Immer wieder … zuhören, laut werden, voneinander lernen!

WhatsApp meldet sich: Es ist meine Schwägerin, die mir einen Link zu einem Gastbeitrag im Magazin Bento schickt. Der Beitrag ist von Aminata Touré, der Vizepräsidentin des schleswig-holsteinischen Landtages. Gleich in der Headline sagt sie: „Es fehlt nicht an Schwarzen, die sprechen, sondern an Weißen, die zuhören.“ Ich stimme zu, aber ergänze im Kopf: „… sondern an Weißen, die zuhören und sprechen.“ Meine Schwägerin und Aminata Touré sind dunkelhäutig, also per Geburt mit dem Thema Rassismus verflochten. In meiner Familie sind alle entsetzt, was George Floyd passiert ist und welche Entwicklung daraus entstand. Meine Tochter kauft sich ein T-Shirt mit der Aufschrift: „No place for hate, sexism, racism, homophobia, anti-semitism.“ Meine Mutter positioniert sich in Facebook und Instagram. Meine Schwester äußert sich sehr besorgt. Ich bekomme aber auch andere Stimmungen mit. Schon wieder Rassismus in nicht endender Debatte? Was geht uns Amerika an?

Es geht uns sehr viel an und wenn wir – Weiße – wollten, würden wir Rassismus tagtäglich und mitten unter uns bemerken. Der Tod von George Floyd ist nur der Auslöser einer lange fälligen Debatte und Forderungen nach allgemein gültiger Menschenwürde und Gleichstellung. Alleine die Frage an einen andersfarbigen Menschen, welche Nationalität seine Ursprungsfamilie hat, ist rassistisch. Das erstaunte Gesicht einer Fleischverkäuferin, wenn ihre farbige Kundin Hochdeutsch spricht. Die Frage des Kellners, ob der dunkelhäutige Gast etwas anderes isst als die Tischnachbarn. Aber es betrifft nicht nur die dunkelhäutigen Menschen. Betroffen sind alle Ethnien, die sich von unserem Allgemeinbild unterscheiden. Die Gründe sind vielfältig und meist durch Angst vor Unbekanntem begleitet. Der Alltagsrassismus ist real, alltäglich, dabei oft unauffällig und unerträglich. Doch kann sich kaum jemand davon freisprechen. Auch ich nicht.

Auf der Internetseite der Bundeszentrale für politische Bildung steht: „Rassen? Gibts doch gar nicht!“ und wir lesen im Beitrag: „… Die Einteilung der Menschen in „Rassen“ hat nach heutiger Erkenntnis keine wissenschaftlich begründete Grundlage. Und doch existieren „Menschenrassen“ tatsächlich. Nicht als biologische Fakten, sondern als – unbewusste – Denkstrukturen und Urteile in unseren Köpfen. …“ Zitat Ende.

Es gibt ebenso keine allgemein akzeptierte Definition für Rassismus. Mir sagt die Beschreibung von Albert Memmi, tunesisch-französischer Schriftsteller und Soziologe, zu: „Der Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden sollen.“ Entstanden ist Rassismus in der Zeit des europäischen Kolonialismus und Imperialismus. Menschen wurden in Rassen eingeteilt, die unter anderem den Kolonialismus und Sklaverei rechtfertigen sollten. Wenig bekannt dabei ist, dass die wissenschaftlichen Errungenschaften des 17. und 18. Jahrhunderts eng mit der Sklaverei verbunden sind. Körperliche, ethnische oder kulturelle Merkmale einer Gruppe wurden und werden genutzt, um diese im Pseudovergleich mit dem eigenen Standpunkt herabzusetzen. Colette Guillaumin, französische Soziologin und Feministin, hat gesagt „ ,Rassen‘ existieren nicht, aber Rassismus tötet.“

Ich spreche mich selber nicht frei, Rassismus nicht zu erkennen oder ihn unwissentlich zu begehen. Um Rassismus tatsächlich zu begegnen, braucht es aus meiner Sicht eine weit größere Sensibilisierung, Debatte und Haltungsänderung auf allen gesellschaftlichen Ebenen als wir zurzeit haben. Wir brauchen politische Vorgaben und klare Standpunkte, Projekte und passende Bildungsvorgaben von der Kindertagesstätte an. Kinder kennen keinen Rassismus. Den erlernen sie – im Alltag und am Abendbrottisch.

Es macht mich unglaublich traurig, dass Rassismus überhaupt noch ein Thema ist. Im 21. Jahrhundert fühlen sich Menschen höherwertig als andere. Das beste Bild für mich dazu: Ein weißes, ein beiges, ein braunes Ei nebeneinander auf einer Seite. Auf der anderen Seite alle drei Eier aufgeschlagen in der Pfanne. Kein Unterschied, kein Besser oder Schlechter, kein Frisch oder Alt, kein Teuer oder Günstig … keine Wertung – alle gleich!

Alle gleich! Was für eine wunderbare Vorstellung. Es gehören tatsächlich alle dazu. Nicht nur die unterschiedlichen Hautfarben, auch sexuelle Orientierungen, religiöse Richtungen oder andere Unterschiede, die vordergründig trennen. Alle Menschen, die in der Gemeinschaft und in der Toleranz zueinander eine unglaubliche Bereicherung sind. Was für eine wunderbare Vorstellung wäre es, in einem Land zu leben, in dem tatsächlich jeder ohne Wertung so sein kann, wie er ist!

Meine Mutter zeigt mehrere Fotos aus ihrer Puppenwerkstatt. Dazu schreibt sie: „Wenn unsere Kinder schon mit ethnischer Vielfalt aufwachsen, grenzen sie im späteren Leben niemanden aus und haben keine Berührungsängste, zu Hautfarbe, Sprache und Religion.“

Was durch den Tod von George Floyd ausgelöst wurde, ist eine große Bewegung, die hoffentlich nicht vorbei ist, wenn die Medien das Interesse verlieren. So unfassbar dumme und ignorante Aussagen es dazu einerseits gibt, gibt es andererseits auch Beispiele, die Hoffnung machen: Alle vier lebenden ehemaligen amerikanischen Präsidenten stellen sich auf die Seite der Demonstranten in Amerika. Unglaublich viele Künstler*innen aller Kunstrichtungen positionieren sich für Vielfalt. Es ist für viele weiße Menschen, mich eingeschlossen, schwer, nachzuvollziehen, was andersfarbige Menschen tagtäglich an Rassismus erleben. Besonders schwer, wenn man niemanden mit anderer Hautfarbe so richtig kennt. Empfehlenswert dazu ist der Brennpunkt zum Thema „Rassismus“ von Carolin Kebekus, in dem diese Menschen zu Wort kommen und das beschreiben.

Die Debatte um Rassismus ist hoffentlich lange nicht zu Ende. Ich habe gemerkt, nachdem die Partei, die keine Alternative ist, bei uns in den Bundestag gewählt wurde, dass ich müde wurde gegen Intoleranz zu kämpfen. Ich glaubte, dass langsam auch der letzte Mensch begriffen haben müsste, dass es keine höher- oder minderwertigen Menschen gibt. Glaubte ich. Das war falsch und es ist anders: Solange es Menschen gibt, die sich aus mangelndem Selbstbewusstsein, aus Machtwillen, aus Dummheit oder anderen Gründen über andere stellen, wird es Rassismus geben. Und so lange ist es immer wieder notwendig, dass wir – alle Ethnien – nicht nur sehr sensibel zuhören und immer mehr voneinander lernen … wir müssen laut werden, sprechen, uns gegen Menschenfeindlichkeit positionieren und sie, wo immer möglich, entlarven.

Weihnachten wird abgeschafft!

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„Das neue Gesetz zur Regelung christlicher Feiertage wurde heute in dritter Lesung vom Bundestag verabschiedet und wird nun dem Bundesrat zur Zustimmung zugeleitet. Gegenstand der neuen Gesetzgebung ist die bundesweite Abschaffung der christlichen Feiertage. Nach Zustimmung im Bundesrat wird es nur noch einen bundeseinheitlichen Feiertag, den Tag der Deutschen Einheit, geben.“ Eine Nachricht, die der Gleichstellung aller Religionsgemeinschaften in Deutschland entgegen kommt und schon lange überfällig ist. Religiöse Feste werden nur noch innerhalb der Gemeinden und an Wochenenden gefeiert. Religionsunterricht muss dem Lebenskunde-Unterricht aus den Schulen weichen. Soziale Aufgaben christlicher Arbeitsgemeinschaften und Verbände werden an freie Träger übergeben.

Der erste Advent steht bevor und Deutschland stöhnt unter der Last der bevorstehenden Feiertage. Es wird gemault und geklagt, was das Zeug hält. Wem kein Grund zum Schimpfen einfällt, klagt mindestens darüber, dass es wieder keine weiße Weihnacht geben wird. Seit Wochen schimpfen die Menschen, dass neben den Halloween-Sachen schon die Weihnachtssüßigkeiten standen. Es wird über zu volle Einkaufspassagen geklagt und über Billigwaren, die eigens zum Fest produziert, in die Läden kommen. Briefkästen sind voll mit Spendenaufrufen, die zur Mildtätigkeit auffordern, bei denen man oft nicht weiß, wohin das Geld geht. Es ist nicht möglich mit Kindern zwei Sendungen zu schauen und dazwischen unbeschadet die Werbung mit glorifiziertem Spielzeug zu umgehen. Die Vorstellungen des Nachwuchses gehen natürlich weit mit den realistischen Möglichkeiten der Eltern auseinander. Ehefrauen bekommen Schweißausbrüche, wenn sie überlegen, was sie in diesem Jahr wieder für ein liebloses Geschenk vom Gatten bekommen und Ehemänner überlegen mit welcher Schnapssorte sie den diesjährigen Besuch der Schwiegermutter überstehen sollen. Heerscharen von Jugendlichen entwickeln Strategiepläne, wie sie das Heile-Welt-Theater – drei Tage eingesperrt – überstehen sollen.

Restaurantbesitzer freuen sich zur Abwechslung. Die bekommen ihre Räume mit allen möglichen Weihnachtsessen voll und können bestens auskosten, dass die Betriebe doch allzu dringend noch einen Platz für ihre Feier brauchen. Unzählige Geschenke-Listen werden geschrieben, überarbeitet, verworfen, um dann doch am 24. in letzter Minute ein recht unpassendes Präsent zu bekommen. Was um Himmels willen schenkt man dem Kollegen, den man beim Wichteln gezogen, eigentlich gar nicht mag. Und spätestens bei der 15 Weihnachtskarte schreibt man den Text nur noch monoton ab und hofft, dass der Adressat die Lieblosigkeit nicht spüren kann, aber – die Form ist gewahrt. Schließlich hat man spätestens beim dritten Weihnachtsbasar der Kita, des Hortes, der Schule, keine Lust mehr einen Kuchen abzugeben, selbstverständlich als Spende, und dafür so komisch Selbstgebasteltes der eigenen Kinder für zu viel Geld zu kaufen.

So schlimm?

Warum machen wir’s dann?

Weil wir es immer schon so gewöhnt sind. Weil wir uns aus dieser Gesellschaft nicht lösen können. Weil wir den Gepflogenheiten Genüge tun wollen. Weil wir ja eigentlich doch daran hängen oder andere nicht enttäuschen wollen. Ganz tapfere erklären, dass sie sich in diesem Jahr vollkommen aus dem Trubel zurückziehen, hoffen auf bewundernde Anerkennung und ernten doch ein müdes Lächeln. Die Starken erklären „Wir schenken uns nichts!“, kriegen aber spitze Ohren, wenn andere von ihren neuen Schätzen berichten oder erzählen, was sie sich für liebevolle Besonderheiten haben einfallen lassen. Die Mutigen erzählen, dass sie die Weihnachtsgans schon im Hochsommer gebraten haben, die bei 28 Grad auf der Terrasse dann aber doch nicht so richtig schmeckte. Es passt einfach nicht.

Immer noch kein Protest? Bei mir schon. Bei so vielen Gründen gegen Weihnachten, habe ich schon allein aus Widerwillen, Lust darauf Weihnachten zu feiern. Denn ganz unzeitgemäß – bei allen Argumenten – ich liebe diese Zeit! Und gerne mache ich einen Bogen um alle Leute, die es mir schlecht reden möchten. Und ganz ehrlich, ich hoffe inständig, dass ich die Nachricht am Anfang niemals werde lesen müssen.

Ich bekenne mich zur Weihnacht!

Aus meiner Erinnerung: Ich liebte es, wenn es im Advent heimlich wurde. Meine Mutter verschwand stundenlang in ihrem Nähzimmer und wir wussten, dass sie etwas für uns machte. Mein Vater, der nie kochte, machte uns in der Weihnachtszeit die Bratäpfel im Ofen. Die hilflosen Versuche meiner Mutter alle Weihnachtsplätzchen bis Weihnachten zu retten – bei fünf Kindern unmöglich. Wir mussten noch tatsächlich zur Bescherung Gedichte aufsagen, was natürlich immer in letzter Minute von uns geübt wurde. Das Vorlesen der Weihnachtsgeschichte und die ruhigen Stunden am Morgen des 25. Dezember, wenn wir Zeit hatten noch einmal in Ruhe unsere Geschenke zu bewundern. Ich liebte alle Weihnachtsfeste, bei denen ich selber Mutter und diejenige war, die die Feste gestalten durfte. Ich liebe die heutigen Weihnachtsfeste, die von den fast erwachsenen Kindern beeinflusst werden.

Und auch die Erinnerung, an ein sehr freches Weihnachtsgedicht, dass ich aufsagte und den Missfallen meines Vaters auf mich zog, gehört dazu. Ebenso die Erinnerung an den Versuch einen vorbereiteten Plätzchenteig aus der Schüssel zu bekommen. Der war so fest geworden, dass er bei einer Flughöhe aus einem Meter auf Steinboden keine Schramme hatte. Jeder Keramiker wäre mir dankbar für das Rezept. Mein letzter Versuch Pfeffernüsse zu backen.

Was ist verkehrt an Weihnachten, oder überhaupt an Feiertagen, wenn Menschen, egal ob gläubig oder nicht, zur Ruhe kommen. Wenn die Zeit ein wenig angehalten wird und wir besinnlich werden. Wenn Menschen bereit sind, intensiver an andere zu denken und oft auch karikativ aktiv zu werden. Wenn Familien zusammenrücken und die Gelegenheit nutzen sich zu sehen, zu sprechen – sich aneinander zu erinnern. Sicherlich, das gute Argument, das wir das auch das ganze Jahr tun können, wird immer wieder aufgegriffen. Tun wir aber nicht, weil jeder doch zu sehr mit sich selber und seinen Lebensumständen beschäftigt ist.

Ich freue mich auf die Adventszeit mit vielen schönen kleinen Momenten, die mir ins Gedächtnis bringen, mal wieder dem ein oder anderen zu schreiben. Freue mich auf die Zeit mit meiner Familie. Freue mich auf meinen jährlichen Ohrwurm „Oh, du fröhliche …!“ und darauf meine selbstgemachte Krippe aus Ton wieder aufzustellen. Auch auf die hoffentlich erfolgreichen Versuche die Weihnachtssüßigkeiten vor dem Hund zu retten und der Katze klar zu machen, dass sie nichts im Weihnachtsbaum zu suchen hat. Den KollegInnen lege ich gerne einen Weihnachtsgruß hin. Die Schwiegermutter werde ich selber nach Hause holen. Meinen Jugendlichen alle nötigen Freiheiten über die Feiertage lassen. Weihnachtsbasare besuche ich gerne, genieße die Stimmung und freue mich auf Kerzenlicht.

Weihnachten darf nicht abgeschafft werden und auch die größten Kritiker müssen zugeben, dass in dieser Zeit viel Gutes entsteht, für das unter dem Jahr sonst wenig Raum ist. Jeder … der Atheist, der Religiöse, der Humanist hat etwas davon … und wenn es nur eine kleine Pause ist. Also, nicht nörgeln oder klagen, sondern für sich selber und andere schauen, was man Positives bewirken kann – daraus sollte ein Gesetz werden.

Hat Frau die Wahl? – Zum Frauentag 2014

Beruf und Familie, Vereinbarkeit

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Hat man immer eine Wahl? Nein, nicht ganz! Wird man geboren gehört man auf die Seite der Männer oder der Frauen. Damit ist entschieden, ob man zum starken oder vermeintlich schwachem Geschlecht gehört und auf welcher Seite der Chancengleichheit man steht. Frauen machen in etwa die Hälfte der Gesamtbevölkerung aus. Gibt man das Wort „Frau“ in Google ein, kann man 74.100.000 Millionen Einträge finden, die versuchen den Begriff Frau in Worte zu fassen. Aber trotz dessen, dass das Frauenwahlrecht schon vor 96 Jahren in Deutschland eingeführt wurde, ist die Gleichstellung und Chancengleichheit der Frauen nicht gewährleistet. Der Frauentag wurde schon 1911 das erste Mal gefeiert. Doch der Staat ist schwerfällig und auch das Denken in den Köpfen der Protagonisten. Ganz besonders die Situationen der Mütter lassen in diesem Land mehr als zu wünschen übrig. Dazu zwei Beispiele:

Die eine Frau ist verheiratet mit einem sehr beschäftigtem Mann, den sie kaum sieht. Die Kinder gehen auf gute Schulen, die gehobene Ansprüche erfüllen. Sie selber arbeitet um nicht den Anschluss im Berufsleben zu verlieren. Sie wohnen in einer Eigentumswohnung. Die Freizeit ist vornehmlich von den Freizeitaktivitäten der Kinder bestimmt. Das Essen kommt aus dem Biosupermarkt und die Haushaltshilfe kommt dreimal in der Woche. Urlaub ist zweimal im Jahr, selbstverständlich im Ausland, vorgesehen – die einzig wirklich gemeinsame Zeit, die die Familie hat.

Die zweite Frau ist alleinstehend und hat nur über den Anwalt Kontakt zum Vater der Kinder. Die Kinder gehen auf die Schule um die Ecke. Sie hat einen 400 € Job gefunden und putzt daneben bei zwei alten Damen. Ihre kleine Wohnung hat kaputte Fenster, lässt sich schwer heizen, aber etwas anderes kann sie sich nicht leisten. Wenn sie zuhause ist, muss sie den Haushalt versorgen, mit den Kindern Hausaufgaben machen und sich um die Schriftkram kümmern. Gegen Monatsende muss sie wieder zur Tafel gehen, auch wenn sie sich schämt. Und an die Ferien mag sie gar nicht denken, weil die Kinder dann alleine sind und viel Blödsinn machen.

Tatsache ist, dass man bei beiden Frauen absehen kann wie die Zukunftsprognose aussieht. Alleinstehend mit Kind ist in Deutschland zur Zeit die sicherste Konstellation von Armut betroffen zu sein. Nicht nur für die Frau sieht es düster aus, auch für die Kinder, die mit höchster Wahrscheinlichkeit aus dieser Prognose nicht heraus kommen werden. „Gelernte Hoffnungslosigkeit macht es schwer, Herausforderungen im weiteren Leben zu meistern.“ heißt es dazu im UNICEF-Bericht zur Lage von Kindern in Deutschland 2013. Unter andern wird dort aufgeführt, dass 2009 schon jede vierte alleinerziehende Mutter die Schule nicht beendet hatte bzw. nur einen Hauptschulabschluss geschafft hat. Wie hoch die Rentenansprüche einer Frau sein werden, die lebenslang in Minijobs oder gar nicht gearbeitet hat, kann man sich ausrechnen.

Die verheiratete Mutter wird aller Wahrscheinlichkeit nach, sofern sie die Ehe bis zum Rentenalter ohne Scheidung übersteht, eine kleine Rente erwirtschaften können. Natürlich nicht die Rente, die große Kreuzfahrten oder ähnliches ermöglichen wird, aber wenn sie klug ist, kümmert sie sich um private Vorsorge und erwirbt ggf. Rentenansprüche durch ihren Mann. Sofern ihre Kinder den Sprung in ein erfolgreiches Berufsleben schaffen, kann sie auch dort hoffen, im Alter ausreichend unterstützt zu werden. Wie gesagt, sie kann nur hoffen, dass der Plan aufgeht und sie nicht in die gleiche Situation wie die Alleinstehende kommt.

Das sind zwei Beispiele von Frauen im Jahr 2014 und das Schlimme daran ist, dass es die Mehrzahl der Frauen betrifft, die bereit sind, in diesem Staat die dringend gewünschten und benötigten Kinder zu bekommen. Der demographische Wandel macht deutlich, was uns in einigen Jahren bevorsteht. Die Baby-Boom-Kinder aus den 1960er Jahren gehen in einigen Jahren in Rente und die Kinder, die die Umlage finanzierte Rente bezahlen sollen fehlen. Düstere Aussichten, wenn man bedenkt, dass wir zu den modernsten und wirtschaftlich stabilsten Ländern der Welt gehören.

Zum Frauentag am 8. März wird jährlich eine der Zeit entsprechende Problematik um das Frauenbild aufgegriffen. Die Frage, ob das im 21. Jahrhundert noch notwendig ist, kann nur mit einem klaren „Ja“ beantwortet werden. In keiner Zeitperiode vorher, wie der seit dem ersten Weltkrieg bis heute, hat sich das Bild der Frau und ihre Akzeptanz in der Gesellschaft so häufig und stark verändert. Wirklich befriedigend sind die Fortschritte seit jeher aber nicht, bedenkt man die wirtschaftliche Unsicherheit in die sich vor allem Mütter in der heutigen Zeit begeben. Die Emanzipation ist überstanden, Frau fühlt sich gleichberechtigt für einen hohen Preis. Frauen dürfen wählen, in die Bundeswehr gehen und ihren Mann stehen, im Arbeitsleben gehören zum akzeptierten Bild, uneheliche Kinder sind nicht mehr mit gesellschaftlichem Ausschluss gleichbedeutend. In die Führungsetagen gehört die Frau aber nicht und ist von gleichberechtigter Bezahlung oft weit entfernt. Und wehe der, die bereit ist Mutter zu werden und damit oft auf den Staat angewiesen ist. Immerhin, dass es an Unterbringungsmöglichkeiten in Kitas und Horten fehlt, wurde erkannt. Dem versucht man entgegenzuwirken. Das Modell der Ganztagsschulen beispielsweise scheitert jedoch noch an der nötigen personellen wie finanziellen Ausstattung. Die Elternzeit kann geteilt werden, also auch Väter den frühkindlichen Dienst übernehmen. Alles Maßnahmen, die gebraucht werden um Müttern zu ermöglichen, ihre Kinder in guten Händen unterzubringen, berufliche Qualifikationen zu erwerben und ganztags zu arbeiten.

“Gender Mainstreaming“, heißt das Zauberwort, nach dem Staat und Organisationen bei allen gesellschaftlichen Vorhaben die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern von vornherein und regelmäßig zu berücksichtigen. Die Privatwirtschaft sagt dazu einfach Chancengleichheit. Das geht in die richtige Richtung, man hat erkannt, dass es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gibt. Aha, also doch nicht. Außer einem sprachlichen Wirrwarr um beispielsweise “Freunde und Freundinnen”, „FreundInnen” oder „Freund_Innen” sind errungenen Fortschritte für Frauen jedoch  nicht wirklich erkennbar.

Es bleibt zu hoffen, dass wirklich effektive und nachhaltige Schritte erarbeitet und durchgesetzt werden, die Mütter und damit ihre Kinder absichern.  Zudem Gelder zur Verfügung stehen, die es sozialen Einrichtungen, Schulen und Organisationen möglich machen, dort zu helfen, wo der Staat zu weit weg oder schwerfällig ist. Das bei Hilfsmöglichkeiten viel früher angesetzt wird, so dass Mütter erst gar nicht in die Situation kommen, ein wirtschaftliches Fiasko zu erleben.

Das Denken in den Köpfen der Menschen muss sich ändern, Männern wie Frauen. Nur der Staat muss dafür die Grundlagen bieten und Frauen Bedingungen schaffen, die die Entscheidung Mutter zu werden, nicht von Existenzängsten abhängig werden lässt. Einen Staat, in dem Kinderlachen per Gerichtsurteil erlaubt werden muss, sollten wir uns alle nicht wünschen – geschweige denn einen, in dem es kein Kinderlachen mehr gibt.

Leitartikel der Homepage des Stadtteilzentrum Steglitz e.V.
vom 10. März 2014