Langeweile zum Guten nutzen

Ilka Biermann im Gespräch mit dem Geschäftsführer des Sozialverband VdK Berlin-Brandenburg, Klaus Sprenger

Ilka Biermann im Gespräch mit dem Geschäftsführer des Sozialverband VdK Berlin-Brandenburg, Klaus Sprenger

Als ich sie fragte, ob ihr je langweilig sei, antwortet sie „Ja!“ … ich stockte und staunte. Mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet. Es war nicht meine erste Frage und wer Ilka Biermann eine Weile zuhört, ist der festen Überzeugung, dass dieser Frau nie langweilig sein kann. Sie löst mein Erstaunen auf: Langeweile haben, bedeutet Zeit haben und das sei für sie positiv besetzt. Hat sie Zeit, kann sie in kreative Prozesse einsteigen und damit etwas bewegen. Ihre Aufklärung überzeugt sofort und ich nehme mir vor, über diese unerwartete Erkenntnis zu reflektieren. Es ist nicht die einzige Antwort, über die ich staune. Schon ihr früherer Arbeitskollege Reiner Hoffmann bescheinigte ihr, der Zeit immer ein Stück voraus zu sein.

Ilka Biermann ist in Steglitz-Zehlendorf ganz besonders durch ihre Arbeit im Jugendamt Steglitz-Zehlendorf bekannt. 21 Jahre lang leitete sie das Jugendamt und ging im November 2012 in Pension. 21 Jahre, in denen sie dieses Amt durch Fusionierung der Bezirke und zahlreiche Neuerungen der Schulsozialarbeit, Sozialraumorientierung sowie Jugendhilfe führte. Wer sie als aktive Amtsleiterin kannte, dem war klar, dass es auch nach der Pensionierung keinen Stillstand mit ihr geben würde. Die Seniorenvertretung hatte unter anderem das Glück, auch künftig mit ihrem Engagement rechnen zu dürfen. Dort setzte sie sich bis zu diesem Jahr insbesondere in den generationsübergreifenden Bereichen ein, für die gerade sie ob ihrer früheren Tätigkeit prädestiniert war.

Aus einer aktiven Familie kommend wurde ehrenamtliches Engagement für Ilka Biermann Bestandteil ihres gesellschaftlichen Lebens. Die Mutter war im kirchlichen Frauenbund aktiv, der Vater Karnevalist, wodurch Gemeinschaft und Solidarität wichtige Bestandteile der Erziehung waren. Sozialistisch schon durch den Großvater geprägt, setze sie alle vorgelebten Ideale um – auf ihre Weise. Neben der  AG 60+ oder der AG QueerSozis sind auch die Organisation politischer Tagesfahrten ihrem Engagement zuzurechnen, das damit noch lange nicht erschöpft ist. Sie sagt von sich selber, dass sie immer offen ist, neue Ideen aufzunehmen, zu entwickeln und sich von vielem begeistern lässt. Fesselt sie eine Idee, muss sie eher Obacht geben, nicht zu sehr vorzupreschen.

So findet man sie im Verwaltungsrat der BARMER GEK. Dieses oberste Beschlussgremium der Krankenkasse setzt sich ausschließlich aus ehrenamtlichen Versicherten zusammen. In ihrem dort hinterlegten Porträt finden wir den Biermann prägenden Satz: „Man kann immer etwas für andere tun – auch im Ruhestand!“ Sie ist externe Beraterin einer integrierten Gesamtschule und unterstützt als Partnerin ein Mehrgenerationenhaus und eine Freizeiteinrichtung. Überall dort, wo Generationen zusammenkommen oder Kinder- und Jugendarbeit zum Tragen kommt, kann man ihr Engagement erwarten. Die studierte Psychologin kombiniert geschickt Profession, Berufserfahrung und eigenes Interesse, um mitgestalten zu können und die Qualität der Versorgung Hilfebedürftiger zu verändern.

Es wundert nicht weiter, dass auch der VdK auf das Engagement von Ilka Biermann zählen darf. Der Verbandsname „VdK“ war ursprünglich eine Abkürzung: Gegründet wurde der Sozialverband VdK Deutschland im Jahr 1950 unter dem Namen „Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands e. V.“. In den vergangenen 60 Jahren hat der Verband sich vom ehemaligen Kriegsopferverband zum großen, modernen Sozialverband entwickelt. Heute heißt der Verband offiziell Sozialverband VdK Deutschland
e. V. Innerhalb dieses Verbandes ist Ilka Biermann gleich auf mehreren Ebenen aktiv. Den Kreisverband Steglitz-Zehlendorf unterstützt sie als Beisitzerin für die Öffentlichkeitsarbeit und den Landesverband Berlin-Brandenburg u.a. als stellvertretende Vorsitzende. Innerhalb des Verbandes arbeitet sie noch als Gesellschafterin für tandem BQG und die Ki.D.T. Kinder- und Jugendambulanz, beides Tochtergesellschaften des VdK.

Spätestens jetzt stellt sich sicherlich der ein oder andere die Frage, wann sie das alles trotz Ruhestand eigentlich macht. Ilka Biermann lacht dazu und sagt, dass alles mit der Zeit gewachsen ist. Zum VdK kam sie auf die Bitte eines Freundes und in der Art ergab sich einfach Vieles auf ihrem Weg. Sie möchte bewegen, gesellschaftlich verändern und vielleicht auch manchem in ihrem Engagement Vorbild sein. Zeigen, dass jeder auf seine Weise etwas für die Gesellschaft tun kann. Hier frage ich mich insgeheim erneut, wann Ilka Biermann Zeit hat um Langeweile zu haben. Bevor ich mir diese Frage beantworten kann, erzählt sie mir weiter, wie gerne sie in Konzerte, ins Theater oder Kabarett geht, gemeinschaftliches Kochen und Essen liebt, aber auch gerne einmal alleine ist. Ilka Biermann fasziniert und langweilig wird es mit ihr auf keinem Fall!

szs_mittelpunkt_september-2016_titelEin Beitrag aus dem Magazin „Im Mittelpunkt“ September/Oktober 2016 mit dem Leitthema „Bürgerschaftliches Engagement“
Das ganze Magazin als eBook oder interaktives Pdf kann man hier herunterladen.

5 Kommentare zu “Langeweile zum Guten nutzen

  1. Flowermaid sagt:

    … ’nett interessiert‘ passt weder zu deiner Portraitierten noch zu dir Anna… *lächel*

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  2. Anna-Lena sagt:

    Ich sage immer „Langeweile“ kommt in meinem Vokabular nicht vor, aber du belehrst uns eines Besseren.
    Wieder ein tolles Portrait einer Frau, der man den Ruhestand nicht ansieht und die ihre Zeit gut füllen kann, alle Achtung!!!

    Liebe Grüße zum Abend,
    Anna-Lena

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    • Liebe Anna-Lena, ganz ehrlich … ich behaupte lebenslang Langeweile nicht zu kennen. Die Frau belehrte mich eines besseren und ich übe tatsächlich etwas ruhiger zu treten … aber – das ist eine wirklich schwere Übung! Den richtigem Trick suche ich noch – diese Frau ist wirklich bemerkenswert – liebe Grüße von Anna

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      • Anna-Lena sagt:

        Obwohl ich nicht mehr arbeite, bin ich rundum beschäftigt. Natürlich habe ich mehr Ruhe, aber in den letzten Jahren ist so viel liegen geblieben.. Vielleicht trete ich im nächsten Jahr mal kürzer, obwohl ich nicht der Mensch dafür bin. Ich glaube eher, das Alter lässt uns zwangsläufig mal ruhiger treten.

        Liebe Grüße auch zu dir,
        Anna-Lena

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        • Nimm mir nicht die Illusionen – was meinst du, was für Projekte ich alles schon für meine Rentenzeit ausgedacht habe! 😉 Ich bin in vielerlei Hinsicht durch’s Alter gelassener, aber eben nicht weniger beschäftigt oder sagen wir nett interessiert!

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