Wir haben Probleme!

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Es ist eine liebe Gewohnheit geworden: Ich gehöre zu den Menschen, die man morgens besser nicht ansprechen sollte. Da mir das irgendwann bewusst wurde, habe ich mir angewöhnt, morgens eine Stunde vor der Zeit aufzustehen, mir einen Kaffee zu machen und eine ganze Stunde in Ruhe damit zu verbringen wach zu werden, Kaffee zu trinken, E-Mails zu lesen und Nachrichten auf dem iPad durchzusehen. Selbst der Hund tut in dieser Stunde so, als ob er mich nicht wahrnimmt. Seit ein paar Tagen erwische ich mich dabei, dass ich, wenn ich das iPad aufklappe, bei mir denke: „Mal sehen, was er heute wieder angestellt hat“. „Er“ ist der amerikanische Präsident. Das Lesen der Nachrichten ist unangenehm geworden. Wir rutschen von einer Fassungslosigkeit in die andere. Mir geht es jedenfalls so.

Ich habe lange überlegt, ob ich überhaupt etwas dazu schreibe. Die Fülle der Nachrichten ist erschlagend, die richtige Wahl der Quellen schwierig, neutral und objektiv keine verlässlichen Attribute für Journalismus mehr. Die reinen Fakten, sofern wir welche bekommen, widerstreben hingegen allem, woran ich glaube und was meine Grundwerte darstellt. Ich bin kein Experte, was globale Zusammenhänge angeht, kein Amerika-Kenner und auch wirtschaftliche Zusammenhänge sind mir recht undurchsichtig. Trotzdem habe ich ein Gefühl für Falsch und Richtig und dieses Gefühl sagt im Moment, dass wir gewaltige Probleme haben.

Ausschlaggebend, dass ich nun doch etwas schreibe, waren meine Cousine und mein Cousin, zweiten Grades. Sie lebt in Amsterdam, er in Omaha in den Vereinigten Staaten. Sie teilte in ihrem Facebookprofil den Aufruf, den weltweiten offenen Brief an Donald Trump auf Avaat.org zu unterzeichenen und zu teilen. Der Cousin reagierte mit einem wütenden Smiley. Ich hatte schon länger bemerkt, dass er diesen unfassbaren Präsidenten befürwortet. Einmal teilte er ein Bild, auf dem in etwa stand “Wünschen wir uns, dass Donald Trump ein guter Präsident sein wird. Ihm das Gegenteil zu wünschen, wäre das gleiche, wie einem Piloten zu wünschen, dass er gegen einen Berg fliegt – in einem Flugzeug in dem wir alle Passagier sind“. Als ich fragte, warum er gewählt worden wäre, wenn alle das wüssten, antwortete er, dass er die bessere Wahl war. Später hat er das Bild gelöscht. Es ist nur eine Familie, Cousins und Cousinen aus Amerika, Niederlanden und Deutschland und dennoch wirkt, was diesen neuen Präsidenten auszeichnet: Er spaltet Menschen, Familie, Völker und Gemeinschaften und er ist erst am Anfang.

Es ist unsinnig jetzt über die „Amerikaner“ zu lamentieren. Natürlich ist er gewählter Präsident, doch wie bei jeder Wahl, stehen auch ihm die Stimmen der Gegenkandidatin und die immense Zahl der Menschen, die nicht gewählt haben, entgegen. Dazu die Stimmen derjenigen, die nun aufhorchen und ihre Wahl bereuen. Es sind keine 324 Millionen Amerikaner, die das gut heißen, was aktuell dort drüben passiert. Es ist ein Mann, der Befürworter und Trittbrettfahrer um sich scharrt und ein ganzes Land in Aufruhr bringt. Bisher tut er das mit ein paar Dekreten, die für sich selbst schon schlimm, aber noch nicht Gesetz sind. Regieren muss er erst noch und erst dann wird man sehen, wie stark diese Nation ist. Wie das Land der Möglichkeiten seine Demokratie, sein Selbstverständnis als freie Nation und Land der Einwanderer, schützt.

Meine Sorge gilt mit dem Blick über den großen Teich unserem eigenen Land. Auch wir werden im Herbst wählen und auch bei uns ist der Populismus des Herrn Trump modern und gesellschaftsfähig geworden. Und nicht nur das: Mit dem Verbleib des Herrn Höcke in seiner Partei nach seiner Rede in Dresden, hat diese Partei für mich jeglichen Anspruch verloren, eine bürgerliche Partei zu sein. Sein Nichtausschluss ist gleichbedeutend mit einer Einladung aller rechten Gesinnungsbrüder sich in den Reihen dieser Partei in scheinbarer Demokratie zu bewegen und menschenverachtende Gedanken zu verbreiten. Was daraus wird, können wir alle aktuell in Amerika verfolgen und unsere Schlüsse daraus ziehen.

Auch wir werden wählen und ich hoffe, dass sowohl die Politik als auch jeder einzelne von uns, viele Wähler mobilisieren kann. Wir dürfen dankbar sein, dass wir wählen dürfen, was in vielen Ländern nicht geht. Wir haben mit Angela Merkel und Martin Schulz Kandidaten, die – gleich, welche politischen Richtung man bevorzugt – sich beide entschieden und deutlich für eine multikulturelle Gesellschaft einsetzen. Wir haben demokratische Mittel dieser alternativlosen Partei zu zeigen, dass für sie kein Platz ist.

Jeder kann etwas tun. Es gibt schöne Beispiele dafür: Der offene Brief an Donald Trump hat aktuell fast 5 Millionen Unterzeichner, auf change.org gibt es eine Petition, die sich für ein „Einreiseverbot für Donald Trump nach Deutschland“ einsetzt, mit fast 30.000 Stimmen, in Facebook gibt es eine Gruppe, die sich #ichbinhier nennt – „eine Aktionsgruppe, die sich für eine bessere Diskussionskultur in den Sozialen Medien einsetzt. Statt Hass, Beleidigungen und Lügen wollen wir ein sachliches, konstruktives Miteinander.“ Das sind nur drei Beispiele und ich bin sicher, dass es in den nächsten Monaten immer mehr werden. Es wird Demonstrationen geben, Aktionen, Aufrufe und Veranstaltungen. Unterstützen wir sie, werden wir laut und unmissverständlich für eine offene Gesellschaft. Entwickeln wir eigene Ideen. Ich habe überlegt sozusagen die Blogparade „Schreiben gegen Rechts“, Teil II, zu starten. Ich denke, wir müssen zeigen, dass wir dieses multikulturelle Leben wollen und darin unsere Zukunft sehen. Und falls jemand denkt, dass so eine Unterschrift doch nichts bringt: Doch, tut sie, weil wir klar Stellung beziehen – immer wieder. Amerika ist so weit weg und in Wirklichkeit doch so nah! Auf twitter habe ich gelesen „Jetzt können wir endlich herausfinden, was wir anstelle unserer Großeltern getan hätten“ „Bitter …“ war ein Kommentar darunter. Ja, bitter ist was Amerika erlebt und wir an einen ähnlichen Punkt gekommen sind. Bitter … wenn wir jetzt nicht aktiv werden.

Ich möchte mein iPad aufschlagen und lesen, dass Amerika einen offenen, einigenden Präsidenten hat. Ich möchte lesen, dass Deutschland eine gute Wahl getroffen hat, die Rechten zwar hier und da gewählt wurden, sich aber selber in ihren queren Gedanken ins Nichts führen. Ich möchte gerne lesen, dass Europa seine Chance aus der Amerika-Krise verstanden hat, ein eigenes Profil hat und sich stark neben dem sogenannten „großen Bruder“ platziert hat. Ich würde gerne lesen, dass der IS in die Geschichtsbücher wandert, Kriegsregionen aufgebaut und Religionen sich mischen dürfen. Es wäre schön zu lesen, dass mein Cousin seine Wahl nicht bereuen muss. Ich würde so vieles gerne lesen – aber dazu muss ich, wie so viele andere auch – wach und aktiv sein.

Kunst für Flüchtlinge

Wildwuchs - Katrin Munke

Wildwuchs – Katrin Munke

Sie sind im Moment in aller Munde, viele Berichte, Nachrichten und Ereignisse beschäftigen sich täglich mit ihnen. Menschen, die ihr eigenes Land verlassen, weil die Verhältnisse dort aus irgendeinem Grund nicht mehr zu ertragen sind. Sie werden Flüchtlinge und suchen sich eine neue Heimat, Schutz und Ruhe um ein neues Leben aufbauen zu können. Dort, wohin sie gehen, überlegen andere Menschen ob, wie und wo man sie integrieren kann. Diskussionen werden geführt, ob man sie will oder nicht. Politiker rangeln um die Bedingungen, Gemeinden beklagen fehlendes Geld, Gemeinschaften organisieren sich, um ihnen zu helfen. Oftmals sind es aber ganz kleine Dinge, die mich staunen lassen, mit welchem Einfallsreichtum und welcher Energie man helfen kann.

Ich ging ins Gutshaus Lichterfelde, ein Haus mit dem Schwerpunkt auf nachbarschaftlicher Arbeit. Ich bin oft und gerne dort, auch weil ich für den Träger, das Stadtteilzentrum Steglitz e.V., arbeite. Diesmal blieb ich aber gleich im Eingangsbereich hängen und konnte nicht weiter gehen. Dort hing, wie so oft, eine Bilderausstellung und die Bilder haben mich gleich so gefangen und angesprochen, dass ich sie alle studieren musste. Nach der Runde kam ich zu einem Rahmen, in dem die Künstlerin sich vorstellte.  Sie schrieb unter anderem, dass der Erlös aus den Verkäufen der Bilder zu 100 % der UNO-Flüchtlingshilfe gespendet werden würde. Als ich den Text gelesen hatte, stand mein Entschluss fest, dass ich die Frau gerne kennenlernen wollte. Welcher Künstler stellt seine komplette Ausstellung einem guten Zweck zur Verfügung?

Katrin Munke ist Lehrerin, aber auch Mutter und Ehefrau und lernte durch die Kita im Haus das Gutshaus zu schätzen. Schon vor zwei Jahren nutzte sie die Räume für eine Ausstellung und auch in diesem Jahr war ein Termin für ihre schönen Bilder frei. 1976 geboren, verbringt sie ihre Kindheit in Dessau, Bernburg und Berlin. Schon frühzeitig wird ihr Interesse für Kunst und Musik geweckt und sie werden ständige Begleiter in ihrem Leben. Nach Abschluss des Lehramtsstudiums in Kunst und Musik an der Universität Potsdam 2001 unterrichtet sie an Berliner und Brandenburger Schulen. Seit 10 Jahren lebt die Familie in Lichterfelde und ist heimisch geworden. Als ich sie frage, ob sie vornehmlich Künstlerin oder Lehrerin ist, zögert sie keinen Moment um sich für die Lehrerin zu entscheiden. Die Kunst ist ihr Hobby, ihre Möglichkeit zu entspannen und die Bilder sozusagen ein Mehrprodukt. Sie lehnt den heutigen Kunstmarkt ab und findet die Preisfindung für die eigenen Bilder sehr schwer. So ist ihre Überzeugung gereift, dass sie lieber ein Bild für 100 Euro verkaufen möchte, als es in einer Ecke verstauben zu lassen. Da der Grunderwerb der Familie durch beide Elternteile gesichert ist, hat sie sich dazu entschlossen, den Erlös ihrer Bilder zu spenden. Dazu genüge ihr ein Blick in die Welt, der sie immer wieder unterstützenswerte Projekte finden lässt. Sie hat aber gemerkt, dass es Menschen manchmal schwer fällt, einfach nur zu spenden. Leichter wird es, wenn Besucher ein Bild, etwas Schönes für die eigene Wand oder ein außergewöhnliches Geschenk mit nach Hause nehmen können. So reifte diese Form, mit der sie immerhin zwei bis drei Bilder pro Ausstellung verkaufen und den Erlös spenden kann.

Hin und wieder muss sie sich mit der erstaunten Frage auseinander setzen, ob sie denn gar nichts für sich selber als Erlös für die Bilder behalten will. Die Kunst hat in dieser Familie jedoch einen anderen Sinn als das fertige Ergebnis zu sehen. Der Prozess zum Produkt, zum Kunstwerk in jeglicher Form, gehört zum festen Bestandteil der gemeinsamen Zeit. Der Vater, ebenfalls Lehrer, arbeitet mit Leder. Die Kinder experimentieren, probieren, lassen sich begeistern und sind unheimlich stolz, wenn sie zum Beispiel beim Filzen später mit selbstgemachten Hausschuhen herumlaufen können. Die gemeinsame Aktion, die Beschäftigung mit Kunstformen, aber auch die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Materialien, ist der Kern für den familiären Handlungsplan. Für sich selber sieht Katrin Munke ihre Bilder als eine Art Tagebuch. Dort kann sie ihre Sehnsüchte, Wünsche und Ideen hineinarbeiten. Sie mag vielschichtige Bilder, die im Detail zeigen, was sie ausdrücken möchte. So lohnt es sich immer ein zweites Mal hinzuschauen und den Kleinigkeiten, die zu finden sind, Beachtung zu schenken.

Ob sie ihre Kunst auch mit ihrer Arbeit als Lehrerin verbindet, verneint sie. Dort sieht sie eher die Kunst als Fertigkeit und versucht Bewertungsdruck zu vermeiden. Sie weiß, dass Kinder eher praktisch orientiert sind und versucht sie für die Sache an sich zu begeistern.

Mich hat Katrin Munke begeistert. Ihr Bilder zeigen Phantasie, Ästhetik und das beherrschte Handwerk. Zudem ist diese Ausstellung, mit dem Sinn dahinter Flüchtlingen zu helfen, ein Beispiel gelungener Eigeninitiative, die einfach beachtet und unterstützt werden sollte. Die Ausstellung hängt noch bis zum 26. November 2014 im Gutshaus Lichterfelde. Wer keine Gelegenheit hat dort hinzugehen, kann sich die Bilder hier ansehen, die Preise anschauen und über den Kontakt eine Verbindung zur Künstlerin bekommen. Vielleicht braucht der ein oder andere ja noch ein besonderes Weihnachtsgeschenk und kann so eine Freude bereiten und gleichzeitig etwas Gutes tun.

Die vielen Flüchtlinge, die unsere Hilfe brauchen, werden diese Bilder kaum zu sehen bekommen. Aber die Idee, die dahinter steht, motiviert und zeigt, wie einfallsreich auch mit weniger populären Möglichkeiten geholfen werden kann – diese Idee sollte ansteckend sein.

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Waldnacht

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Wildwuchs

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Zebrabaum

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o.T. (I)

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Polar

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Stadt

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Land – verkauft

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Nordlicht

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Verborgen

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Alt

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Hafen

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Vogelflug – verkauft

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ohne Rücksicht

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Tau

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Deine Stimme in meinem Kopf – verkauft

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Februar und März

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Garten

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Blatt und Blätter

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Küstenstreifen

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Blaue Schalen

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Rügen