurs ganz in der Nähe war, saßen wir kurz darauf an einem Tisch. Mein Kollege Kristoffer und ich lernten Fayez kennen, einen jungen Mann, der uns besonders durch seine positive Art sehr schnell vereinnahmen konnte. Begeistert erzählte er, wie die Idee zu der Tannenbaum-Aktion entstand, die mittlerweile in fast allen Rathäusern Berlins zur Weihnachtszeit stattfindet. Natürlich bewerkstelligt das nicht ein Mann alleine. Dahinter steht der ganze Verein. „Gegründet wurde der Verein ‚Schenk doch mal ein Lächeln e.V.‘ im Januar 2015 durch sieben Freunde und Familienmitglieder mit dem gemeinsamen Wunsch, sich in Berlin bürgerschaftlich zu engagieren und finanziell schlechter gestellte Menschen zu unterstützen. Das Ziel ist es mit verschiedenen Projekten ein Lächeln zu schenken,“ kann man auf der Internetseite nachlesen.

In drei unserer Kinder- und Jugendeinrichtungen wurden die gespendeten Geschenke übergeben und weit mehr als ein Lächeln geschenkt. Neugierig geworden und um uns persönlich zu bedanken, luden wir Fayez zu einem zweiten Gespräch ein. Erst kürzlich hatte er eine Nachbesprechung mit der Bezirksbürgermeisterin Cerstin Richter-Kotowski bezüglich der Tannenbaum-Aktion, erzählte er uns. Zwei Tannenbäume werden 2019 in Steglitz-Zehlendorf stehen, einer in Zehlendorf und der zweite in Lankwitz. Die Bezirksbürgermeisterin hätte die Termine schon vorgegeben, um auch sicher zu sein, dass sie die Aktion im November persönlich eröffnen könne. So entgegenkommend und einfach würde es nicht in allen Rathäusern vonstattengehen, sagte Fayez begeistert. Wer nun glaubt, dass im Verein bis in den November nichts passiert, hat weit gefehlt. Schon im Februar werden die Anträge für Genehmigungen gestellt, Termine und organisatorische Dinge geplant, damit Anfang Dezember Tannenbäume mit Sternen und Wünschen in den Rathäusern stehen.

Das ist allerdings immer noch nicht alles, was Fayez und sein Verein zu leisten vermag: Wenn die Kältebahnhöfe im Frühjahr für obdachlose Menschen schließen, werden Schlafsäcke und Isomatten besorgt und mit der Bahnhofsmission an Bedürftige übergeben. Zugunsten der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs nehmen er und sein Team am Benefizlauf Charity Walk & Run auf dem Tempelhofer Feld teil. Weiterhin organisiert der Verein Fahrräder, die nicht bei der Polizei abgeholt werden. Diese werden auf Flüchtlingsunterkünfte verteilt. Und auch zugunsten des Kolibri e.V. – Hilfe für krebskranke Kinder Deutschland e.V. engagieren sich die Mitglieder. Mitmachen kann man vielfältig. Bei einzelnen Aktionen, ehrenamtlich oder als Mitglied im gemeinnützigen Verein. Bei Mitgliederversammlungen werden Ideen und Projekte besprochen. Jeder hat die Möglichkeit, sich nach seinem Vermögen einzubringen. Natürlich besteht auch die Möglichkeit, einmalig oder mehrmals zu spenden und zur Realisierung der Projekte beizutragen.

Ist Fayez nun ein Held? Nun, wir denken, das sollte jeder für sich entscheiden. Lieber würden wir von sehr vielen Helden sprechen, die gemeinsam unter dem Dach des Vereins „Schenk doch mal ein Lächeln e.V.“ bewundernswerte Aktionen vollbringen und jegliche Unterstützung verdienen. Fayez sagt uns, dass er zeigen möchte, was man gemeinsam bewerkstelligen kann. Dies, damit die Menschen sehen, wie gut sie es eigentlich haben. Es gibt immer jemanden, dem es schlechter geht, der … nicht heldenhaft … aber so gerne tapfer lächeln möchte. Das sind dann die eigentlichen Superhelden!


http://sdmel.de/

 


Ein Beitrag aus dem Magazin „Im Mittelpunkt“ 2.2019 mit dem Leitthema „Alltagshelden“
Das ganze Magazin könnt Ihr als eBook oder interaktives Pdf herunterladen.

 

 

Schenk’ mir doch ein bisschen Zeit …

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Sie wischte die beiden letzten Tische noch ab, stellte die Stühle wieder gerade ran und warf den Lappen auf die Ablage. Ihr Blick ging noch einmal durch den großen Raum – nur nichts vergessen. Dann schob sie den Wagen in die Abstellkammer, zog den Kittel aus, den Mantel an und machte sich auf den Heimweg. Unten auf der Straße kamen ihr dann all die Gedanken und Sorgen wieder in den Sinn, die sie so erfolgreich für ein paar Stunden verdrängt hatte. Weihnachten kündigte sich an.

Fine war eine Kämpferin, war sie schon immer, aber im Moment ging ihr ein bisschen die Luft aus. Die ersten paar Jahre mit den Kindern waren sehr schwer für sie. Sobald es aber ging und die Kinder im Kindergarten bleiben konnten, hatte sie sich wieder Arbeit gesucht und sich tapfer durchgeschlagen. Zu dem einem Job nahm sie auch noch einen zweiten an und so schaffte sie es, sich und die Kinder recht gut über die Runden zu bringen. Wenn nicht so Sachen wie Klassenfahrt, eine Brille, neue Schuhe oder eben Weihnachten dazwischen kam. Dann wurde es schwierig. Vor ein paar Tagen hatten ihr dann Tom und Lena ihre Wunschzettel gegeben. Die lagen in ihrer Tasche und Fine traute sich nicht die Wunschzettel zu lesen.

Sie hatte Angst. Angst, dass dort Wünsche standen, die sie nicht erfüllen konnte. Angst vor der Enttäuschung der Kinder und vor dem Gefühl versagt zu haben. So ging sie nach Hause, wo ja auch noch ein bisschen Arbeit auf sie wartete. Zuhause im Hausflur traf sie wieder mit Frau Müller zusammen. Als wenn die alte Dame immer darauf warten würde, dass sie nach Hause kommt. Frau Müller hatte eine Ader dafür ihr auch dieses Gefühl von Versagen zu geben. Ständig fragte sie, ob sie etwas helfen könne oder ihr mal die Kinder abnehmen soll. Aber das wollte sie nicht, sie wollte alles alleine schaffen.

Tom und Lena kamen ihr schon an der Tür entgegen und nach der freudigen Begrüßung machten sie gemeinsam Abendessen. Das war die einzige Zeit am Tag, wo sie ein paar Dinge erzählen und besprechen konnten. Tom erzählte von seinem Nachmittag mit seinem Freund und Lena hatte sich mit einem Mädchen in der Schule gestritten. Fine hörte mit halben Ohr zu und war in Gedanken schon bei der Hausarbeit. Bis Lena fragte, ob der Weihnachtsmann wohl schon ihre Wunschzettel gelesen hätte. Fine stand sofort auf und meinte nur „Ganz bestimmt!”

So ging es viele Tage weiter. Fine arbeitete, ging nach Hause, ging wieder zur Arbeit. Immer gehetzt und bemüht alles richtig zu machen. Doch die Wunschzettel las sie nicht. Kleinigkeiten hatte sie besorgt, für jedes Kind drei verschiedene Sachen, aber eben Kleinigkeiten. Das schlechte Gewissen war groß, aber die Angst vor den Wünschen größer. Am Sonntagnachmittag vor Weihnachten klingelte Frau Müller. In den Händen hielt sie ein Tablett mit einer großen Kugel drauf. „Ich habe einen Teig geknetet und jetzt tun mir meine Hände so weh, dass ich fragen wollte, ob ich mir die Kinder zum Plätzchen ausstechen leihen könnte.“ Fine guckte sie mit großen Augen an. Das war doch nur ein Vorwand, dachte sie, aber da standen schon Tom und Lena an ihrer Seite und wie sollte sie da nein sagen. „Ok, wenn es wirklich hilft, natürlich gerne.“ und schon waren die Kinder verschwunden – Frau Müller mit einem fröhlichen Lächeln auch.

Fine schloss nachdenklich die Haustür. Das war jetzt ein günstiger Moment für die Wunschzettel. Zuvor wollte sie jedoch die Wäsche aufhängen, den Küchenschrank endlich mal aussortieren, die Schuhe putzen, die Betten frischen beziehen, das Bad putzen, zwei Überweisungen ausfüllen … oh, was war sie doch für ein Feigling. Abends war alles fertig und geputzt, die Kinder wieder zuhause und das Gewissen immer noch schlecht. Als sie schlafen ging, schaute sie noch einmal ins Kinderzimmer. Blickte verliebt auf die schlafenden Kinder und nahm sich ganz fest vor am nächsten Tag zu lesen.

Und plötzlich war Weihnachten da. Fine musste nur bis mittags arbeiten, das Büro in dem sie putzte war zu. Sie ließ die Kinder schlafen, es waren ja eh Ferien und machte sich auf den Weg. Sie hätte sich so gerne gefreut, auf heute Abend, auf ein paar freie Tag, auf ein bisschen gemeinsame Zeit mit den Kindern. Hätte sie doch nur rechtzeitig die Wunschzettel gelesen. Nun war es zu spät. Immerhin hatte sie etwas Leckeres zu essen besorgt und auch ein kleines Bäumchen hatte sie heimlich auf dem Balkon versteckt. Die kleinen Geschenke waren in schönes Papier gehüllt und sicherlich würde Frau Müller ein paar der gebackenen Plätzchen rüber bringen. So hatte sie ja einen Grund zu klingeln.

Als sie zuhause vor der Wohnungstür stand, klebte ein großes buntes Plakat an der Tür. „Weihnachtszone – drei Tage nicht stören!“ stand darauf. Jetzt musste Fine ja doch lachen. Viele bunte Kugeln, Tannenzweige, Nikoläuse und Engel hatten die Kinder darauf gemalt. Und ganz unten in der Ecke stand in ganz kleiner Schrift „Außer Frau Müller!“ Hm, dachte Fine, die Kinder scheinen Frau Müller ja in ihr Herz geschlossen zu haben. Sie schloss die Haustür auf und schon im Flur sah sie die Veränderung. Ging weiter und sah die Kinder fröhlich im Wohnzimmer stehen, wo sie ganz fleißig unglaublich viele Papiersterne aufhängten. Überall, in der ganzen Wohnung hingen Sterne, in allen Farben und Formen. Tom und Lena schauten Fine ernst an. „Gefällt es dir?“ fragte Lena zaghaft. „Es ist wunderschön,“ sagte Fine und das Lächeln der Kinder machte sie ganz glücklich.

Sie machte sich einen Kaffee und schaute den Kindern zu, bis sie ihr Werk vollendet hatten. Dann schmückten sie gemeinsam das Bäumchen. Fine deckte den Tisch und dekorierte ein bisschen und ging dann in die Küche um das Essen vorzubereiten. Danach hatte sie keine Ausrede mehr um die Bescherung hinauszuzögern. Sie schickte die Kinder ins Kinderzimmer, legte die kleinen Geschenke unter den Baum und zündete die Kerzen an. Genau in dem Moment klingelte es. „Nicht jetzt – nicht jetzt, Frau Müller!“ schimpfte sie vor sich her. Aber nicht öffnen ging ja auch nicht. Frau Müller stand mit einem strahlenden Lächeln vor der Tür. Natürlich mit einem Tablett in der Hand auf dem ein großer Plätzchenteller stand, in der einen Ecke noch eine Flasche Wein und zwei kleine Geschenkpakete. Dazwischen steckte ein Briefumschlag. „Also, ich wollte das hier abgeben. Nicht das Tablett,“ sagte Frau Müller. „den blauen Umschlag, den müssen sie lesen.“ Was Fine in dem Moment dachte, beschreiben wir hier lieber nicht, aber sie nahm den Umschlag und las: „Liebe Frau Müller, wir möchten nicht, dass sie alleine Weihnachten feiern müssen und weil sie immer Zeit für uns haben, möchten wir sie gerne zu uns am Nachmittag einladen. Zusammen macht das viel mehr Spaß. Also bitte kommen – Tom und Lena!”

Jetzt holte Fine ganz tief Luft, drehte sich um und bevor sie etwas sagen konnte, hingen schon die Kinder an ihr und sagten „Bitte, bitte, Mama!“ Sie musste in Sekundenbruchteilen entscheiden, ob sie jetzt wütend wird und den Nachmittag verdirbt oder den Wunsch der Kinder erfüllt. Der Blick in drei Paare Augen genügte. „Na, dann kommen sie mal rein, Frau Müller. Aber ich weiß nicht, ob das Essen dann reicht.“ „Na, dann trinken wir halt einen Schluck Wein mehr. Ich hab’ auch noch Nachschub zuhause,“ meinte Frau Müller nur und schob sich mit Tablett an Fine vorbei.

Sie gingen gemeinsam ins Wohnzimmer, wo leise die Weihnachtsmusik spielte. Ein paar Lieder sangen sie mit, die Kinder sagten zwei wunderschöne Gedichte auf und dann wünschten sie sich frohe Weihnachten. Danach machten die Kinder ihre Geschenke auf und zu Fines Überraschung waren beide vergnügt und freuten sich sehr. Das Essen reichte natürlich für alle und Frau Müller stellte sich als wahrer Scherzbold heraus, so hatten sie schon lange nicht mehr gelacht. Als die Kinder im Bett waren, unterhielt sich Fine noch lange mit Frau Müller. Sie erzählte einmal ihren ganzen Kummer von der Seele. Das tat ihr richtig gut und sie konnte später auch das Angebot von Frau Müller annehmen, sich ein bisschen mehr mit den Kindern zu beschäftigen. Als sie Frau Müller verabschiedete, dachte sie, dass die alte Dame doch sehr nett ist.

Es war ein sehr schöner Abend gewesen und als Ruhe einkehrte, kamen Fine wieder die Wunschzettel in den Sinn. Nun traute sie sich, ging zur Tasche, nahm beide Umschläge heraus und öffnete sie. Als sie fertig gelesen hatte, standen ihr die Tränen in den Augen. Sie ging wieder zur Kinderzimmertür und schaute auf die schlafenden Kinder. In beiden Wunschzetteln stand nur ein einziger Wunsch: „Lieber Weihnachtsmann, schenke doch der Mama ein bisschen Zeit!”

Weihnachten wird abgeschafft!

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„Das neue Gesetz zur Regelung christlicher Feiertage wurde heute in dritter Lesung vom Bundestag verabschiedet und wird nun dem Bundesrat zur Zustimmung zugeleitet. Gegenstand der neuen Gesetzgebung ist die bundesweite Abschaffung der christlichen Feiertage. Nach Zustimmung im Bundesrat wird es nur noch einen bundeseinheitlichen Feiertag, den Tag der Deutschen Einheit, geben.“ Eine Nachricht, die der Gleichstellung aller Religionsgemeinschaften in Deutschland entgegen kommt und schon lange überfällig ist. Religiöse Feste werden nur noch innerhalb der Gemeinden und an Wochenenden gefeiert. Religionsunterricht muss dem Lebenskunde-Unterricht aus den Schulen weichen. Soziale Aufgaben christlicher Arbeitsgemeinschaften und Verbände werden an freie Träger übergeben.

Der erste Advent steht bevor und Deutschland stöhnt unter der Last der bevorstehenden Feiertage. Es wird gemault und geklagt, was das Zeug hält. Wem kein Grund zum Schimpfen einfällt, klagt mindestens darüber, dass es wieder keine weiße Weihnacht geben wird. Seit Wochen schimpfen die Menschen, dass neben den Halloween-Sachen schon die Weihnachtssüßigkeiten standen. Es wird über zu volle Einkaufspassagen geklagt und über Billigwaren, die eigens zum Fest produziert, in die Läden kommen. Briefkästen sind voll mit Spendenaufrufen, die zur Mildtätigkeit auffordern, bei denen man oft nicht weiß, wohin das Geld geht. Es ist nicht möglich mit Kindern zwei Sendungen zu schauen und dazwischen unbeschadet die Werbung mit glorifiziertem Spielzeug zu umgehen. Die Vorstellungen des Nachwuchses gehen natürlich weit mit den realistischen Möglichkeiten der Eltern auseinander. Ehefrauen bekommen Schweißausbrüche, wenn sie überlegen, was sie in diesem Jahr wieder für ein liebloses Geschenk vom Gatten bekommen und Ehemänner überlegen mit welcher Schnapssorte sie den diesjährigen Besuch der Schwiegermutter überstehen sollen. Heerscharen von Jugendlichen entwickeln Strategiepläne, wie sie das Heile-Welt-Theater – drei Tage eingesperrt – überstehen sollen.

Restaurantbesitzer freuen sich zur Abwechslung. Die bekommen ihre Räume mit allen möglichen Weihnachtsessen voll und können bestens auskosten, dass die Betriebe doch allzu dringend noch einen Platz für ihre Feier brauchen. Unzählige Geschenke-Listen werden geschrieben, überarbeitet, verworfen, um dann doch am 24. in letzter Minute ein recht unpassendes Präsent zu bekommen. Was um Himmels willen schenkt man dem Kollegen, den man beim Wichteln gezogen, eigentlich gar nicht mag. Und spätestens bei der 15 Weihnachtskarte schreibt man den Text nur noch monoton ab und hofft, dass der Adressat die Lieblosigkeit nicht spüren kann, aber – die Form ist gewahrt. Schließlich hat man spätestens beim dritten Weihnachtsbasar der Kita, des Hortes, der Schule, keine Lust mehr einen Kuchen abzugeben, selbstverständlich als Spende, und dafür so komisch Selbstgebasteltes der eigenen Kinder für zu viel Geld zu kaufen.

So schlimm?

Warum machen wir’s dann?

Weil wir es immer schon so gewöhnt sind. Weil wir uns aus dieser Gesellschaft nicht lösen können. Weil wir den Gepflogenheiten Genüge tun wollen. Weil wir ja eigentlich doch daran hängen oder andere nicht enttäuschen wollen. Ganz tapfere erklären, dass sie sich in diesem Jahr vollkommen aus dem Trubel zurückziehen, hoffen auf bewundernde Anerkennung und ernten doch ein müdes Lächeln. Die Starken erklären „Wir schenken uns nichts!“, kriegen aber spitze Ohren, wenn andere von ihren neuen Schätzen berichten oder erzählen, was sie sich für liebevolle Besonderheiten haben einfallen lassen. Die Mutigen erzählen, dass sie die Weihnachtsgans schon im Hochsommer gebraten haben, die bei 28 Grad auf der Terrasse dann aber doch nicht so richtig schmeckte. Es passt einfach nicht.

Immer noch kein Protest? Bei mir schon. Bei so vielen Gründen gegen Weihnachten, habe ich schon allein aus Widerwillen, Lust darauf Weihnachten zu feiern. Denn ganz unzeitgemäß – bei allen Argumenten – ich liebe diese Zeit! Und gerne mache ich einen Bogen um alle Leute, die es mir schlecht reden möchten. Und ganz ehrlich, ich hoffe inständig, dass ich die Nachricht am Anfang niemals werde lesen müssen.

Ich bekenne mich zur Weihnacht!

Aus meiner Erinnerung: Ich liebte es, wenn es im Advent heimlich wurde. Meine Mutter verschwand stundenlang in ihrem Nähzimmer und wir wussten, dass sie etwas für uns machte. Mein Vater, der nie kochte, machte uns in der Weihnachtszeit die Bratäpfel im Ofen. Die hilflosen Versuche meiner Mutter alle Weihnachtsplätzchen bis Weihnachten zu retten – bei fünf Kindern unmöglich. Wir mussten noch tatsächlich zur Bescherung Gedichte aufsagen, was natürlich immer in letzter Minute von uns geübt wurde. Das Vorlesen der Weihnachtsgeschichte und die ruhigen Stunden am Morgen des 25. Dezember, wenn wir Zeit hatten noch einmal in Ruhe unsere Geschenke zu bewundern. Ich liebte alle Weihnachtsfeste, bei denen ich selber Mutter und diejenige war, die die Feste gestalten durfte. Ich liebe die heutigen Weihnachtsfeste, die von den fast erwachsenen Kindern beeinflusst werden.

Und auch die Erinnerung, an ein sehr freches Weihnachtsgedicht, dass ich aufsagte und den Missfallen meines Vaters auf mich zog, gehört dazu. Ebenso die Erinnerung an den Versuch einen vorbereiteten Plätzchenteig aus der Schüssel zu bekommen. Der war so fest geworden, dass er bei einer Flughöhe aus einem Meter auf Steinboden keine Schramme hatte. Jeder Keramiker wäre mir dankbar für das Rezept. Mein letzter Versuch Pfeffernüsse zu backen.

Was ist verkehrt an Weihnachten, oder überhaupt an Feiertagen, wenn Menschen, egal ob gläubig oder nicht, zur Ruhe kommen. Wenn die Zeit ein wenig angehalten wird und wir besinnlich werden. Wenn Menschen bereit sind, intensiver an andere zu denken und oft auch karikativ aktiv zu werden. Wenn Familien zusammenrücken und die Gelegenheit nutzen sich zu sehen, zu sprechen – sich aneinander zu erinnern. Sicherlich, das gute Argument, das wir das auch das ganze Jahr tun können, wird immer wieder aufgegriffen. Tun wir aber nicht, weil jeder doch zu sehr mit sich selber und seinen Lebensumständen beschäftigt ist.

Ich freue mich auf die Adventszeit mit vielen schönen kleinen Momenten, die mir ins Gedächtnis bringen, mal wieder dem ein oder anderen zu schreiben. Freue mich auf die Zeit mit meiner Familie. Freue mich auf meinen jährlichen Ohrwurm „Oh, du fröhliche …!“ und darauf meine selbstgemachte Krippe aus Ton wieder aufzustellen. Auch auf die hoffentlich erfolgreichen Versuche die Weihnachtssüßigkeiten vor dem Hund zu retten und der Katze klar zu machen, dass sie nichts im Weihnachtsbaum zu suchen hat. Den KollegInnen lege ich gerne einen Weihnachtsgruß hin. Die Schwiegermutter werde ich selber nach Hause holen. Meinen Jugendlichen alle nötigen Freiheiten über die Feiertage lassen. Weihnachtsbasare besuche ich gerne, genieße die Stimmung und freue mich auf Kerzenlicht.

Weihnachten darf nicht abgeschafft werden und auch die größten Kritiker müssen zugeben, dass in dieser Zeit viel Gutes entsteht, für das unter dem Jahr sonst wenig Raum ist. Jeder … der Atheist, der Religiöse, der Humanist hat etwas davon … und wenn es nur eine kleine Pause ist. Also, nicht nörgeln oder klagen, sondern für sich selber und andere schauen, was man Positives bewirken kann – daraus sollte ein Gesetz werden.