Das Gespräch zwischen Jung und Alt

Foto: Günther Kloppert

Foto: Günther Kloppert

An einem See steht eine Bank, drumherum liegen grüne Wiesen und ein Wäldchen in der Nähe. Dahinter ein Tennisplatz, von dem immer wieder die gleichen Geräusche zu hören sind – plog, plog, … plog. Etwas weiter entfernt spaziert ein Pärchen mit einem Hund, dem sie Stöcke zuwerfen und auf dem See schwimmt eine junge Entenfamilie. Es ist später Nachmittag und die Luft noch mild.

Auf der Bank sitzt ein alter Mann. Er denkt über eine Begebenheit nach, die er gerade erlebt hat und die ihm sehr nahe geht. Was um ihn herum passiert bekommt er eigentlich nicht mit. So vergeht eine Weile bis ein zweiter Mann, ein jüngerer, kommt und sich neben ihn auf die Bank setzt. Natürlich mit einem kleinen Abstand, nur nicht zu nah. Sie sprechen nicht, bemerken einander kaum und grübeln. Von weitem ist eine Radfahrerin zu sehen und das Pärchen mit dem Hund verschwindet aus dem Blickfeld. Sonst passiert nichts außer dem Geräusch vom Tennisplatz.

„Warum haben sie das gesagt?“, fragt der junge Mann mit einem Mal laut, grübelt und sagt nichts weiter. – Der Ältere stutzt und überlegt: Tja, warum haben sie das gesagt. Es soll ein Fest geben, aber sie wollen ihn nicht mehr dabei haben. Er sei zu alt und es wäre zu anstrengend für ihn. Wann ist man zu alt um nicht mehr dabei sein zu können? Wann ist man zu alt um nicht mal zu den Gesprächen etwas beizutragen zu können? – Der junge Mann denkt über seine Situation nach, die er erlebt hatte und die auch seine Gedankenwelt durcheinander brachte. Er bekam zu hören, er sei zu jung. Die anderen wollten eine Aktion planen, aber er könne noch nicht mithelfen. Er hätte noch keine Erfahrung mit so etwas und könne nicht mitreden. – Beide können nicht verstehen, dass sie bei etwas nicht dabei sein sollen, weil sie entweder zu jung oder zu alt sind.

„Wieso tun sie das nur“, fragt nun der alte Mann laut. Und der Junge überlegt, dass das eigentlich seine Frage ist und sagt: „Das frag´ ich mich auch gerade.“ – Wieso tun sie so etwas einfach und merken nicht, wie es ihn verletzt. Er wollte doch zeigen, dass er sich vorbereitet hat und durchaus etwas zu sagen hätte. Dass er neue Ideen entworfen hatte, die das Ganze bereichert hätten. Der Alte nimmt kaum wahr, was der andere gesagt hatte, kämpft mit sich und den Gefühlen, weil auch er nicht versteht, wie man einem anderen so weh tun kann. Er könnte noch so viele Geschichten und Erinnerungen erzählen, die sie doch gar nicht kennen.

„Warum sind sie so?“, sagt jetzt der Junge, der die anderen doch eigentlich sehr mochte. Sie als Vorbilder sah, sich bewähren wollte, sein wollte wie sie. Hatte er sich doch getäuscht und sie für mehr gehalten als sie eigentlich sind? – „Ja, warum sind sie so geworden“, sagt der Alte, und glaubt, dass sie früher nicht so waren. Kommt es ihm so vor, weil er alt ist oder waren sie immer schon so? Beide kommen sich mit einem Mal so alleine und ausgeschlossen vor.

„Was soll ich denn nun tun“, überlegt dann der alte Mann laut. Der Junge schaut ihn kurz von der Seite an und sagt: „Gute Frage, alter Mann.“ Und wieder verharren beide in ihren Gedanken. Man hört nichts als die eintönigen Geräusche vom Tennisplatz … das Spiel müsste bald zu Ende sei. Zwei junge Frauen laufen vorbei, grüßen kurz „Guten Abend!“ und laufen schwatzend weiter. Eine zweite Entenfamilie schwimmt über den See. Die Sonne senkt sich langsam hinter den Bäumen ab.

„Und wo liegt jetzt die Lösung, verdammt“, schimpft der Junge. Er will einfach nicht glauben, dass dies das Ende seiner Pläne sein soll. Er hatte so gute Einfälle, so einen Elan und so eine Lust sich dafür stark zu machen. „Verdammt“, sagt der Alte, „da hast du recht … wo ist die Lösung? Das kann doch nicht alles gewesen sein.“ – Er kann nicht mehr springen, nicht mehr rennen, keine Bäume rauf klettern. Aber er kann denken und reden und zuhören und lachen. Beide überlegen was zu tun ist. Der eine, wie er als junger Mann einen Beitrag unter den älteren Erfahrenen leisten kann und der andere, wie er als alter Mann, die Welt der Jüngeren bereichern kann.

„Wer sollte mich denn aufhalten?“, meinte der Alte und seine Augen fangen an zu glänzen. Wieder schaut der Junge ihn von der Seite an, nickt anerkennend und meint: „Wer sollte mich aufhalten? Das ist wohl die richtige Frage.“ Wer sollte sich meinen guten Ideen in den Weg stellen. Ich mach´ weiter, überlege es mir gut und finde einen Weg. Und auch der Alte nickt, mehr für sich selber, doch ein Lächeln erscheint nun in seinem Gesicht. „Es gibt andere“, sagt er, „andere, die durchaus noch hören wollen, was ich zu sagen habe.“

Es ist leise, kein Geräusch kommt mehr vom Tennisplatz, dunkel und kühl wird es nun auch. Die Enten haben sich ins Schilf zurückgezogen. Spaziergänger sind nicht mehr zu sehen. Beide Männer stehen gleichzeitig auf, als ob sie sich abgesprochen hätten. Sie schauen sich kurz an und laufen wortlos in die gleiche Richtung. Als der Weg sich gabelt, schlägt der Junge den anderen Weg ein. Der Alte schaut ihm nach, der Junge dreht sich noch einmal um, schaut auch ihn an und sagt: „Danke – danke für das Gespräch!“ Der alte Mann nickt, lächelt und läuft zufrieden nach Haus.

Sie wissen beide nicht, was der andere erlebt hat. Und es ist auch nicht wichtig. Wichtig ist, sich hin und wieder einmal Gedanken zu machen, wie man mit Menschen umgeht, die nicht dem eigenen Alter entsprechen. Mit den Jüngeren oder mit den Älteren. Wenn wir uns die Zeit nehmen und ihnen genauer zuhören, würden wir sicherlich manches besser verstehen und feststellen, dass die Befindlichkeiten gar nicht so weit auseinander liegen.

Ein Kommentar zu “Das Gespräch zwischen Jung und Alt

  1. Doris Goebel sagt:

    Dieser Beitrag gefällt mir sehr gut.

    „Dafür bist du zu jung – dafür bist du zu alt“.Zwei Sätze die immer und immer wieder ausgesprochen werden. Im Grunde oft ohne wirklich darüber nach zu denken.

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