Früher war alles viel besser!

Foto: © S.Kobold - Fotolia.com

Foto: © S.Kobold – Fotolia.com

Es gibt Sätze, die sind so nützlich wie ein Kühlschrank in der Antarktis oder wie ein Solarium in der Sahara. Generationen von Kindern und Jugendlichen regen sich über sie auf oder lassen sie mit stoischer Gelassenheit über sich ergehen, um sie dann Jahre später ihrem eigenen  Nachwuchs zu präsentieren. Nämlich immer dann, wenn man nicht weiter weiß oder eben keine Lust hat mit den Jüngeren zu diskutieren.

„So lange du deine Füße unter meinen Tisch stellst …“, „Muss ich dir alles dreimal sagen.“, „Als ich in deinem Alter war … “ sind solche Sätze. Und trotz aller moderner Erziehungsmethoden, denn wir wollen ja heute unserem Nachwuchs auf Augenhöhe begegnen, muss der ehrliche Erziehungsberechtigte zugeben, dass er diese Sätze so oder in ähnlicher Form schon verwendet hat. Immer dann, wenn der Nachwuchs unbequem wird, einem die eigenen Argumente ausgehen oder man einfach zu müde ist den pfiffigen Kleinen schlagfertig zu begegnen.

Ein anderes Beispiel: Ich gehe mit meinem Hund spazieren. Mein Hund hat heute besonders gute Laune und hüpft auf den nächsten Jogger zu, um zu signalisieren, dass er das Spiel versteht. Der Jogger aber nicht und mein schnell gerufenes „Der tut nichts!“ ist bei einem Hund von 40 cm Schulterhöhe weder beruhigend noch hilfreich oder nützlich. Es ist grottenunnötig und hilft weder dem armen Jogger, noch beruhigt es meinen Hund.

Aber es gibt noch so einen Satz. Der ist alters- und situationsunabhängig und für mich der schlimmste Satz, den man in einem Gespräch äußern kann. „Früher war alles viel besser!“ Bei diesem Satz friert in mir alles ein und ich könnte Ausschlag bekommen. Er tötet sämtliche kommunikativen Zellen in mir und lässt mich in einer Schockstarre verharren, aus der ich mich nur schwer lösen kann. „Früher war alles viel besser“ ist nicht nur grottenunnötig, sondern einfach komplett unwahr!

„Früher war alles viel besser!“ ist für mich das deutlichste Zeichen, dass mein Gegenüber vollkommen frustriert ist. Aber nicht nur das. Es signalisiert ebenso, dass er keine Lust hat mit der aktuellen Zeit mitzugehen, die Zeichen und Entwicklungen der Gegenwart versteht oder Lust hat sich damit auseinanderzusetzen. Früher war nichts besser, es war alles nur anders. Früher hatten wir Krieg – das kann keiner für besser halten. Früher hatten wir Leibeigenschaft – wünscht sich nicht wirklich jemand, oder? Früher hatten wir keine Möglichkeit, zu erfahren, was in der Welt los ist – muss recht langweilig gewesen sein. Früher hatten wir medizinische Methoden, bei denen mir schlecht wird, wenn ich daran denke – auch nicht erstrebenswert. Früher kam auf den Tisch, was der Garten zu bieten hatte – keine Bananen, Kiwis, Paprika, Kartoffeln, exotische Gewürze. Endlos, die Liste der Dinge, die früher nicht besser waren.

Besonders heftig wird mein Ausschlag bei diesem Satz, wenn er in Bezug auf die heutige Jugend geäußert wird. „Die Jugendlichen von früher …“, fängt er dann meistens an. Nein, die waren auch nicht viel besser. Die waren genauso, wie die Jugend von heute – frei, neugierig und von einem immensem Drang besessen, sich von den Älteren abzugrenzen. Heute wie damals. Nur kannten die Jugendlichen in der beginnenden Beatleszeit noch keine Handys, hatten keine Möglichkeit sich über das Internet ihre Musik anzuhören oder im Fernsehen Lieblingsfilme dreimal hintereinander anzusehen. Was hätten die Beatles oder ABBA wohl für „Like“-Zahlen oder YouTube-Klicks zustande gebracht.

„Früher war alles viel besser!“ ist für mich der hilflose Versuch, sich Respekt zu verschaffen, weil man ja eine gewisse Altersweisheit oder einen Erfahrungsvorsprung simuliert. In Wirklichkeit zeigt er mir aber die Unlust meines Gegenübers, sich mit der aktuellen Situation auseinanderzusetzen bzw. eine Zukunftsperspektive aufzubauen. Es stellt die vergebliche Mühe dar, sich in eine vergangene Wunschwelt zu flüchten, die bei näherem Hinsehen gar nicht so erstrebenswert wäre. Denn eins bleibt für immer unbestritten …

„Wir können die Zeit nicht zurückdrehen!“ – Ja … noch so ein Satz. Nein, können wir nicht, aber immerhin zeigt er, wenn auch widerwillig, die Bereitschaft meines Gegenübers sich mit dem Hier und Jetzt auseinander zu setzten. Wenn’s denn sein muss.

Früher habe ich mich über diese leeren Sätze einfach nur geärgert und nicht darüber geschrieben und mir Luft gemacht. Das war auch nicht viel besser. Aber auch ich kann die Zeit nicht zurückdrehen und beobachte weiter, wo mir solche leeren Sätze noch so begegnen. Immer mit einem schmunzelnden Auge, denn manchmal, ja manchmal bin ich auch zu faul, mich ihrer nicht zu bedienen. 🙂

10 Kommentare zu “Früher war alles viel besser!

  1. Hach…aber damals als die Mark noch war… Und die Augenringe am Morgen noch nicht mit einem Glätteeisen täglich gebügelt werden müssen….. Ganz unfrustriert, da war wirklich vieles besser 😀

    Like

  2. merlanne sagt:

    Hallo,
    ich bin froh, dass ich heute auf Dein Blog gestossen bin, denn Deine Gedanken und Texte gefallen mir sehr gut. Den Satz „Früher war alles besser…“ habe ich immer gehasst und jetzt, wo ich auch schon von „früher“ sprechen kann, versuche ich tunlichst diesen „Quatsch“ zu vermeiden. Wir sollten öfter erst mal überlegen, was wir so von uns geben und solche Sätze in Frage stellen. Na ja, und Dein Beispiel vom Hund und dem Jogger spricht mir aus dem Herzen, denn ich jogge sehr gerne und kann mit „der tut nix“ gar nichts anfangen, wenn der Hund an meinem Bein hängt 😉 .
    Wünsche Dir noch einen schönen Sonntag.
    Claudine

    Like

    • Liebe Merlanne, ich bedanke mich und freue mich sehr über dein Lob! Das tut gut. Und den Gegenbesuch auf deinen Blog habe ich mir auch schon erlaubt – so kann ich das Lob freudig zurück geben. Ich freue mich immer über Blogs mit guten Texten und schönen Bildern! Und ich freue mich, wenn ich ein wenig über dein Land lernen darf. Die Zweisprachigkeit finde ich klasse. 🙂 Liebe Sonntagsgrüße nach Luxemburg!

      Like

  3. FrauFrisch sagt:

    Diesen Unsatz „Früher war alles besser“ scheint mal wohl in jeder Generation gesagt zu haben. Schon als Kind habe ich mir geschworen, ihn nie nie nicht in den Mund zu nehmen. Aber ganz ehrlich: manchmal denke ich diese Floskel auch. Im rüpeligen, krank machenden Straßenverkehr zum Beispiel. Ich denke es nur kurz, dann grause ich mir vor mir selbst und flüchte aus der Situation, die mich das denken ließ. „Jeder nach seiner Facon“, so sagte schon der alte Fritz. Ohne Floskeln abzusondern.

    Was aber sagst du, wenn dein doch nicht ganz so kleiner Hund einen Passanten oder Jogger anspringt? Etwas Entschuldigendes? Nichts? Etwas Beruhigendes? Mein Bär (auch groß, neufundländisch groß) ist manchmal auch übermütig und … ja … und „er tut nichts“. 😉

    Lieber Gruß
    Ele

    Like

    • Ich versuche, ehrlich, mir diesen Satz zu verkneifen und hoffe, dass mein (retriever-großer) Eddi seinen Kuschelhundbonus ausfährt. Zum Glück interessieren ihn ganz selten die Jogger. Unser Problem sind eher die Fußhupen – die haben ihn so oft angebellt, dass er jetzt immer den „Großen“ spielen muss. 😉

      Und “Jeder nach seiner Facon” denke ich oft und würde es manchem Mitbürger gerne auch manchmal kopfschüttelnd sagen … aber – „Des lieben Friedens Willen …“ – Es gibt noch so viele solcher Sätze!

      Like

  4. gordonecco sagt:

    Meine Lieblingssätze sind auch noch „Das haben wir ja noch nie so gemacht“, „Das haben wir schon immer so gemach“ und „Das ist ja eine riesengroße Schweinerei“

    Like

  5. w8screens sagt:

    Wünsche einen schönen Dienstagabend ❤

    Like

Gedanken und Anregungen: