Kunstvoll erziehen!

katrin_munke

Es ist ein Moment der Selbsterkenntnis: Der dreijährige Sohn sitzt auf dem Teppich des Wohnzimmers und spielt mit seinen Modellautos den Straßenverkehr nach. Völlig in sich und sein Spiel versunken, schimpft das Kind mit einem Mal: „Dieser verdammte Viot, keine Augen im Kopf!“ und lässt einen Wagen in den anderen krachen. Der Vater sitzt im Wohnzimmersessel, beobachtet die Szene und zweifelt, ob er lächeln oder schimpfen soll, weil das Kind ein Schimpfwort benutzt. Ihm ist klar, dass das Kind den Vater im realen Straßenverkehr kopiert und erkennt sich selber im Verhalten des Kindes. Es ist der Moment in dem er versteht, wie Erziehung funktioniert.

„Erziehen heißt vorleben … alles andere ist höchstens Dressur“ – besagt ein Zitat von Oswald Bumke. Jede Mutter und jeder Vater erlebt irgendwann diesen Moment, in dem sie oder er sich selber im Verhalten, der Gestik, in der Wortwahl oder dem Tonfall des Kindes wieder erkennt. Die eigentliche Kunst ist nun, diesen Moment der Selbsterkenntnis bewusst für die Erziehung zu nutzen. Es bedeutet nichts anderes, als sich eigenes Verhalten klar zu machen, das man oft vom Nachwuchs gespiegelt bekommt. Kinder ahmen das Verhalten Erwachsener nach und beobachten ihre Umgebung mehr, als es Erwachsenen bewusst ist. Deutlich wird es ganz besonders in den kleinen menschlichen Fauxpas, die uns allen zu eigen sind. So nutzt es kaum, das Kind zum Lesen zu animieren, wenn man selbst nie ein Buch zur Hand nimmt oder dem Kind die Freude am Vorlesen zeigt. Es nutzt kaum, einem Kind Freundlichkeit abzuverlangen, sofern man sie selbst nicht lebt. Auch die Art und Weise, Streitgespräche zu führen, der Umgang mit anderen Menschen bis hin zur inneren Ruhe und Ausgeglichenheit hat Auswirkung auf den Wunsch des Kindes es den Erwachsen, den Eltern und meist Vorbildern gleich zu tun. „Es gibt keine andere vernünftige Erziehung, als Vorbild zu sein, wenn es nicht anders geht, ein abschreckendes.“ wusste auch Albert Einstein. So bleibt ganz einfach festzustellen, dass Kinder ein Spiegelbild der Eltern sind.

Erziehung ist die Kunst, sich selbst und seiner Wirkung bewusst zu sein. Das auch Erziehung durch Kunst möglich ist, macht das Beispiel der Künstlerin Katrin Munke deutlich. Bei ihr wurde das Interesse am künstlerisches Arbeiten und der Musik sehr früh geweckt und bleibt Bestandteil in Ausbildung und Beruf. Ob grafische Arbeiten, Mixed Media oder textile Kunstwerke – ihre Arbeiten bestechen durch ihr Farbigkeit und Detailtreue. Der Betrachter kann sich die Werke erschließen, immer wieder neue Bildelemente entdecken und über die Stimmigkeit von Bild-, Objekt-
und Farbelementen staunen. In drei Ausstellungen hat Katrin Munde ihre Werke im Gutshaus Lichterfelde den Besuchern vorgestellt und auch beim Kunstmarkt der Generationen, der in diesem Jahr zum vierten Mal stattfindet, ist sie treuer Gast. Nicht nur die Werke zeichnen sich in ihrer Besonderheit aus, auch der Erlös aus dem Verkauf lässt so manchen aufhorchen. So spendet Katrin Munke den Erlös zu 100 % an Hilfsorganisationen – meist der UNO Flüchtlingshilfe. Ihr persönlicher Gewinn an der künstlerischen Arbeit liegt im Prozess, der Entspannung und letztlich auch dem Austausch mit ihrem Publikum. Ihr Ehemann Martin Munke, ebenfalls Lehrer, hat sich autodidaktisch das Arbeiten mit Leder angeeignet und gilt heute unter Liebhabern als Geheimtipp. Er fertigt Helme, Armstulpen, Gürtel und Rüstungen, die nicht nur durch das edle Material sondern auch durch die kunstvollen Verzierungen Bewunderung auslösen. Ein Blick genügt, um zu wissen, welch ein Zeitaufwand in diesem, gar nicht mehr üblichem, Handwerk liegt.

Zur Familie gehören zwei Kinder, die von Anfang an ihre Eltern bei der Beschäftigung mit künstlerischen Arbeiten beobachten konnten. Natürlich ist es keine unbedingte Folge, dass Kinder durch dieses Vorleben ebenso die Liebe zum Kunsthandwerk entdecken. In diesem Fall war das aber so. Insbesondere in den Ferien lieben die Kinder die von den Eltern vorgegebene Atmosphäre. Es wird gemeinschaftlich gearbeitet und gewerkelt. Der Sohn zeigt eine Neigung zu grafischen Arbeiten und beherrscht den Umgang mit Finelinern. Malte A3 Blätter mit Theaterszenen voll, die die Mutter zum Vortrag hochhalten durfte. Die Tochter zeigt eine Neigung zu Handarbeiten und verfügt schon über eine stattliche Stoffsammlung. Auch das Mangazeichnen ist eins ihrer Steckenpferde. So steht die Familie über die Kunst im Austausch, ergänzt sich durch die jeweiligen Vorlieben und Richtungen des künstlerischen Arbeitens.

Den Kindern wird weit mehr mitgegeben als handwerkliche Fähigkeiten. Sie lernen durch Vorbild einen Prozess konzentriert und in Ruhe zu Ende zu bringen. Lernen sich selbst zu beschäftigen, bekommen Einblick in die Herstellung von Gegenständen und wissen um die Wirkung von Materialien. Sie lernen die Schaffensprozesse anderer zu respektieren. Lernen den Stellenwert der Kreativität zu schätzen, die letztlich Auswirkungen auf alle Lebensbereiche hat. Sie lernen Wertschätzung gegenüber Fähigkeiten anderer. Erfahren über Lob Anerkennung oder Förderung in einem weniger gefälligem Urteil zu erkennen. Zudem wird ihnen durch die Mutter vermittelt, dass sich neben dem Eigennutzen durch Kunst anderen helfen lässt.

Natürlich ist diese Familie ein sehr deutliches Beispiel dafür, dass das Vorleben im eigenen Tun unmittelbare Auswirkungen auf die Erziehung der Kinder hat. Nicht jedem ist es gegeben künstlerisch zu Arbeiten. Doch auch durch Sport, Literatur, durch besondere Wissensgebiete, besonderer Wertschätzung gegenüber Ernährung, Interessen in speziellen Bereichen, Reisen oder schlicht durch die Beschäftigung mit dem Kind, können Eltern eigenes Interesse und Erleben mit Erziehung verbinden. Und sei es durch die Kunst, sich immer wieder ehrlich und kritisch der Selbsterkenntnis zu stellen.   

Künstlerkontakt:
Katrin Munke, Telefon 030 29 36 86 63, E-Mail: katrin_munke[at]web.de


4. Kunstmarkt der Generationen

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24. Juni 2017, 12.00 – 18.00 Uhr,
Schlosspark Lichterfelde am Hindenburgdamm 28, 12203 Berlin

Info/Kontakt: Manuela Kolinski
E-Mail kolinski[at]stadtteilzentrum-steglitz.de
Telefon 030 84 41 10 41


szs_mittelpunkt_februar-2017Ein Beitrag aus dem Magazin „Im Mittelpunkt“ Januar/Februar 2017 mit dem Leitthema „Eltern“
Das ganze Magazin kann als eBook oder interaktives Pdf heruntergeladen werden. Die gedruckte Version, einschließlich dem Einleger mit allen Veranstaltungen, bekommt man in den Einrichtungen des Stadtteilzentrum Steglitz e.V.

Kunst für Flüchtlinge

Wildwuchs - Katrin Munke

Wildwuchs – Katrin Munke

Sie sind im Moment in aller Munde, viele Berichte, Nachrichten und Ereignisse beschäftigen sich täglich mit ihnen. Menschen, die ihr eigenes Land verlassen, weil die Verhältnisse dort aus irgendeinem Grund nicht mehr zu ertragen sind. Sie werden Flüchtlinge und suchen sich eine neue Heimat, Schutz und Ruhe um ein neues Leben aufbauen zu können. Dort, wohin sie gehen, überlegen andere Menschen ob, wie und wo man sie integrieren kann. Diskussionen werden geführt, ob man sie will oder nicht. Politiker rangeln um die Bedingungen, Gemeinden beklagen fehlendes Geld, Gemeinschaften organisieren sich, um ihnen zu helfen. Oftmals sind es aber ganz kleine Dinge, die mich staunen lassen, mit welchem Einfallsreichtum und welcher Energie man helfen kann.

Ich ging ins Gutshaus Lichterfelde, ein Haus mit dem Schwerpunkt auf nachbarschaftlicher Arbeit. Ich bin oft und gerne dort, auch weil ich für den Träger, das Stadtteilzentrum Steglitz e.V., arbeite. Diesmal blieb ich aber gleich im Eingangsbereich hängen und konnte nicht weiter gehen. Dort hing, wie so oft, eine Bilderausstellung und die Bilder haben mich gleich so gefangen und angesprochen, dass ich sie alle studieren musste. Nach der Runde kam ich zu einem Rahmen, in dem die Künstlerin sich vorstellte.  Sie schrieb unter anderem, dass der Erlös aus den Verkäufen der Bilder zu 100 % der UNO-Flüchtlingshilfe gespendet werden würde. Als ich den Text gelesen hatte, stand mein Entschluss fest, dass ich die Frau gerne kennenlernen wollte. Welcher Künstler stellt seine komplette Ausstellung einem guten Zweck zur Verfügung?

Katrin Munke ist Lehrerin, aber auch Mutter und Ehefrau und lernte durch die Kita im Haus das Gutshaus zu schätzen. Schon vor zwei Jahren nutzte sie die Räume für eine Ausstellung und auch in diesem Jahr war ein Termin für ihre schönen Bilder frei. 1976 geboren, verbringt sie ihre Kindheit in Dessau, Bernburg und Berlin. Schon frühzeitig wird ihr Interesse für Kunst und Musik geweckt und sie werden ständige Begleiter in ihrem Leben. Nach Abschluss des Lehramtsstudiums in Kunst und Musik an der Universität Potsdam 2001 unterrichtet sie an Berliner und Brandenburger Schulen. Seit 10 Jahren lebt die Familie in Lichterfelde und ist heimisch geworden. Als ich sie frage, ob sie vornehmlich Künstlerin oder Lehrerin ist, zögert sie keinen Moment um sich für die Lehrerin zu entscheiden. Die Kunst ist ihr Hobby, ihre Möglichkeit zu entspannen und die Bilder sozusagen ein Mehrprodukt. Sie lehnt den heutigen Kunstmarkt ab und findet die Preisfindung für die eigenen Bilder sehr schwer. So ist ihre Überzeugung gereift, dass sie lieber ein Bild für 100 Euro verkaufen möchte, als es in einer Ecke verstauben zu lassen. Da der Grunderwerb der Familie durch beide Elternteile gesichert ist, hat sie sich dazu entschlossen, den Erlös ihrer Bilder zu spenden. Dazu genüge ihr ein Blick in die Welt, der sie immer wieder unterstützenswerte Projekte finden lässt. Sie hat aber gemerkt, dass es Menschen manchmal schwer fällt, einfach nur zu spenden. Leichter wird es, wenn Besucher ein Bild, etwas Schönes für die eigene Wand oder ein außergewöhnliches Geschenk mit nach Hause nehmen können. So reifte diese Form, mit der sie immerhin zwei bis drei Bilder pro Ausstellung verkaufen und den Erlös spenden kann.

Hin und wieder muss sie sich mit der erstaunten Frage auseinander setzen, ob sie denn gar nichts für sich selber als Erlös für die Bilder behalten will. Die Kunst hat in dieser Familie jedoch einen anderen Sinn als das fertige Ergebnis zu sehen. Der Prozess zum Produkt, zum Kunstwerk in jeglicher Form, gehört zum festen Bestandteil der gemeinsamen Zeit. Der Vater, ebenfalls Lehrer, arbeitet mit Leder. Die Kinder experimentieren, probieren, lassen sich begeistern und sind unheimlich stolz, wenn sie zum Beispiel beim Filzen später mit selbstgemachten Hausschuhen herumlaufen können. Die gemeinsame Aktion, die Beschäftigung mit Kunstformen, aber auch die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Materialien, ist der Kern für den familiären Handlungsplan. Für sich selber sieht Katrin Munke ihre Bilder als eine Art Tagebuch. Dort kann sie ihre Sehnsüchte, Wünsche und Ideen hineinarbeiten. Sie mag vielschichtige Bilder, die im Detail zeigen, was sie ausdrücken möchte. So lohnt es sich immer ein zweites Mal hinzuschauen und den Kleinigkeiten, die zu finden sind, Beachtung zu schenken.

Ob sie ihre Kunst auch mit ihrer Arbeit als Lehrerin verbindet, verneint sie. Dort sieht sie eher die Kunst als Fertigkeit und versucht Bewertungsdruck zu vermeiden. Sie weiß, dass Kinder eher praktisch orientiert sind und versucht sie für die Sache an sich zu begeistern.

Mich hat Katrin Munke begeistert. Ihr Bilder zeigen Phantasie, Ästhetik und das beherrschte Handwerk. Zudem ist diese Ausstellung, mit dem Sinn dahinter Flüchtlingen zu helfen, ein Beispiel gelungener Eigeninitiative, die einfach beachtet und unterstützt werden sollte. Die Ausstellung hängt noch bis zum 26. November 2014 im Gutshaus Lichterfelde. Wer keine Gelegenheit hat dort hinzugehen, kann sich die Bilder hier ansehen, die Preise anschauen und über den Kontakt eine Verbindung zur Künstlerin bekommen. Vielleicht braucht der ein oder andere ja noch ein besonderes Weihnachtsgeschenk und kann so eine Freude bereiten und gleichzeitig etwas Gutes tun.

Die vielen Flüchtlinge, die unsere Hilfe brauchen, werden diese Bilder kaum zu sehen bekommen. Aber die Idee, die dahinter steht, motiviert und zeigt, wie einfallsreich auch mit weniger populären Möglichkeiten geholfen werden kann – diese Idee sollte ansteckend sein.

waldnacht

Waldnacht

wildwuchs

Wildwuchs

zebrabaum

Zebrabaum

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o.T. (I)

polar

Polar

stadt

Stadt

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Land – verkauft

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Nordlicht

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Verborgen

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Alt

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Hafen

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Vogelflug – verkauft

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ohne Rücksicht

tau

Tau

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Deine Stimme in meinem Kopf – verkauft

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Februar und März

garten

Garten

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Blatt und Blätter

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Küstenstreifen

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Blaue Schalen

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Rügen