Was machen die mit uns? IrREGELeitet …

Um es gleich vorwegzusagen: Regeln sind Regeln und sollten befolgt werden. Wenn sie Sinn machen. Machen sie nach unserer Auffassung keinen Sinn, darf man sie infrage stellen und diskutieren, aber bis zur potenziellen Änderung gelten sie. Sinnvoll ist zurzeit die AHA-Regel – Abstand – Hygiene – Alltagsmaske. Abstand schützt, Hygiene schützt jederzeit. Einzig der Punkt Alltagsmaske kann infrage gestellt werden. Hier kommt es auf die Art der Maske an, der Ort, wo sie aufgesetzt werden soll und wie sie getragen wird. Aber, auch sie kann schützen, und wenn sie nur den Menschen ein sicheres Gefühl gibt. Mit Ausnahme der Corona-Leugner und Verschwörungstheoretiker könnten sich bis hierhin alle einig sein, dass diese Maßnahmen gegen die Verbreitung des Virus helfen. Alles, was darüber hinaus geht, beobachte ich immer skeptischer und merke, dass ich anfange, es zu bezweifeln.

Bisher sah ich alles ein und halte mich weitgehend, wenn auch manchmal knurrend an die Regeln. Ich mag die Masken nicht. Sie geben mir das Gefühl, nicht richtig atmen zu können. Oft beschlägt die Brillen, weil ich den korrekten Sitz der Maske nicht hinbekomme. Häufig reiße ich mir das Hörgerät aus dem Ohr, weil das Gummi der Maske sich verheddert. Trotzdem wird sie immer selbstverständlicher, im Bus und beim Einkaufen, und gibt mir den guten Eindruck, etwas Richtiges zu tun. Die Berliner Verordnung, dass Masken auch in den Büros getragen werden müssen, habe ich von Anfang an abgelehnt. Wer, wenn nicht der Arbeitgeber selber hat das höchste Interesse daran, dass seine Belegschaft gesund und arbeitsfähig bleibt. Die getroffenen Vorgaben im Büro meines Arbeitgebers fand ich sinnvoll und umsetzbar. Hier denke ich, muss jede Bürogemeinschaft nach eigenem Ermessen und räumlichen Gegebenheiten entscheiden, was angebracht ist. In den Büros sollte das Hausrecht und nicht die Politik den Ton angeben.

Mein Lieblingsthema zum Aufregen sind die Beherbergungs-Verbote. Wir hatten uns das beste Bundesland dafür ausgesucht. Mecklenburg-Vorpommern. Den geplanten Urlaub vom Mai 2020 verschoben wir in den Oktober. Den haben wir jetzt, Verordnung sei dank – storniert. Nein, es ist nicht möglich, dass ein gesundes Ehepaar aus Berlin-Lichterfelde 10 Tage in eine Ferienwohnung an der Ostsee geht, um dort ein bisschen Luft am Meer zu holen. Wir müssten (Anreise Montag) einen maximal 48 Stunden alten negativen Test vorweisen und dürften dennoch 5 der 10 Tage Urlaub in Quarantäne sitzen, sofern ein zweiter Test negativ ausfällt. Oder ohne Test 14 Tage freiwillig in Quarantäne gehen und 10 Tage Urlaub auf diese Weise verlängern. Dann hätten wir das Meer nicht gesehen, aber den Urlaub in Mecklenburg verbracht. Hört sich komisch an? Ist es auch. Eine Bekannte wohnt fünf Kilometer weiter in Brandenburg und macht Urlaub in Mecklenburg. Und schon können wir in den Nachrichtenportalen lesen, dass Schwerin gemerkt hat, dass der Tourismus (und seine Einnahmen) wegbrechen. Man möchte auflockern und ein Gericht wird in der nächsten Woche die Rechtmäßigkeit der Maßnahme prüfen. Nutzt uns nichts mehr. Brandenburger, Berufspendler, Familienangehörige, Mediziner, Polizisten, Politiker … dürfen nach Mecklenburg … die haben sicherlich weniger Corona.

Urlaub im Ausland ist möglich, sofern man den Dschungel der unterschiedlichen Gebote und Verbote versteht. Reisen im eigenen Land wird zur Lachnummer, denn jedes Bundesland hat eigene Vorstellungen und Regeln. Immer vorausgesetzt, dass Berufspendler etc. reisen und sich bewegen dürfen. Eine bundeseinheitliche Regelung wurde nicht möglich. Es drängt sich schwer der Verdacht auf, dass es schon eine Weile nicht mehr um die Sache selbst geht. Eher darum, dass die Politik zeigen kann, wer hier der starke Mann oder Frau ist. Ministerpräsidenten demonstrieren Härte und Macht gegen den Bund und rücken nicht von dem Beherbergungs-Verbot ab, um dann von den Gerichten ausgehebelt zu werden. Genauso beispielsweise die Sperrstunde in Berlin. 11 Gastronomen hatten geklagt und recht bekommen. In Hamburg wird die Sperrstunde dafür aktuell eingeführt. Kein Mensch behält den Überblick und jedes Bundesland macht, wie es möchte. Nur – Gebote und Verbote gehören in unserer Demokratie in die Parlamente und nicht in die Chefsessel der Minister und Ministerpräsidenten. Und jetzt sage keiner, dass dafür die Zeit gefehlt hätte.

Ich frage mich immer öfter, ob hier nicht mit der Angst der Menschen Wahlkampf 2021 getrieben wird. Der Bund, sieben Landtage und das Berliner Abgeordnetenhaus bringen ihre Kandidaten in Stellung. Wer will da nicht als der starke Mann oder Frau aus der Krise herausgehen? Im Moment begegnen uns Aktionismus und Zahlenattacken. Jeden Tag gibt es neue Regeln, jeden Morgen neue Zahlen, jeden Abend noch höhere Zahlen. Dazwischen Berichte von Virologen, die alle die Apokalypse versprechen und dafür, dass sie ihre Arbeit tun, mit Bundesverdienstkreuz und Medienpreisen belohnt werden. Ärzte, die direkt mit den betroffenen Patienten arbeiten, bekommen kaum Gehör. Kritiker bekommen gerne die Ecke der Ungläubigen zugewiesen. Besonnenheit hat seit Monaten in den Medien und der Politik keinen Stellenwert mehr. …  Und dann lese ich, dass die Große Koalition jetzt im Oktober 2020 schon eine Eingabe in den Bundestag vorbereitet. Dem Gesundheitsminister sollen die Sonderrechte zum Schutz der Bevölkerung über den 31. März 2021 hinaus verlängert werden. Wie war das mit der parlamentarischen Demokratie? Macht Hoffnung … stimmt mich sehr positiv!

Wen wir in diesem ganzen Spiel vergessen, ist der Mensch. Ich möchte nicht an die Zahlen denken, die wir in ein paar Jahren zur Coronakrise veröffentlichen werden. Um wie viel Prozent die Zahl der Kinderschutzfälle gestiegen ist, die Zahl der Insolvenzen, die Zahl der psychischen Erkrankungen älterer und junger Menschen, Jugendliche, die keine Lehrstellen antreten konnten, Studenten, die ein/zwei Jahre verloren haben, Menschen, die starben, weil Operationen und Untersuchungen nicht rechtzeitig stattfanden, Familien, die Trennungen erlebten, weil sie das Existenzminimum nicht erreichen konnten, Menschen, die Verluste jeglicher Art alleine verkraften mussten, weil sie alleine gelassen wurden und vieles mehr.

Wir müssen anders denken lernen. Es müssen nicht neue Verordnungen her, die unser Leben einschränken und verhindern. Wir brauchen Konzepte, wie wir mit dem Virus unser Leben unter geänderten Bedingungen aufrecht erhalten können. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Er braucht Kontakt, Gespräche, Mimik und Berührungen und – andere Menschen. Hat er das nicht, verkümmert er. Mehr als je zuvor muss die Politik begreifen, dass soziale Träger und Einrichtungen diejenigen sind, die im Moment immer mehr gefordert werden und politisch unterstützt werden müssen. Genauso alle, die in künstlerischen Berufen arbeiten und dringend gebraucht werden, um den Menschen ein bisschen Freude zu bringen. Zu Beginn des Lockdowns gab es viele Solidargemeinschaften und gute, positive Ideen, die Zeit mit der Pandemie gemeinschaftlich zu bewältigen. Ich bin weit davon entfernt, den Virus klein zu reden, aber sehr dafür, dass besonders EINE neue Regel heißen muss, dass nicht die Politiker + Virologen, die Zahlen, die Ge- und Verbote, im Fokus stehen, sondern einzig und alleine der Mensch und seine Möglichkeit gut und sinnvoll das Leben mit dem Virus weiter zu gestalten. Gebt den Menschen stimmige Regeln, Perspektiven und die Lebensfreude zurück.

Das kleine Wörtchen Dankbarkeit …

Es ist Muttertag und wie immer gibt es drei Standpunkte. Die einen, die die Gelegenheit nutzen, der Mutter Danke zu sagen, weil sie es im Alltag oft vergessen und weil man es halt so macht. Die Zweiten, die die Chance ergreifen, um von Herzen ihre Wertschätzung auszudrücken. Schließlich noch die dritte Fraktion, die Muttertag für ein Relikt aus ungeliebten Zeiten, oder vielmehr für ein vom Kommerz gemachtes Fest halten. Es spielt hier keine Rolle, zu wem man gehört. Was mir oft an dem Tag passiert, sind kleine Nachrichten von anderen Müttern. WhatsApp meldet sich: „Guten Morgen liebe Anna, alles Liebe zum Muttertag. Lass uns dankbar sein, dass wir Mamas sein dürfen!“ Da ist es wieder: Das kleine Wörtchen „Dankbarkeit“, über das ich sehr oft in den letzten Tagen nachgrübele.

Seit Wochen bin ich zuhause, öfter alleine und habe viel Gelegenheit darüber nachzudenken. Es ist keine leichte Zeit für uns alle. Die Pandemie hat unser aller Leben zum Stillstand gebracht. Eine Zeit lang jedenfalls. Für mich war es ok. Ich gehöre zur Risikogruppe. Ich fühlte mich die ganze Zeit sicher und beschützt. Es gab auch nichts zu klagen. Wir haben es gut. Genug Platz zuhause, genug zu essen, Dinge, die uns beschäftigen, einen Garten, Möglichkeiten uns aus dem Weg zu gehen. Wir können trotzdem weiter arbeiten. Die Gehälter kommen pünktlich und in voller Höhe. Wir haben keine kleinen Kinder mehr zu versorgen. Ach ja, ganz wichtig, das WC-Papier geht uns nicht aus – ohne Hamsterkauf. Anderen ergeht es schlimmer. Mir ist bewusst, dass andere weitaus schwierigere Situationen zu bewältigen haben. Dennoch habe ich den Eindruck, dass die Menschen mit jeder Lockerung der Pandemie-Regelungen unzufriedener werden.

Niemand wird je mit Sicherheit sagen können, ob alle Maßnahmen gerechtfertigt oder überzogen waren. Fakt ist, unsere Krankenhäuser haben keinen Kollaps erlebt, unsere Sterberate ist eine der niedrigsten der Welt und schließlich wird viel getan, um wirtschaftlich zu unterstützen. Ich mag dabei nicht über die Grenzen anderer Länder sehen, wo es sehr viel anders aussieht. Sicherlich sind einige Fehler passiert. Doch wer konnte je schon so ein Szenario proben. In diesen Tagen möchte ich kein Entscheidungsträger sein. Statt Dankbarkeit zu zeigen oder einfach ruhig zu bleiben, mehren sich die Nachrichten von Protesten. Gegen die Auflagen des Abstandhaltens, der Hygiene, des Ausgangs, der Wiederöffnungen und vieles mehr. Verschwörungstheorien werden geboren, bei denen man sich einfach nur noch fragen kann, ob die Leute alle Tassen im Schrank haben. Die Demokratie sei gefährdet und die Grundrechte sollen untergraben werden. Natürlich auch wieder die Rechten, die die Gunst der Stunde nutzen, Verschwörungsexperten und eine Menge Leute, denen langweilig ist. Hinterfragen ist unmodern. So viele Aluhüte können gar nicht gebastelt werden, um die Leute wieder auf den Boden zu bringen.

Aber es ist auch eine andere Dankbarkeit, die immer mehr zu vermissen ist. Sie ist persönlich und steht in engem Zusammenhang mit Zufriedenheit. Damit anderen etwas gönnen können, sich an Kleinigkeiten zu freuen und mit gegenseitiger Wertschätzung. Ich habe zuweilen den Eindruck, dass die Menschen sich verändert haben. Wir Älteren sagen gerne entweder: „Früher war alles viel besser.“ oder: „Ihr solltet es einmal besser haben! “. Der erste Satz ist das ständige Klagelied vergangene Zeit zu glorifizieren und sich mit Unbekanntem nicht arrangieren wollen, vielmehr Neues zu kritisieren. Der zweite Ausspruch ist der Wunsch der älteren Generation, dass die Zukunft der Nachkommenschaft gesichert ist. Aber eher ist er ein unterschwelliger Vorwurf, wenn der Nachwuchs nicht gehorchen mag und die Andeutung, dass man selber es ja nicht so gut hatte. Beide Sätze passen in die Zeit nach dem letzten Weltkrieg, vor dem tatsächlich sehr vieles besser war (oder auch nicht) und es nicht viel dazu gehörte, es leichter zu haben als eben in jenen Tagen.

Heute frage ich mich oft, was unsere Nachkommen einmal besser haben sollen? Oder wo wir uns selber noch steigern sollen. Dabei beschränke ich mich auf dieses Land. Was wollen wir mit unseren Luxusbestrebungen noch erreichen, wie groß darf der Fernseher werden, wie dick darf der Reisekatalog in die Welt sein. Wir leben auf einem dermaßen hohen Niveau, dass kaum mehr zu toppen ist. Auf Kosten der Umwelt und der Außenwelt, die wir tunlichst von unserem Luxus ausschließen möchten. Man muss bewahren, was einem lieb und teuer ist!

Immer höher, weiter, schneller geht irgendwann nicht mehr, aber mit dem Status quo zufrieden zu sein, ist für die meisten Menschen nicht leicht. Dabei ist es so angenehm, einem anderen sagen zu können, dass sein Kleid, die Frisur oder sein Bild gefällt. Es ist schön, die Leistung anderer zu sehen und wertschätzen zu können. Genauso wie wir genießen ein Lob des Partners, der Freundin, des Chefs zu bekommen. Zu sehen, dass jemand bemerkt hat, dass ich mir mit etwas besondere Mühe gegeben habe. Oder nur Einfachmal zwischendurch gesagt zu bekommen, dass man für jemanden wichtig ist.

Auch materiell mit dem zufrieden sein, was man hat, kann sehr entspannend sein. Ich muss nicht die neusten Markenklamotten, das teuerste Parfüm und den angesagtesten Schmuck haben, um persönliche Zufriedenheit zu spüren. Es ist gut, einen realistischen Blick zu wahren, was tatsächlich lebensnotwendig ist oder was Luxus ist. Natürlich möchten sich Jüngere eine Existenz aufbauen und vorteilhaft ist, wenn sie dabei nicht auf verlockende Ratenzahlungsangebote hereinfallen. Es war doch eine spannende Zeit als der improvisierte Haushalt sich immer weiter in eine komplette Wohnungsausstattung entwickelte. Nichts muss von Anfang an perfekt sein.

Ich habe so viele Dinge, für die ich dankbar sein und die ich wertschätzen kann. Habe um mich Menschen, die ich begleiten und bewundern kann. Ich darf kleine Situationen erleben, an denen ich mich lang erfreuen kann. Ich kann im Großen und Ganzen tun, was ich will, sagen, was ich will, mich bewegen, wie ich will. Ich darf sogar dankbar sein, schon zu den Senioren zugehören, mit allen Zipperlein des Alters, die ich natürlich zähneknirschend annehme. Aber mir dafür die Laune zu verderben? Was ich erlebt habe, war in der Summe zu wertvoll.

Die kleinen Wörtchen Dankbarkeit, Zufriedenheit, Gönnen sind kein Bild nach außen, sondern ein Eindruck, wie ich mit meiner Persönlichkeit umgehe, was ich für ein Mensch bin. Natürlich darf ich Dinge hinterfragen, kritisch betrachten, bessere Lösungen anstreben und mich klar positionieren. Entspannter lebt es sich, mit dem Gegebenen und Erreichten zufrieden zu sein und das zu pflegen. Vieles ist heutzutage besser, als es je zuvor gewesen ist, aber – anders halt!