Das kleine Wörtchen Dankbarkeit …

Es ist Muttertag und wie immer gibt es drei Standpunkte. Die einen, die die Gelegenheit nutzen, der Mutter Danke zu sagen, weil sie es im Alltag oft vergessen und weil man es halt so macht. Die Zweiten, die die Chance ergreifen, um von Herzen ihre Wertschätzung auszudrücken. Schließlich noch die dritte Fraktion, die Muttertag für ein Relikt aus ungeliebten Zeiten, oder vielmehr für ein vom Kommerz gemachtes Fest halten. Es spielt hier keine Rolle, zu wem man gehört. Was mir oft an dem Tag passiert, sind kleine Nachrichten von anderen Müttern. WhatsApp meldet sich: „Guten Morgen liebe Anna, alles Liebe zum Muttertag. Lass uns dankbar sein, dass wir Mamas sein dürfen!“ Da ist es wieder: Das kleine Wörtchen „Dankbarkeit“, über das ich sehr oft in den letzten Tagen nachgrübele.

Seit Wochen bin ich zuhause, öfter alleine und habe viel Gelegenheit darüber nachzudenken. Es ist keine leichte Zeit für uns alle. Die Pandemie hat unser aller Leben zum Stillstand gebracht. Eine Zeit lang jedenfalls. Für mich war es ok. Ich gehöre zur Risikogruppe. Ich fühlte mich die ganze Zeit sicher und beschützt. Es gab auch nichts zu klagen. Wir haben es gut. Genug Platz zuhause, genug zu essen, Dinge, die uns beschäftigen, einen Garten, Möglichkeiten uns aus dem Weg zu gehen. Wir können trotzdem weiter arbeiten. Die Gehälter kommen pünktlich und in voller Höhe. Wir haben keine kleinen Kinder mehr zu versorgen. Ach ja, ganz wichtig, das WC-Papier geht uns nicht aus – ohne Hamsterkauf. Anderen ergeht es schlimmer. Mir ist bewusst, dass andere weitaus schwierigere Situationen zu bewältigen haben. Dennoch habe ich den Eindruck, dass die Menschen mit jeder Lockerung der Pandemie-Regelungen unzufriedener werden.

Niemand wird je mit Sicherheit sagen können, ob alle Maßnahmen gerechtfertigt oder überzogen waren. Fakt ist, unsere Krankenhäuser haben keinen Kollaps erlebt, unsere Sterberate ist eine der niedrigsten der Welt und schließlich wird viel getan, um wirtschaftlich zu unterstützen. Ich mag dabei nicht über die Grenzen anderer Länder sehen, wo es sehr viel anders aussieht. Sicherlich sind einige Fehler passiert. Doch wer konnte je schon so ein Szenario proben. In diesen Tagen möchte ich kein Entscheidungsträger sein. Statt Dankbarkeit zu zeigen oder einfach ruhig zu bleiben, mehren sich die Nachrichten von Protesten. Gegen die Auflagen des Abstandhaltens, der Hygiene, des Ausgangs, der Wiederöffnungen und vieles mehr. Verschwörungstheorien werden geboren, bei denen man sich einfach nur noch fragen kann, ob die Leute alle Tassen im Schrank haben. Die Demokratie sei gefährdet und die Grundrechte sollen untergraben werden. Natürlich auch wieder die Rechten, die die Gunst der Stunde nutzen, Verschwörungsexperten und eine Menge Leute, denen langweilig ist. Hinterfragen ist unmodern. So viele Aluhüte können gar nicht gebastelt werden, um die Leute wieder auf den Boden zu bringen.

Aber es ist auch eine andere Dankbarkeit, die immer mehr zu vermissen ist. Sie ist persönlich und steht in engem Zusammenhang mit Zufriedenheit. Damit anderen etwas gönnen können, sich an Kleinigkeiten zu freuen und mit gegenseitiger Wertschätzung. Ich habe zuweilen den Eindruck, dass die Menschen sich verändert haben. Wir Älteren sagen gerne entweder: „Früher war alles viel besser.“ oder: „Ihr solltet es einmal besser haben! “. Der erste Satz ist das ständige Klagelied vergangene Zeit zu glorifizieren und sich mit Unbekanntem nicht arrangieren wollen, vielmehr Neues zu kritisieren. Der zweite Ausspruch ist der Wunsch der älteren Generation, dass die Zukunft der Nachkommenschaft gesichert ist. Aber eher ist er ein unterschwelliger Vorwurf, wenn der Nachwuchs nicht gehorchen mag und die Andeutung, dass man selber es ja nicht so gut hatte. Beide Sätze passen in die Zeit nach dem letzten Weltkrieg, vor dem tatsächlich sehr vieles besser war (oder auch nicht) und es nicht viel dazu gehörte, es leichter zu haben als eben in jenen Tagen.

Heute frage ich mich oft, was unsere Nachkommen einmal besser haben sollen? Oder wo wir uns selber noch steigern sollen. Dabei beschränke ich mich auf dieses Land. Was wollen wir mit unseren Luxusbestrebungen noch erreichen, wie groß darf der Fernseher werden, wie dick darf der Reisekatalog in die Welt sein. Wir leben auf einem dermaßen hohen Niveau, dass kaum mehr zu toppen ist. Auf Kosten der Umwelt und der Außenwelt, die wir tunlichst von unserem Luxus ausschließen möchten. Man muss bewahren, was einem lieb und teuer ist!

Immer höher, weiter, schneller geht irgendwann nicht mehr, aber mit dem Status quo zufrieden zu sein, ist für die meisten Menschen nicht leicht. Dabei ist es so angenehm, einem anderen sagen zu können, dass sein Kleid, die Frisur oder sein Bild gefällt. Es ist schön, die Leistung anderer zu sehen und wertschätzen zu können. Genauso wie wir genießen ein Lob des Partners, der Freundin, des Chefs zu bekommen. Zu sehen, dass jemand bemerkt hat, dass ich mir mit etwas besondere Mühe gegeben habe. Oder nur Einfachmal zwischendurch gesagt zu bekommen, dass man für jemanden wichtig ist.

Auch materiell mit dem zufrieden sein, was man hat, kann sehr entspannend sein. Ich muss nicht die neusten Markenklamotten, das teuerste Parfüm und den angesagtesten Schmuck haben, um persönliche Zufriedenheit zu spüren. Es ist gut, einen realistischen Blick zu wahren, was tatsächlich lebensnotwendig ist oder was Luxus ist. Natürlich möchten sich Jüngere eine Existenz aufbauen und vorteilhaft ist, wenn sie dabei nicht auf verlockende Ratenzahlungsangebote hereinfallen. Es war doch eine spannende Zeit als der improvisierte Haushalt sich immer weiter in eine komplette Wohnungsausstattung entwickelte. Nichts muss von Anfang an perfekt sein.

Ich habe so viele Dinge, für die ich dankbar sein und die ich wertschätzen kann. Habe um mich Menschen, die ich begleiten und bewundern kann. Ich darf kleine Situationen erleben, an denen ich mich lang erfreuen kann. Ich kann im Großen und Ganzen tun, was ich will, sagen, was ich will, mich bewegen, wie ich will. Ich darf sogar dankbar sein, schon zu den Senioren zugehören, mit allen Zipperlein des Alters, die ich natürlich zähneknirschend annehme. Aber mir dafür die Laune zu verderben? Was ich erlebt habe, war in der Summe zu wertvoll.

Die kleinen Wörtchen Dankbarkeit, Zufriedenheit, Gönnen sind kein Bild nach außen, sondern ein Eindruck, wie ich mit meiner Persönlichkeit umgehe, was ich für ein Mensch bin. Natürlich darf ich Dinge hinterfragen, kritisch betrachten, bessere Lösungen anstreben und mich klar positionieren. Entspannter lebt es sich, mit dem Gegebenen und Erreichten zufrieden zu sein und das zu pflegen. Vieles ist heutzutage besser, als es je zuvor gewesen ist, aber – anders halt!

Update – Toleranz und Anerkennung

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Man möchte bewegen, wenn man sich einem Thema annimmt und darüber schreibt. Die Richtung der Bewegung kann man allerdings kaum beeinflussen. Ich möchte bewegen, Aufmerksamkeit schaffen. Den Beitrag „Toleranz und Anerkennung – Zwischen Wunsch und Wirklichkeit“ hatte ich für die Februar-Ausgabe der Stadtteilzeitung geschrieben. Das Leitthema der Zeitung hieß „Anderssein“. Als ich der Freundin meines Bruders damals erzählte, dass mein geplanter Beitrag nichts werden würde, schlug sie vor über sie selber zu schreiben. Darüber, was sie mit ihrer schwarzen Hautfarbe in den ersten Jahren hier in Deutschland erlebt hatte. Sie wollte anderen in gleicher Situation Mut machen. Der Artikel war das Resultat unseres Gesprächs und er ist bis heute einer meiner liebsten Beiträge in meinem Blog. Ich bekam durch das Gespräch mit ihr einen ganz anderen Blick auf die Situation der Menschen, die versuchen sich in Deutschland eine Existenz aufzubauen.

Einige Zeit nach erscheinen der Zeitung hatte sie Urlaub, den sie in einer anderen Stadt verbrachte. Als sie wieder zurück zur Arbeit kam, sprach keiner der KollegInnen mehr mit ihr. Der Umgang mit ihr wurde gemieden und erst nach einer Woche bekam sie ein Gespräch mit der Filialleitung zugesprochen. Dabei kam heraus, dass während ihres Urlaubs eine Kollegin diesen Artikel in der Zeitung gefunden hatte und der Filialleitung zu lesen gab. Nun durfte sie sich rechtfertigen, wie sie auf die Idee käme, so einen Artikel in eine Zeitung zu setzten. Als ich das hörte, war ich sehr erschüttert und auch völlig verwirrt. Nicht zuletzt, weil ich auch das Gefühl bekam an ihren Unannehmlichkeiten Schuld zu sein.

Letztendlich führten diese Unannehmlichkeiten dazu, dass sie in der anderen Stadt eine neue Arbeitsstelle gesucht und gefunden hat, mit meinem Bruder nun zusammen wohnt und sie sich ein gemeinsames Leben aufbauen werden. Das war zweifelsohne eh geplant, durch diese Vorgänge aber beschleunigt. Ich wünsche beiden alles erdenkliche Glück für ihr gemeinsames Leben!

Was mich nachhaltig an dieser Geschichte beschäftigt ist der Gedanke, wie notwendig das Werben um Toleranz und Anerkennung hier unter uns, in diesem Land und in unserem Umfeld ist. Und auch, wie aktuell dieses Thema ist. Wir sind eine multinationale Gesellschaft, die ihre Stärken eben aus der Mischung aller Menschen zieht. Wir können als attraktives Land nur bestehen, wenn wir Andersartigkeit zulassen und unsere Köpf dafür öffnen. Es gibt für mich keinen einzigen Grund, warum ein Mensch bei uns wegen eines ethnischen Merkmals eine andere Behandlung erfahren sollte als alle anderen oder über sein Erleben schweigen sollte.

Ich gebe gerne zu, dass auch ich oft Scheu spüre, wenn ich Menschen begegne, die aus fremden Ländern kommen, die ich nicht einschätzen kann, die eine mir unbekannte Religion haben oder zu denen ich aus sprachlichen Gründen nicht gehören kann. Ich gebe zu, dass ich mit einem komischen Bauchgefühl kämpfte, als in unmittelbarer Wohnnähe ein Wohnheim für Aussiedler eröffnet wurde. Es war so nah. Aber ich weiß, dass mein Gefühl aus Unkenntnis entsteht und Unkenntnis kann man nur entgehen, indem man darauf zugeht. Man muss Fragen stellen und versuchen zu verstehen, was diese anderen Menschen antreibt und beschäftigt. Damit habe ich noch nie schlechte Erfahrungen gemacht. Ganz im Gegenteil, viele wunderbare Freunde gewonnen und sehr viel für mich gelernt. Das Wohnheim habe ich mir angesehen, sprachliche Hürden kann man überwinden, Religionen und Länder kennenlernen.

Der Beitrag „Toleranz und Anerkennung“ klagt nicht an. Darum geht es nicht. Er zeigt ein Beispiel eines Menschen, der hier eine Existenz aufgebaut hat und sich als bewährtes Mitglied und als Bereicherung für unsere Gesellschaft entwickelt hat. Er zeigt ein Beispiel, wie sich jemand erfolgreich bei uns integriert und hier Freunde, Familie und ein erfülltes Leben findet. Der Hürden überwindet und Stärke zeigt.

Traurig ist die menschliche Seite, die sich zeigte, als der Beitrag erschien. Das sich Menschen nicht vorstellen können, mit welchen Hürden man kämpft, wenn man bei uns anders ist. Das diese „andersartigen“ Menschen nur toleriert werden solange sie „funktionieren“. Wenn sie aber auf sich aufmerksam machen, Menschlichkeit zeigen, uns den Spiegel der Intoleranz vor Augen halten, dann werden sie auf ein Minimum der Akzeptanz reduziert. Und es zeigte sich auch, das der Inhalt und Sinn des Beitrags in keiner Weise von diesen Menschen verstanden werden wollte. Es tut ja auch weh, wenn man den „Guten“ zeigt, dass sie gar nicht so gut sind.

Das war eine Bewegung, die so nicht gewollt war, aber doch zeigt, dass diesbezüglich viel zu tun ist. Ich habe lange überlegt, diese Geschichte hinter dem Artikel einfach so stehen zu lassen. Es ist mir jedoch ein Bedürfnis, für Offenheit anderen gegenüber, bei mir selber und bei anderen – jetzt und künftig – zu werben.